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Glühbirnen-Bildchen und Checklisten

ADHS-Trainerin Judith Gruhler gibt Tipps, was betroffenen Familien helfen kann. Teil 2 unserer Mini-Serie zu ADHS

Ein Leben mit ADHS bringt ständige Herausforderungen mit sich – das kostet Kraft. Vor allem, wenn man als Elternteil selbst auch betroffen ist! Doch es ist möglich, dass der Alltag entspannter wird. Dazu möchte ich in diesem Artikel einige Anregungen geben. Diese ersetzen allerdings kein Elterntraining! Darum ist der erste Tipp: Nehmen Sie an einem ADHSElterntraining teil! Dort lernen Sie, Ihr Kind besser zu verstehen und besser mit ihm umzugehen. Dazu gehört zu verstehen, welche Auswirkungen die andere Netzwerknutzung im Gehirn eines Kindes mit ADHS hat (siehe Teil 1 der Mini-Serie in Family 4/16). Und sie können sich dort mit anderen Eltern austauschen. Das gilt auch für ADHSSelbsthilfegruppen. Je mehr hilfreiches Wissen Sie über ADHS haben, umso besser werden Sie den Alltag bewältigen können (Infos und Buchtipps siehe Kasten).

VORSICHT, GEÄNDERTER FAHRPLAN!
Was kann helfen, dass der Alltag entspannter wird? Einige praxisbewährte Anregungen dazu:

  • Kinder mit ADHS haben Probleme mit Umstellungen. Sie brauchen eine Ankündigung vor einer Umstellung, etwas Neuem oder einer „Fahrplanänderung“. Hilfreich ist ein Küchenwecker, der als Ankündigung beispielsweise fünf Minuten vor dem Ende des Spielens läutet.
  • Bei einem Kind mit ADHS, das überreizt oder irritiert ist, kann die Stimmung unmittelbar kippen. Es kann heftig erregt sein und verletzende Dinge sagen. Nehmen Sie diese Äußerungen nicht persönlich! Versuchen Sie, tief durchzuatmen. Stellen Sie sich vor, vor Ihnen sei eine Plexiglasscheibe, an der die Aussagen Ihres Kindes abprallen.
  • Achtsamkeit, Gelassenheit und Humor können bewirken, dass Schweres leichter wird. Diese Fähigkeiten kann man lernen, dazu braucht man jedoch Zeit!
  • Weil der Alltag viel Kraft kostet, ist ein positiver Ausgleich wichtig. Tun Sie regelmäßig etwas, das Ihnen guttut, wo Sie auftanken können. Um Stresshormone abbauen zu können, ist Bewegung sehr gut. Planen Sie auch Zeiten ein, in denen Sie gemeinsam mit dem Kind etwas Schönes erleben können.

Verbreitete Irrtümer über ADHS

ADHS ist inzwischen ein bekannter Begriff. Er wird sowohl von Fachleuten als auch in Alltagsgesprächen häufig benutzt. So entstanden auch Klischees. Und es sind Irrtümer im Umlauf, die verunsichern und manchmal dazu führen, dass ADHS nicht erkannt wird und betroffene Kinder nicht die nötige Unterstützung bekommen. Der Begriff ADHS beinhaltet in diesem Artikel sowohl ADHS mit als auch ohne Hyperaktivität.

Verbreitete Irrtümer über ADHS, die immer wieder zu hören sind:

