Energie aus dem Konsumtempel

Gottfried Muntschick hat Spaß an einem – aus Männersicht – ziemlich exotischen Hobby.

Bei einem unserer monatlichen Männerstammtische sprechen wir über Dinge, die uns ganz und gar nicht gefallen und uns Unbehagen bereiten. Nach dem kurzen Austausch wird mir klar: Ich bin kein normaler Mann. Jeder hatte irgendetwas Spezielles, wie Schnecken im Garten auflesen, Auto innen saubermachen oder Behördengänge. Aber in einem Punkt waren sich fast alle einig: Es gibt fast nichts Schlimmeres, als mit der Frau einkaufen zu gehen. Nun, wie gesagt, ich bin anders. Ich gehe für mein Leben gern einkaufen, natürlich lieber allein, aber es geht auch mit Frau oder Tochter. Das Besondere daran ist diese Vorfreude auf das Erwerben. Es ist ja eine alte menschliche Weisheit, dass das Begehren, Auswählen und Erwerben schöner ist als das Besitzen. Deshalb genieße ich den Vorgang des Begehrens besonders. Was ich brauche, damit Einkaufen mir Spaß macht, ist Zeit, ein Anlass und Geld. Also, wenn ich in Hektik mit einem Einkaufszettel durch den Supermarkt flitze, hält sich der Genuss in Grenzen. Oder einfach so ziellos in Geschäften rumschnüffeln macht mir auch keinen Spaß. Wenn ich kein Geld habe, gehe ich gar nicht erst los. Aber wenn, dann ist es ein Fest. Zum Beispiel beim Lebensmitteleinkauf brauche ich einen groben Plan, was ich kaufen soll. Dann entsteht im Schlendern durch die Regalreihen ein neuer Speiseplan. Ich lasse mich von den Angeboten inspirieren, entdecke Leckereien, die ich lange nicht aß, und schmecke schon so manches auf der Zunge, was aber erst am Abend verzehrt wird. Ähnlich im Baumarkt. Eigentlich brauche ich nur ein, zwei Dinge, schreite aber wie ein Offizier sein Regiment alle Stellagen ab und lasse mich huldigen. Da schauen mich die vielen Dinge an, die ich nicht brauche oder schon habe, und mich beschleicht ein Gefühl von Wohlstand und Glückseligkeit. Wie gut meine Werkstatt doch ausgerüstet ist! Oder beim Herrenausstatter. Da muss bei mir ein Bedarf sein, bevor ich hineingehe, aber dann lass ich mich nicht lumpen. Ich habe klare Preisvorstellungen und kaufe nicht, wenn mir der Preis nicht gefällt. Aber ich lasse mich auch schon mal von einer guten Verkäuferin zu etwas überreden. Verkäufer mag ich da nicht so. Auf jeden Fall gehe ich zuerst die Sonderangebote durch, dann suche ich, was ich brauche und dann kommt noch das: „Mal sehen, ob es etwas gibt, was mir gefällt, ich aber nicht kaufe.“ Ganz heikel wird es bei Filmen. Aber davon schrieb ich ja schon mal. Klar ist, dass ich aus der DVD-Abteilung nicht unter zwei Stunden rauskomme und ohne Film auch nicht. Man will ja nicht seine Lebenszeit verplempern! Wahrscheinlich brauche dieses Gefühl am Ende eines Einkaufs: Ich habe den „Elch“ erlegt und trage ihn jetzt nach Hause. Ohne Elch kein Genuss. Ohne Ware keine Freude. Ohne den Prozess des Erwerbens keine Befriedigung über den Besitz. Ja, ich höre schon die Pfennigfuchser zetern: Welche Fehleinstellung. Befriedigung im Materiellen zu suchen. Pfeif drauf! Mir macht es Spaß, und zum Glück habe ich oft keine Zeit und auch kein Geld. So wird es nicht zur Sucht und unsere Wohnung nicht zur Sammelburg. Aber ab und zu gönne ich es mir

 

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