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„Glaubt die Zahnfee auch an Gott?“ – Diese Tipps helfen, wenn Kinder Glaubensfragen stellen

Kinder reden ganz unbefangen über Gott und den Glauben. Sie stellen oft lustige, manchmal aber auch herausfordernde Fragen. Die Theologin Gabriele Berger-Faragó gibt Anregungen, wie Eltern darauf reagieren können.

Die Gedanken und Gespräche von Kindern über Gott sind oft lustig, ihre Fragen an uns Erwachsene mitunter anstrengend. Für Eltern mit wenig Bezug zum Glauben ist ein „theologisches“ Gespräch mit Kindern im besten Fall irrelevant, im schlimmsten Fall wird es als Zumutung empfunden. Manche Eltern wollen ihre Kinder nicht beeinflussen, also reden sie lieber gar nicht über das Thema. Oder sie wollen sich aus persönlichen Gründen nicht damit beschäftigen und fühlen sich von den religiösen Fragen ihrer Kinder bedrängt, weshalb sie lieber ausweichen oder das Thema wechseln.

Aber auch für Eltern mit kirchlicher Bindung ist das theologische Gespräch mit Kindern oft eine Herausforderung. Manche meinen, sie müssten die „richtigen“ Antworten auf Glaubensfragen ihrer Kinder wissen und setzen sich dadurch selbst unter Druck.

Vier Themengebiete

Kinder hingegen sind dem Glauben gegenüber völlig unvoreingenommen. Sie stellen Fragen, haben selbst oft interessante Antworten und denken viel über Gott und die Welt nach. Manche ihrer Gedanken lassen uns schmunzeln, andere Fragen sind so tiefgründig, dass wir selbst als Erwachsene lange darüber nachdenken und zu keiner umfassenden Antwort kommen, egal, wie gut wir uns mit Glaube und Theologie auskennen.

Dabei drehen sich die theologischen Fragen und Aussagen von Kindern, wenn man sie näher betrachtet, grob gefasst um vier Themengebiete:

1. Wer und wie ist Gott?

Bei diesem Thema geht es nicht nur darum, wie Gott aussieht, sondern oft um Gottes Allmacht, seine Allwissenheit, sein Schöpfer-Sein und uns als seine Geschöpfe. Kinder empfinden sich nicht nur im Vergleich zu uns Erwachsenen, sondern auch Gott gegenüber als „klein“. Ihnen ist ihre Nicht-Allmacht und ihr Nicht-Wissen oft viel bewusster als uns Erwachsenen. Dabei empfinden sie Gottes Größe jedoch meistens nicht als bedrohlich, sondern als beruhigend und stabilisierend. Es ist erstaunlich, dass selbst völlig religionslos aufwachsende Kinder oft eine innere Ahnung oder ein Gefühl haben: Da ist einer über allem, der unendlich stark ist und der es gut mit mir meint. Das spiegelt sich in ihren Fragen und Gedanken zum Wesen Gottes wider. Das kann beispielsweise so klingen:

Magdalena (5) hüpft auf und ab: „Guck mal, Papa, ich hüpfe ganz doll in Gottes Hand, und ich falle nicht runter!“
Papa: „Nun ja, du hüpfst auf dem Boden.“
Magdalena: „Ja, aber Gott hält die ganze Welt in seiner Hand, also hält er auch mich auf dem Boden.“

Wie geht man mit Fragen über Gott und sein Wesen um? In jedem Fall ist es gut, sein Kind in dem Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu bestärken, das aus dem Glauben an eine große, liebende Macht erwächst. Wie die obigen Fragen zeigen, geben sich Kinder oft selbst die Antworten. Daher ist es besser, nachzufragen: „Was denkst du?“, als vorgefertigte Antworten zu geben.

