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„Die können ja nicht mit Geld umgehen“

Neulich beim Friseur. Ein Mann Ende 30 unterhält sich mit der Friseurin über seine 12-jährige Tochter. Sie kommen aufs Thema Taschengeld. „Nein, Taschengeld bekommt sie nicht. Sie kriegt ja von uns alles, was sie möchte“, erklärt der Vater. „Aber ich habe ein Sparkonto für sie angelegt“, fügt er fast entschuldigend hinzu. Vielleicht hat er Sorge, sonst als Rabenvater dazustehen? Die Friseurin fragt nach: „Und wann bekommt sie das Geld?“ Der Vater erklärt: „Wenn sie mit der Schule fertig ist. Die jungen Leute können ja nicht mit Geld umgehen. Und wenn sie dann eine eigene Wohnung hat und ein Auto, dann kann sie das bestimmt gut gebrauchen …“

Mir fällt fast die Brigitte aus der Hand. Habe ich richtig gehört? Wie soll denn das Mädchen lernen, mit Geld umzugehen, wenn sie immer alles bekommt? Wenn sie kein eigenes Geld hat, mit dem sie üben kann? Und wie geht es weiter, wenn das Geld von Papas Sparkonto aufgebraucht ist? Wie sollen unsere Kinder zu selbstständigen Erwachsenen werden, wenn wir Eltern ihnen alles abnehmen? Wenn wir ihnen nichts zutrauen?

Das ist nicht nur beim Umgang mit Geld so. Das gilt auch fürs Kochen, fürs Taschepacken, fürs An-Sachen-Denken, fürs Termine-Planen. Da ist bei mir sicher auch noch Luft nach oben. Von daher war dieses mitgehörte Gespräch beim Friseur ein guter Impuls für mich. Und vielleicht ja auch für euch!

Bettina Wendland

Redakteurin Family/FamilyNEXT

„Kinder müssen ermutigt werden, die Familie zu verlassen“

In Family und nun besonders in FamilyNEXT beschäftigen wir uns regelmäßig mit dem Thema „Ablösung“. Für viele Eltern ein schwieriger Prozess, der sie ihr ganzes Elternsein begleitet: vom Abstillen über den ersten Tag im Kindergarten bis zum Auszug aus dem Elternhaus gibt es viele kleine und große Abschiede. Oder andersherum: Viele Schritte des Kindes in Richtung Selbstständigkeit. Das fordert Eltern einiges ab.

Der Soziologe Dirk Baecker spricht in diesem Zusammenhang von einer Paradoxie: „Die Familie muss ihre Kinder unglücklich genug machen, um die Familie verlassen zu wollen, und glücklich genug, um selbst eine Familie gründen zu wollen.“ Im Interview mit dem Philosophie Magazin, das sein Dossier der aktuellen Ausgabe dem Thema „Die Familie – Zuflucht oder Zumutung?“ widmet, erläutert Baecker die komplexen Herausforderungen, denen sich Eltern gegenüber sehen:

„Familie ist ja zunächst nichts anderes als Sorge für den Nachwuchs. Dieser Nachwuchs darf aber nicht auf alle Zeiten an die Eltern gebunden werden, sondern muss irgendwann selbst Nachwuchs zeugen und beim Aufwachsen begleiten. Dazu muss die Herkunftsfamilie verlassen und eine eigene Familie gegründet werden. In die Familie ist somit zwangsläufig der Keim ihrer Selbstauflösung zugunsten ihrer Neugründung miteingebaut.“ Eine Perspektive, die viele Eltern im Alltag wahrscheinlich nicht so sehr im Blick haben. Oder erst dann, wenn die Kinder so langsam erwachsen werden. Dabei fängt die Erziehung zur Selbstständigkeit ja schon viel früher an.

