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„Traut euch was zu“ – Familien-Redakteurin macht Ansage an die Papas

Väter sollten sich viel mehr in die Erziehung ihrer Kinder einbringen, findet Family-Redakteurin Bettina Wendland. Aber auch die Mütter sieht sie in der Pflicht.

„Mein Mann lässt mir zum Glück freie Hand.“ Dieser Satz einer Mutter in Bezug auf die Erziehung ihrer Kinder hat mich ziemlich geschockt. Da freut sich eine Mutter darüber, dass sie ihre Ideen unbehelligt von ihrem Mann umsetzen kann. Nur ein Einzelfall?

Eine andere Mutter schreibt in ihrem Blog darüber, dass sie ihre Tochter schon in der Kita angemeldet hatte, aber hin- und hergerissen war, ob das das Richtige sei. Sie schildert ihr Abwägen, Gespräche mit Freundinnen, schlaflose Nächte – ihr Mann (den sie offensichtlich hat) kommt bei diesen Überlegungen nicht vor. Kann natürlich sein, dass er im Blog nicht erwähnt werden möchte. Aber im Mama-Blog-Universum scheint auch nicht so wichtig zu sein, was der Papa meint …

Oft ist Papa nur die Nr. 2

Kürzlich haben wir auf Facebook einen Artikel geteilt, in dem sich ein Vater darüber beklagt, dass seine Tochter lieber von Mama im Kindergarten abgeholt wird. Daraufhin kam es zu einer Diskussion: Ist Mama deshalb bei Kindern die Nummer 1, weil Papa sich aus Unsicherheit oder Bequemlichkeit zurückhält? Oder liegt es an den Müttern, die den Vätern zu wenig zutrauen und meckern, wenn sie etwas anders machen?

Natürlich sind nicht alle Väter, Mütter und Kinder gleich. Aber ich habe den Eindruck, dass oft beides stimmt: Väter lassen sich schnell verunsichern, wenn das Baby oder Kind auf sie nicht genau so begeistert reagiert wie auf die Mama. Aber es ist nun mal so, dass Mama oft Bezugsperson Nr. 1 ist, Papa „nur“ Nr. 2. Sich dann aber zurückzuziehen und Mama machen zu lassen, ist genau die falsche Reaktion. „Jetzt erst recht!“ – das würde ich mir von Vätern wünschen: Jetzt erst recht kuscheln! Jetzt erst recht die Windel wechseln! Jetzt erst recht trösten! Jetzt erst recht vom Kindergarten abholen!

Mütter: Lasst die Väter machen!

Und die Mütter? Die sollten den Vätern auch mal das Feld überlassen. Nicht erst, wenn sie nicht mehr können. Nicht nur dann, wenn Papa es genau so macht wie Mama. Vielleicht muss dann manches intensiver diskutiert werden. Aber auch Papas haben das Recht und die Pflicht, bei Erziehungsfragen mitzuentscheiden! Der Mama freie Hand zu lassen, klingt erst mal gut, ist meines Erachtens aber der falsche Weg!

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und lebt mit ihrer Familie in Bochum.

Es ist nicht alles schlecht: So kommt ein Vater während Corona seinem Sohn näher

Die Coronakrise ist für alle ein Belastungstest. Aber es gibt auch schöne Momente. Beispielsweise, wenn Papa und Sohn Radfahren gehen und Hinkelsteine suchen.

Gerade haben wir gefrühstückt. Eigentlich gibt’s nur samstags Schokoaufstrich. Doch in der Krise gibt’s Nudossi auch mal am Dienstag. Jetzt brüten wir nebeneinander an zwei Schreibtischen. Er an Mathe, ich am Editorial. Joshua strahlt mich von der Seite an: „Papa, du bist ein toller Redakteur!“ Begeistert schiebt er nach: „Könnte ich nicht mal dein Nachfolger werden? Den gaaanzen Tag am PC sein …!“ Kaum im Homeoffice, wird direkt aus dem Homeschooling an meinem Stuhl gesägt!

