Gut, dass wir einander haben!
Familien, Singles, kinderlose Paare und Alleinerziehende leben oft nebeneinanderher, nicht selten mit neidischem Seitenblick. Warum tun wir uns nicht einfach zusammen und profitieren voneinander? Anregungen dazu von Tina Tschage
Alle diese Aussagen der Einstiegsseite treffen mich mitten ins Herz. Ich leide unter dieser Trennung, der wir uns oft aussetzen. Jeder bleibt unter seinesgleichen. Als Single meide ich Paare und Familien, weil sie mir das vorleben, was ich selbst gerne hätte – und das schmerzt. Die Familien meiden die Singles, weil die was haben, was sie auch mal hatten – und was sie möglicherweise vermissen. Oder weil sie schlicht keine Zeit haben und meinen, Singles hätten vom Ehe- und Familienleben keine Ahnung und wären daher als Ansprechpartner wertlos. Wie schade!
Ich lebe seit vielen Jahren in Gemeinschaft. Mit meiner besten Freundin teile ich Auto, Wohnung und vieles andere. Nebenan wohnt eine Alleinerziehende. Unsere besten Freunde sind eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Und das tut so gut!
Ich weiß mittlerweile, wie sehr ich andere brauche. Ich weiß auch, wie anstrengend andere sein können. Aber es gibt viele Gründe, warum es sich lohnt, sich auf andere einzulassen. Mir wird immer wichtiger, den Zusammenhalt von Singles, Paaren, Familien und Alleinerziehenden zu stärken. Denn Gott hat uns als Gemeinschaft zusammengestellt.
Ideen gefällig?
Aus dem Leben erzählen: Warum sollten andere wissen, was mich geprägt hat, was mich umtreibt, belastet und freut? – Damit ich nicht mehr dem Gefühl erliege, ich wäre die Einzige, der es so geht. Und die Entdeckung dieser schlichten Tatsache ist so wohltuend! Damit fängt für mich Gemeinschaft an.
Gemeinsam essen: Tischgemeinschaft ist eine urchristliche Form, das Leben zu teilen. Als Single mal nicht allein zu kochen und zu essen, sondern sich an einen Familientisch setzen. Oder eine ganze Familie bekochen. Oder gemeinsam kochen … Es gibt viele Möglichkeiten!
Besondere Zeiten gemeinsam zelebrieren: Die großen Feiertage – aber auch Ferien, Urlaube, Freizeit – eignen sich zum Teilen: „Als Alleinerziehende und Single sind diese Familienfeste besonders schwer, weil sie mir das Gefühl geben, nicht Familie zu sein. Wenn man gemeinsam mit anderen feiern kann, geht dieses Gefühl ganz schnell verloren.“ (Laura, alleinerziehend). Wichtig: Klärt eure Erwartungen und bringt sie so gut wie möglich miteinander in Einklang.
Ressourcen teilen: Ob das Auto, die Gartenlaube mit Gemüsebeeten, die Einkaufsrunde, den Trockner – teilen ist nicht nur aus ökologischen und ökonomischen Gründen sinnvoll. Es tut auch dem Herzen gut. Was kannst du anbieten – oder wo könntest du etwas von anderen brauchen?
Geben und nehmen: Im Urlaub die Blumen gießen, bei Handwerksarbeiten unterstützen, Nachhilfe geben – nicht nur sprichwörtlich einander beim Tragen zu helfen, ist eine simple Form, den Zusammenhalt zu stärken.
Für andere mitmachen: Ob einkaufen oder Brot backen – wenn ich eh schon dabei bin, ist es ein Leichtes, einen zweiten Zettel zu bedenken oder doppelt so viel Teig zu verarbeiten. Für den anderen kann das eine enorme Erleichterung sein.
Regelmäßige Telefon-Dates: „Mein Vater hat über Jahre hinweg jeden Sonntag mit meinen Jungs telefoniert. Meistens haben sie über Fußball gesprochen. Da ist Beziehung entstanden, selbst über eine große Entfernung.“ (Birgit, alleinerziehend)
Patenschaft anvertrauen/übernehmen: Ich bin seit acht Jahren Patentante – mittlerweile von zwei kleinen Mädchen. Ich darf daher als Singlefrau wissen, wie toll Kinder sind und wie anstrengend. Diese Horizonterweiterung durch den Einblick in die andere Lebensform ist für uns alle hilfreich: Wir lernen das, was wir haben, umso mehr schätzen. Und für diese Mädchen bin ich eine wertvolle Bezugsperson: Wenn ihre Eltern mal so richtig doof und uncool sind, bin ich unparteiische Ansprechpartnerin. Und ich darf „Spaß mit den Kindern haben, ohne die ganze Kümmerarbeit – ein Vorteil für Singles“ – sagt die Mama meiner Patentöchter. Dafür beschenke ich sie immer wieder mit kinderfreier Zeit. Wir profitieren alle.
Wohn-Gemeinschaft: Ich selbst lebe schon seit vielen Jahren in Gemeinschaft. Auch für Alleinerziehende kann dies ein tolles Modell sein: „Als mein zweites Kind noch ganz klein war und ich wieder arbeiten gehen musste, habe ich mir eine Studentin und ihre Schwester einquartiert. Wir waren eine Super-WG: Drei Frauen und zwei kleine Kinder – eine Familie über Jahre hinweg!“ (Birgit, alleinerziehend)
Notfall-Kontakt: Hilfe in Notsituationen ist Gold wert. Diese Verantwortung zu teilen, ist für Singles und Eltern entlastend. Meine Mitbewohnerin ist einer der Notfall-Kontakte im Kindergarten der Patentochter. Und die Mama weiß, dass sie sie immer anrufen kann: „Für mich ist das eine große psychische Entlastung.“ (Katrin, verheiratet und Mama von zwei Töchtern). Für mich als Single ist ein sicheres Netzwerk genauso wichtig.
Bei mir selbst anfangen
Bei einigen dieser Ideen denkst du vielleicht, es sei ja nichts Neues. Aber mal ehrlich: Was davon hast du schon ausprobiert? Wenn du Mutter oder Vater bist: Lass die Singles und Kinderlosen an deinem Familienleben teilhaben! Wenn du Single und/oder kinderlos bist: Lass die Familien an deinem Leben teilhaben!
Dieser Zusammenhalt beginnt damit, dass ich ihn will. Ich kann immer nur bei mir selbst anfangen. Wenn ich den Zusammenhalt nur von anderen erwarte, warte ich oft lange. Also fang doch einfach an, nimm andere bewusst in den Blick und werde aktiv! Dann wirst du hoffentlich schnell merken: Gut, dass wir einander haben!
Tina Tschage lebt in München und ist Redakteurin, Autorin, Zeremoniarin, Coach und Trainerin. Mit ihrem Buch „Auf das Leben! Die großen und kleinen Meilensteine des Lebens feiern“ (adeo) will sie Menschen ermutigen, ihr Leben zu umarmen mit allem, was es ihnen bietet.