Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

„Verliert mein Sohn seinen Glauben?“

„Mein Sohn ist vor zwei Jahren ausgezogen. Seitdem hat er sich immer mehr vom Glauben entfernt. Er besucht keine Gemeinde und hat, soweit ich weiß, auch keine christlichen Freunde. Ich habe nicht das Gefühl, dass er auf die schiefe Bahn gerät, aber es tut mir schon weh zu sehen, dass er nichts mit Gott zu tun haben will. Was kann ich tun?“

Zunächst einmal schön, dass Sie Ihren mittlerweile erwachsenen Sohn so gut im Blick haben und sicher nicht nur gedanklich begleiten. Und ich möchte Sie beglückwünschen: Ihr Sohn hat einen Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und gestaltet nun sein eigenes Leben. Dies ist ein guter und wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit, der manchen jungen Erwachsenen schwerfällt und meistens eine Herausforderung ist. Ihrer Anfrage entnehme ich, dass er Beziehungen pflegt, sein Leben gut zu meistern scheint und dabei Freude hat.

Sie haben Ihrem Sohn sicher eine gute Basis mitgegeben, auch eine Glaubensbasis und Wissen über den Glauben, den Sie ihm vermittelt und vorgelebt haben. Darüber hinaus haben Sie ihm durch die Erziehung viele Werte und Kompetenzen vermittelt, die er zur Bewältigung seines Lebens benötigt.

Zweifel gehören dazu

Jetzt ist ihr Sohn gefragt. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört auch die Entwicklung des eigenen Glaubens. So wie Ihr Sohn den Schritt in die eigene Wohnung gewagt hat, sich in Neuland begeben hat, so ist er nun auch gefragt, seinen eigenen Glaubensweg zu finden. Dazu gehören auch Zweifel und Anfragen, das Hinterfragen des Kinderglaubens und all dessen, was man von zu Hause übernommen hat.

Begegnen Sie ihm offen und tolerant. Ein Klima der Annahme, gerade von den Eltern, kann eine Hilfe sein. Leben Sie weiterhin Ihren Glauben vor, ohne dabei moralisch oder einengend zu sein. Erzählen Sie ganz natürlich von dem, was Sie mit Gott erleben. Und halten Sie kritische Nachfragen aus. Glaubensgemeinschaft kann und sollte auch immer Zweifelgemeinschaft sein. Sie brauchen dabei nicht immer Antworten auf alle seine Fragen parat haben. Der Eindruck, alles zu wissen und zu verstehen, wirkt oft unglaubwürdig. Es kann sein, dass er bei seiner kritischen Haltung bleibt. Aber es kann auch der Weg zu einem eigenen Glauben sein. Das liegt nicht in Ihrer Hand.

Loslassen!

Ihre Sorgen und Befürchtungen können viele Eltern teilen und verstehen. Es tut weh, weil wir davon überzeugt sind, dass unser Heil und unsere Hoffnung im Leben nur in Jesus zu finden ist. Und es tut weh, wenn Kinder das, was

uns viel bedeutet, geringschätzen und sogar ablehnen. Ich möchte Sie ermutigen, darauf zu vertrauen, dass Ihr Sohn seinen eigenen Weg finden wird. Ich wünsche ihm und Ihnen sehr, dass er dabei auch seinen Glauben wiederfindet. Lassen Sie Ihren Sohn los. Lassen Sie ihn beruflich, privat und geistlich seinen Weg gehen. Dieser Weg muss kein Schlusspunkt sein, sondern kann auch ein Doppelpunkt werden. Ein Weg, der einen reifen, tragenden, freien Glauben hervorbringt. Auch, wenn es (noch) nicht so ist. Er ist ein geliebtes Kind Gottes, und dieser Gott wird ihm nachgehen.

Susanne Peitz ist verheiratet, hat zwei Töchter, ist Sozialpädagogin und Systemische Beraterin mit eigener Praxis und wohnt in Heuchelheim bei Gießen.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com