Achtung vor der Angst

Wenn sich bei Kindern religiöse Ängste zeigen – vor Gott, seiner Allmacht, Allwissenheit oder Ähnlichem –, ist es hilfreich, nachzufragen, welche Vorstellung genau beim Kind herrscht und woher diese kommt. Häufig stellt sich dann heraus, dass Gehörtes missverstanden wurde. Oder dass Dinge kombiniert wurden, die nichts miteinander zu tun haben: Aus einem bösen Monster mit „Zauberkräften“ kombiniert mit Gottes „Allmacht“ kann ein beängstigendes Gottesbild entstehen. Es ist wichtig, diesem frühzeitig auf die Spur zu kommen und es auf liebevolle Weise aufzulösen.
Gleichzeitig ist es sinnvoll, sich selbst offen auf die Fragen nach Gott einzulassen. Kinderfragen bieten die Möglichkeit, verkrustete Denkmuster aufzubrechen und nochmal neu nach dem zu fragen, was man schon längst verstanden zu haben meint. Dabei lässt sich Gott neu entdecken, der viel größer, weiter und unverständlicher ist, als wir manchmal meinen. Egal, wo wir selbst als Eltern glaubensmäßig stehen: Unsere Kinder können uns mit ihren Fragen bereichern, wenn wir uns darauf einlassen und uns mit ihnen gemeinsam auf Spurensuche machen.

2. Woher komme ich und wohin gehe ich?

Hier gilt es, zwischen „biologischen“ und „ontologischen“ Fragen zu unterscheiden. Die „biologischen“ Fragen wollen wissen, wie das Werden und Vergehen rein faktisch funktioniert: Befruchtung, Schwangerschaft, Geburt ebenso wie Sterben, Beerdigung, Zerfall des Körpers. Hier gilt es, Kindern altersgemäße, ehrliche Antworten zu geben, ohne sie zu überfordern. Als Unterstützung für Eltern gibt es hierzu viele Kinderbücher für das jeweilige Alter (siehe Buchtipps). Beispiele für „biologische“ Fragen und Gedanken von Kindern können sein:

Samuel (4): „Wenn man dick ist und stirbt, haben die Ameisen mehr zu fressen, gell?“
Tabea (6): „Mama, trink mal einen Kakao, dann trinkt dein Baby im Bauch auch Kakao, gell? Und wenn es den Kakao wieder rauspieselt, schwimmt es dann im Kakao?“

Kindgerechte Antworten

Die „ontologischen“ Fragen dagegen wollen über das „Sein“ vor und nach dem Tod Auskunft erhalten und fragen nach dem Sinn des Lebens. Kinder formulieren das einfach und konkret, beispielsweise so:

Magdalena (5): „Hat Gott sich selber gemacht? Er hat doch ‚alles, alles, alles gemacht‘ (Liedzitat). Oder?“

Die Antworten müssen ebenfalls kindgerecht sein, ohne jedoch simpel zu werden. Kinder sind durchaus in der Lage, größer und komplexer über das Sein zu denken, als wir oft meinen. Rückfragen, die das Denken der Kinder anregen und zum Finden eigener Antworten herausfordern, sind auch hier oft besser als Erwachsenen-Antworten, und können zu tiefgründigen Erkenntnissen führen, wie der Gesprächsfortgang von obiger Frage zeigt:

Mama: „Was glaubst du? Hat Gott sich selbst gemacht?“
Magdalena: „Ja!“
Mama: „Und wie geht das? Kann man sich selbst machen?“
Magdalena denkt eine Weile stumm nach, dann: „Wir Menschen können uns nicht selbst machen. Aber Gott kann alles. Also kann er sich auch selbst machen.“
Mama: „Du hast echt tiefe Gedanken.“
Magdalena denkt weiter: „Und was war, bevor Gott sich selbst gemacht hat?
Mama: „Ja, gell? Gute Frage!“
Magdalena: „Da war er auch schon da.
Mama: „Und woher kam Gott dann?
Magdalena: „Ja, woher? Schon immer immer da, wie kann das sein? Das kann ich mir nicht vorstellen.“
Mama: „Ja, es ist schwer, Gott zu verstehen oder sich vorzustellen. Darum ist er ja auch Gott.“
Magdalena grübelt, nach einer langen Zeit: „Ich hab’s! Gott war erst ein Nix-Gott, und dann hat er sich selbst zum Gott-Gott gemacht, der dann die Welt gemacht hat. Gell?“

