Der böse Cop – der geistesabwesende Cop

Katharina Hullen erkennt ihr Heim nicht mehr, wenn sie nach der Arbeit in die eigenen Wände zurückkehrt – Hauke Hullen freut sich, wenn seine Kinder in selbst erschaffene Welten eintauchen und er in Ruhe arbeiten kann.

Katharina:

Hauke übernimmt regelmäßig nachmittags unsere vier Kinder damit ich auch einige Tage arbeiten gehen kann. Ich bin dann als Dolmetscherin im Einsatz – eine Aufgabe, die mir Spaß macht.

Leider bringt das Nach-Hause-Kommen oft sehr viel weniger Spaß, denn meist erwartet mich dort das Chaos:

Die komplette Wohnung ist umgebaut in ein Spieleparadies aus Balancier-Möbel-Parcours, etlichen sichtlich stark genutzten Schreib-Lese-Mal-Ecken und überall verstreuten Verkleidungssachen. Nicht zu vergessen, dass weder der Abendbrottisch gedeckt, noch die Schulsachen vorbereitet oder der Schlafanzug angezogen wäre. Ich werde von einer fröhlichen Horde Kinder begrüßt, die mir lautstark all ihre Aufbauten erklärt und alles am besten vorspielen will.

Es ist nicht leicht, den bösen Cop zu geben. In solchen Situationen weiß ich nie, wem ich zuerst die Stimmung vermiesen soll: den Kindern, die jetzt aber sofort den Saustall hier in Ordnung bringen sollen, oder meinem tiefenentspannten Ehemann, der nebenan am Rechner vor sich hin arbeitet. Er berichtet mir strahlend, wie schön und ideenreich die Kinder den ganzen Nachmittag gespielt haben, und er selbst habe auch so einiges geschafft.

Aha. Während er konzentriert am Schreibtisch saß, haben aber die Kinder die Wohnung umgeräumt, sind laut singend und in zu knappen Verkleidungen im Vorgarten herumgetanzt, haben Passanten in Gespräche verwickelt und den kompletten Straßenzug mit Kreide vollgekritzelt. Die noch draußen liegende Picknickdecke ist voller Sachen, die eigentlich ins Haus gehören, und der halbe Fuhrpark liegt noch vor der Garage. Manchmal schnappen sie sich auch ihre Kinderrechen und harken wild in den Vorgärten der Nachbarn herum. Zugegebenermaßen lieben unsere Nachbarn unsere Mädchen für all ihr fröhliches Treiben.

Wie macht Hauke das, so voller Gelassenheit nur das schöne Spiel und nicht die Realität oder die möglichen Folgen zu sehen? Es scheint mir so zu sein: Sobald ich die Tür hinter mir schließe, verschwindet meine Familie für den Nachmittag in einem Raum-Zeit-Kontinuum. Hauke in seins und die Kinder in ihres. Es ist immer eine wunderbare Reise ins Land der Freiheit und Phantasie, und nur meine Stimme vermag alle wieder auf den klebrigen Boden unserer Küche zurückzuholen, den ausgestreckten Zeigefinger auf die Uhr gerichtet.

Ich erfreue mich ja auch gern an den Reiseberichten – aber am liebsten während des Abendbrotes in einer aufgeräumten Wohnung mit gewaschenen Kindern im Schlafanzug. Das wäre fein.

DERBildschirmfoto 2016-02-17 um 16.25.10 BÖSE COP
Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache. Sie und Ehemann Hauke haben vier quirlige Kinder und leben in Duisburg.
Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.


Hauke:

Große Kinderaugen blicken hoffnungsvoll zu mir hoch: „Darf ich das rosa Kleid anziehen? Bitte, Papa, bitte…” Puh, schwere Frage! Ich habe keine Ahnung, was für oder gegen dieses Kleid sprechen soll. Es dürfte zum Rest ebenso passen wie ihr Pulli, und warum sollten Kinder sich nicht die Sachen anziehen, in denen sie sich wohlfühlen?

Ich bin überfragt, vor allem, da ich Klamottenfragen fatalistisch angehe und meist zu dem greife, was oben liegt. Bedächtig zögernd täusche ich eine kompetente Entscheidung vor: „Meinetwegen.”

Wenig später hüpft eine pinke Prinzessin in den Garten, wo sie mit ihren Schwestern auf imaginären Pferden vom imaginären Schloss zur imaginären Eisdiele reitet. Ach ja, welch glückliche Kindheit! Man muss der Kreativität der Kinder einfach freien Lauf lassen! Und ich kann in Ruhe arbeiten! Eine klassische Win-win-Situation!

Kurz darauf haben wir eine klassische Loose-loose-Situation: Meine Holde kommt nach Hause. „Der Papa hat das aber erlaubt!”, höre ich es aus dem Garten. Innerlich gehe ich diverse Exit-Strategien durch und überlege angestrengt, was um alles in der Welt Kathi an diesem fröhlichen Tag wohl auszusetzen haben könnte.

Machen wir es kurz: Das Kleid war für den Kirchgang vorgesehen, und nein, man kann es nicht zweimal anziehen, wenn man damit stundenlang im Galopp durch den Garten geprescht ist und am Kompost aus Wasser, Erde und undefinierbaren Dingen Schoko-Eis gebacken hat. Und die Spiele-Welt im Wohnzimmer, wo man mit artistischem Geschick alle Ecken erreichen kann, obwohl der Boden aus Lava besteht (tolle Idee, oder?), gleicht in den Augen meiner Frau einem Trümmerfeld. Ob mir nicht aufgefallen wäre, dass die Kinder alle Sitzmöbel aus allen Räumen ins Wohnzimmer geschleift hätten? Doch, ja, jetzt wo sie es sagt …

Das große Finale ereilt die Kinder und mich vor dem Badezimmer. Dort hat sich in Kathis Abwesenheit ein 1,20 Meter hoher Wäscheberg materialisiert. Ich hatte die Modenschau nur am Rande mitbekommen und für eine gute Idee gehalten, doch ja, jetzt, wo sie es sagt …

Ja, oft lebe ich im Moment und denke nicht an die Folgen. Oft lasse ich Fünfe gerade sein, weil ein Erlebnis lockt. Doch spontan picknicken zu fahren, im Garten auf Sternschnuppen zu warten, obwohl morgen Schule ist, den Kindern zu Liebe eine Arschbombe in die Badewanne zu machen – was wäre das Leben ohne solche Unvernunft? Beim Thema Regeln fallen Kathi und ich auf verschiedenen Seiten vom Pferd – doch solange wir uns aneinander festhalten, bleiben wir beide im Sattel.

Bildschirmfoto 2016-02-17 um 16.23.30DER GEISTESABWESENDE COP
Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben vier quirlige Kinder und leben in Duisburg.
Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

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