„Mein Kind schwänzt die Schule“ – Experte rät: Ruhe bewahren!
Wenn der Sohn nicht mehr zur Schule möchte, ist das oft nur ein Symptom, sagt Experte Michael Felten. Das Problem sollte man an der Wurzel packen.
„Vor kurzem habe ich erfahren, dass mein Sohn (15) regelmäßig die Schule geschwänzt hat. Ich habe Angst, dass er seinen Abschluss so nicht schafft. Gespräche über das Thema wehrt er immer ab. Was kann ich tun?“
„Mein Kind ist ein Schulschwänzer“ – das zu realisieren ist für Eltern meist ein Schock. Schließlich ist der Schulbesuch ja nicht nur Pflicht, sondern auch ein bedeutsamer Faktor im jugendlichen Reifungsprozess – und eine wichtige Vorbereitung aufs Berufsleben. Tröstlich mag sein: Sie sind nicht allein! Pubertät, Lernunlust, Schulverweigerung – das müssen Jahr für Jahr tausende Eltern durchstehen. Doch Jugendliche kann man kaum noch zwingen. Vielmehr muss man ihnen dabei helfen, selbst zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen.
Mobbing oder Hochbegabung?
Mögliche Gründe fürs Schule-Schwänzen gibt es viele: Mobbing oder Stress mit der Clique, eine familiäre Beziehungsstörung oder berufliche Aussichtslosigkeit – vielleicht auch „nur“ anhaltende Überforderung oder aber die Langeweile eines Hochbegabten. Man müsste also genauer wissen: Seit wann existiert das Problem, in welcher Form und in welchem Ausmaß? Was sagt Ihr Sohn selbst dazu? Wie waren seine bisherigen Schulerfahrungen? Was sind seine Pläne, was seine Wünsche für die Zukunft? Nicht zuletzt: Wie ist Ihre familiäre Situation, die Beziehung zwischen Sohn und Eltern?
Eltern sollten versuchen, nicht panisch zu reagieren, sondern die „Ordnungswidrigkeit“ als Symptom anzusehen. Als eine Art Notlösung, eine Revolte, einen Hilferuf aus vermeintlicher Sackgasse. Dann fällt es leichter, ungünstige Erstgefühle wie Ärger oder Hilflosigkeit hintanzustellen. Ganz wesentlich ist jetzt nämlich, dass Sie wieder miteinander ins Gespräch kommen. Versuchen Sie, mit Ihrem Sohn gemeinsam auszuloten, wie sich das Problem angehen lässt, wo Auswege liegen könnten. Gleichzeitig ist es günstig, das Blaumachen zu erschweren: ihn zur Schule bringen oder Abholdienste durch Mitschüler arrangieren, sich regelmäßig mit dem Klassenlehrer austauschen und bei Erkrankung Arbeitsaufträge organisieren. Das kann man auch schriftlich vereinbaren – mit Aussagen über Belohnungen oder Sanktionen.
Mentor kann helfen
Man hat übrigens gute Erfahrung damit gemacht, wenn bei problematischen Entwicklungen im Jugendalter ein nichtelterlicher Erwachsener mithilft. Er muss Sicherheit und Reife ausstrahlen und der strauchelnde Jugendliche müsste ihm ein persönliches Anliegen sein bzw. werden (der Familienpsychologe Steve Biddulph nennt das „Mentor“). Vielleicht haben Sie das Glück, dass ein Lehrer bereit und in der Lage ist, Ihren Sohn eine Zeit lang besonders unter seine Fittiche zu nehmen, etwa ein früherer Grundschullehrer, den er noch in unbelasteter Erinnerung hat.
Dieser Mentor könnte mit Ihrem Sohn seine Stärken sowie berufliche Perspektiven durchsprechen – und ihm anbieten, ihn im nächsten halben Jahr besonders zu unterstützen. Das kann durch regelmäßige Begleitung, Kontrolle seiner schulischen Arbeiten oder auch in kleinen Lerngesprächen geschehen. Oder gibt es einen Onkel oder Opa (oder sonstigen vertrauenswürdigen männlichen Freund der Familie), der diese Mentorenrolle übernehmen kann? Ein solcher Mentor dürfte sich natürlich von ersten Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen lassen, sondern müsste eine Weile dicht am Ball bleiben. Ich kenne jedenfalls zahlreiche Jugendliche, die innerhalb kürzester Zeit wie umgedreht waren, wenn sie sich erst einmal von einem vernünftigen externen Älteren verstanden, in ihren Potentialen ermutigt und sinnvoll unterstützt fühlten.
Michael Felten hat 35 Jahre als Gymnasiallehrer gearbeitet, jetzt ist er in der Lehrerweiterbildung tätig. Neben Erziehungsratgebern veröffentlichte er zahlreiche Beiträge zu Bildungsfragen. eltern-lehrer-fragen.de