Privatsphäre

„Meine Tochter (16) zieht sich immer mehr zurück. Sie erzählt kaum noch etwas und reagiert abwehrend auf Nachfragen. Ich versuche herauszufinden, was mit ihr los ist und habe auch schon in ihrem Handy persönliche Nachrichten gelesen. Aber eigentlich will ich das gar nicht …“

Nennt mir drei Dinge, die Eltern von Jugendlichen nie tun sollten“, fragte ich eine Gruppe Jugendlicher. Spontan kamen sie, die drei No-Gos für Eltern:

  1. Rühre nie ohne Wissen der Jugendlichen das Tagebuch, Handy oder persönliche Internetmedien an.
  2. Räume nie das Zimmer deiner Jugendlichen auf, vor allem nicht, wenn du in Schubladen oder Jackentaschen nach „verbotenen Sachen“ suchst.
  3. Erspare dir überzogene Strafen für Fehlverhalten oder Protesthandlungen.

Ihre Nachforschungen im Handy Ihrer Tochter verursachen also zu Recht ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hilft es, Ihre Tochter besser zu verstehen, wenn Sie Folgendes bedenken: Mit 16 kommen Jugendliche in eine neue Phase des Selbstbewusstseins. Viele entwickeln zunehmend Aktivitäten außerhalb der Familie. Das ist völlig normal und aus der Sicht der Jugendlichen kein Grund zur Sorge. Die Sorgen entstehen bei den Eltern, wenn sie nicht mehr wissen, was ihre Kinder die ganze Zeit treiben. Auf Nachfragen erhalten sie oft nur einsilbige Antworten. Das verstärkt die Sorge.

Was steckt hinter dieser Einsilbigkeit? Es sind die sich ändernden Themen und Fragen. Ob es die neue Art von Freundschaft oder die Versuchung von Drogen oder der Umgang mit Sexualität sind, alles braucht eine neue Antwort. Hier gibt es große Unsicherheiten im Umgang mit den Eltern. Oft verhindern Schubladen gerade in den ethischen Fragen das Gespräch. „Ich weiß doch schon vorher, was da kommt“, denken die Jugendlichen. So werden unausgesprochen Fronten aufgebaut, die zum Rückzug führen. Oft sind das schleichende Prozesse. Aber es ist nicht der Untergang einer Familie. Sie als Eltern können in drei Feldern aktiv werden.

1. Umgang mit Schwierigkeiten

Wenn eine spürbare Veränderung in der Beziehung zum Jugendlichen eintritt, sollten Sie den offenen Austausch suchen. Bewerten Sie dabei die Antworten Ihres Kindes nicht sofort, sondern hören Sie erst mal zu. Schaffen Sie Vertrauen, indem Sie Anteil geben an Ihren aktuellen oder vergangenen Schwierigkeiten.

2. Offenheit und Vertrauen

Wenn Ihre Tochter bei einem Thema anderer Meinung ist, bemühen Sie sich um Gelassenheit. Wichtig ist die Bereitschaft, eine andere Meinung zu respektieren, ohne sie sich annehmen zu müssen.

3. Liebe und Geborgenheit

Wenn Ihr Kind zu spät nach Hause kommt, reagieren Sie nicht mit „Wo bleibst du denn?“, sondern mit „Schön, dass du da bist. Ich habe schon auf dich gewartet“. Das vermittelt Geborgenheit. Das Nichteinhalten der abgesprochenen Zeit sollte natürlich trotzdem angesprochen werden. Sagen Sie bei schlechten Zensuren statt: „Wenn du so weitermachst, landest du noch auf der Straße“ lieber: „Die Schule fordert dich ganz schön heraus. Ich habe dich lieb und stehe zu dir“. Es sind manchmal einfache Worte und Gesten, die das Verhältnis beflügeln oder zerstören.

Gottfried Muntschick ist Referent für Familienarbeit im CVJM Sachsen-Anhalt. Er ist verheiratet mit Cornelia und Vater von sechs Kindern zwischen 14 und 29.

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