Diese bösen Eltern …
Letzte Woche gab es in vielen Zeitungen und Online-Portalen mal wieder Berichte über die ach so bösen Eltern. Spiegel online titelt: „Eltern meckern trotz Einsen und Zweien. In vielen (!) Familien sorgen schlechtere Schulnoten für Streit – selbst wenn die Kinder insgesamt leistungsstark sind.“
Hintergrund ist eine Umfrage des Nachhilfe-Instituts Studienkreis, die auch Family erhalten hat. Diese Umfrage hat ergeben, dass es in zehn Prozent der Familien zu Streit aufgrund von schlechteren Noten kommt. – Aus diesen zehn Prozent macht Spiegel online „viele“. Nun gut, immerhin 41 Prozent aller Eltern, deren Kinder in der Schule Noten bekommen, haben angegeben, dass schlechtere Noten den Familienfrieden stören. Aber dass ein Kind traurig ist oder schlechte Laune hat, weil die Noten nicht so sind wie erhofft, gehört hier ja auch dazu. Und hat erst mal nichts mit Streit oder dem Verhalten der Eltern zu tun. Aber Eltern-Bashing ist ja zu schön. Das kommt immer gut an bei den Lesern …
Ähnlich falsch interpretiert ist der Verweis auf die Einser- und Zweierschüler. Ist es tatsächlich so, dass Eltern auch meckern, wenn ihre Kinder Einsen und Zweien auf dem Zeugnis haben? Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Denn in der Studie wurde danach gefragt, wie die Reaktion auf schlechtere Noten sei. Und da gibt es eben auch mal Ärger, wenn ein Kind, dass im letzten Zeugnis nur Einsen und Zweien hatte, auf einmal mit schlechteren Noten nach Hause kommt. Keine wirkliche Überraschung, oder? Und es sind gerade mal fünf Prozent der Befragten, auf die das zutrifft. „Viele“ Eltern sind das nicht.
Ich bin kein Freund von Leistungsdruck und Notenstress. Und es gibt sicher Eltern, die es hier übertreiben. Aber für mich zeigt diese Studie vor allem das: In 90 Prozent der Familien gibt es keinen Streit, wenn die Noten schlechter werden, in 59 Prozent leidet nicht mal das Familienklima. Das wird übrigens auch in der Presseinformation zur Studie erwähnt. Da wird Max Kade, pädagogischer Leiter des Studienkreises, zititert: „Die gute Nachricht ist, dass mehr als die Hälfte der Eltern bei schlechten Noten die Ruhe bewahren.“ Und er sagt weiter: „Streit um Noten muss nicht schlecht sein, wenn er dazu führt, dass sich die Eltern mit ihren Kindern über schulische Anforderungen und Ziele austauschen und zu einer gemeinsamen Position kommen.“
Diese Ergebnisse der Studie werden bestenfalls am Rande erwähnt. Für eine reißerische Überschrift sind sie eben nicht geeignet. Dass viele Eltern ihren Job ziemlich gut machen, passt manchen Journalisten anscheinend nicht ins Konzept …
Bettina Wendland
Redakteurin Family/FamilyNEXT
Womöglich für den ein oder anderen von Interesse: Eine Lehrerperspektive:
http://halbtagsblog.de/2017/01/31/schlechte-noten-familienstreit/