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Auf diese 6 möglichen Streitpunkte sollten Sie achten, wenn Sie die Ausbildung Ihres Kindes finanzieren

Wie und wie lange sollten Eltern ihre Kinder finanziell unterstützen? Die Antwort darauf ist ganz individuell und hat gleich mehrere Spannungsfelder.

Zur Finanzierung der eigenen Kinder macht der Gesetzgeber klare Vorgaben zur Verantwortlichkeit von Eltern (s. untenstehende Links). Das Ziel besteht darin, dem Kind eine Berufsausbildung und damit eine finanzielle Eigenständigkeit zu ermöglichen. Das Kind ist im Gegenzug verpflichtet, eine Ausbildung zielstrebig abzuschließen. Diese auch zahlenmäßig festgelegten Vorgaben stellen einen guten Orientierungsrahmen dar, der im individuellen Fall noch weiter ausgestaltet werden will.

Individuell bedeutet: Nicht nur Familien sind ganz unterschiedlich in ihren Werten und Möglichkeiten, sondern auch jedes Kind ist ein Individuum mit seinen je eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Möglichkeiten.

Die Frage der Finanzierung ist nicht nur eine der reinen Zahlen. Das Thema Geld ist auch hochemotional. Deshalb fließen in die Überlegungen, ob und mit wie viel und wie lange man das Kind unterstützen möchte, immer auch die eigenen Werte, Beweggründe, Vorbehalte und Ängste mit ein. Diese zu entdecken oder sich noch mehr bewusst zu machen, dazu sollen die im Folgenden aufgeführten Spannungsfelder und Fragen als Nachdenk- und Diskussionsgrundlage dienen.

Spannungsfeld Möglichkeiten und Rahmenbedingungen

Entgegen der Redewendung „Über Geld spricht man nicht“ muss jetzt das Gespräch gesucht werden. Zum Beispiel über die elterlichen Möglichkeiten: Wie viel Unterstützung ist mir überhaupt möglich? Und in welcher Form? Als Geschenk, als Darlehen, als Sparguthaben, über das das Kind eigenständig verfügen kann? Und wenn mir eine finanzielle Beihilfe nicht oder nur sehr begrenzt möglich ist, kann ich das Kind vielleicht darin unterstützen, an andere Gelder und Fördermöglichkeiten zu kommen? In diesem Zusammenhang ist zu beachten: Wie sah die Erziehung des Kindes in Bezug auf Finanzen aus? Traue ich meinem Kind Budgetierung, Sparsamkeit und Bankgeschäfte zu? Wie ausführlich habe ich das mit meinem Kind besprochen und eingeübt? Was fehlt vielleicht noch?

Spanungsfeld Emotionen und Werte

Beim Thema Geld geht es nicht nur um nüchterne Zahlen. Sondern auch um Gefühle, Bedürfnisse und Werte. Bei Geld geht es um meine Existenzgrundlage, um Sicherheit, Macht, Möglichkeiten, Zukunft, Vertrauen, Großzügigkeit, Angst oder Geiz. Welche Sorgen und Befürchtungen entdecke ich da in mir?

Ein Kind zu finanzieren, vor allem in einem längeren Studium in einer anderen Stadt, kostet mich richtig was. Erwarte ich ausgesprochen oder unausgesprochen Dankbarkeit? Und wie soll sich diese ausdrücken? Oder ist meine Unterstützung ein bedingungsloses Einkommen, auf das sich das Kind verlassen kann, auch wenn es zwischen uns mal kriselt? Oder setze ich Bedingungen: Ich erwarte das Kind zum Sonntagskaffee, möchte mitbestimmen, wie das Studium ablaufen soll?

Ob und inwieweit ich mein Kind unterstütze, hängt auch von meinen Werten und Zielen ab. Ist es mir wichtig, dass so frühzeitig wie möglich eigenes Geld verdient wird? Oder finde ich Bildung und Horizonterweiterung von größter Bedeutung, und das darf auch ein paar Jahre dauern, Umwege nehmen, ein „Vollzeitjob“ sein?

