Auf eigenen Füßen – Prüfungsangst überwinden
Elternfrage: „Unser Sohn (21) hat große Prüfungsangst und quält sich durch sein Studium. Wie können wir Eltern ihm helfen, mit der Angst umzugehen?“
Eine Prüfung kann sich bedrohlich anfühlen, schließlich beeinflusst das (Nicht-) Bestehen maßgeblich die Zukunft. Gedanken wie „Ich werde durchfallen! Das schaffe ich nie!“ erzeugen Prüfungsangst. Angst ist zunächst einmal ein normales Gefühl und sichert unser Überleben. Es ist menschlich, sich zu sorgen und zu zweifeln. Sprechen Sie das gern Ihrem Sohn zu: „Du darfst Angst haben! Ja klar, sonst wäre dir dein Studium und deine Zukunft vollkommen egal. Schön, dass du dich so bemühst und dein Bestes geben willst!“
Wie wichtig ist die Prüfung?
Angst entsteht aufgrund von zwei Bewertungen: Die Bewertung der Situation (Wie gefährlich ist diese?) und die Bewertung der eigenen Person (Was habe ich an Fähigkeiten, um die Situation zu bewältigen?). Auf beiden Ebenen lässt sich Druck herausnehmen. Fragen, die Sie dafür Ihrem Sohn stellen könnten: Wie wichtig ist diese Prüfung in zehn Jahren? Erinnerst du dich noch an jedes Prüfungsergebnis in deiner Schullaufbahn? Wenn du 80 Jahre alt bist und auf dein Leben zurückblickst, wirst du nicht über deine Prüfungen sprechen, oder? Die Noten und bestandenen Prüfungen stehen nicht auf dem Grabstein, sie verlieren mit der Zeit Ihre Bedeutung. Das Leben besteht aus mehr als nur aus dem Studium. Es ist ein wichtiger Teil, jedoch gibt es zahlreiche andere Lebensbereiche. Erinnern Sie Ihren Sohn daran, dass er mehr als nur „Student“ ist. Er ist auch guter Freund, vielleicht ein toller Sportler, hat möglicherweise eine funktionierende Partnerschaft, spannende Hobbys und so viel mehr. „Wenn dein Studium nicht klappt, werden wir andere tolle Wege für dich finden.“ – Solche Sätze unterstützen dabei, den Druck loszuwerden.
Verzerrtes Selbstbild
Die Bewertung der eigenen Person ist bei Menschen mit Prüfungsangst oft verfälscht. Das Selbstbild ist durch häufige Eigenkritik, viele Zweifel und schreckliche Versagensszenarien im Kopf sehr realitätsfern. Hier hilft es, an die Erfolge zu erinnern und die Stärken wieder ins Bewusstsein zu holen. Denn bis jetzt hat er auf seinem Lebensweg viele Prüfungen geschafft – sonst wäre er nun nicht im Studium angelangt. Schlussendlich kann man bei Prüfungen nie alles unter Kontrolle haben. Allein die Bewertung hängt von vielen unsicheren Variablen ab. Es hilft, wenn man sich auf das konzentriert, worauf man Einfluss hat. Ihr Sohn kann sich zum Beispiel darauf konzentrieren, alles zu geben, was möglich ist. Er kann die Lernzeiten einhalten und die eigenen Lernziele erreichen. Und er kann sich bemühen, ausgeschlafen, satt und entspannt zu sein.
Übrigens: Nervosität entsteht, wenn wir nicht routiniert sind, weil wir die Situation und uns selbst nicht gut genug einschätzen können. Ein letzter Tipp wäre deshalb auch, sich der Prüfungssituation bewusst auszusetzen und zu Hause zu üben, um sich mehr daran zu gewöhnen.
Sabrina Fleisch ist Psychosoziale Beraterin, Angst- und Stressbewältigungs-Trainerin sowie Bestseller-Autorin.