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An meine Heldeneltern

ich bin irgendwo zwischen Anfang und Mitte 20, ausgewachsen, gesund und wohlgenährt, angemessen planlos – oder sagen wir: flexibel  – verheiratet, habe ein Studium absolviert und bin ganz offiziell angestellt. Meine Augen sind nicht viereckig und meine Hände weisen keine Herdplatten-förmigen Brandnarben auf. Ich kann Wäsche waschen, räume quasi eigenständig die Spülmaschine aus und weiß theoretisch, wie man einen Siphon säubert. Dass ich googeln musste, wie man das schreibt, kann ich euch nicht ankreiden. Es ist amtlich: Ihr habt einiges richtig gemacht.

Dass ich so gut gerate, war nicht immer zu erwarten. Sieben Jahre gab es nur Mama und mich. Wir waren ein Dream-Team. Und obwohl du alles warst, was ich brauchte, hast du mich immer mit Vorbildern und Vertrauensmenschen versorgt. Erst heute kann ich mir ansatzweise vorstellen, was du geleistet, geopfert und durchgemacht hast, damit ich nicht nur hatte, was ich brauchte, sondern nicht mal merkte, was mir fehlen könnte. Irgendwer hat mal gesagt: Wer Kinder hat, dessen Herz lebt außerhalb seines Körpers. Ich wünschte, du hättest dich weniger um mich gesorgt. Aber wenn ich nur beinahe so etwas wie dein Herz mit mir herumtrage, bin ich ein Licht in dieser Welt – stark, lebendig und liebevoll. Dafür kann ich mit deiner Schwäche manchmal nicht umgehen. Aber du lässt dir von mir den Spiegel vorhalten. Dafür respektiere ich dich. Und das gibt mir Hoffnung, dass Erwachsensein nicht heißen muss, so zu tun, als hätte ich das Leben verstanden.
Als der große Handwerker mit der tiefen Stimme und drei potenziellen Thronfolgern unsere kleine Welt betrat, war ich unentschlossen. Der soll mein Stiefvater sein? Wir haben lange nach einem alternativen Begriff gesucht. Fest steht: Mit „Stief“ werde ich mich nicht anfreunden. Das klingt nur cool, wenn man an der 50 kratzt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass du niemanden ersetzen willst, selbst dann nicht, als es etwas zu ersetzen gab. Du hast für mich gekämpft, versucht, mich zu verstehen, gemerkt, dass das nichts wird und mich einfach bedingungslos geliebt. Dein Stolz lässt mich aufrechter gehen. Deine Unterstützung lässt mich Berge versetzen. Dein Herz zeigt mir, was Jesus mit Barmherzigkeit gemeint hat.
Ihr habt mich ausgestattet mit einem tatsächlichen und einem ideellen Werkzeugkasten voller Selbstvertrauen, Macken und Werten, von denen ich einige bis aufs Blut verteidigen würde. Danke fürs Erziehen und danke für den Versuch, mich loszulassen. Beim nächsten Anlauf klappt’s bestimmt. Und irgendwie könnt ihr euch damit auch Zeit lassen.

In Liebe,

eure Tochter

 

Ann-Sophie Bartolomäus (23) ist Volontärin bei Family und FamilyNEXT. Sie lebt mit ihrem Mann in Witten und ist offen für Vorschläge, was das Stiefvater-Namens-Dilemma angeht.