Die Handtuchlektion

Family-Autorin Stefanie Diekmann über das kräftezehrende Zickzack in ihrem Alltag

Mein Tag beginnt müde. Unter meinen Händen erspüre ich mein Handtuch. Die reliefartige Zickzack-Struktur lässt sich gut tasten. Es mutet fast so an, als erkunde ich die Gefühlswelt meiner letzten Tage. Ich fühle mich hin- und hergeworfen. Mein Smartphone mag ich gerade gar nicht zu Hand nehmen.  Die verzweifelten Fragen und mutlosen Seufzer meiner Bekannten und Freunde rauben mir Kraft, denn sie spiegeln das Zickzack-Muster meiner Grübeleien wider.

Die letzten Wochen und Monate haben mich viel gekostet. Und was am meisten hin- und herwirft: Ich erfasse nicht, warum ich so am Limit bin. Ich bin versorgt, beschenkt und sicher – auch in der Pandemie.

Meine Hände spüren die Stoff-Strukturen. Ja, das Zickzack im Alltagsleben war kräftezehrend. Meine Ideen, auf Distanz und fehlende Beziehungen zu reagieren, sind verblasst. Ich bin genervt von Tipps, die doch immer nur in Online-Konferenzen münden und mich nicht ausfüllen. Mir gehen Sorgen um Menschen in Krisen und um die emotionale Entwicklung der Kleinkinder und Jugendlichen nicht aus dem Kopf. Müde melde ich mich von Newslettern ab, die mir Aktivitäten vorschlagen, zu denen ich wenig Kraft habe. Komme mir debil lächelnd vor wie eine weltfremde Oma, wenn ich Schülern Studenten Kraft wünsche, ihren Stoff zu erarbeiten. Finde mich unpräzise in Mails und Messenger-Nachrichten, wenn ich Freunde erreichen will. Ich starte mit Zielen zackig in den Tag, um dann unter Kleinigkeiten die Fassung zu verlieren.

Immer noch fahren meine Hände das Zickzack-Muster nach. Da fliegt wie ein Funke eine Erinnerung in mein Herz: Ich stehe immer mit Gott in Beziehung, der Nähe kann. Der Nähe will und spendet. Vom Zickzack des Lebens mit hin und her und rauf und runter kann ich im Psalm 23 lesen. Heute sind es wohlgeformte Worte. In der realen Situation sind es abgerungene Erkenntnisse aus schweren und verworrenen Zeiten. Es fällt mir schwer, mich darauf einzulassen, dass meine Zeiten von Gottes Beziehung zu mir durchzogen sind.

Das Zickzack-Muster meines eigenen Erlebens findet immer wieder auf die Grundlinie zurück. Eine Basis, die Kraftlosigkeit aushält, Müdigkeit über gesellschaftliche Entwicklungen akzeptiert.

Meine Entscheidung heute besteht darin, das Zickzack in mir mit mehr Gelassenheit zu leben. Ich will mich mit Gottes Nähe vollstopfen, bis ich mich wiedererkennen kann. So lange bleibe ich tastend, dem Hoch und Runter aber nicht mehr schutzlos ausgeliefert. Tastend als Gesehene, Gehaltene.

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen.