Er will in eine Burschenschaft
„Unser Sohn überlegt, einer Burschenschaft beizutreten, weil er bei ihnen günstig ein Zimmer mieten kann. Uns ist das nicht geheuer. Wie gefährlich sind Burschenschaften, worauf muss man achten und ab wann sollten wir als Eltern eingreifen?“
Der Übergang in das zunehmend eigene Leben bleibt immer auch riskant. Weg und Ziel sind offen. Sie als Eltern müssen vertrauen – im Wissen, Ihrem Sohn das mitgegeben zu haben, was Ihnen wichtig ist. Und in der Zuversicht, dass er seinen Platz, seine Bezugsgruppen findet, seine eigene Weltsicht entwickelt und politische Fragen selbst beurteilt und passende Formen des Zusammenlebens gestaltet. Ob eine und welche Burschenschaft für ihn ein passender Lebensort ist, gilt es noch herauszufinden.
Gut zuhören
Besprechen Sie doch einmal mit Ihrem Sohn, was Ihnen „nicht ganz geheuer“ ist und legen Sie ihm Ihre Sorgen und Grenzen im Gespräch offen. Versuchen Sie aber auch, ihm gegenüber offen zu sein, ihm gut zuzuhören und seine Beweggründe zu verstehen – ohne sofort dagegen zu reden. Klären Sie mit ihm auch wichtige Fragen: Burschenschaften stellen auf Lebenszeit Erwartungen an ihre Mitglieder: Aktivitäten, Dienste, Feste, Veranstaltungen oder Zahlungen. Kennt Ihr Sohn den zusätzlichen Aufwand? Oft wird betont, dass ihnen Geschichte, Traditionen und Werte besonders wichtig seien. Sucht Ihr Sohn nach Zugehörigkeit oder Gleichgesinnten und meint, sie dort zu finden? Was verspricht er sich von der Mitgliedschaft?
Dass Burschenschaften mit günstigem Wohnraum um neue Mitglieder werben, denen sie die nervige Wohnungssuche verkürzen wollen, ist nicht untypisch. Manche werben auch mit der Gelegenheit, rasch neue Leute kennenzulernen, mit einem Netzwerk, das berufliche Vorteile verspricht. Allerdings können solche Kontakte auch anders geknüpft werden. Niedrige Kosten sind je nach finanzieller Lage auch ein gewichtiges Argument. Hier könnten WGs oder Wohnheime eine Alternative sein.
Genau hinsehen
Wenn Ihr Sohn schon eine konkrete Verbindung im Blick hat, informieren Sie sich darüber. Ein Teil der Verbindungen steht in der Kritik, weil sie exzessivem Alkoholkonsum Vorschub leisten, als frauenfeindlich gelten oder als „schlagende Verbindungen“ die Mensur austragen (körperliche Verletzungen inklusive). Ein anderer Teil sorgt durch Aufnahmebedingungen („nur für Deutsche“) für heftige Debatten. Andere stehen unter Beobachtung, weil sie rechtsextremistische Einstellungen vertreten und entsprechend tätig sind.
Einzelne stehen Gruppierungen nahe, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden (zum Beispiel Identitäre Bewegung) oder organisieren Veranstaltungen mit rechtsextremen Rednern oder Beiträgen. Es gibt auch politisch liberalere, unpolitische, christliche, musische und auch Burschenschaften, die Frauen oder Nichtakademiker aufnehmen.
Sollte Ihr Sohn die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Burschenschaft anstreben, sollten Sie dem entgegenwirken. Hier müssen Sie nicht hilflos zusehen: Suchen Sie den Austausch mit anderen Betroffenen oder wenden Sie sich gegebenenfalls an eine Beratungsstelle.
Torsten Niebling ist Elternberater und Leiter der „Pädagogischen Fachstelle Rechtsextremismus – Rote Linie“ beim St. Elisabeth-Verein e.V. in Marburg.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com