Zusammen zum Abiball?

„Wir Eltern sind getrennt und haben jeweils neue Partner. Ist es passend, wenn wir beim Abiball unserer Tochter alle zusammen an einem Tisch sitzen?“

Ob es sinnvoll ist, den Abiball gemeinsam an einem Tisch mit der ganzen Familie zu erleben, hängt in erster Linie davon ab, ob ein entspannter und konfliktarmer Umgang untereinander möglich ist. Und das hängt wiederum von Ihrer persönlichen Vorgeschichte ab. In der Regel gehen Kinder und Jugendliche, die die Trennung ihrer Eltern erlebt haben, durch eine schwere Krise. Nun ein Familienleben mit Stiefeltern gestalten müssen, stellt für alle eine weitere Herausforderung dar. Fremde Menschen mit einer unbekannten Geschichte gehören plötzlich zur Familie. Rollen müssen neu definiert werden. Und sind Geschwister da, muss jeder seinen neuen Platz in der Familie finden. Die Frage ist, wie Sie als Familie diese Herausforderung schon gemeistert haben und wie die Beziehungen untereinander aussehen.

BEDÜRFNISSE WAHRNEHMEN

Damit das Familienleben gelingen kann, müssen sowohl die leiblichen Eltern als auch die Stiefeltern die Befürchtungen und Ängste ihrer Kinder ernst nehmen. Merken Jugendliche, dass sich ihnen auch die Stiefeltern mit echten Interesse zuwenden und ihre Bedürfnisse wahrnehmen, ist eine gute Grundlage dafür geschaff en, dass sich der Jugendliche öffnet. Dabei sollten sich Eltern bewusst sein, dass Jugendliche Zeit brauchen, sich an die neue Familiensituation zu gewöhnen. Hier dürfen Stiefkinder nicht überfordert werden. Das Zusammenleben mit neuen Partnern erfordert auch, dass sich Eltern und Stiefeltern mit ihren eigenen Gefühlen auseinandersetzen: „Wie sieht die Beziehung zu meiner neuen Tochter, meinem neuen Sohn aus? Wie sind meine Gefühle gegenüber meinem Ex-Mann und seiner neuen Partnerin?“ Ein reflektierter Umgang mit sich selbst ist eine wichtige Voraussetzung für ein gelingendes, neues Familienleben. Denn letztlich tragen die Erwachsenen die Verantwortung dafür, gute Beziehungen untereinander aufzubauen.

OFFENE KONFLIKTE?

Sind die Beziehungen (noch) belastet, stellt sich die Frage, ob die beteiligten Erwachsenen ihre eigenen Befindlichkeiten so zurückstellen können, dass ein gemeinsamer Abend trotzdem von einem guten Miteinander geprägt sein kann. Wenn ja, spricht nichts dagegen, den Abend gemeinsam zu erleben. Sind dagegen noch offene Konflikte und Verletzungen im Raum, die jederzeit aufbrechen können, ist die Gefahr groß, dass die Situation eskaliert und der Abiball ihrer Tochter zu einem Fiasko gerät. Dann ist es sicherlich ratsam, an getrennten Tischen zu feiern. Bei all den Überlegungen sollten Sie aber zuallererst Ihre Tochter danach fragen, was ihr Wunsch für den Tag ist. Beim Abiball Ihrer Tochter geht es um ihren Schulabschluss. Sie ist der Mittelpunkt des Tages und sollte als erwachsene junge Frau unbedingt entscheiden können, wie sie ihr Abitur feiern möchte. Auf keinen Fall sollte die Entscheidung über ihren Kopf hinweg getroffen werden. Nur im Gespräch mit Ihrer Tochter – und möglichst auch mit den anderen Beteiligten – kann eine gute Lösung gefunden werden.

 

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F und Redakteurin bei SevenEleven. www.sonja-brocksieper.de