Herzenswärme
Was eine Badfliese mir über Gott zeigen kann. Von Stefanie Diekmann
Wie eine Marionette des täglichen Lebens lasse ich mich führen und steuere nach dem Aufstehen durch das Bad, durch die Küche zum Frühstück, dann ins Arbeitszimmer, um das Handy aus der Ladestation zu nehmen. Mechanisch lasse ich mich ins Auto fallen und checke, ob ich Schlüssel, Portemonnaie und Kalender habe. Während ich noch ganz herzenstaub vor mich hinfahre, werde ich von einem Radfahrer am Kreisverkehr geschnitten. Vollbremsung. Ein Gefühl wie eine Dusche aus Eiswürfeln. Der Radfahrer guckt zwar erschrocken, nickt aber freundlich. Ich atme tief voller Erleichterung, dass nichts geschehen ist. Nichts geschehen? Wie erstarrt ist mein Herz? Ich bin so gedankenlos, dass eben fast etwas Schlimmes passiert wäre. Ich schüttele meine unsichtbaren Marionettenfäden ab, um wacher und bewusster weiterzufahren. Ich habe an diesem Morgen überhaupt nicht gespürt, wie warm meine Füße durch die Heizung auf den Badfliesen sind, wie wohltuend das Wasser und der Duft meines Apfelshampoos. Ich habe überhaupt nichts dabei gedacht, als ich im Kühlschrank nach meinem Lieblings-Joghurt griff und meinen Hund begrüßte. Es ist, als wolle meine To-do-Liste mir das Spüren vermiesen. Als wäre mein Kopf auf lautlos gestellt. Im Büro muss ich noch an etwas anderes denken, eine kleine Situation vor ein paar Tagen: Ein kleiner Junge (1) sitzt mir im Kindersitz im Van seiner Eltern gegenüber. Er sucht meinen Blick, macht Laute, wenn ich wegsehe und ist begeistert, wenn meine Augen seine endlich finden. Er blinzelt und juchzt. Ein kleines Spiel und doch: Es erwärmt mein Herz. Was für ein kleiner Schatz! Später stelle ich mir vor, wie sehr Gott meinen Blick sucht, mir Gelegenheiten schenkt, ihn zu treffen und mich durch und durch zu erwärmen. Und ich? Ich bin damit beschäftigt, mich zu beklagen, zu seufzen, meine Tätigkeiten zu resümieren und mein Wollen voranzutreiben. Dabei wird mein Herz ganz taub. Ich möchte mehr den Blick Gottes suchen und dann wahrnehmen, wie sehr mir diese kleine Geste am Tag Kraft gibt! Ich brauche keine großen Ereignisse und besonderen Events. Ich darf spüren, was schon ist. Darf ersinnen, was mir nah kommt mit Gottes Herzenswärme. Ich darf mich ärgern, mich freuen und mir etwas dringend wünschen. In meinen Tee pusten und spüren, wie heiß er ist. Den Backofen-Kürbis würzen und kosten. Was für ein voller und auch wundervoller Tag. Meine Aufgaben werden nicht weniger durch mehr Blickkontakt mit Gott. Aber mit Herzenswärme bleibe ich lebendiger. Vielleicht bleibe ich morgen einfach mal auf den wärmenden Badfliesen stehen und lächle in mich hinein. Stelle mir vor, wie Gott meinen suchenden Blick trifft und sich über mich freut. Wie er einen Laut der Begeisterung macht, weil ich ihn entdeckt habe. Weil Gottes Herz voller Wärme für mich schlägt …
Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.