3. Fragen nach dem Unsichtbaren und Sichtbaren

Kinder wollen alles wissen. Für sie ist die Welt so neu, so faszinierend, dass sie nicht zwischen „Immanent“ und „Transzendent“, das heißt zwischen „Materiellem“ und „Über-Irdischem“ trennen. Für sie ist das ganze Leben, das Universum eins. Alles ist denkbar, alles ist möglich. Die Frage nach der Farbe von Pudding und der Farbe von Engelsflügeln macht für sie keinen Unterschied. Daher ist es wichtig, unsere Kinder nicht zu belächeln und von oben herab zu belehren, nicht die immanenten Fragen ernsthaft-wissenschaftlich und die transzendenten Fragen mystisch-märchenhaft zu beantworten, sondern auf sämtliche Fragen ernsthaft, aber doch mit spielerischer Leichtigkeit einzugehen. Theologische Gespräche von Kindern untereinander haben oft diese unverkrampfte Offenheit, wie folgendes Beispiel zeigt:

Magdalena (6): „Kann man Engel sehen? Welche Farbe haben ihre Flügel?“
Tabea (13): „Ich glaube, ihre Flügel können jede Farbe haben. Meistens sind sie unsichtbar.“
Samuel (11): „Manchmal sehen Engel wie Menschen aus und helfen uns.“
Magdalena: „Verkleiden sie sich als Menschen? Wo verstecken sie dann ihre Flügel?“
Samuel: „Nein, nicht verkleidet. Sie machen sich einfach so menschlich. Oder Gott macht das.“
Magdalena: „Ach so, ja. Gott kann alles. Aber hat er dann keine Engel mehr im Himmel?“
Tabea: „Doch, der hat genug Engel für Himmel und Erde. Er hat Heerscharen davon.“
Magdalena: „Ja, er ist ja auch der Herrscher, gell?“

4. Konkrete Wissensfragen, die sich auf die eigene Glaubensgemeinschaft beziehen

Diese Fragen entstehen bei kirchlich geprägten Kindern durch (Kinder-)Gottesdienst und Familienalltag, bei nicht-kirchlich aufwachsenden Kindern durch den Religionsunterricht oder durch Gespräche mit Gleichaltrigen. Solche Fragen oder Aussagen lauten beispielsweise so:

Ali (8), mit islamischem Hintergrund, will mehr über die Pfingstferien in Deutschland wissen: „Was ist Pfingsten? Feiern Christen das auch mit Schokotieren?“

Oder: 

Unsere Familie unterhält sich beim Essen über Gaben, die Gott uns schenkt und die wir zum Wohl unserer Mitmenschen einsetzen können. Als Beispiele nennen wir verschiedene Teams in der Gemeinde, zum Beispiel Küchenteam, Musikteam, Kindergottesdienstteam.

Magdalena (5): „Gibt es auch ein Schlafteam?“

Gemeinsam nach Antworten suchen

Auch bei religiösen Wissensfragen gilt es für Eltern, nicht gleich mit vorgefertigten Antworten zu kommen, sondern erst einmal nachzuhaken, woher die jeweilige Frage kommt und welche Gedanken das Kind selbst dazu hat. Für nichtreligiöse Eltern kann es hilfreich sein, sich ein Religionslexikon anzuschaffen (siehe Buchtipps), um mit dem Kind gemeinsam nach Antworten zu suchen. Gläubige Eltern tun gut daran, ihren Kindern zwar die Gedanken mit auf den Lebensweg zu geben, die ihnen selbst als tragfähig erscheinen, ihnen aber dabei Freiraum zu lassen, eigene Gedanken zu verfolgen.

Toleranz bewahren

Ebenso ist es wichtig, mit Kindern auch offen und tolerant über andere Weltanschauungen zu sprechen, wie folgendes Beispiel zeigt:

Im Chinarestaurant sieht Tabea (10) eine Buddha-Statue und fragt nach deren Bedeutung. Nach der kurzen Erklärung über Buddhismus staunt sie: „Und die glauben an so einen fetten Gott?“
Mama: „Nicht Gott, weiser Lehrer. Du solltest höflicher sein gegenüber dem, was andere glauben.“
Tabea: „Okay, sorry. Trotzdem mag ich Jesus lieber. Der ist dünner und sitzt nicht nur rum.“
Samuel (8): „Besser dick rumsitzen als dünn am Kreuz hängen.“
Tabea: „Stimmt, von außen betrachtet ist unsere Religion auch komisch. Aber ich glaub trotzdem an Jesus.“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es für Kinder meistens gar nicht um die „korrekte“ Antwort geht, sondern darum, dass man sie ernst nimmt und mit ihnen ins Gespräch kommt. Das ist die erleichternde Botschaft sowohl für die „unreligiösen“ als auch für die „religiösen“ Eltern, die alles richtig machen wollen. Wenn man das Theologisieren mit Kindern entspannt als Möglichkeit sieht, die tiefsten Gedanken und Gefühle der Kinder besser zu verstehen und dabei selbst auf neue Ideen und Gedankenwege zu stoßen, kann es richtig großen Spaß machen.

