„Wir können nicht in ihr Herz sehen“

Sie haben sich nicht vom Glauben losgesagt, sich aber auch nicht bewusst dafür entschieden. Die Söhne unserer Autorin scheinen schlichtweg kein Interesse am Glauben zu haben.

 

Mein Mann und ich haben zwei Söhne, die jetzt Mitte zwanzig sind. Vom Beginn ihres Lebens an haben wir sie in unseren Glauben mit hineingenommen – wie es unsere Eltern mit uns auch gemacht hatten. Das, was uns wichtig ist, haben wir versucht, unseren Kindern zu vermitteln: Dass Gott uns persönlich kennt und liebt und wir deshalb fröhlich und geborgen leben können. Dass wir mit ihm reden und ihm vertrauen können. Dass wir einander mit der gleichen Liebe, Wertschätzung und Ehrlichkeit begegnen wollen, mit der Jesus uns begegnet. Dass wir Fehler machen und Vergebung erfahren dürfen. Der sonntägliche Kindergottesdienst in der Freikirche, zu der wir gehören, war unseren Söhnen ebenso vertraut wie das Vorlesen und Erzählen biblischer Geschichten und das Beten vor dem Einschlafen.

KEIN INTERESSE
Die weitere Entwicklung unserer Kinder verlief, was den Glauben angeht, allerdings anders als unsere eigene. Sie waren in ihrer Teenagerzeit keine begeisterten Freizeit-Teilnehmer und Jugendkreis-Besucher. Sie „bekehrten“ sich nicht öffentlich und äußerten nie den Wunsch, sich taufen zu lassen. Sie wurden aber auch keine Rebellen, die den Glauben in hitzigen Diskussionen zerpflückt oder einen extremen Lebensstil gewählt haben. Stattdessen haben sie sich, irgendwann im Alter zwischen 14 und 18, still und unauffällig von der Gemeinde – vielleicht auch von Gott? – verabschiedet. Sie wollten nicht mehr regelmäßig mitkommen in den Gottesdienst, und der Glaube war (und ist bis heute) kein Thema mehr für sie. Offene Gespräche über Glaubensfragen sind schwierig, weil unsere Söhne einfach kein Interesse daran haben. Unsere gelegentlichen Gesprächsangebote werden höflich abgeblockt, was wir respektieren. Natürlich fragen wir uns: Warum wollen sie von Gott und der Gemeinde nichts wissen? Mein Mann und ich tragen unseren Glauben nicht so auf der Zunge wie manche andere, für uns ist unsere Beziehung zu Jesus etwas sehr Persönliches. Es mag sein, dass diese Eigenschaft in der Erziehung zum Glauben hinderlich war. Wir wollen uns aber nicht zu sehr mit Selbstvorwürfen und der Frage quälen, was wir hätten anders machen müssen. Wir sind überzeugt, dass Glaube ein Geschenk ist, keine automatische Folge eines bestimmten Erziehungsstils. Welches Ereignis, welche Erfahrung auch immer den Anstoß gibt, dass jemand anfängt, persönlich an Jesus zu glauben: Wir können das nicht durch Willenskraft oder „Missionierungsversuche“ herbeiführen.

VERTRAUEN UND BETEN
Heute gehen unsere beiden Söhne an Heiligabend mit in den Gottesdienst und senken beim Tischgebet den Kopf. Es gibt aber keine für uns offensichtlichen Anzeichen, dass der Glaube an Gott ihnen persönlich etwas bedeutet oder dass sie sich überhaupt damit beschäftigen. Sie lassen uns unseren Lebensstil – und leben ihren eigenen. Wie wir als Eltern damit klarkommen? Nicht immer gleich gut. Natürlich wünschen wir ihnen den Halt und die Geborgenheit, die wir selbst in unserem Glauben erfahren. Sicher bereitet uns die Vorstellung, unsere eigenen Kinder könnten in der Ewigkeit „verlorengehen“, manchmal Schmerz und Sorgen. Auf der anderen Seite halten wir uns daran fest, dass das letzte Wort darüber längst nicht gesprochen ist. Wir können nicht in ihr Herz sehen. Vielleicht haben sie sehr wohl eine Beziehung zu Gott, von der wir nur nichts wissen. Und wenn das im Moment nicht der Fall ist, kann es an einem Punkt in der Zukunft ja noch passieren. Menschen können sich, so lange sie leben, verändern – oder verändert werden. Wir können nur darauf vertrauen und dafür beten, dass Gott einen Weg findet, unseren Söhnen persönlich zu begegnen. Es würde uns glücklich machen, das mitzuerleben.

Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Nordrhein-Westfalen.

 

*In der Ausgabe 1/17 schreibt Dieter Martschinke einen weiteren Artikel zum Thema „Wenn die Kinder anders Glauben“

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