„Bei Opa ist es öde“
Wenn Jugendliche keinen Bock auf Familienfeiern haben
Wer meint, Jugendliche hätten keinen Sinn für Familie, irrt gewaltig. Für 72 Prozent der 12- bis 18-Jährigen steht laut Shell-Jugendstudie Familie als „das Wichtigste auf der Welt“ ganz oben auf der Werteskala. Was allerdings nicht bedeutet, dass Familienfeiern bei Teens genauso beliebt wären. In der Pubertät ist Abgrenzung von Eltern und Familie angesagt. Viele Jugendliche ziehen ein Zusammensein mit Gleichaltrigen einem Treffen im Familienclan vor.
Kicken vor dem Kaffee
Jan (15) kann Sprüche wie „Du bist aber groß geworden“, bei Familienfeiern schon lange nicht mehr hören: „Den Verwandten fällt oft nichts anderes ein, als mich nach der Schule auszufragen und mir zum x-ten Mal zu erklären, wie wichtig ein guter Schulabschluss ist. Das ist ätzend.“ Dieser etwas unbeholfene Versuch der Kontaktaufnahme seitens der Erwachsenen stört ihn mächtig – genau wie die Frage, ob er denn schon eine Freundin habe.
Aber das ist nicht unbedingt ein Grund, Familienfeiern grundsätzlich zu boykottieren. In bester Erinnerung hat er die Konfirmation seines Cousins. Auf der Einladung stand: „Bitte Sportzeug mitbringen“. Die Festgesellschaft zog vor dem Kaffeetrinken auf den nahen Sportplatz. Wer sich zu alt zum Kicken fühlte, konnte die anderen anfeuern. „Ich finde wichtig, dass es nicht zu steif zugeht und dass wir Jugendlichen zwischendurch auch was für uns machen können“, meint Jan. Und hat vorsichtshalber bei jeder Feier ein Kartenspiel und das Smartphone dabei. Annika (16) findet Familienfeiern „einfach grässlich“. Ihre Eltern sind geschieden und ihr Verhältnis zueinander ist nicht gerade entspannt. Zum 80. Geburtstag allerdings hatte Oma beide Elternteile eingeladen. „Das ging überhaupt nicht. Meine Eltern saßen da wie Eisklötze. Die nächste Familienfeier findet ohne mich statt“, zeigt sie sich entschlossen.
Familienfeiern sind auch für Jugendliche attraktiv …
… wenn Eltern erklären, warum ihnen selbst die Familienbande wichtig sind. Und wenn sie selbst nicht im Nachhinein schlecht über die Feier oder andere Familienmitglieder reden.
… wenn Jugendliche das Gefühl haben, sich und ihre Interessen einbringen zu können: Womöglich macht es Spaß, den Begrüssungsdrink anzubieten, für den Nachschub von Getränken verantwortlich zu sein, einen Programmpunkt beizusteuern?
… wenn ein Raum vorhanden ist, der es den Jugendlichen ermöglicht, sich bei Bedarf zum Spielen oder Reden untereinander „auszuklinken“.
… wenn auf Kleiderordnung, Förmlichkeiten und Erwachsenensprüche wie: „Du bist aber groß geworden“ verzichtet wird.
… wenn einige Programmpunkte Jugend liche und Erwachsene ins Gespräch miteinander bringen oder für Auflockerung sorgen.
… wenn Spannungen, die es womöglich im größeren Familienkreis gibt, im Vorfeld im Gespräch mit den Heranwachsenden angesprochen werden. Gemeinsam kann entschieden werden, ob man ihnen lieber ausweichen will oder ob es geraten ist, sie einstweilen zu übergehen.
Karin Vorländer arbeitet als freie Journalistin und lebt in Nümbrecht bei Köln.
Illustration: Thees Carstens
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