Beiträge

Abtreibung – und nun? Das brauchen Betroffene jetzt

Eine ungewollte Schwangerschaft und eine Abtreibung kann Frauen große Not bereiten. Eine Expertin erklärt, wie Verwandte und Freunde Betroffenen beistehen können.

Das wichtigste ist, für die Betroffenen da zu sein. Viele Frauen, die zu uns in die Beratungsstelle kommen, erzählen, dass sie von ihrer Meinung und Einstellung her immer gegen einen Schwangerschaftsabbruch waren. Als sie dann plötzlich schwanger wurden, haben sie sich doch für eine Abtreibung entschieden. Sie mussten eine Entscheidung treffen, ohne alles überblicken zu können. Der Schmerz innerhalb dieser Entscheidung ist, dass ein Schwangerschaftsabbruch endgültig ist. Dennoch gibt es einen Neubeginn, immer Hoffnung und es ist einfach wertvoll, wenn du jetzt für die Person, der du nahstehst, da bist und bleibst.

Abtreibung – eine Zeit voll Angst und Zeitdruck

Für einen Menschen da zu sein, der einen Schwangerschaftsabbruch erlebt hat, ist von hohem Wert. Die Zeit vor der Abtreibung ist von Angst geprägt und von dem Zeitdruck, in dem die Entscheidung getroffen werden musste. Die Frau hat den Vorgang des Schwangerschaftsabbruchs in und mit ihrem Körper erlebt und überlebt. Wenn nun alles vorbei ist, ist tatsächlich alles vorbei: Der Bauch ist leer. Leere füllt das Innerste. Die Welt um sie herum dreht sich weiter, aber die eigene Welt ist stehen geblieben. Was ist passiert? Abends, nachts oder auch tagsüber kommen viele Fragen hoch. Und oft auch wortlose, einsame Tränen.

Nicht selten ziehen sich Frauen zurück und verstummen, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch erlebt haben. Indem du der Person zeigst, dass du trotzdem und gerade jetzt für sie da bist, zeigst du ihr Wertschätzung und Anerkennung. Und nicht nur ihr. Es ist auch ein Ausdruck von Wertschätzung und Würdigung dem Menschen gegenüber, der nicht (mehr) ist: das Kind.

Betroffene erleben Grenzverletzung

Sei dir bewusst: Ein Schwangerschaftsabbruch ist immer auch eine Grenzverletzung. Es muss körperlich eine Grenze überschritten werden, damit die Schwangerschaft beendet werden kann. Viele empfinden zudem eine emotionale Grenzverletzung, weil der Verstand das Herz übertönt hat.

Wenn wir den Weg der Abtreibung gehen, treffen wir in der Gegenwart eine Entscheidung für die Zukunft. Das kann sein: „Jetzt bin ich schwanger (Gegenwart) und der Entbindungstermin fällt genau mit meinem Examen zusammen (Zukunft)“, ein typisches Beispiel aus meinem Beratungsalltag. Wenn die Frau dann das Examen hinter sich hat, erlebt sie die „Zukunft“, über die sie damals die Entscheidung getroffen hat und fragt sich: „Hätten wir doch beides geschafft: schwanger bleiben, das Kind bekommen und das Examen?“

Das sind Zeitpunkte, in denen Schmerz und Trauer auch noch viel später auftauchen können. Lass dich davon nicht verunsichern! Stell Fragen – und höre Antworten! Nimm Anteil – und bleibe zugewandt! Bleib da, durch alle Zeiten hindurch!

Tirza Schmidt ist Gründerin der „VillaVie. Raum für dich” in Bochum, die anbietet, über das Tabu Schwangerschaftsabbruch in den Dialog zu kommen. Infos: villa-vie.org, Instagram: @villavie_

„Es ist so eine Last, so eine schwere“

Tirza Schmidt begleitet und berät Frauen und Männer, die unter den Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs leiden. Vor drei Jahren hat sie in Bochum die VillaVie gegründet. Hier können Betroffene offen über Schmerz, Schuld und Trauer sprechen.

