Diese Familie kündigt die perfekte Wohnung – Grund ist ein jahrealtes Versprechen
Elisabeth und Jürgen Vollmer lieben ihr Zuhause. Jetzt sind sie ausgezogen, um ein Versprechen einzulösen.
„Wenn man etwas Besseres findet, muss man halt das Gewohnte zurücklassen“, kommentiert eine Bekannte die Nachricht, dass wir im Sommer umziehen werden. Auf die Antwort, dass wir das Bessere zurücklassen, kommt der zweite Erklärungsversuch: „Oder halt was Günstigeres.“ Doch auch günstiger ist die Wohnung nicht, die wir beziehen werden. Warum ziehen wir also um? Es gibt eine Menge Gründe, die dagegensprechen. Wir haben die beste Nachbarschaft, die wir je hatten, wohnen natur- und stadtnah mit aller Infrastruktur, die es braucht, und wir fühlen uns in dem Reihenhäuschen seit 15 Jahren pudelwohl. Es gibt aber auch den einen Grund, auszuziehen. Und der wiegt schwerer.
Fünf Jahre warten auf die richtige Wohnung
Als junge Familie mit drei Kindern zwischen ein und sechs Jahren sind wir bei unserem Umzug von Mannheim nach Freiburg zunächst in eine „Übergangswohnung“ gezogen. Schlecht geschnitten, zu teuer, aber etwas anderes war aus der Ferne nicht zu finden. Und so zogen wir ein. Optimistisch, dass wir bald etwas Besseres finden würden.
Wir suchten. Fünf Jahre lang. Unternahmen alles Menschenmögliche und beteten intensiv, dass Gott Türen öffnen würde. Es war eine harte Zeit. Unsere Spaziergänge durch den Ort waren immer mit wachem „Rollladenblick“. Wo auch immer wir den Eindruck hatten, dass ein Haus unbewohnt sein könnte, warfen wir einen netten Brief mit Familienfoto ein. Wer länger als fünf Minuten mit uns zusammenstand, wusste, dass wir auf der Suche waren. Wir gingen an vielen Häusern vorbei, bei denen wir wussten, dass darin nur ein „älteres Ehepaar“ wohnte, während wir uns in der engen Wohnung arrangieren mussten.
Das Versprechen
Dann geschah das Wunder: Über Freunde vermittelt konnten wir ein Reihenmittelhäuschen beziehen. Wir übernahmen umfangreiche Renovierungsarbeiten in Eigenleistung. Dafür konnten wir das Häuschen günstig mieten. Was für ein Geschenk! Wir genossen fortan Haus, Garten und Nachbarschaft. Und wir versprachen uns: Wenn unsere Kinder aus dem Haus sind, werden wir es anders machen. Dann ziehen wir hier aus und gönnen diesen Luxus einer jungen Familie mit Kindern!
Zu schön um auszuziehen
Nach und nach wurden unsere Kinder flügge. Zuerst bekam Jürgen ein abgelegtes Kinderzimmer als Arbeitszimmer, dann ich. Als unsere jüngste Tochter ihr Auslandsjahr in Peru machte, waren wir zwar nur noch zu zweit. Aber für uns war klar: Sie muss ein Zuhause haben, wenn sie – übergangsweise – zurückkommt. Aber letzten Sommer ist sie endgültig ausgezogen. Das dritte Zimmer wurde zum Fernseh- und Gästezimmer. Wir konnten Gastfreundschaft leben. Und den Balkon an diesem Zimmer hatten wir all die Jahre nie genutzt. Er hat einen wunderschönen Blick ins Tal! Wir lieben es, dort zu frühstücken. Aber dann gab es ja dieses Versprechen, das wir uns selbst gegeben hatten. Uns wurde bewusst: Wenn wir jetzt nicht ausziehen, werden wir es wahrscheinlich nie tun. Und so beschlossen wir im letzten Herbst, dass 2020 unser Umzugsjahr werden sollte. Zunächst hatten wir die Illusion, eine Eigentumswohnung kaufen zu können. Doch der Immobilienmarkt in Freiburg hat uns eines Besseren belehrt. Also haben wir begonnen, nach Mietwohnungen zu schauen. Doch auch da haben wir gemerkt, dass der Angebote wenige und der Interessenten viele sind.
