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„Unsere Trauer will Ausdruck finden“

Monika Osmaston-Zakes wurde innerhalb von zwei Jahren mit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter und ihres Mannes konfrontiert. Bei diesen persönlichen Abschieden ist sie viele steinige Trauerwege gegangen. Und hat schließlich eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht. Mit ihrem Buch „Begleitet in meiner Trauer“ möchte sie anderen Trauernden auf ihren Wegen zur Seite stehen.

Ein Buch zum Thema „Trauer“ zu schreiben, stelle ich mir schwierig vor. Trauer ist ja sehr individuell, oder?
Ja, Trauer ist etwas sehr Individuelles. Je nachdem, wen ich verloren habe, unter welchen Umständen, je nach Lebensgeschichte und nach Temperament zeigt sich Trauer sehr unterschiedlich. Und trotzdem bewegt sie sich für jeden auch in ähnlichen Themenfeldern. Mein Trauerbuch sollte kein Rezeptbuch werden, sondern vor allem ermutigen zu einem eigenen Weg. Dadurch dass ich Beispiele aus meinem eigenen Erleben oder dem anderer Trauernder erzähle, will ich verschiedene Fenster öffnen: „Aha, so könnte ich damit umgehen.“ Und dann muss jeder schauen, was für ihn oder sie stimmig ist. Von daher sind es immer Angebote, aber keine Rezepte.

Gibt es denn bestimmte Phasen der Trauer?
Ich schreibe in meinem Buch nicht von Phasen, sondern von Gezeiten, in Anlehnung an Ruthmarijke Smeding und ihr Modell „Gezeiten der Trauer“. Ich finde die Bilder aus diesem Modell sehr passend: Die Schleusenzeit beginnt mit dem Eintritt des Todes und findet in der Beerdigung ihren Abschluss. Sie ist damit eine nicht wiederkehrende Zeit im Trauerprozess. Im Bild des Januskopfes – benannt nach dem römischen Gott Janus, der ein nach vorn und hinten gerichtetes Gesicht hat – kommt sehr treffend zum Ausdruck: Das, was war, ist nicht mehr, und die Zukunft ist noch nicht vorstellbar. Dies ist häufig begleitet von heftigen Trauerreaktionen. In der Labyrinthzeit geht es darum: Wer bin ich ohne den anderen? Und wie finde ich ohne den anderen in mein neues Leben? Hier ist das Labyrinth ein wunderschönes Bild: Ich gehe nicht verloren wie im Irrgarten, sondern ich werde meinen Weg finden – über viele Kehren und Wendungen. Ich werde zu meiner Mitte finden und auch wieder herausfinden aus der Trauer. Eine weitere der Gezeiten ist die Regenbogenzeit. Der Regenbogen steht ja schon in der Bibel für Hoffnung und für die Zusage Gottes: „Ich bin mit dir.“ Trauer ist kein linearer Prozess. Schon am Anfang des Trauerprozesses kann ich ganz viel Hoffnung und Trost empfinden, und dann wieder holen mich heftige Reaktionen ein, weil ich den anderen schmerzlich vermisse.

Heilt die Zeit alle Wunden?
Nein, das tut sie nicht. Die Zeit schafft Abstand zu dem, was geschehen ist. Die Zeit eröffnet mir einen Zeitraum, in dem Heilung geschehen kann. Aber die Zeit an sich heilt keine Wunden. Es gibt Trauerverläufe, in denen die Trauer nach ganz langer Zeit aufbricht, da sie vorher keinen Ausdruck gefunden hat.

Wie kann ich der Trauer denn Ausdruck geben?
Die Trauer will mir helfen, den Verlust in mein Leben zu integrieren. Wenn ich der Trauer Ausdruck gebe, dann wird sie sich mit der Zeit verändern. Eine Möglichkeit, der Trauer Ausdruck zu geben, ist es, den Tränen freien Lauf zu lassen und zu wissen, dass darin auch der Schmerz abfließen kann. Tränen signalisieren ja auch den anderen: Ich brauche euch jetzt, ich brauche eure Nähe, eure Zuwendung. Wenn ich Menschen habe, die dafür offen sind, kann ich mich ihnen mitteilen. Oder ich kann kreative Ausdrucksformen finden. Ob im Erzählen, im Schreiben, im Gestalten, im Weinen, im Schreien, in der Klage Gott gegenüber. Und dann kann sich langsam etwas verändern. Und sich vielleicht in Dankbarkeit, vielleicht in neue Zuversicht wandeln.

Sie haben gerade die Klage Gott gegenüber erwähnt. Wie kann der Glaube in der Trauer helfen?
Auf ganz vielfältige Weise. Zum einen bietet mir der Glaube einen Raum und ein Gegenüber für meine Klage. Meine Klage geht nicht ins Leere, ich kann darüber mit Gott ins Gespräch kommen. Sie ihm vor die Füße werfen. Mit ihm ringen. Und selbst wenn ich keine Worte finde, hört Gott meinen stillen Schrei. Und der Glaube gibt mir eine Hoffnung, die Hoffnung auf Auferstehung. Er gibt mir damit auch einen Platz für den Verstorbenen. Ich glaube, alle Trauernden fragen sich nach dem Tod eines nahen Menschen: Wo ist mein Verstorbener jetzt? Und jeder macht sich ein Bild. Hier hat der Glaube ganz starke Hoffnungsbilder. Und das kann mich mit meinem Verstorbenen verbinden, dass er bei dem Gott ist, an den ich auch glaube. Außerdem hilft der Glaube durch seine Rituale: sowohl die gemeinschaftlich praktizierten wie das Totengedenken am Ewigkeitssonntag, die Auferstehungsfeier am Ostermorgen oder die Fürbitten in der Kirche, als auch die individuell praktizierten, indem Sie ein Abendgebet sprechen oder morgens Ihren Tag bewusst mit Gott beginnen. Ich finde, dass der Glaube eine große Stütze und eine große Stärke sein kann.

Wo finde ich Hilfe, wenn ich merke, dass ich allein nicht klarkomme?
Sie können sich an das örtliche Hospiz wenden. Hospize haben meist nicht nur Angebote für sterbende Menschen, sondern auch für trauernde Menschen: Einzelbegleitungen oder Trauergruppen, Trauercafés oder Trauerseminare. Im Internet findet man auch verlustspezifische Angebote, wie den Verband für verwaiste Eltern, für verwitwete Menschen oder für Angehörige nach Suizid oder Gewaltverbrechen. Der Bundesverband Trauerbegleitung hat eine Homepage, wo man lokale Trauerbegleiter/innen finden kann. Niemand muss allein unterwegs sein. Es gibt vielfältige Angebote.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Bettina Wendland.

 

Buchtipp: Monika Osmaston-Zakes: Begleitet in meiner Trauer. Ein Hoffnungsbuch für schwere Zeiten (SCM Hänssler)

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