Mehrere Geschäfte säumen den Lahariplatz im Bochumer Stadtteil Laer. Eine Frau trägt zwei Einkaufstaschen über den Platz. Zwei ältere Herren, die auf einer Bank sitzen, sehen ihr nach. Von dem nahegelegenen Spielplatz hört man Kinderlachen. Mittendrin die VillaVie – Haus des Lebens. Der Ort absichtlich so gewählt. „Wir wollen das Thema Schwangerschaftsabbruch rausholen aus der Tabuzone“, sagt Gründerin Tirza Schmidt. Schwangerschaftsabbruch sagt sie, nicht Abtreibung. Für viele ihrer Klientinnen und Klienten sei das Wort Abtreibung „wie ein Schlag ins Gesicht“. Tirza will ihre Sprache sprechen. „Es ist eine Mauer aus Scham, Schmerz, Trauer und Schuldgefühlen, hinter der sich viele Betroffene verstecken“, weiß die Psychotherapeutin und Hebamme. „Sprache öffnet.“

Total überfordert

Sonnenlicht strahlt durch die große Fensterfront in die VillaVie. Mehrere Sitzecken gibt es hier, auf kleinen Tischen stehen Süßigkeiten für die Besucher bereit, Teelichter brennen. Es ist Besuchszeit. Tirza unterhält sich mit einer jungen Mutter, die auf einer Decke sitzt, auf der ihr Baby strampelt. Auch ein junger Mann ist gekommen. Er sitzt mit einer Tasse Kaffee auf einem Sessel und beobachtet das Baby. „Mein Kind wäre jetzt im Schulalter“, erzählt Hendrik (Name geändert), und sein Blick wird starr. „Immer, wenn ich die I-Dötzchen sehe, zieht es in der Magengegend, weil ich denke: Da könnte mein Kind jetzt auch mitlaufen.“

Der Schwangerschaftsabbruch, den er erlebt hat, liegt sieben Jahre zurück. Seine Freundin ist 15 Jahre alt, als sie erfährt, dass sie schwanger ist, er 17, beide gehen noch zur Schule. „Wir waren mit der Situation total überfordert.“ Sie überlegen hin und her, schreiben Pro- und Contra- Listen. Schließlich werfen sie eine Münze. Die Münze ist gegen das Kind. Weil die beiden Minderjährigen hierzulande die Zustimmung mindestens eines Elternteils für einen Schwangerschaftsabbruch brauchen, sie ihre Eltern aber aus der Sache raushalten wollen, kratzen sie ihre Ersparnisse zusammen und reisen in die Niederlande, wo sie diese Einwilligung nicht benötigen.
„Sie wollte das. Wir wollten das. Uns war klar: Wir können dem Kind nichts bieten“, sagt der 24-Jährige heute. Doch als er seine Freundin nach dem Eingriff aus der Klinik abholt, sind ihre ersten Worte: „Wir haben unser Kind gerade verloren.“ Sie weint auf dem gesamten Heimweg, den Rest der Woche, isst kaum etwas. Er ist für sie da, versorgt sie, funktioniert. „Ich bin so erzogen worden, dass ich keine Gefühle zeige. Ich wusste nicht, wie man trauert. Ich war komplett kalt.“

Die Trauer wegtrinken

Danach ist nichts mehr, wie es war. Während sie immer extrovertierter wird, wird Hendrik introvertierter und flieht in Alkohol und Glücksspiel. Obwohl er sie immer noch liebt, zieht er sich von ihr zurück. Mehrere Jahre geht das so, bis sie beschließen, sich zu treffen und ihrer Beziehung eine neue Chance zu geben. Doch zu diesem Treffen kommt es nicht mehr. Hendriks Freundin stirbt bei einem Verkehrsunfall. „Ich hab’s über Facebook erfahren und dann erst mal eine Runde gezockt.“ Doch diesmal kann er seinen Schmerz und seine Trauer nicht wegspielen, nicht wegtrinken. „Es kamen Gefühle in mir auf, mit denen ich überfordert war.“ Als sie merkt, dass ihr Sohn ihr ganzes Geld verzockt, bringt Hendriks Mutter ihn in eine Entzugsklinik. Eine lange Reise beginnt für Hendrik. „In den Therapien habe ich zum ersten Mal über mein Leben und meine Gefühle gesprochen. In mir war so viel Wut, weil meine Freundin gestorben ist und auch, weil ich mein Kind abgetrieben habe.“ „Mein Kind“, sagt er. Manchmal stellt er sich vor, es wäre ein Junge gewesen, Mika.