Spannungsfeld Entwicklungsphase

Die jungen Erwachsenen befinden sich in einer Entwicklungsphase, in der sie sich abnabeln wollen von den Eltern. Endlich selbstständig, unabhängig und eigenverantwortlich ihr Leben gestalten. Im Gegensatz dazu verdeutlicht das (ausbildungsbedingte) Angewiesensein auf finanzielle Unterstützung die immer noch bestehende Abhängigkeit von den Eltern.

Spannungsfeld Umwege

Man hat miteinander ausgearbeitet, wie die Finanzierung der nächsten Zeit laufen kann – und dann verändern sich die Umstände. Orientierungslosigkeit, ein „Gap Year“, Ausbildungs- oder Studienfachwechsel oder langwierige Krankheiten lassen den Weg nicht mehr geradlinig, sondern verschlungen und ziellos erscheinen. Wie lange und wie oft kann und will ich das mittragen? Ab wann ist die Begrenzung meiner finanziellen Unterstützung sinnvoll? Wie können wir in diesen konfliktbehafteten Themen miteinander im Gespräch, in Kontakt, im gemeinsamen Ringen um eine gute Lösung bleiben?

Spannungsfeld Gerechtigkeit

Die Ungleichheiten, die in den Persönlichkeiten der Geschwister und in unterschiedlichen Ausbildungsgängen begründet liegen, werden zur Folge haben, dass die elterliche Unterstützung unterschiedlich, individuell ausfällt. Das eine Kind ist vielleicht in der Ausbildung, gibt Geld ab, weil es zu Hause wohnt und versorgt wird. Das andere befindet sich im Studium mit eigener Wohnung und erhält Geld. Eine Ausbildung kann in zwei Jahren beendet sein, ein Studium kann mehrere Jahre dauern. Viele Studierende verdienen etwas Geld dazu. Aber je nach Studiengang sind die Anforderungen unterschiedlich. Bei manchen Studiengängen und je nach Energielevel des Kindes ist es gut machbar, nebenher zu arbeiten. Bei anderen Studiengängen ist man mit den Veranstaltungen, dem Lernpensum und Langzeitpraktika komplett ausgelastet. Es hilft, wenn finanzielle Entscheidungen transparent sind und von den Geschwistern als gerecht empfunden werden.

Spannungsfeld Gemeinsame Lösung

Das Ziel ist, auch in diesen Finanzfragen zu einer Lösung zu kommen, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Prinzipiell gilt, wie bei vielen anderen Themen auch, dass ein offenes und ehrliches Gespräch die Beziehung stärkt und eine einvernehmliche Lösung greifbar werden lässt. Doch was ist, wenn Ehepartner (oder Ex-Ehepartner) die Situation und ihre Erfordernisse unterschiedlich bewerten? Oder wenn das Kind Forderungen stellt, sich ungerecht behandelt fühlt oder aus anderen Gründen meint, mit dem Ergebnis nicht leben zu können und dies die gegenseitige Beziehung negativ beeinflusst? Sich hier Hilfe von außen zu holen, ist dem emotionalen und sensiblen Thema durchaus angemessen.

Ausbildungswege verlaufen nicht immer geradlinig. Diese Entwicklungen als Eltern mitzuerleben, mitzubangen und mitzuhoffen, können diese Jahre anstrengend machen. Umso schöner, wenn dann der Tag kommt, an dem der Ausbildungsabschluss gefeiert werden darf. Dieser Tag signalisiert: Jetzt ist mein Kind in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Damit ist eine große Aufgabe der Elternschaft beendet. Und das ist ein guter Grund zu feiern.

Michaela Schnabel ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern, die drei unterschiedliche Ausbildungsgänge in unterschiedlicher Länge und unterschiedlicher Finanzierung absolviert haben. Sie arbeitet als Sozialpädagogin und lebt in Witten.