  1. „Wenn sich ein Kind gut konzentrieren kann, kann es kein ADHS haben.“ Menschen mit ADHS können sich sehr gut konzentrieren, wenn etwas für sie persönlich spannend und interessant ist, aber nur dann. Sie haben Probleme, wenn etwas langweilig oder schwierig ist.
  2. „Wer still sitzen kann, kann kein ADHS haben.“ Nicht nur Kinder ohne Hyperaktivität, die „Träumerchen“, können gut still sitzen. Selbst hyperaktive Kinder können das, zum Beispiel beim Aber es gelingt ihnen eben nur bei persönlichem Interesse (siehe 1.).
  3. „Aufmerksamkeitsdefizit bedeutet, dass diese Kinder zu wenig Aufmerksamkeit bekamen.“ Dieser Irrtum stammt daher, dass das Belohnungs- und Motivationszentrum im Gehirn bei diesen Kindern ständig „hungrig“ ist. Deshalb fordern sie meist tatsächlich mehr Aufmerksamkeit ein.
  4. „Mehr Jungen als Mädchen sind betroffen.“ Jungen bekommen eher die Hilfe und Unterstützung, die sie benötigen. Sie werden früher und häufiger diagnostiziert, weil sie sich durch die Hyperaktivität auffälliger verhalten als die oft eher ruhigen Mädchen. Durch die ADHS-typische Reizoffenheit mit Reizfilterschwäche sind die Mädchen oft hypersensibel im sozialen Kontext und bei hohem Eigeninteresse gelingt ihnen die Anpassung. Nicht selten ist dies auch eine Überanpassung mit früher Kontrollneigung, Ess- und Schlafstörungen, Depressionen und Ängsten.
  5. „Du könntest, wenn du wolltest. Gestern hast du es auch gekonnt.“ Es kann sein, dass das Gehirn aufgrund bestimmter Faktoren am Vortag „eingeschaltet“ war, zum Beispiel weil das Kind gute Laune hatte. Heute ist es nicht mehr „eingeschaltet“, zum Beispiel weil das Kind Druck verspürt. Es hat dann keinen Zugriff mehr auf sein Aufmerksamkeitszentrum und ist deshalb nicht in der Lage, die Aufgabe zu lösen.
  6. „Medikamente (Methylphenidat wie z.B. Ritalin) werden gegeben, um die Kinder ruhigzustellen und machen süchtig.“ Bei richtiger Dosierung helfen die Medikamente den Kindern, wacher und konzentrierter zu sein und verbessern die Selbststeuerung. Es entsteht nachweislich keine körperliche Abhängigkeit.
  7. „ADHS und Hochbegabung schließen sich aus.“ Es gibt viele Beispiele für Menschen mit ADHS und Hochbegabung!

Judith Gruhler ist Sozialpädagogin, Elterncoach und ADHS-Trainerin. Sie lebt mit ihrer Familie bei Ulm und arbeitet schwerpunktmäßig mit Familien mit ADHS. In der aktuellen Ausgabe von Family gibt Judith Gruhler Tipps, was betroffenen Eltern helfen kann.

 

Buchtipps:

  • Sehr empfehlenswert sind die Bücher von Cordula Neuhaus, die zum Teil nur noch antiquarisch erhältlich sind.
  • Ebenfalls empfehlenswert sind die Bücher von Helga Simchen (z.B. über ADHS und Hochbegabung) und Elisabeth Aust-Claus (z.B. zum Thema Lernen)
  • Max Lucado: Du bist einmalig (SCM Hänssler)
  • Arno Backhaus: Ach du Schreck! ADS: Vom Chaoskind zum Lebenskünstler (Brendow)
  • Anna Maria Sanders: Ich dreh gleich durch! Tagebuch eines ADHS-Kindes und seiner genervten Leidensgenossen (Gütersloher Verlagshaus)
  • Felix Ditz: Wenn ich doch nur aufmerksam sein könnte (zu beziehen über ADHS Deutschland)
  • Uta Reimann-Höhn: Langsam und verträumt: ADS bei nicht-hyperaktiven Kindern (Herder spektrum); AD(H)S in der Pubertät (Herder)

 

Hilfreiche Websites:

 

„ADHS wird manchmal zu schnell diagnostiziert“

Der amerikanische Kinderarzt und Neurologe Richard Saul behauptet in seinem Buch „Die ADHS-Lüge“, ADHS sei keine Krankheit. Den Symptomen, die normalerweise mit ADHS erklärt werden, lägen andere Erkrankungen oder Störungen zugrunde. Family hat die Lerntherapeutin Melanie Santa Vita gefragt, was sie von dieser These hält.

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