Hendrik ist vom Spielen und vom Alkohol losgekommen, hat sich eine Arbeit gesucht und ins Leben zurückgefunden. Seit eineinhalb Jahren besucht er regelmäßig die VillaVie. Die zusätzliche Therapie bei Tirza hilft ihm, den Schmerz zu verarbeiten. „Tirza hat mich nicht verurteilt, sondern mich so aufgenommen, wie ich bin.“

Unendlich viele Emotionen

Menschen wie Hendrik, die aufgrund einer bestehenden oder zurückliegenden Schwangerschaft in Schwierigkeiten stecken, zu helfen – das war schon als Kind Tirzas Wunsch. Früh weiß sie: Sie will Hebamme werden. In ihrer Ausbildung ist sie eine der Jüngsten. Während eines Praktikums bei einer Hebamme, die Frauen im Schwangerschaftskonflikt berät, erfährt sie: „Den Frauen ist überhaupt nicht bewusst, wie schwer so ein Schwangerschaftsabbruch ist. Körperlich, aber auch emotional.“ Berührt von der Trauer und dem Schmerz der Frauen liest sie sich durch Foren und stößt auf Sätze wie: „Es wird mich mein Leben lang verfolgen“, „Es ist so eine Last, so eine schwere“ und „Ich hab so unendlich viele Emotionen in mir: Wut, Hass, Enttäuschung, Trauer, Zweifel, Schmerz“. Sätze, die Betroffene nirgendwo anders aussprechen konnten. Sätze, die man nun, ausgedruckt und aufgehängt an einem Band, in der VillaVie liest.

„Die Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs müssen Betroffenen bewusst werden dürfen“, sagt Tirza. Dass es deutschlandweit wenige vergleichbare Anlaufstellen für Menschen gibt, die unter den Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs leiden, zeigt, wie sehr dieses Thema vernachlässigt wird – auch in Kirchen und Gemeinden. Bei fast jedem Vortrag, den Tirza dort hält, wird sie von Menschen angesprochen, die einen Abbruch hinter sich haben. Schwangerschaftsabbrüche machen vor keinem Alter, vor keiner Schicht und keiner Gruppe Halt.

Ein Glaubensschritt

Nachdem sie mehrere Jahre als Hebamme gearbeitet und sich zusätzlich als Heilpraktikerin für Psychotherapie ausbilden lassen hat, zieht Tirza Schmidt 2014 in den Keller ihrer Eltern, spart jeden Cent, erstellt ein Logo, Visitenkarten, baut ein Netzwerk auf. Zwei Jahre später unterschreibt sie den Mietvertrag für die Räume am Lahariplatz. „Es war ein Glaubensschritt“, sagt die 34-Jährige. „Ich wusste damals nicht mal, wie ich die Miete bezahlen soll. Mein Startkapital war klein.“ Mithilfe ihrer Unterstützer renoviert und gestaltet sie die Räume. Im Januar 2017 öffnet die VillaVie zum ersten Mal.

„In den ersten Monaten saß ich allein hier und hab gewartet“, erinnert sie sich. Die Leute blickten zwar neugierig durch die großen Fenster, trauten sich aber nicht hi-nein. Im März tritt zum ersten Mal eine Mutter ein. Heute hat sich die VillaVie im Stadtteil herumgesprochen. Das Team rund um Tirza ist gewachsen. Zwei weitere Mitarbeiterinnen betreuen die rund 20 Menschen, die jede Woche die VillaVie besuchen. Manchen empfiehlt Tirza, die inzwischen aus dem Keller ihrer Eltern ausziehen konnte, zur Therapie zu bleiben. Zu Sonderveranstaltungen kommen auch Menschen aus ganz Deutschland angereist, die durch die sozialen Medien auf die Beratungsstelle aufmerksam geworden sind – darunter nicht nur betroffene Frauen und Männer, sondern auch medizinisches Personal und Hebammen, die über ihre Erfahrungen sprechen möchten. Für die, die sich diesem Thema im besonders geschützten Raum stellen wollen, gibt es in der VillaVie einen separaten Hintereingang.

Die Schuldfrage

Die Aufmerksamkeit wächst – für ein brisantes Thema. Anfeindungen reduzieren sich bisher auf ein paar wenige Kommentare von Abtreibungsbefürwortern bei Instagram. Mit wachsender Bekanntheit könnte das zunehmen. Macht ihr das Angst? „Manchmal frage ich mich schon: Was ist, wenn unsere Fenster mit Eiern beworfen oder beschmiert werden? Vielleicht muss man auch damit rechnen?“, fragt sich Tirza, aber zuckt mit den Schultern. „Ich musste schon mit so vielem rechnen, als ich noch im Keller wohnte und keinen Cent hatte.“

Es sind eher andere Anfeindungen, mit denen Tirza zu kämpfen hat. „Wir machen unsere Türen sperrangelweit auf für Menschen, die abgetrieben haben. Uns wurde deshalb schon oft unterstellt, dass wir für Abtreibung sind“, erzählt Tirza und schüttelt den Kopf. Sind sie denn gegen Abtreibung? „Unsere Beratungen sind bewusst neutral gehalten“, betont Tirza. „Die Betroffenen müssen erst mal alles rauslassen: Wut, Trauer, Schmerz.“ Nur wenn der Ratsuchende von sich aus auf das Thema Glauben zu sprechen komme, gehen sie darauf ein, denn „fast alle Betroffenen stellen sich die Schuldfrage“. Dann kann auf einen liebenden und vergebenden Gott hingewiesen werden, damit die Betroffenen Frieden bekommen können.

