„Nele Eis haben!“
Wie Kinder sprechen lernen
Von der Geburt bis zum zweiten Geburtstag rast die Entwicklung der Sprache nur so. Das Kind lernt, die Laute seiner Muttersprache von denen zu unterscheiden, die für seine Umgebung irrelevant sind, und imitiert fortan nur noch diese. Es macht vielfältige Erfahrungen mit seiner Umwelt und speichert sie unter neuen Begriffen ab. Der Begriff „Auto“ kann beispielsweise verknüpft sein mit der Vorfreude, zur Oma gefahren zu werden, mit dem Gefühl des kühlen Metalls der Karosserie an den kleinen Händchen, mit der Farbe blau, mit dem lustigen Ton, der beim Hupen entsteht oder mit dem Vanilleduft des Duftbäumchens. All diese Erfahrungen speichert das Kind unter dem Wort „Auto“ ab.
Wenn es nun viele solcher Wörter in seinem Wortschatz abgespeichert hat und anfängt, die Laute seiner Muttersprache gezielt zu benutzen, setzt es diese Bausteine nach bestimmten Regeln miteinander in Beziehung. Diese Regeln nennen wir Grammatik. Das Kind beginnt, durch Ausprobieren und Imitieren seine aktive Sprache zu entwickeln.
Wenig reden, viel verstehen
Kinder im Alter von zwei Jahren können noch keine vollständigen Sätze mit Haupt- und Nebensätzen bilden. Sie schaffen es jedoch, mehrere wichtige Informationen in einen Mehrwortsatz einzuflechten. Ein Beispiel, das alle Eltern kennen: „Eis haben?“ Das Kind hat die wichtigste Information, das Eis, untergebracht und ist am Ende des Satzes mit seiner Stimme nach oben gegangen, sodass Mama auch versteht, dass es sich hier um eine Frage handelt.
Das Kind hat begonnen, die grammatikalischen Strukturen seiner Muttersprache zu benutzen. Zweijährige Kinder benutzen ungefähr schon 50 Wörter aktiv, verstehen aber deutlich mehr. In den Sätzen benutzen sie ungefähr zwei bis drei Wörter, wobei es noch sein kann, dass das Verb im Aussagesatz am Ende steht und im Infinitiv verwendet wird. Außerdem spricht das Kind von sich selbst oft noch in der dritten Person: „Tim Auto nehmen“. Es kann schon viele Laute bilden, ersetzt aber noch schwierige Laute und Lautverbindungen durch einfachere oder lässt sie aus.
Ist Förderung nötig?
Auffällig ist eine Sprachentwicklung dann einzuschätzen, wenn ein oder mehrere Bereiche nicht altersgemäß entwickelt sind. Das stellen häufig die Kinderärzte bei den Vorsorgeuntersuchungen fest. Am besten kennen Sie als Mutter oder Vater jedoch Ihr Kind. Werden Sie wachsam, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Kind nicht versteht, was Sie sagen, obwohl es nachweislich gut hört. Wenn es im Vergleich zu Gleichaltrigen nur wenig spricht und im Alter von zwei Jahren deutlich weniger als 50 Wörter aktiv benutzt, beraten Sie sich mit Ihrem Kinderarzt und stellen Sie Ihr Kind an einer Schule zur Sprachförderung oder an der Frühförderstelle zur Beratung vor. Die Experten dort können eine zuverlässige Aussage treffen, ob die Auffälligkeiten behandlungsbedürftig sind.
Für Eltern sogenannter Late-Talker, also der Kinder, die außergewöhnlich spät anfangen zu sprechen, gibt es das „Heidelberger Elterntraining“. Durch den Kurs werden Eltern geschult, die Sprachentwicklung ihrer Kleinkinder bereits sehr früh positiv zu beeinflussen. Denn je früher ein Kind gefördert wird, desto schneller kann es aufholen! Ob eine Logopädin, die Frühförderung an der Schule zur Sprachförderung oder die Frühförderstelle der geeignete Förderort für Ihr Kind ist, legen Sie dann zusammen mit ihrem Kinderarzt fest.
Birgit Wenzel ist Erzieherin und leitet eine Vorklasse an einer Schule zur Sprachförderung.
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