Gabriele Berger-Faragó ist evangelische Theologin, Psychologische Beraterin und Systemische Ehe- und Familientherapeutin in eigener Praxis. Sie wohnt mit ihrer Familie in Heidelberg. Die meisten Zitate stammen von ihren drei Kindern, die mit der Veröffentlichung einverstanden sind. Bei den Zitaten anderer Kinder sind die Namen geändert.

 

Buchtipps

Religionslexika für Kinder:
Monika & Udo Tworuschka: Die Weltreligionen – Kindern erklärt (Gütersloher)
Religionen der Welt. Wieso? Weshalb? Warum? (Ravensburger)

Kinderbuch über Aufklärung, Schwangerschaft, Geburt:
Malcolm & Meryl Doney: Mama, Papa und ich. Wo kommen die kleinen Babys her? (Brunnen)

Bücher zu Tod und Sterben: 
Roland Kachler: Wie ist das mit der Trauer? (Gabriel)
Elke Barber & Anne Jarbis: Kommt Papa gleich wieder? Ein für Kindergarten- und Grundschulkinder verständliches Buch über den plötzlichen Tod eines geliebten Menschen (Mabuse)

Theologie mit Kindern:
Lydia Fischer: Glaube und Gottesvorstellungen von Kindern im Alter von 3-6 Jahren. Theologisieren mit Kindern im Kindergartenalter (Akademiker)
Friedrich Schweitzer: Das Recht des Kindes auf Religion (Gütersloher)

Lernfähig bleiben!

Ich habe mir kürzlich Kleidung second hand gekauft. Hatte ich vorher ewig nicht gemacht. Angeregt dazu hat mich meine Tochter, die ihre wenigen Klamotten möglichst gebraucht oder bio kauft. Und ich hatte nicht nur ein besseres Gewissen dabei, sondern habe auch richtig Geld gespart. Dabei würde ich behaupten, dass ich schon immer ziemlich umweltbewusst gelebt habe. In den  Achtzigern war ich an meiner Schule die „Ökotante“, die mit Birkenstocks und Jutetasche herumlief. Jahrelang bin ich bewusst mit Bus und Bahn zur Arbeit gefahren. Geflogen bin ich nur selten.

Aber nun werde ich von der nachkommenden Generation herausgefordert, noch mehr zu tun, noch bewusster zu leben und auf Liebgewordenes (Coffee to go auf langen Autofahrten) zu verzichten. Ja, manches nervt. Aber manches ist auch richtig gut. Second-Hand-Klamotten zum Beispiel.

Deshalb macht es mich traurig, wenn ich wahrnehme, dass es oft die Menschen meiner Generation sind, die sich über die aktuellen Klimaschutzaktionen der Jugendlichen beschweren und sie schlechtmachen. Da wird gekrittelt, dass bei der Klimademo das Plakat mit Kabelbindern aus Plastik befestigt wurde. Als wenn man sich erst für eine Sache einsetzen dürfte, wenn man selbst alles perfekt macht. Ja, manche Forderungen der jungen Klimaschützer sind einseitig und undifferenziert. Aber viele Jugendliche sind für mich echte Vorbilder, zum Beispiel wenn sie eine schlechte Note in Kauf nehmen, weil sie für ihr Herzensanliegen die Schule schwänzen. Oder wenn sie auf Fleisch verzichten, obwohl sie es eigentlich gern essen.

Natürlich, sie machen nicht alles richtig und perfekt, aber das machen wir Erwachsenen ja auch nicht. Trotzdem fühlen wir uns schnell auf den Schlips getreten von den Gretas dieser Welt oder den Lisas und Leons bei uns zu Hause. Stattdessen sollten wir lieber schauen, was wir von ihnen lernen können. Beim Thema Klimaschutz, aber auch in vielen anderen Bereichen unseres Lebens.

Bettina Wendland, Redakteurin bei Family und FamilyNEXT