Und Hendrik? Von der ersten und einzigen Ultraschalluntersuchung existiert ein Bild, das er damals, nach dem Schwangerschaftsabbruch, zusammen mit seiner Freundin an einer Stelle im Wald vergraben hat. Da liegt es bis heute. „Da liegt mein Kind. Ich hatte kein Grab. Es ist trotzdem wie ein kleiner Friedhof für mich.“ Er möchte besonders Männern Mut machen, darüber zu sprechen. „Wenn man es schafft, sich seinen Gefühlen zu stellen, merkt man, dass es einen nicht schwächer macht, sondern stärker.“

Ruth Korte ist freie Redakteurin bei Family und FamilyNEXT, Buchautorin und lebt mit ihrer Familie in Gießen. 

„Ich suche nicht nach Qualitäts-Kriterien“

Ein Interview mit Dr. Detlev Katzwinkel, Chefarzt der Gynäkologie im St. Martinus Krankenhaus in Langenfeld

Die pränatale Diagnostik wird immer ausgefeilter. Gibt es dadurch mehr Abtreibungen?
Wir vermuten, dass durch die Mehrdiagnostik mehr Abbrüche notwendig werden. Es lässt sich aber zahlentechnisch schwer beweisen. Allerdings gibt es auch ganz viele Abbrüche, die mit anderen Dingen zu tun haben, zum Beispiel mit so genannter „sozialer Unverträglichkeit“. Das geht von „Ich stecke gerade in einer persönlichen Notlage“ bis hin zu „Die Schwangerschaft passt mir jetzt nicht“.

Was raten Sie Schwangeren, die vor der Frage stehen, welche Diagnostik sie machen sollen?
Ich rate Schwangeren, darüber nachzudenken, was sie wirklich wissen wollen, und zwar bevor sie eine tiefergehende Diagnostik in Anspruch nehmen. Ich habe gerade eine Schwangere untersucht, eine Lehrerin. Sie und ihr Mann sind Christen. Ich habe ihnen bei der ersten Begegnung gesagt: „Ich kann Sie gern bei der Schwangerschaft begleiten, aber ich werde nicht nach Qualitätskriterien des Kindes suchen. Ich werde natürlich das Kind genauestens angucken. Und wenn ich Erkrankungen entdecke, bei denen das Kind eine Therapie bekommen kann, werde ich mit ihnen darüber reden. Aber eine Trisomie 21 zum Beispiel ist nicht therapierbar. Nach Hinweisen auf Trisomie 21 würde ich nicht suchen, und wenn ich zufällig welche fände, würde ich es Ihnen nicht sagen.“ Nach so einem Gespräch haben die werdenden Eltern erst einmal Zeit zu überlegen, ob sie eine weitergehende Pränataldiagnostik extern machen lassen wollen oder nicht. Dieses Paar hat gesagt: „Wir wollen nur gucken, dass sich das Kind gut entwickelt, dass es die bestmöglichen Optionen hat, unterstützt zu werden, aber das andere interessiert uns nicht.“

Aber die meisten Ärzte machen es nicht so wie Sie …
Das stimmt. Die meisten Ärzte würden sagen: „Sie wollen doch sicher ein gesundes Kind, dann müssen Sie zur Pränataldiagnostik gehen.“ Und dann kommen sie aus so einer Untersuchung heraus und haben plötzlich ein Ergebnis: „Die Nackenfalte ist um drei Millimeter größer als im Durchschnitt und das Nasenbein ist an dieser Stelle ein bisschen hypoplastisch entwickelt.“ Die Eltern fragen: „Ist mein Kind jetzt krank?“ Und der Arzt sagt: „Das könnte ein Hinweis sein, dass ein genetischer Defekt vorliegt. Um das rauszukriegen, müssen wir jetzt weitersuchen …“ Insofern finde ich meine Beratung viel ergebnisoffener, weil ich ja vorher sage, was auf sie zukommt. Aber viele Leute finden, ergebnisoffen würde heißen: Wir machen die Untersuchung und wenn wir wissen, was es ist, dann kann die Frau sagen, ob sie das Kind haben will oder nicht. Und das ist nicht richtig. Die Eltern bekommen vom ersten Tag der Untersuchungen an eine Skepsis gegen das eigene Kind: Ist das auch das Kind, das wir haben wollen? Diese Frage finde ich persönlich ethisch schon anmaßend.

