Eine junge Frau kauft in einem Secondhand-Shop Kleidung. Symbolbild: Getty Images / lechatnoir / Getty Images E+

Secondhand am Straßenrand

Kleidung neu zu kaufen ist oft teuer und wenig nachhaltig. Anna Koppri berichtet, wie sie es schafft, auf neue Kleidung zu verzichten.

In den letzten Jahren habe ich mich vermehrt mit meiner Verantwortung für unseren Planeten und meine Mitgeschöpfe beschäftigt. Ich finde, dass uns die Themen „Schöpfung bewahren“ und „unseren Nächsten lieben“ gerade als Christen ganz viel angehen. Jesus sprach vom „Reich Gottes“, das auf der Erde bereits angebrochen ist. Daran möchte ich gerne mitbauen. Mit jeder kleinsten Konsumentscheidung, die ich treffe, entscheide ich auch über das Wohlergehen der Natur und meiner Mitgeschöpfe. Ich trage mit meinem Lebensstil dazu bei, ob die endlichen Ressourcen dieser Erde weiter schonungslos geschröpft, Menschen ausgebeutet und Lebensräume für Tiere zerstört werden. Ich war ganz schön geschockt, als ich erfahren habe, dass etwa 40 Menschen in Entwicklungsländern ausgebeutet werden, um meinen westlichen Lebensstil zu ermöglichen. Das ist fast so, als würde ich 40 Sklaven für mich schuften lassen (https://slaveryfootprint.org). Später habe ich noch gehört, dass nicht nur Näherinnen in Asien meine günstige Kleidung nähen, sondern für die Herstellung eines einzigen T-Shirts ca. 15 Badewannenladungen voll Wasser verbraucht werden. Wow, das ist heftig. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Millionen Menschen auf der Welt keinen Zugang zu ausreichend Trinkwasser haben.

Keine Shopping-Queen

Ich bin ehrlich: Ich war noch nie die begeisterte Klamotten-Käuferin. Ich kenne Frauen, die nach einem stressigen Arbeitstag shoppen gehen, um sich zu entspannen. Oder Frauen, die sich freiwillig am Wochenende zum Bummeln verabreden. So war ich noch nie. Kleidung kaufen war für mich immer schon vor allem Stress, wegen viel zu vieler Reize: helles Licht, viele Menschen und viel zu viel Auswahl.

Deshalb fiel es mir nicht sonderlich schwer, als ich vor etwa acht Jahren den Entschluss gefasst habe: „Ich werde nicht mehr dazu beitragen, dass Näherinnen sich 14 Stunden täglich die Finger blutig nähen und trotzdem nicht genug zu essen für ihre Kinder mit nach Hause bringen können. Ich werde auch nicht verantworten, dass zig Tonnen kostbaren Wassers verbraucht werden, weil ich jeden Monat ein neues T-Shirt haben möchte. Ich steige aus diesem System aus und betrete fortan keine Bekleidungsgeschäfte mehr.“

Was war das für eine Befreiung, als ich angefangen habe, mir den Blick in die Schaufenster von H&M und C&A zu sparen, weil ich sie sowieso nie wieder betreten würde. Ich habe das die ersten Jahre auch sehr konsequent durchgehalten, bis auf ungefähr einmal im Jahr, um Unterwäsche zu kaufen.

Ansonsten habe ich in den Zu-verschenken-Boxen gewühlt, die hier in Berlin überall am Straßenrand stehen, und nicht selten neue Lieblingsstücke mit nach Hause genommen. Da bin ich als Großstädterin natürlich verwöhnt. Ab und zu gehe ich auch in ein Secondhand-Geschäft, oder ich stöbere auf diversen Plattformen im Internet (Vinted, eBay Kleinanzeigen etc.). Meine Mutter hat mir eine Nähmaschine geschenkt, und ich habe festgestellt, dass Nähen nun wirklich kein Hexenwerk ist. Mit ein paar einfachen Nähten lässt sich problemlos ein neues Shirt zaubern oder ein altes aufhübschen. Außerdem habe ich mich auf Baby-Pumphosen spezialisiert und jedem neuen Erdenbürger in meinem Umfeld eine genäht.

Tauschen statt kaufen

Inzwischen habe ich selbst zwei dieser neuen Erdenbürger bei mir wohnen, für deren Einkleidung ich zuständig bin. Ich nähe immer noch, wenn es die Zeit zulässt. Allerdings achte ich dabei nicht konsequent darauf, woher der Stoff kommt (Notiz an mich: Das sollte ich tun!). Oft tut es tatsächlich auch eine alte Strickjacke oder ein Pulli, denen ich zu einem neuen Leben als Kinderhose oder Mütze verhelfe. Hier auf dem Markt gibt es ein Tauschmobil. Das ist toll. Man kann dort hinbringen, was man nicht mehr möchte, und findet immer wieder genau die Sachen für die Kinder, die man gerade braucht. In der Kita habe ich eine Tauschbox ins Leben gerufen, deren Reste ich entweder zum Tauschmobil oder in den Altkleidercontainer bringe.

Ich bin beim Einkaufen inzwischen nicht mehr ganz so dogmatisch, sondern genehmige es mir manchmal sogar, einen der „verbotenen“ Läden zu betreten, um mir auch mal ein neues Kleidungsstück zu gönnen. Am liebsten natürlich Fairtrade, doch immer klappt das nicht.

Und dann gibt es ja auch noch diverse Freundinnen, die regelmäßig ihre Kleiderschränke aussortieren und mir mitbringen, was mir gefallen könnte. Oder jemand organisiert eine Kleidertauschparty. Ich genieße es selbst total, wenn ich mit den heiß geliebten Klamöttchen, aus denen meine Kinder herausgewachsen sind, einer Freundin oder Cousine eine Freude machen und ihr Kindlein dann darin bewundern kann. Es ist also nicht nur wesentlich ressourcenschonender, wenig neue Kleidung zu kaufen, sondern macht auch glücklich, entlastet das Konto und fördert Gemeinschaft.

Noch finden meine Kids es total cool, mit mir in den Kisten am Wegesrand oder beim Tauschmobil zu wühlen und sich etwas auszusuchen. Ich hoffe natürlich, das hält noch eine Weile an. Doch ich mache mir keine Illusionen, dass nicht auch sie in den nächsten Jahren angesagte neue Sneakers und Shirts mit den richtigen Markennamen haben wollen. Ich werde ihnen dann erklären, weshalb ich ihnen die gern, allerdings zum Großteil secondhand besorge. Und auch, wie sie ihren Freunden klarmachen können, weshalb das wesentlich cooler ist, als neu zu kaufen.

Anna Koppri arbeitet für die Berliner Stadtmission, wo monatlich mehrere Tonnen Altkleider sinnvoll umverteilt oder upgecycelt werden.