Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Meine Tochter hängt an mir

„Meine Tochter (3) folgt mir auf Schritt und Tritt und mag sich nicht allein beschäftigen. Da sie keine Geschwister hat, gibt es niemanden, mit dem sie zu Hause spielen könnte. Ich versuche, sie in meine Aufgaben einzubinden und mich mit ihr zu beschäftigen, habe aber nicht immer Lust dazu und will endlich mal wieder allein aufs Klo! Ist es von einer Dreijährigen zu viel verlangt, auch mal allein zu spielen?“

Grundsätzlich können sich die meisten Dreijährigen entwicklungsbedingt gut allein beschäftigen, in der Gewissheit, dass eine vertraute Person in ihrer Nähe ist. In einem normalen Alltag lernen sie das „nebenbei“. Wenn Ihr Kind immer noch auf Schritt und Tritt in Ihrer Nähe bleibt, hat es dafür vermutlich seine „guten Gründe“.

Muss das Kind einen Verlust verarbeiten?

Um das besser zu verstehen, ist es hilfreich, die Lebensgeschichte Ihres Kindes näher anzuschauen: Waren oder sind Sie und Ihr Kind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, wie etwa dem Verlust einer nahestehenden Person durch Trennung oder Tod, Krankheit, einer traumatischen Geburt, Klinikaufenthalten oder einer unangemessenen Eingewöhnung? Solche und andere „stressende“ Erfahrungen können dazu beitragen, dass Kinder mehr Zeit und elterliche Zuwendung brauchen, um (wieder) die nötige Sicherheit und Vertrauen ins Leben zu gewinnen und ihre Selbstständigkeit zu entfalten.

Es ist gut, dass Sie als wichtigste Bezugsperson – soweit möglich – ganz für Ihre Kleine da waren, um das Urvertrauen (wieder) zu festigen, sich mit ihr beschäftigen, wenn keine anderen Kinder da sind, und sie in Ihren Alltag einbinden. Genauso richtig und wichtig ist es aber auch, dass Sie Ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen, wie zum Beispiel, etwas für sich allein zu machen oder sich auszuruhen. Indem Sie dies ausdrücken und umsetzen, erfährt Ihr Kind: „Andere Menschen haben auch Bedürfnisse, die beachtet werden müssen“ – eine wichtige Voraussetzung für soziales Verhalten.

Eine Sanduhr schafft Freiräume

Um mehr Freiraum für Sie als Mutter zu schaffen und gleichzeitig die Entwicklung kindlicher Selbstständigkeit zu fördern, können regelmäßige Zeiten mit anderen Bezugspersonen wie Papa, Oma oder anderen Kindern sehr hilfreich sein. Wenn Sie und Ihre Tochter allein sind, könnten Sie zum Beispiel mit einer Sanduhr oder Uhr (mit Zeiger) kleine Auszeiten einführen: Nachdem Sie zusammen eine gute Zeit hatten, erklären Sie Ihrer Tochter klar und kurz: „Ich gehe jetzt … (Ort) und mache … (Handlung). Du kannst so lange … (Spielvorschlag). Wenn die Zeit um ist (siehe Uhr), komme ich wieder.“ Wichtig: Handeln Sie genau so wie angekündigt.

Aufgrund der vorangehenden Erfahrungen: „Mama ist immer für mich da, so wie ich es möchte“, wäre es verständlich, wenn Ihre Tochter erst mal „protestiert“. Das darf sie! Und Mama darf sich trotzdem um ihre eigene Angelegenheit kümmern. Sie ist ja in der Nähe (wenn auch im anderen Raum) und kommt zurück, wie versprochen. Danach geht es wieder gemeinsam weiter. Sie als Mama fühlen sich freier und Ihr Kind hat gelernt: Auf Mama ist Verlass! Und Sie bleiben mit Ihrem Kind verbunden in einer guten Balance von Zeiten der Gemeinsamkeit und des „Für-sich-Seins“.

Beate Döbel ist systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin (therapiepraxis-doebel.de).