Plötzlich geht alles ganz schnell
Am Ostermontag sind wir auf ein Angebot gestoßen. Zwar war es weder in unserer Wunschwohnlage, noch gab es die Dachterrasse, von der wir träumten. Aber sonst klang alles gut: 100 Quadratmeter, vier Zimmer, zwei Balkone, naturnahe Lage, ansprechende Fotos. Am nächsten Tag besichtigten wir die Wohnung. Die darin lebende Tochter des Vermieters war äußerst sympathisch, die Wohnung wirklich schön, und so erbaten wir eine Nacht Bedenkzeit. Völlig überrascht davon, wie schnell es jetzt gehen könnte. Ich ging durch unser Häuschen und fragte mich, warum wir hier eigentlich raus sollten. Es war so schön und so vertraut! So viele gute Jahre haben wir hier gelebt. Und doch: Als der Morgen kam, waren wir uns einig. Es ist schwer, aber es ist richtig, dass wir dieses Haus jetzt abgeben. Und so sagten wir zu.
Der Gang zu den Nachbarn war der Schwerste
Interessenten für unser Häuschen gab es viele. Die Wohnungsnot für junge Familien in Freiburg ist groß. Als wir meinen Neffen Johannes und seine Frau anriefen, lieferten sie ihre zwei Kinder bei meiner Schwester ab und machten sich auf den Weg, das Häuschen anzuschauen. Am Tag darauf teilten wir dem Vermieter unsere Kündigung mit und schlugen die Familie als Nachmieter vor. Wieder einen Tag später saßen wir zusammen im Garten und machten alles fest. Der Mietpreis ist weiterhin günstig, die junge Familie glücklich. Der Gang zu den Nachbarn, um ihnen unseren Wegzug mitzuteilen, war bisher das Schwerste. Es waren einfach gute Jahre, und da ist eine tiefe Beziehung gewachsen, die sich verändern wird.
Leider ohne Feuerschale
Dass nun mein Neffe und seine Familie unser Häuschen beziehen werden, macht es mir leichter zu gehen. Sie kommen aus einer engen Drei-Zimmer-Wohnung, und so können wir alle Möbel, die wir nicht mitnehmen können, stehen lassen. Die geschreinerte Eckbank mit dem großen Esstisch zum Beispiel und das Trampolin im Garten. Beides werde ich vermissen. Auf dem Trampolin liegen wir im Sommer gern und schauen nach Sternschnuppen. Auch die Feuerschale können wir nicht mitnehmen. Dabei liebe ich es doch so sehr, am Feuer zu sitzen und Stockbrot zu essen.
Ballast abwerfen
Neben aller Wehmut kommt auch vorfreudige Spannung auf. Wir gehen diesen Schritt zu zweit! Diese neue Wohnung werden wir nur für uns einrichten. Und wir werden vieles zurücklassen, das wir nicht mehr brauchen. Ballast abwerfen. Das atmet Freiheit! Und so ist es noch immer nicht leicht, und ich erwarte auch nicht, dass die nächsten Monate leicht werden. Aber es ist gut und richtig, auszuziehen und damit Raum für eine junge Familie zu schaffen. Das haben wir uns versprochen.
Elisabeth Vollmer ist Religionspädagogin und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie lebt mit ihrem Mann in Freiburg.
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[…] Wir beschließen als Eltern, uns den neuen Bedürfnissen zu stellen und den Teenagern einen sicheren Ort zu ermöglichen. Sie brauchen einen Platz ohne Elternblicke, kritische Kommentare und Fragen – aber nicht im dunklen Park oder in fremden Partykellern. Einen Platz, wo es einen Kühlschrank gibt, eine Möglichkeit zum Filmegucken und einen Haufen Matratzen und Schlafsäcke für Übernachtungspartys. Und so wird aus einem Arbeitszimmer unter dem Dach ein zweites Wohnzimmer. […]
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