Die Qual der Wahl

Wie Eltern bei der Berufsfindung helfen können

Jahr für Jahr stehen Jugendliche vor der Frage, welchen Beruf sie ergreifen sollen. Eine schwierige Frage, denn nur ein Beruf, der den eigenen Fähigkeiten und Interessen entspricht, macht langfristig glücklich. Wesentlich bei der Berufswahl ist also, sich seiner Stärken und Schwächen bewusst zu sein. Falls nicht schon die Schule das Thema angestoßen hat, kann ein Gespräch mit den Eltern helfen.

Doch Vorsicht: Hier ist Neutralität gefragt. Eltern neigen dazu, sich um die Zukunft ihrer Kinder zu sorgen und empfehlen daher oft vermeintlich sichere, gut bezahlte Jobs. Mitunter spielen auch unerfüllte Träume eine Rolle oder unbewusste Eigeninteressen. Dem Jugendlichen müssen aber persönliche Wünsche erlaubt sein – und scheinen sie noch so illusorisch. Besser, als das Kind in eine ungewünschte Richtung zu drängen, ist es, aus seinen Äußerungen eine realistische Perspektive zu entwickeln.

Stärken entdecken

Neben der Eigencharakterisierung des Jugendlichen, die in der Regel aus Lieblingsfächern und Hobbys resultiert, kann es helfen, sich mit der Beurteilung anderer auseinanderzusetzen: Sporttrainer, Lehrer, Freunde oder Vereinsmitglieder. Am wichtigsten aber ist es, nach aussagekräftigen Situationen zu forschen: Wann geht das Kind wirklich auf in einer Sache? Wann kam es zu außergewöhnlichem Engagement? Vielleicht bei der Organisation eines Festes, der Aufführung eines Theaterstücks, beim Reparieren defekter Geräte, einem Marathonlauf? Je konkreter die Beispiele, desto besser.

Außerdem sollten Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigt werden, die bei der Berufsfindung allzu oft im Hintergrund bleiben. Hält sich das Kind zum Beispiel lieber drinnen oder draußen auf, zieht es Ruhe oder Bewegung vor, arbeitet es  lieber allein oder mit anderen, kann es sich gut unterordnen, ist es freiheitsliebend oder folgsam, braucht es Herausforderungen? Ein quirliger Jugendlicher, der die meiste Zeit draußen in Bewegung ist, wird eventuell später Schwierigkeiten haben, zu festen Zeiten einem Angestelltenjob nachzugehen. Egal, wie gut seine Noten im kaufmännischen Rechnen sind.

Praxis statt Theorie

Ein Einblick in den Berufsalltag ist unersetzlich. Eltern sollten nicht nur detailliert alle Facetten ihres eigenen Jobs darlegen – Arbeitszeiten, Kleidung, Tagesablauf –, sondern auch ihre Kontakte spielen lassen. Freunde, Verwandte und Bekannte können aus ihrem Arbeitsleben berichten oder bei der Vermittlung eines Praktikums helfen. Auch der Apotheker oder Buchhändler, bei dem man Stammkunde ist, kann vielleicht interessante Einblicke gewähren. Wichtig ist, dem Jugendlichen ein umfassendes Bild zu verschaffen von Arbeitsinhalten und -bedingungen.

Dasselbe gilt für die Frage: Studium oder Lehre? Ein Geographiestudium unterscheidet sich sehr vom Erdkundeunterricht in der Schule und mancher Sprachenfreund wäre mit einer Dolmetscherausbildung besser bedient als mit einem Romanistikstudium. Sinnvoll ist, sich vorab genau über Inhalte und Ablauf eines Studiums zu informieren und auch einmal Vorlesungen live mitzuerleben und mit Studenten vor Ort zu sprechen. Was auch immer Sohn oder Tochter am Ende beschließen: Die Eltern sollten stets im Hinterkopf behalten, dass es das Kind ist, das letztlich mit seiner Entscheidung leben muss. Eltern können – und sollten – nichts weiter tun, als alle notwendigen Informationen zu beschaffen, die das Kind braucht, um eine wohl überlegte Entscheidung zu treffen.

Silke Mayer arbeitet im Bereich Weiterbildung und Training, daneben ist sie als freiberufliche Autorin tätig. Sie lebt mit ihrer Familie in Duisburg.

Illustration: Thees Carstens

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