Weitere Infos:

Deutschland:
Zahlen und Infos zu Unterhaltshöhen und Selbstbehalt finden Sie in der „Düsseldorfer Tabelle“: olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle
Studium finanzieren: studierenplus.de/bildung-finanzieren/studiumfinanzieren-ohne-bafoeg / arbeiterkind.de/studium-finanzieren
Infos zur Höhe von BAfÖG und Anspruchsvoraussetzungen: bafoeg-rechner.de
Stipendienprogramme: stipendienlotse.de / mystipendium.de / squeaker.net/de/Studium/Stipendium/Stipendien-Bewerbung/Uebersicht-Stipendienprogramme
Studienkredite: studentenwerke.de/de/content/studienkredite
Wenn der Weg zur Ausbildung Umwege aufweist: scheidung.org/kindesunterhaltausbildung/#Orientierungsphase_erlaubt

Schweiz:
Infos zur Ausbildungs-/Studienfinanzierung: berufsberatung.ch/dyn/show/7770 / ch.ch/de/stipendien-und-ausbildungsdarlehen/

Österreich:
Infos zur Studienfinanzierung: studieren.at/studienfinanzierung/

Berufliche Sackgasse

„Unser Sohn (22) wird nach der Ausbildung nicht übernommen. In seinem Bereich sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt eher schlecht, er ist nun am Boden zerstört. Wie können wir ihm helfen?“

Das Begleiten der erwachsenen Kinder ist für uns Eltern gerade in einer Krise eine Herausforderung. Die Spannung zwischen Einmischung, Bevormundung und Alleinlassen schwebt wie zäher Nebel in den unausgesprochenen Gedanken nach solch einer schlechten Nachricht über die berufliche Zukunft des jungen Erwachsenen. Dass ein Kind kein „Projekt“ ist, das man als Eltern „am besten“ bewältigt, sollte schon in den ersten Lebensjahren klar werden, wenn Eltern üben, sich zurückzunehmen. Nicht die Eltern haben ein Projekt, sondern das Kind und später der Jugendliche hat sein Leben zu gestalten. Deshalb sollten Sie das Recherchieren über berufliche Alternativen unbedingt Ihrem Sohn überlassen. Auch Geschichten von anderen, denen Ähnliches passiert ist, sind nicht unbedingt hilfreich … Wenn Sie als Eltern das Heraussuchen von Stellen übernehmen oder ihm das Komplettpaket „Zuhause“ wieder anbieten, kann es im Selbstwert Ihres Sohnes deutliche Risse geben. Sie als Mutter und Vater sind aber Heimatgeber für die Seele und dürfen fragen: „Was kann ich für dich tun?“. Dabei dürfen Sie sich aber auch abgrenzen und deutlich machen, wenn Sie eine Bitte um Unterstützung als unpassend empfinden.

DEN U-TURN VERSUCHEN
Sie müssen aber nicht untätig bleiben. Nach der schlechten Nachricht vom Arbeitgeber ist es Ihre Aufgabe, den Blick zu weiten und Fragen zu stellen. Das Stopp-Schild zu fokussieren lähmt sowohl Sie als auch Ihren Sohn. Besser ist es, eine Art U-Turn zu versuchen: Wenn dieser Weg nicht gelingt, welcher ganz andere Weg kann denkbar sein? Sie könnten Ihrem Sohn folgende Fragen stellen: Ist die Ausbildung vielleicht eine Grundlage, um einen weiteren Beruf zu erlernen? Ist vielleicht eine Art Pause denkbar, wie sie zum Beispiel der Bundesfreiwilligendienst ermöglicht? Das würde den Freiraum geben, sich in Ruhe beraten zu lassen und Bewerbungen zu schreiben oder sich komplett neu zu orientieren.

GELASSENHEIT AUSSTRAHLEN
Wichtig ist dabei, dass Sie Ihren Sohn bewusst neu freigeben. Eine Veränderung der Planung kann auch bedeuten, dass er zum Beispiel nicht in einem Betrieb in Ihrer Nähe bleibt, sondern weiter weg zieht. Planungen freizugeben und offen zu sein, klingt ganz leicht, ist aber kraftaufwändig. Versuchen Sie, Gelassenheit auszustrahlen. Wenn Sie selbst die Bereitschaft zeigen, sich immer wieder neu auszurichten und Veränderungen als Chance sehen, wird Ihr Sohn sich daran orientieren können. Mit diesen Erfahrungen wird das nächste Stopp-Schild mit noch mehr Eigenverantwortung bearbeitet werden – zur Freude der Eltern.

 

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.