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Stress vor Weihnachten: Wenn im Advent der Burnout brennt

Der „besinnliche“ Advent ist die stressigste Zeit des Jahres. Das belastet auch die Paarbeziehung. Paartherapeutin Ira Schneider erklärt, was die Adventszeit retten kann.

Der Dezember ist angebrochen: Hiermit heiße ich euch Herzlich Willkommen in dem wohl stressigsten Monat des Jahres! Gleichzeitig ist es ein Monat, der besinnlich, kuschelig, ruhig und gemütlich sein soll. So richtig passt dieses Bild eines entschleunigten Ruhemomentes nicht zu dem von außen geforderten Marathon. Nicht zuletzt ist der Dezember der Monat, der gesellschaftlich den höchsten Anspruch hat, „perfekt“ zu werden. Ein Monat, der voller Erwartungen steckt. So können wir in diesem Sinne alle ein altbekanntes Lied umdichten: Statt „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt“ heißt es dann „Advent, Advent, unsere Energie brennt aus!“ Es ist ein Monat, der nicht nur Energie bindet, sondern diese auch Paaren regelrecht raubt.

Nicht mit mir!

Eigentlich soll der Monat doch besinnlich und fast schon magisch sein. Das Essen muss schmecken. Die Deko muss stehen. Die Geschenke sollen gefälligst gefallen. Kein Wunder, dass sich viele Paare im Dezember zerreißen. Im Job müssen sie Jahresabschlüsse durchpeitschen, für die Kinder werden Adventskalender gebastelt, Festlichkeiten werden organisiert, Päckchen verschickt, Wohltätigkeitsorganisationen unterstützt und Termine und Adventsfeiern werden auch noch im Wochenkalender untergebracht.

Es gäbe sicherlich zahlreiche Tipps, was Paare tun oder lassen könnten. Ganze Listen darüber ließen sich niederschreiben. Am besten schreibe ich eine neue Liste: mit Not-To-Dos, also, was man alles lassen sollte. Wenn das eure Hoffnung war, kurze und schnelle Tipps für den Advent zu erhalten, dann muss ich euch leider enttäuschen. Aber was ich euch entgegenwerfen kann, ist hoffentlich eine warme Woge der Entlastung. Zwei Dinge sind während des Dezembers wahr: Egal, wie ihr den Dezember dreht und wendet. Er bleibt wohl oder übel immer etwas knackig. Was aber auch wahr ist: Ihr dürft neue Grenzen setzen.

Tradition im Advent: Stress

Starten wir mit dem ersten Teil der Wahrheit. Es ist in Ordnung, wenn euch dieser Monat stresst. Ihr dürft gestresst sein. Ihr müsst nicht auch noch das nicht-gestresst sein leisten. Es ist ok, wenn ihr euch zwischen Stille und Eile nicht entscheiden könnt. Es ist ok, wenn ihr euch rastlos und überfordert fühlt. Euer Zeitmanagement ist nicht schuld daran. Euer Abwägen, euer Zusagen und euer Absagen sind nicht der Knackpunkt. Wie wir Weihnachten feiern, ist ein strukturelles Problem. Eins, das sich zutiefst in unsere Gesellschaft hineintradiert hat. In diesem Monat zahlt nicht nur unser Portemonnaie einen hohen Preis, auch unser Nervenkostüm wird auf die Probe gestellt.

Wenn Paare sich diesen Ist-Zustand gewähren, weicht der der Druck möglichst, „entspannt sein zu müssen“. Ohne Druck möchte ich euch behutsam zusprechen, dass es kein „Ihr müsst kürzertreten“ sein muss. Es ist vielmehr ein „Ihr dürft kürzertreten“. Wie oft verwehren Paare sich selbst ihre eigentlichen Bedürfnisse, weil der Druck von außen so hoch ist. Ihnen fehlt nachvollziehbarerweise eine gewisse innere Erlaubnis.

Zuviel

Der zweite Teil der Wahrheit, verkennt den ersten Teil nicht, aber er macht euch Mut eigene Wege zu gestalten und Grenzen zu setzen. Daher dürft ihr beides: Zum einem vollkommen gestresst sein und euch der Akzeptanz hingeben, dass der Dezember ein besonderer Monat ist und bleibt. Ende. Ihr dürft aber auch das Nein-Sagen und Absagen ausprobieren, wenn ihr beispielsweise bestimmte Konstellationen bei Zusammenkünften vermeidet, weil sie euch zu viel sind. Oder ihr dürft Feierlichkeiten früher verlassen. Ihr dürft kürzertreten, wenn es um Weihnachtsgeschenke geht. Ihr dürft Weihnachtspost weglassen, wenn sie euch zu viel wird. Ihr dürft all das, was euch zu viel ist wahrnehmen und dürft euch selbst begrenzen.