Dirk Baecker erklärt: „Eltern denken oft, ihre Kinder müssten sich ganz natürlich für ähnliche Dinge wie sie selber interessieren. Doch dann stellen sie bereits beim Sandkastenspiel, auf dem Basketballfeld oder in der Schule fest, dass ihre Kinder andere Kategorien und Präferenzen entwickeln und sich von anderen gesellschaftlichen Möglichkeiten anziehen lassen. Besteht zwischen Eltern und Kindern nun keine Gesprächsebene, auf der solche Eindrücke ausgetauscht werden können, entsteht zunehmend ein Gefühl der Irritation.“

Damit Ablösung gut gelingen kann, ist eine gewisse Balance gefragt: „Die Kinder müssen dazu
ermutigt werden, ihr eigenes Leben zu führen und ihre Familie verlassen zu wollen. Doch zusammen mit dieser Ermutigung muss das Bedauern mitgeteilt werden, dass man sich auseinanderlebt – um eben im Gegenzug die Kinder darin zu unterstützen, selbst wieder eine Familie gründen zu wollen.“

Im Dossier des aktuellen Philosophie Magazins sind neben dem Interview mit Dirk Baecker viele weitere Einblicke in die Zusammenhänge und Herausforderungen von Familie zu lesen: Wie kann es sein, dass Familie gleichzeitig als Zuflucht und Zumutung empfunden wird? Ist Zorn auf die eigenen Eltern normal? Wie können Kinder ihren eigenen Weg finden? Was schulden sie ihren Eltern? Ist das klassische Modell der Kleinfamilie überholt? Weitere Infos: http://philomag.de/

Lernen in den Ferien: Selbstbewusstsein stärken statt Büffeln

Eins vorweg: Kinder sollten in den Ferien nur lernen, wenn es sinnvoll und vor allem nötig ist. Dazu kann gehören, Defizite abzubauen und den Druck für das neue Schuljahr zu senken. Ansonsten gehört die Schultasche in den Schrank. Die Ferien dürfen keine Belastung darstellen. Denn Schüler haben Ferien genauso nötig wie Berufstätige ihren Urlaub.

Das bedeutet nicht, dass partout nichts gelernt werden darf. Die Frage ist, wie man den Lernbegriff definiert. Die Ferien sollten dazu genutzt werden, Lernen positiv aufzuladen und aus dem schulischen Umfeld herauszulösen. Motivierend lernen statt fachlich orientiert. Weniger mit dem Schulbuch als mit anderen, neuen Methoden.

Im Schulalltag haben Kinder einen klar definierten Rahmen. Ganztagsschulen fördern diese Strukturen und verhindert damit oft, dass Schüler selbstständig planen. Mein Appell an alle Eltern lautet deshalb: Versucht einen großen Teil der Ferien so zu nutzen, dass Kinder möglichst viel selbst laufen können, im übertragenen Sinn. Dazu gehört, dass wir Eltern aufhören, den Tag zu organisieren. Wenn die Kinder morgens an den Tisch kommen und fragen, was wir jetzt machen, kann die Antwort am Anfang der Ferien also ruhig mal lauten: „Keine Ahnung.“

Die Kinder langweilen sich? Gut so! Denn dann werden sie sich irgendwann selbst motivieren und sich mit den Dingen beschäftigen, auf die sie wirklich Lust haben. Das ist schließlich der Sinn von Ferien, von einer Auszeit: Es wird ein Gegensatz zum Schulalltag gebildet, der Kopf bekommt Luft für neue Erfahrungen.

Die etwas anderen Hausaufgaben

Das ist bereits bei den meisten Müttern und Vätern angekommen. Eine aktuelle scoyo-Umfrage hat gezeigt, dass viele Eltern zwar die schulischen Leistungen in den Ferien im Blick behalten, es jedoch wichtiger finden, dass sich ihre Kinder auf anderen Gebieten weiterentwickeln. Je 95 Prozent der Befragten legen Wert darauf, dass ihre Kinder soziale Kompetenzen ausbauen und ihr Selbstbewusstsein stärken. 93 Prozent wünschen sich, dass die Kinder selbstständiger werden, 83 Prozent halten die Weiterentwicklung der Kreativität für wichtig. Dafür ist die Ferienzeit wie geschaffen:

Selbstständigkeit trainieren

Kein Kind hat Lust, jetzt auf einmal für alles verantwortlich zu sein. Es sind ja Ferien! Die Selbstständigkeit der Kinder können wir aber auch auf subtile, motivierende Art fördern. Das kann schon beim Mittagessen anfangen: Die Kinder dürfen einen Tag lang entscheiden, was es zu essen geben soll und sind gleichzeitig für Einkauf und Zubereitung verantwortlich.