Wie kann ich dem entgehen, wenn ich schwanger bin?
Indem man im Vorfeld mit seinem Partner spricht. Und wenn man zur Vorsorge geht, dass man dann sagt, was man wirklich will und was nicht, zum Beispiel: „Wir wollen keine Informationen über Krankheiten, die nicht therapierbar sind und die als Konsequenz nur den Abbruch der Schwangerschaft nach sich ziehen würden.“

Welche psychischen und körperlichen Folgen kann eine Abtreibung haben?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt sicher Frauen, die aufgrund der Abtreibung keine weiteren Folgen haben. Es gibt aber auch Frauen, die im Abstand dieses Kind vermissen. Ich kenne viele Frauen, die damit große Probleme haben und eine psychiatrische Betreuung brauchen wegen eines im Englischen als „Post Abortion Syndrom“ bezeichneten Trauma-Komplexes. Das darf man aber nicht so nennen in Deutschland. Da spricht man allgemeiner von einer „posttraumatischen Belastungsstörung“.

Interview: Bettina Wendland

 

*Weitere Artikel zum Thema Abtreibung gibt es in der Ausgabe 2/17.

Tim wird 18

Am 6. Juli wird Tim erwachsen. Der Junge, der seine Abtreibung überlebt hat, feiert seinen 18. Geburtstag.

Nur 690 Gramm wog er nach der Abtreibung, für die seine Mutter sich entschied, weil er das Down Syndrom hatte. Doch er lebte! Weil er aber über Stunden ohne Versorgung blieb, hat er neben seiner Behinderung weitere schwere Einschränkungen. Doch Tim ist ein Kämpfer. Und er hat liebevolle Pflegeeltern: Simone und Bernhard Guido haben Tim aufgenommen und in den letzten Jahren begleitet. Sie haben ihm unendlich viel gegeben. Und sie haben ihre Entscheidung nie bereut: „Er hat unser Leben reich gemacht, trotz aller Probleme.“

Anlässlich seines Geburtstags haben Simone und Bernhard Guido zusammen mit der Autorin Kathrin Schadt ein Buch geschrieben, in dem sie die letzten 18 Jahre Revue passieren lassen. Darin kommen auch viele Freunde und Wegbegleiter der Guidos zu Wort. Es heißt „Tim lebt!“ und ist bei adeo erschienen.

Trotz aller negativen Prognosen hat Tim sich immer weiter entwickelt. Besonders von den Delfintherapien hat er sehr profitiert. Das wird auch in seinem Zimmer deutlich: Eine Delfinborte ziert den Rand der Tapete.

Sein Pflegevater Bernhard Guido hofft, dass Tims Leben auch anderen Menschen Mut macht: „So viele Menschen werfen ihr Leben weg. Tim kann ihnen ein Vorbild sein, es anzunehmen.“

Bettina Wendland

Family-Redakteurin

 

 

Dawkins für Abtreibung von Kindern mit Down-Syndrom

In einer Twitter-Diskussion hat Richard Dawkins, Biologe und Begründer des so genannten „Neuen Atheismus“, dazu geraten, Kinder mit Down-Syndrom abzutreiben. Eine Frau hatte geschrieben: „Ich weiß wirklich nicht, was ich tun würde, wenn ich schwanger mit einem Kind mit Down-Syndrom wäre. Ein wahres ethisches Dilemma.“ Darauf twitterte Dawkins: „Treib es ab und versuch es noch einmal. Es wäre unmoralisch, es zur Welt zu bringen, wenn du eine Wahl hast.“

Die britische Down’s Syndrome Association (DSA) schreibt dazu: „Menschen mit Down Syndrom leben ein vollwertiges und lohnendes Leben. Sie leisten auch einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft. Wir glauben nicht, dass das Down Syndrom ein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sein sollte. Aber es ist uns bewusst, dass Familien ihre eigene Entscheidung treffen müssen. Die DSA bemüht sich darum, sicherzustellen, dass alle betroffenen werdenden Eltern ausführliche und aktuelle Informationen darüber bekommen, wie das Leben für einen Menschen mit Down Syndrom heute aussieht.“