Unter einem Dach – Endlich ausziehen

Elternfrage: „Unsere Tochter (22) hat ihre Ausbildung abgeschlossen und startet demnächst in ihren ersten Job. Sie möchte gern weiter bei uns wohnen. Wir denken aber, dass es ihr guttun würde, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Wie können wir ihr das vermitteln, ohne dass der Eindruck entsteht, dass wir sie loswerden wollen?“

Schön, dass Sie sich vor dem Gespräch mit Ihrer Tochter Gedanken machen möchten. Das ist wichtig, weil tatsächlich schnell das Gefühl bei Ihrem Kind entstehen kann, vor die Tür gesetzt zu werden. Um das zu verhindern, ist es hilfreich, sich darüber klar zu werden, mit welcher Haltung Sie in das Gespräch gehen wollen. Wenn Sie eine ergebnisoffene Haltung einnehmen, vermitteln Sie, dass Sie an den Bedürfnissen, Wünschen, Plänen, vielleicht auch Ängsten oder schon vorhandenen Überlegungen Ihrer Tochter interessiert sind. Dadurch fühlt sie sich gehört und vermutlich auch verstanden. Und vermutlich ist sie danach auch offen dafür, sich Ihre Überlegung und Einstellung zum Ausziehen anzuhören.

Zu teure Wohnungen?

Normalerweise haben die meisten jungen Menschen den Drang, endlich von zu Hause ausziehen zu können. Sie wollen gern in die Selbstständigkeit. Welche Beweggründe könnten bei Ihrer Tochter hinter dem Wunsch stehen, noch weiter bei Ihnen wohnen zu bleiben? Vielleicht genießt sie das „Hotel Mama“ und es ist einfach bequem? Oder will Ihre Tochter erst sichergehen, dass sie auch die Probezeit im neuen Job schafft, bevor sie sich an das nächste große Projekt „Umzug“ macht? Möchte sie erst Geld ansparen, damit sie problemlos eine Wohnungseinrichtung und eine Kaution finanzieren kann? Oder hat Ihre Tochter vielleicht Angst vor dem Alleinsein und befürchtet, sich einsam zu fühlen? Womöglich plagt sie auch die Sorge, mit der neuen Verantwortlichkeit überfordert zu sein. Unter Umständen sind die Mieten in der Umgebung zudem so hoch, dass sie es sich nicht zutraut, eine eigene Wohnung finanziell zu stemmen?

Flügge werden

Wenn Sie wissen, welche Gründe für Ihre Tochter gegen das Ausziehen sprechen, dann wissen Sie auch, was sich verändern lässt, um sie für den Auszug zu befähigen. Sie könnten zum Beispiel gemeinsam darüber nachdenken, wie Sie die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit Ihrer Tochter fördern und zu Hause erlebbar machen. Haushaltsorganisation und Budgetplanung darf schon jetzt besprochen und eingeübt werden. Vielleicht gibt es auch von Ihrer Seite Bedürfnisse, die bisher unausgesprochen im Raum standen, warum Sie sich einen Auszug wünschen? Sehnen Sie sich vielleicht nach mehr Ungestörtheit, Unabhängigkeit und Zweisamkeit als Ehepaar? Dann überlegen Sie, wie Sie dies auch ohne Auszug der Tochter umsetzen können.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie durch diese Ideenanregungen mit Neugier in einen Austausch starten. Ein Austausch, in dem Sie Neues über Ihr Kind erfahren und in dem auch Sie mit Ihren Überlegungen Gehör finden. Solange Ihre Tochter noch bei Ihnen wohnt, wünsche ich Ihnen Freude daran, dass Ihr Verhältnis offensichtlich so gut ist, dass sie gern bei und mit Ihnen wohnt.

Michaela Schnabel wohnt in Witten. Ihre Kinder sind schon länger flügge und so eigenständig, dass es nicht immer leicht ist, gemeinsame Zeiten zu finden.