Auch einen kleinen Ausflug zu organisieren, ist eine tolle Aufgabe für die Ferien. Die Möglichkeiten sind unendlich: Von der Radtour über den Museumsbesuch bis zum Tag im Freibad gibt es viele aufregende Erlebnisse, die gleichzeitig die Selbstständigkeit der Kinder fördern.

Zelten gehen, zur Not im Garten, lauschen, wie sich die Nacht anhört, und die Kinder alles organisieren lassen – ein großes, spannendes Abenteuer für unseren Nachwuchs.

Gleichzeitig sollten wir unsere Kinder einbeziehen, wenn es um den Familienurlaub geht. Das kann bei der Abstimmung zum Reiseziel anfangen und bei der gerechten Verteilung von Aktivitäten aufhören. Jedes Familienmitglied sollte Mitspracherecht haben, zumindest dabei, was vor Ort gemacht werden kann. Dazu gehört aber auch, sich hinzusetzen und zu recherchieren, was es dort überhaupt für Möglichkeiten gibt.

Das alles schult enorm viele Kompetenzen unserer Kinder, sie lernen, sich zu organisieren, sich einzubringen, aber auch, auf andere einzugehen und Abstriche zu machen.

Selbstbewusstsein stärken, Talente entdecken

So komisch es klingt, am einfachsten findet jeder heraus, was ihn wirklich interessiert, wenn er sich langweilt. So ist es auch bei Kindern. Dadurch werden sie sich bewusst darüber, was sie wollen, abseits von dem, was sie sollen. Es macht Kinder stark, wenn Eltern nicht immer regulierend eingreifen, sondern dem Nachwuchs die Freiheiten lassen, etwas selbst zu schaffen – und ihn darin unterstützen.

Raum schaffen für Kreativität

In den beiden Lernzielen Selbstbewusstsein stärken und Selbstständigkeit trainieren steckt natürlich immer auch Kreativität, die es im besonderen Maße zu fördern gilt. Trotzdem stellt Kreativität kein eigenes Lernziel dar. Jeder hat diese Ideen in sich, was fehlt, ist Zeit, um sie wachsen zu lassen und auszuleben. Ein separates Ziel sollte deshalb immer sein: Raum schaffen, damit sich Kreativität entfalten kann. Und wenn nicht in den Ferien oder an den Wochenenden, wann dann?

Extra-Tipp: Spielend und kreativ lernen meine Söhne zum Beispiel mit einem speziellen Schnitzmesser für Kinder. Einfach damit in den Garten oder das nahe gelegene Waldstück gehen, ein Holzboot aus Rinde schnitzen, den kleinen Stock oben reinstecken und ab damit zum See.

Und am Ende ist es doch so: Die beste Requisite für Kinder ist die, die gerade griffbereit liegt. Unser Nachwuchs braucht nicht immer unsere Hände und Ideen. Am kreativsten sind sie in ihren Fantasie- und Abenteuerwelten. Und da können wir Eltern eh nicht mithalten.

 

Tipps von Daniel Bialecki, Bildungsexperte und Geschäftsführer des Online-Lernspezialisten scoyo: Der gelernte Diplom-Ingenieur ist seit 13 Jahren im Bereich der digitalen Wissensvermittlung tätig. Den dreifachen Vater beschäftigt vor allem, mit welchen Methoden und Mitteln man unseren Kindern den Spaß am Lernen erhalten kann.

 

Als meine Kinder selbstständig wurden

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