„Welchen Zugang zu Gott kann ich ihnen anbieten?“

Bastian Erdmann ist Jugendpastor beim Gemeindejugendwerk Norddeutschland. Er hat sich damit auseinandergesetzt, welche Gottesbilder Kinder und Teens haben und wie sie entstehen.

Warum ist es dir wichtig, dich mit Gottesvorstellungen auseinanderzusetzen?

Mir ist erst einmal wichtig wahrzunehmen, dass meine eigene Gottesvorstellung nicht vom Himmel gefallen ist und ich die auch nicht allein aus der Bibel gewonnen habe. Ich glaube, meine Vorstellung von Gott ist immer in meiner bestimmten Lebenswelt gewachsen. Das ist schon in der Bibel zu sehen: Ein Nomadenvolk kann mit dem Bild eines Hirten sehr viel anfangen. Ein Volk in Gefangenschaft wünscht sich einen starken Retter. In den Zeiten der Könige, wo es in Israel viel Unrecht gab, hat die Menschen die Vorstellung von Gott als einem guten Richter abgeholt. Wenn ich es auf einen Satz bringen sollte, würde ich sagen: Gott ist für mich dort, wo ich ihn brauche. Und er begegnet mir so, wie ich es jetzt zum Leben brauche.

Wie entwickelt sich das Gottesbild von Kindern? Und welchen Einfluss haben Eltern darauf?

Eltern sind die erste Projektionsfläche für die Gottesvorstellung der Kinder. Deshalb prägen sie ihr Gottesbild. Für Kleinkinder ist Gott so etwas wie der ideale Papa oder die ideale Mama – eine tröstende, lächelnde, erwachsene Bezugsperson. Bis ins Alter von 12 Jahren stellen Kinder sich Gott wie eine Person vor, die sie anfassen können, und malen ihn auch so. Ab etwa 14 Jahren fangen Jugendliche an, in den so genannten theologischen Diskurs zu treten. Dann ändern sich auch die Gottesbilder nochmal, Symbole werden wichtig. Dann zeichnen sie Gott nicht mehr als Menschen, sondern vielleicht als Hand oder als Stütze oder als Licht.

Ist es denn möglich, zu steuern, wie das Gottesbild der Kinder und Teens aussieht?

Ja schon und zwar, indem ich gucke: Was ist das Thema der Kinder jetzt gerade, was brauchen sie und welchen Zugang zu Gott kann ich ihnen anbieten? Es ist meine Aufgabe als Vater oder Mutter, meinen Kindern zu vermitteln: Was auch immer in deinem Leben passiert, es gibt einen Gott, der für dich ansprechbar ist. Das lernen sie dadurch, dass ich ihnen Gott erlebbar und erfahrbar mache.

Was wäre für dich denn ein No-Go bei der Vermittlung von Gottesbildern?

Ein No-Go wäre für mich, ein Gottesbild zu fördern, das mir etwas bringt, aber nicht den Kindern. Also zum Beispiel Gott als Erziehungsverstärker zu nehmen. Wenn ich als Vater mit meinem Latein am Ende bin, dann den lieben Gott in den Zeugenstand zu rufen und zu sagen: „Gott sieht das.“ In der Arbeit mit Jugendlichen merke ich, dass sie oft ein Bedürfnis haben nach klaren Kategorien, sie haben oft ein Schwarz-Weiß-Denken. Das passt zu meinem Gottesbild nicht so. Aber manchmal muss ich mich dazu zwingen zu sagen: „Ich lasse mich auf euer Bedürfnis ein, auch wenn meine Welt so kompliziert ist, dass ich mit diesem Gottesbild nicht weit komme. Und ich hoffe, dass, wenn ihr ein differenziertes Gottesbild braucht, ihr das nochmal überdenkt.“ Ich meine es oft gut und komme mit meinen differenzierten und reflektierten Gottesbildern, aber damit mache ich den Kindern oder den Jugendlichen Gott uninteressant.

Wie sollten Eltern reagieren, wenn ein Teenager ein „merkwürdiges“ Gottesbild hat? Sollen sie es korrigieren oder es ihm lassen?

Eltern sollen ihr Kind fragen! Damit können sie nur gewinnen. Vielleicht rebelliert das Kind ja gar nicht gegen Gott, sondern gegen mich. Und es ist ja wichtig, dass ich das erfahre. Außerdem: Was ist überhaupt ein merkwürdiges Gottesbild? Ist ein merkwürdiges Gottesbild, das meinen Vorstellungen widerspricht? Jesus selbst hatte ein merkwürdiges Gottesbild. Zumindest fanden das viele fromme Menschen damals so. Falsch ist ein Gottesbild dann, wenn es dem Leben im Weg steht und nicht guttut. Das kann passieren, wenn man fremde Bilder ungeachtet der eigenen Lage übernehmen will oder soll. Eltern haben manchmal das Gefühl, sie müssten das wahre biblische Gottesbild beschützen. Ich glaube, Gott kann ganz gut auf sich selbst aufpassen.

Das Interview führte Christiane Henrich.