So was wie Stille
Bei Familie Diekmann geht es oft laut zu. Umso mehr sind sie bemüht, immer wieder Oasen der Ruhe für die ganze Familie zu schaffen.
Unser Tag ist laut, wild und bunt. Das macht uns als Familie aus. Jeder, der uns kennt, grinst über meine laute Art zu lachen, die schnellen Wortgefechte bei Diskussionen und den frotzeligen Ton zwischen uns. Nicht immer tut uns unser kraftfordernder Tag gut. Oft ächzen wir und sehnen uns nach einer Oase der Ruhe. Wir lieben daher Pausenzeiten – als ganze Familie. Nach jedem Mittagessen um 14 Uhr verschwinden wir alle in unseren Zimmern und ruhen eine Zeit lang. Die, die lange Schule haben oder berufliche Termine, verzichten darauf. Alle anderen atmen bewusst durch – bei einem spannenden Hörspiel, handyfrei beim Stillliegen, Schlafen oder Musikhören. Nur eine halbe Stunde später röchelt die Kaffeemaschine und wir treffen uns in der Küche. Nun werden Fragen aus der Schule oder zum weiteren Tag besprochen. Wir brauchen diesen kleinen Stopp am Tag, um zu spüren, wer wir sind. Um uns zu erinnern und zu vergewissern. Nicht selten ist das auch eine Chance, für die weiteren Schritte des Tages zu beten.
ATEMHOLEN BEI GOTT
Seit unsere Kinder im Grundschulalter sind, versuchen wir in unregelmäßigen Abständen, Neues über Gott zu entdekken. Wir sind keine Familie, die das einmal pro Woche tut. Immer wieder befinden wir uns aber an einem Punkt, wo wir fünf uns zum Kuscheln auf dem Sofa treffen. Zur Ruhe zu kommen, ist in Familien eine echte Aufgabe und auch bei uns ist es immer wieder Thema. Wir wollen uns bewusst für Gottes Kraft öffnen. Wir wollen gut über unsere Herausforderungen denken und reden, anstatt über Stress zu jammern. Immer wieder entscheiden wir uns für ein Frühstück im Schlafanzug mit Vorlesen und Rückenkraulen oder sogar ein Abendmahl als Familie. Ich vermisse dabei allerdings die „würdige Andacht“ unserer Kinder. Sie sind schnell wieder im Alltag. Ich aber sehne mich nach einem tiefen Atemholen mit ihnen bei Gott. Highlights gibt es dennoch: Als alle Kinder noch im Kindergarten- und Krabbelalter waren, haben wir als Familie gesungen. Manchmal fünf Minuten, manchmal fünfzehn. Henrik konnte sich diese Pause am frühen Abend einrichten und hat mit einem Kind auf dem Schoß Wunschlieder aus dem Family-Liederbuch gespielt. Nach einem kurzen Gebet gab es Abendbrot. Mir haben diese Zeiten bei Gott geholfen, mein aufgewühltes Ich für den Tagesendspurt ins Lot zu bringen.
BESONDERER MOMENT
Einmal haben wir eine Gebetsrunde gestartet und uns von Gott ein Wort für das neue Jahr gewünscht. Ein Experiment. Werden wir etwas hören oder spüren, wenn wir einige Minuten still sind? Können wir alle Gedanken zurückschieben, die nicht mit dem Gebet zu tun haben? Die Kinder haben sich auf das Wagnis eingelassen. Nach der Stille hat jeder einen Moment lang innegehalten und sein Wort notiert. In einer Austauschrunde hat jeder sein Wort vorgestellt. Es kamen einige Worte, die passend werden sollten in diesem Jahr. Ein Kind hatte nichts für sich entdecken können – auch über dieses Ergebnis haben wir gesprochen. Dieser kleine Moment war besonders, und wir Eltern hätten ihn gerne noch länger festgehalten. Diese Stille-Übung hat uns miteinander und mit Gott verbunden. Meine Ideale für Ruhe und Stille als Familie mit Gott loszulassen, ist bis heute schwer für mich. So sind unsere Kinder beim abendlichen Beten im Urlaub ratzfatz fertig. Da bin ich kaum mit meiner Wahrnehmung bei Gott angekommen.
DER LIEBEVOLLE BLICK GOTTES
Da wir zappelig sind, können wir leichter zur Ruhe kommen, wenn wir körperlich beteiligt sind. Im Kindergartenalter haben unsere Kinder beim Beten die Tennisballmassage geliebt. Da wurde ihr Körper von Fuß über Beine, Rücken, Kopf bis zurück zum anderen Fuß mit kräftigem Druck abgerollt. Die Vorgabe war, dabei nicht zu sprechen. Einfach die leisen Tönen des Atmens zu hören. Am Ende der Ruhephase habe ich oft einen Segen gesprochen, und nicht selten ist ein Kind dabei eingenickt. Was ich gerade gerne übe, ist der liebevolle Blick Gottes. Ich habe diesen Gedanken im Gebetshaus Augsburg kennengelernt. Ich atme bewusst ein und aus. Manchmal ist mein Sohn dabei, manchmal alle. Wir stellen uns vor, welche Blicke von Menschen auf uns ruhen. Welche Erwartungen von diesem Tag drängen. Es gibt einen Punkt in meiner Vorstellung, der wie durch einen Spot hell erleuchtet ist. Dort ist nun mein Platz. Ich stelle mir vor, dass Gott mich hier liebevoll ansieht als seine Tochter. Ich lasse mich von ihm ansehen. Von ihm. Voller Liebe. Ich trete nicht schnell und zappelig wieder aus dem Licht. Ich halte es aus. Ruhe ist Raum, das Innere zu spüren. Es gibt viele Wege, wie Familien diese Stille für sich entdecken können: in die Sternennacht schauen, beim Hören einer Geschichte oder beim schaumigen Vollbad in eine Kerze blicken … Stille ist ein spannender Weg voller Entdeckungen.
Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.
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