Auch wenn die Harmonie rund um die Festlichkeiten euch hoch oben auf der Agenda schweigend anschreit, ist es okay, wenn ihr für euch als Paar sorgt. Not-To-Do-Listen umzusetzen oder grundsätzlich Grenzen rundum die Feiertage zu setzen, kann im ersten Moment eine unliebsame Aufgabe sein. Abgrenzung kann durch Unverständnis im Außen Spannungen erzeugen. Das heißt: Es müssen die Folgen der eigenen Grenzen ausgehalten werden oder sie müssen zumindest aushaltbar sein. Es ist eine besondere Herausforderung für Paare, für sich selbst und für sich als Familie zu entscheiden und folglich auszuhalten, dass Erwartungen enttäuscht werden. Doch nur enttäuschte Erwartung haben die Chance in gedämpfter und weniger fordernder Kleidung im kommenden Jahr wieder anzuklopfen. Es hilft. Denn dann werden aus überhöhten Anforderungen vielleicht realistische Erwartungen. Das kann entlasten!

Ira Schneider ist Paartherapeutin und Autorin. Mehr unter: @ira.schneider_

Mehr Besinnlichkeit: 4 Tipps für einen liebevollen Advent als Paar

Der Advent ist chronisch hektisch. Paarberaterin Ira Schneider kennt diese Situation und hilft dabei, innezuhalten und die Zeit bewusst zu genießen.

Irgendwie ist es doch jedes Jahr das Gleiche. Wir nehmen uns vor, ruhig, besinnlich und achtsam den Advent zu erleben, doch dann artete es wieder in Stress aus. Zeit, daran etwas zu verändern. Wir haben als Paar ein wenig die Adventszeit umstrukturiert und fahren bewusst ein paar Gänge runter. Wir wollen nicht mehr von Festlichkeit zu Festlichkeit hetzen, sondern im Hier und Jetzt sein und im Miteinander verweilen.

Um als Paar besondere Zeiten der Zweisamkeit im Advent zu erleben, haben wir vier Ideen zusammengestellt. Dabei gibt es aber vorab einen kleinen Exkurs: Das Konzept aus dem Standardwerk Die fünf Sprachen der Liebe kann uns im Advent ein kleiner Begleiter sein. Irgendwie scheint jeder sie zu kennen oder zumindest inhaltlich etwas damit anfangen zu können. Gary Chapman geht von fünf Liebessprachen aus: Unterstützen, Zärtlichkeiten austauchen, Geschenke machen, Komplimente machen und Zeit zu zweit. Immer wieder treffen wir Paare, die sagen, dass sie die fünf Liebessprachen schonmal gehört haben oder sie stellen Vermutungen auf, welche womöglich ihr Partner spricht. Im Grunde sind die Liebessprachen Strategien. Sie sind Wege und Handlungsoptionen, um das emotionale Bedürfnis nach Liebe beim anderen zu stillen. Gary Chapman spricht hier auch vom Liebestank. Mein Mann und ich lieben es, den Alltag zu feiern und uns kleine Challenges, sprich: kleine Strategien, zu überlegen. Hier findet ihr eine Auswahl unserer Lieblingsaktionen. Alle Liebessprachen sind dabei abgedeckt. Wie wäre es, vier davon als kleine Begleiter in der Adventszeit umzusetzen?

4 Adventsideen für Paare

Etwas Süßes

  1. Ob Zimtsterne, Dominosteine, Lebkuchen oder Marzipan:
    Bring deinem Partner seine oder ihre Lieblingsweihnachtsleckerei mit.

Etwas Warmes

  1. Ob Kopf, Fuß oder Rücken – das könnt ihr entscheiden – gießt euch ein paar Tropfen Öl in die Hände und wärmt euch gegenseitig auf. Der Dezember ist meist kalt genug. Was spricht gegen eine kuschelige Massage?

Etwas zum Dahinschmelzen

  1. In den Nikolausstiefeln müssen nicht nur die Mandarinen und Nüssen zerquetscht werden oder die Schokolade schmelzen. Manchmal kann auch durch Worte das Herz schmelzen. Schreibe eine Dankeskarte und beschreibe Facetten und Eigenschaften, die du an deinem Partner oder deiner Partnerin besonders schätzt oder bewunderst.

Etwas Stille

  1. Zwischen gedimmten Lichtern, bunten Farben und dem Geruch von Kerzen ist die Adventszeit gemütlich, aber auch durchaus reizüberflutend. Da ist es besonders wertvoll, Stille miteinander auszuhalten und zu genießen. Stellt euch einen Timer und ladet einander ein, euch eine Minute lang in die Augen zu schauen.

 

Ira Schneider ist Paarberaterin, Referentin & Autorin. Gemeinsam mit ihrem Mann David bietet sie Paarcoaching an.