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Offene Kommunikation statt Zwickmühle und Opferrolle

In der Paarkommunikation können sich schädliche Muster einschleichen. Eheberater Marc Bareth empfiehlt: Lieber konstruktiv gestalten als in die Opferrolle flüchten

Fußball ist ein großes Thema im Hause Müller. Irgendein Spiel läuft immer und Michael schaut gerne zu. Seine Frau Maike hält das für Zeitverschwendung. Nun steht Michaels Lieblingsverein überraschend im Champions League-Achtelfinale. Ein Freund hat Michael zum gemeinsamen Fernsehabend eingeladen. Michael weiß, dass die Lieblingstante von Maike an diesem Abend ihren Geburtstag feiert. Also fragt er seine Frau: „Schatz, ich weiß, dass wir bei deiner Tante eingeladen sind, aber heute Abend ist auch das Achtelfinale, kannst du nicht alleine gehen?“

Die Opferrolle delegiert und gewinnt

Michael schafft mit dieser Frage eine Situation, in welcher seine Frau nur verlieren kann – eine Zwickmühle. Er weiß, dass ihr die Tante wichtig ist und dass diese enttäuscht sein wird, wenn Maike alleine kommt. Wenn seine Frau nachgibt, hat er sein Ziel erreicht. Wenn seine Frau hingegen darauf besteht, dass er mitkommt, wird Michael seine Rolle als Opfer zelebrieren. In dieser kann er dann missmutig sein, sich ungerecht behandelt fühlen und Wiedergutmachung nach dem Motto: „Ich durfte ja schon nicht Fußball schauen“ einfordern. So oder so also ein Gewinn für Michael.

Das Opfer delegiert die Entscheidung, damit es Opfer bleiben kann. Ein solches Verhalten ist nicht geschlechterspezifisch und kommt in allen möglichen Lebenssituationen vor, in denen sich zwei unterschiedliche Bedürfnisse gegenüberstehen. Das kann Themen wie Finanzen, Sexualität, Ferien, Familienplanung oder viele andere betreffen. Immer nach dem Leitsatz: Du entscheidest und ich darf unzufrieden sein – ein Dilemma in der Kommunikation und in der Beziehung.

Michaels Opferverhalten ist recht offensichtlich, aber manche stellen es so geschickt an, dass man es kaum wahrnimmt. Tatsache ist, dass es in vielen Beziehungen vorkommt. Wer es durchschaut und durchbricht, wird mit einer für beide Seiten befriedigenderen Partnerschaft belohnt.

Konstruktiv gestalten statt erleiden

Wie könnte Michael die Situation besser angehen um schädliche Kommunikationsmuster zu durchbrechen? Indem er die Entscheidung nicht ganz an seine Frau delegiert. Er sollte seine Bedürfnisse äußern, dann aber auch einen konstruktiven Vorschlag machen, wie sie damit umgehen könnten. Zum Beispiel so: „Schatz, ich weiß, dass wir heute bei deiner Tante eingeladen sind. Ich würde trotzdem gerne Fußball schauen, weil mich dieses Spiel sehr interessiert. Die Party beginnt ja schon um sieben. Ich schlage vor, dass wir zusammen zu deiner Tante gehen und ich mich gegen neun dort verdrücke. Was meinst du? Ist das für dich denkbar oder hast du einen anderen Vorschlag, wie wir beides unter einen Hut bringen können?“

Marc Bareth und seine Frau stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. 2020 ist sein Buch „Beziehungsstark“ erschienen. Er bloggt unter familylife.ch/five.