Wann ist ein Ratschlag gut?
„Mir ist aufgefallen, dass du deinen Jüngsten behandelst wie ein deutlich jüngeres Kind“, meint eine Freundin. Bingo! – sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Der „Kleine“ ist zwar schon acht, aber irgendwie immer noch mein Baby. Da muss ich wohl stärker drauf achten, mit ihm umzugehen, wie es zu einem Achtjährigen passt.
Dieser Ratschlag war gut. Er passte, war vorsichtig und liebevoll vorgetragen und die Freundin ist im Bereich Beziehung äußerst kompetent – da fiel es mir nicht schwer, ihre Kritik anzunehmen. Leider werden Ratschläge aber nicht immer gut und passend angebracht. „Was, du stillst immer noch?“ „Wollt ihr euer Kind wirklich in diesen Kindergarten schicken?“ „Müsstest du nicht langsam wieder in deinen Job einsteigen?“ – Fragen wie diese sind selten hilfreich. Sie verunsichern und belasten nicht selten die Beziehung.
Andererseits: Soll ich um des lieben Friedens willen immer den Mund halten? Auch wenn ich überzeugt bin, dass meine Freundin sich und ihrem Kind schadet?
Wie haltet ihr es mit (guten) Ratschlägen? Seid ihr bereit dazu, sie zu hören? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Und gebt ihr anderen Ratschläge mit auf den Weg? Wie reagieren sie darauf?
Ich würde mir wünschen, dass unter Eltern eine Offenheit herrscht, die gute und hilfreiche Ratschläge möglich macht. Aber bitte mit ausreichend Feingefühl!
Bettina Wendland
Family-Redakteurin
Ich finde das eine interessante Frage.
Wenn mir ein Mensch, den ich schätze und der mir wertschätzend gegenübertritt sagt, dass mein Sohn sehr oft grob gegenüber anderen ist und ich darauf sehr zögerlich oder gar nicht reagiere – ja, dann kann ich diese Kritik annehmen. Wenn aber in eine Gruppe von einer Bekannten ein hinter der Hand ausgesprochenes „der ist ungezogen“ kommt – dann verletzt es vorallem. Also es kommt auf die Beziehung an und auf den Ton. Und letztlich auch auf den Zeitpunkt. Es gibt Tage, da kann ich die Schwächen meiner Kinder als Gottes Geschenk so annehmen, da gehören auch sie zu meinem perfekten Kind, das ich unendlich Liebe. Und es gibt Tage, da fällt auch ein liebevoll vorgetragener Hinweis auf eine Erde voller Unsicherheit und bestärkt mich in meiner Spirale – ich bin eine schlechte Mutter.
Als mein großer 4 WOchen alt war bin ich voller Stolz, sooo fit zu sein, ins Frauenfrühstück. Am Ende angekommen war ich voller Glückshormone, dass ich das so gut geschafft habe – selbst das Stillen während des Impuls lief ganz gut. An der Ausgangstür angekommen, sprach mich eine ältere Mutter an. Den Wortlaut bekomme ich nicht mehr zusammen, aber sie sagte mir sinnhaft, dass sie die ganze Zeit Bauschmerzen hatte wie schrecklich ich mein Kind halte und dass dem armen sicherlich der Kopf weh tut – und sie müsse es wissen, sie habe immerhin drei Kinder. Wusch – einen Tag heulen und viele Selbstzweifel verfolgten mich ab diesem Tag. Aber ich habe auch etwas gelernt – ich möchte gerne, egal was ich denke, jungen Mütter etwas positives sagen. Immer. Denn besser wissen es so viele – und ich habe selbst erlebt, wie schrecklich es sich anfühlt. Ich versuche ganz bewusst das zu sehen, was besonders gut ist und spiegle das. Das Leuchten in den Augen der Mütter ist ein großes Geschenk.
Trotzdem gibt es Dinge, die nicht gut laufen. Meine Erfahrung aber ist, dass die meisten, wenn sie Vertrauen gefasst haben, selbst Problemstellen ansprechen. Vielleicht nicht so direkt, aber die meisten Eltern wissen um Problemstellen und wollen gerne Hilfe. Dann, wenn gute Freunde oder Bekannte Themen ansprechen, wage ich mir auch mal, Kritik zu äußern – aber immer so, das ich von meinen Wahrnehmungen und Gedanken spreche – nie absolut. Denn ich weiß nicht, wie es wirklich ist. Und letztlich, will auch ich so behandelt werden. Gegenüber Freunden oder Vertrauten öffne ich mich auch für Kritik – und dann bin ich dankbar, wenn mir jemand von seinen Wahrnehmungen und seinen Einschätzungen erzählt – ohne aber zu urteilen oder absolute Wahrheiten zu verbreiten.
Und manchmal, wenn ich besonders besorgt bin – dann bete ich. Ich bete gerne für andere Familien, für Kinder und Eltern, aber auch für mich. Für Wiesheit im Umgang und für Gottes Bewahrung. Und manchmal, mit guten Freunden, beten wir auch gemeinsam – und das ist dann ein wahres Geschenk aus dem schon so manches gewachsen ist.