„Das Corona-Virus spinnt!“, entfährt es meinem Sohn in diesen Tagen öfter. Ja, es geht drunter und drüber. Für manche wird es eng, viel, unübersichtlich, tränenreich, kompliziert, anstrengend. Es muss improvisiert, ausprobiert, gesucht, geredet, vertraut und gewagt werden. Das Virus ist Mist, aber es ist auch Dünger. Für Neues. Für Unentdecktes. Für Vergessenes. Für Solidarität. Für Gemeinschaft. Für Nächstenliebe. Für ungemachte Hausaufgaben. Für Achtsamkeit.

Shutdown Woche 1

In einer Gemeinschaftsaktion befreien wir eine etwas unwirtliche, von Efeu überwucherte Ecke im Garten und graben einen 100 Liter-Wasserbehälter ein. Beim Wandern finden wir in einer fast ausgetrockneten Pfütze Laich. Zahllose Kaulquappen belohnen uns die Lebensrettung und werden zu begeistert gefeierten Haustieren.

Shutdown Woche 2

Über Papas Asterix-Sammlung stößt der Sohn auf Hinkelsteine. Die Meißelversuche im Garten mit einem Nagel schlagen fehl. Papa googelt „Fossilien sammeln“. Er stößt auf Lindlar im Bergischen Land. Im Baumarkt werden für 9 Euro zwei Meißel erstanden. Drei Tage später sind wir als Familie auf dem 6,2 km langen Steinhauerpfad unterwegs. Wunderbare Natur! Bewegung! Frischluft! Allein! Da und dort stemmen wir die alten Grauwacken auf und finden wundervolle Fossilien.

Shutdown Woche 3

Karfreitag. Der Gottesdienst flimmert per Livestream in unser Wohnzimmer. Vor uns stehen Brot und Traubensaft. Der Pastor spricht die Einsetzungsworte zum Abendmahl. Wir reichen uns gegenseitig in der Familie die Gaben weiter. Es ist für die Kids das erste Mal. Mit großer Ernsthaftigkeit sind sie dabei. Als Letzter bekommt der Neunjährige den Kelch. Er nimmt einen Schluck, strahlt in die Runde, setzt ab und bilanziert auf den Geschmack gekommen: „Ok, dann trinke ich den Rest!“

Woche 12

Zum Homeoffice und Homeschooling gesellte sich die Homeclinic. Meniskus-OP. Zwei Wochen nach dem Eingriff wage ich einen kleinen Belastungstest. Gemeinsam geht es mit dem 9-jährigen für 20 Kilometer über ehemaliges Zechengelände. Langsam und vorsichtig strample ich schmerzfrei eine Rampe nach oben. Oben steht schon der Sohnemann. Er strahlt mich an: „Papi, wenn du heute nicht mehr kannst, schiebe ich dich!“

In Corona-Zeiten wird nicht nur geweint, sondern auch gelacht, gespielt und „gezoomt“.

Wenn die Kinder an einem vorbeiziehen

Papa fährt voran – so geht es lange Jahre. Doch plötzlich werden die Söhne immer schneller … Von Joachim Bosch

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Söhne kleine Babys waren und ich der große Papa. Und das änderte sich auch lange, lange Zeit nicht. Sie schauten zu mir auf, versuchten nachzumachen, was ich so trieb, wollten auch groß sein und das können, was ich kann. Mann, tat das gut! Dann wurden die Jungs größer und wollten auch mit dem Fahrrad unterwegs sein. Sie wollten auch mit Werkzeug hantieren, auch einen Computer haben und natürlich auch an ihm herumschrauben – eben alles das, was ich so mache. Und wieder fühlte ich mich als das große Vorbild, als derjenige, an dem sie sich orientieren. Und das tat immer noch sooo gut!

