Als meine Kinder selbstständig wurden
Stefan Gerber lässt den Nachwuchs ran.
Das Telefon klingelt. Am anderen Ende eine Kinderstimme: „Papi, was ist eine beschichtete Pfanne?“ Hundert Gedanken rasen mir durch den Kopf: „Wow, meine Kinder wollen kochen.“ „Muss ich das verbieten, wenn keine erwachsene Person im Haus ist?“ „Ich freu mich auf die gemeinsame Mahlzeit.“ „Sollte ich sofort nach Hause fahren und alles kontrollieren?“ „Die schaffen das alleine.“ „Was, wenn zwischen den Kids ein Streit ausbricht?“ „Ist das mit Mami abgesprochen?“
Meine Kinder überraschen mich an diesem normalen Tag! Nachdem ich das Rätsel um die beschichtete Pfanne lösen konnte und mit unseren Kindern Janosch Noah (8 Jahre) und Joy Nina (11 Jahre) vereinbare, dass ich in rund 15 Minuten vom Büro nach Hause komme, bereiten sie ein einfaches, aber köstliches Mittagessen vor und ich schließe in großer Vorfreude meine Arbeit ab.
Daheim angekommen ist weder das Haus abgebrannt noch liegen sich die Kinder in den Haaren. Im Gegenteil: Voller Stolz bitten sie mich zu Tisch und wir genießen eine leckere Mahlzeit zu dritt, während meine Frau für eine Sitzung unterwegs nach Zürich ist. Das Vaterherz springt vor Freude – wie groß und selbstständig unsere Kids doch schon sind!
Neben meinem fixen „Papi-Tag“ springe ich auch hin und wieder – je nach Terminplanung meiner Frau – an anderen Tagen für die Betreuung ein. So auch an diesem Nachmittag. Da gerade Ferienzeit ist und die Kinder keine weiteren Verpflichtungen haben, beschließen wir, meine Mutter an ihrem Arbeitsplatz, dem Bahnhof Biel, zu besuchen. Das frühlingshafte Wetter bietet sich an, dies per Fahrrad zu tun.
Und so bin ich mit meinen Kindern am Kanal entlang unterwegs und genieße die schöne Landschaft des bernischen Seelands. Auf einmal fällt mir auf: Ich musste weder lange Motivationsreden schwingen noch als Supervisor die Geschehnisse überwachen, bis auch wirklich alles gepackt, Jacke angezogen und Fahrrad gesattelt war. Nein, meine Kinder mussten nicht angetrieben und die Kleidung nicht kontrolliert werden. Das Vaterherz springt ein weiteres Mal vor Freude – wie groß und selbstständig unsere Kids doch schon sind!
Am Abend wird der Mutter eifrig von diesem ereignisreichen Tag erzählt. Etwas ungläubig schaut mich meine Frau an (und fragt sich insgeheim: „Wie hat er das hingekriegt?“), erzählt ihrerseits von der als anstrengend erlebten Besprechung. Müde beschließen wir, frühzeitig zu Bett zu gehen. Und da gibt es nochmals eine Überraschung, die gut zu diesem Tag passt: Wir sollen nur zu Bett gehen, meinten unsere Kinder, sie würden dann später auch gehen.
Eine weitere Premiere an diesem Tag: Unsere Kinder gehen nach uns schlafen. Ein letztes Mal springt das stolze Vaterherz an diesem Tag vor Freude – wie groß und selbstständig unsere Kids doch schon sind!
Stefan Gerber ist Theologe im Bundes-Verlag (Schweiz) und Leiter der Netzwerk- Kirche „gms – gospel movement seeland“ und freiberuflich als Seminarleiter und Coach im Bereich Life-Balance tätig.
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