GUTES GEFÜHL
Es kam die Schulzeit. Meine Söhne waren nun immer mehr davon überzeugt, dass sie auch etwas können, das ich nicht kann. Es kam zu ersten Diskussionen über Dinge, über die wir Erwachsenen schmunzeln konnten. Aus diesen Diskussionen ging ich mit wenigen Argumenten als Sieger hervor. Und ich merkte, dass sie immer noch zu mir aufschauten. Jetzt war ich nicht nur der Große und Starke, jetzt war ich auch noch der Schlaue, der so viel weiß. Und ich fühlte mich immer noch sehr gut! Der Wechsel von der Grundschule auf das Gymnasium stand an. Und natürlich war der Wunsch groß, auch mit dem Fahrrad die vier Kilometer in die Schule fahren zu dürfen – so wie es eben Papa seit Jahren vormachte. Nach langem Überlegen entschlossen wir uns, es zu wagen. Aber ich musste dabei sein. Es ging immerhin über zwei Kreuzungen, die nicht ganz ohne sind. Der erste Schultag kam und ich „durfte“ dem Großen zeigen, an welchen Stellen er aufpassen musste, wo es ungefährlich war und wo man die Fahrt so richtig genießen konnte. Das war super, das war cool und ich war der Größte. Ich fühlte mich gut! Zwei Jahre später wechselte unser zweiter Sohn ebenfalls auf die weiterführende Schule, wollte auch mit dem Fahrrad fahren, gleiche Prozedur, gleiches Gefühl!

DAVONGEFAHREN
Die Jahre gingen ins Land. Ab und zu fuhr ich noch mit den Jungs morgens in die Schule. Aber es hatte sich etwas geändert: Hatte ich am Anfang immer wieder auf sie warten müssen, musste ich jetzt immer häufiger schauen, dass ich Schritt halten konnte. Konnte das sein? Wahrscheinlich hatte ich einen schlechten Tag oder meine Tasche war schwerer als ihre – Ausreden waren schnell zur Hand. Aber ich fühlte ich mich an diesen Tagen nicht mehr so gut. Und es wurde langsam zur Regel, dass zumindest unser Ältester mir mit dem Fahrrad davonfuhr. Das tat weh. Das kratzte gewaltig an meinem Selbstbewusstsein und an meinem Ehrgeiz, besser zu sein als die Jungen – schließlich war ich ja sportlich und trainiert (aber eben auch schon über 40). Ich wurde unsicher, frustriert, fühlte mich gedemütigt und alt und nicht mehr gut. Es dauerte sehr lange, bis ich damit klarkam. Und es gab so manchen Rückschlag auf dem Weg zur Gelassenheit und Dankbarkeit. Immer wieder kam es zu Rückschlägen, die gewaltig schmerzten. Es blieb auch nicht aus, dass die absurdesten Entschuldigungen sich in meinem Gehirn breitmachten: „Die Reifen sind nicht richtig aufgepumpt …“ Das Verdrängen – eine Spezialität von uns Männern – drohte zu verhindern, dass ich mich mit den Veränderungen des Älterwerdens auseinandersetzte. So blieb letztendlich das Gefühl, wirklich alt geworden zu sein, nicht mehr leistungsfähig und damit minderwertig zu sein.

MEIN TEMPO
Zum Glück gibt es Freunde im gleichen Alter. Auch sie mussten sich mit diesem Problem auseinandersetzen. Irgendwann kam es zur Sprache. Und jeder von uns merkte, dass wir alt werden. Es tat mir gut zu hören, dass ich nicht allein bin mit meinem Problem. Parallel dazu kamen in den Gesprächen mit meiner Frau meine Minderwertigkeitsgefühle zur Sprache. Sie „wusch“ mir den Kopf. Das Ganze gipfelte in dem Satz: „Wie ich bin, bin ich genug.“ Bei dem Versuch, es mit dem Fahrrad auch mal gemütlich anzugehen, gab es allerdings immer wieder Momente, die wehtaten: Da wurden die Überholer immer jünger. Und die zum Scheitern verurteilten Versuche mitzuhalten wieder häufiger. Schließlich kam ein älterer Schüler unserer Schule, den ich Jahre zuvor noch locker überholen konnte. Er ließ mich einfach stehen. Das war der entscheidende Moment! Die deutliche Niederlage rüttelte mich wach und machte mir spürbar klar, dass es einfach eine Entwicklung der Alterung gibt – und zwar bei allen. Seitdem fahre ich jeden Tag mein Tempo: mal langsam, mal schneller, mal auf der Jagd nach Traktoren oder E-Bikes, mal gemütlich hinter anderen her. Und seitdem fühlt sich das wieder gut an.

Joachim Bosch ist Realschullehrer, seit 25 Jahren verheiratet mit Susanne und hat zwei erwachsene Söhne. Er wohnt in Satteldorf, Kreis Schwäbisch Hall und fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Schule.