Doro Plutte ist Moderatorin und Coach für Kommunikation. Sie erklärt, wie eine andere Körperhaltung uns zu zufriedenen Menschen machen kann.
Du hast gerade ein Buch veröffentlicht: „Wie Haltung unser Leben verändert.“ Was wäre darauf die Antwort in der Kurzfassung?
Zunächst sehe ich Haltung immer als beide Bereiche – innere und äußere Haltung. Und wenn ich sage, Haltung verändert unser Leben, meine ich, dass wir unsere Einstellung zum Leben allein schon durch unsere Körperhaltung verändern können. Die Körperhaltung hat einen Effekt darauf, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen und von ihr wahrgenommen werden. Wir haben mit unserem Körper ein machtvolles Instrument, das wir häufig nicht bewusst einsetzen.
Das andere ist der Bereich der inneren Haltung. Über eine bewusste Haltung können wir steuern, wer wir als Menschen sind und wohin wir uns entwickeln. Das ermöglicht uns, Ziele zu erreichen und dankbar zu sein – viel mehr, als wenn wir unsere Haltung unreflektiert einfach passieren lassen. Aus dem Vollen schöpfen, man selbst sein, das Leben genießen – all diese Dinge hängen für mich auch mit meiner Haltung zusammen.
Wie sieht das Zusammenspiel zwischen innerer und äußerer Haltung denn konkret aus?
Unser Gehirn glaubt unserem Körper mehr als den Informationen, die wir wahrnehmen. Wenn ich mit hängenden Schultern auf einem Stuhl sitze und sage: „Ich freue mich total“, dann wird mein Gehirn immer dem mehr glauben, was mein Körper tut, als dem, was ich sage. Es ist wichtig, dass wir ein Verständnis dafür entwickeln, welchen Einfluss unser Körper auf unser Gehirn ausübt.
Es gibt eine spannende Studie, bei der an zwei Gruppen von Probanden Stifte verteilt wurden. Die einen sollten den Stift quer in den Mund nehmen, sodass ein künstliches Lächeln entsteht, die anderen längs, sodass sich das Gesicht ernst verzieht (schnappt sich einen Stift und macht die beiden Gesichter vor). Dann wurden beiden Gruppen Comics gezeigt und man hat gemessen, wie diese Comics wahrgenommen wurden. Das Interessante war, dass die erste Gruppe die Comics als viel lustiger einstufte als die zweite. Das kommt daher, dass der Körper durch das Lächeln ein Signal ans Gehirn sendet: „Es passiert jetzt etwas Lustiges. Wir haben gerade Spaß.“ Gleiches gilt für das ernste Gesicht. Und das betrifft nicht nur den Mund oder das Lächeln, sondern den kompletten Körper.
Wer lächelt, wird ein positiverer Mensch
Wie kann ich das für mich nutzen?
Wir können mit jedem Bereich des Körpers unsere Gefühlswelt beeinflussen. Wer sich angewöhnt, regelmäßig zu lächeln, wird auf Dauer ein positiverer Mensch. Deshalb gehe ich in meinem Buch den Körper von den Füßen bis zum Kopf durch. Andersherum funktioniert das natürlich auch. Meine innere Haltung zu reflektieren und meine Denkweise bei Bedarf zu verändern, hilft mir, mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein auszustrahlen. Das sieht man mir dann auch von außen an.
Wie sieht das im Alltag aus?
In meinen Coachings sage ich den Leuten immer: „Wer selbstbewusst auftreten will, muss erst einmal sicher auftreten.“ Wenn ich in eine unsichere Situation gerate, weil ich mich im Supermarkt über den verschimmelten Käse beschweren möchte, den ich gekauft habe, sollte ich erst mal für einen sicheren Stand sorgen. Das mache ich, indem ich die Füße hüftbreit aufstelle und mir bewusst mache: Ich bin fest verwurzelt mit diesem Boden. Der trägt mich. Allein wenn wir uns solche Gedanken machen, beeinflussen wir damit schon unsere innere Stabilität und Durchsetzungsfähigkeit. Unsere Füße sind sozusagen ein Anker, der uns daran erinnert, für welche Dinge wir im Leben stehen wollen.
Wie würde ich mich verhalten, wenn ich geduldig wäre?
Wie beeinflusst die innere Haltung von Eltern das Familienleben?
Unsere Haltung beeinflusst unsere Kinder und das Familienleben permanent und wird unterbewusst auch von unseren Kindern kopiert. Deshalb ist es gut, sich in einem ruhigen Moment bewusst zu machen, wofür wir eigentlich stehen wollen. Welche Haltung will ich als Mama oder Papa leben? Für mich sind die Worte Liebe, Geduld und Klarheit dabei besonders wichtig.
Als Eltern kommen wir ja immer wieder in Situationen, die uns überfordern. Wenn meine beiden Töchter alles Mögliche gleichzeitig von mir wollen: „Können wir eine Folge gucken, kann ich noch Joghurt haben, können wir rausgehen und nebenher noch Oma anrufen?“ Oder wenn die Kleine darauf besteht, bei Minusgraden Sandalen anzuziehen.
Ich merke dann, wie ich wütend werde und einfach nur zu allem Nein sagen will. Gerade diese Momente können aber Übungsfelder sein, wenn wir sie nutzen, um uns in Erinnerung zu rufen, wofür wir stehen wollen: Liebe, Geduld und Klarheit. Manchmal hilft eine Art Brückenfrage: „Wie würde ich mich jetzt verhalten, wenn ich liebevoll, geduldig und klar wäre?“ So kann ich meine innere Haltung wieder sortieren und für meine Werte einstehen. Gleichzeitig darf ich dabei auch gnädig und liebevoll mit mir selbst sein, wenn ich hinter meinen eigenen Ansprüchen zurückgeblieben bin. Auch das ist eine Frage der Haltung.
Wie entsteht überhaupt so eine Haltung?
Da sind ganz viele Einflüsse involviert. Wer und was uns prägt, beeinflusst auch unsere Haltung – das Elternhaus, Erfahrungen, Überzeugungen und auch Glaubensüberzeugungen, die wir gelernt oder die man uns beigebracht hat. Genauso spielen die Persönlichkeit, die wir mitbringen, und der kulturelle Hintergrund eine wichtige Rolle darin, welche Haltung wir einnehmen. Das ist ein großes Geflecht. Mir geht es aber weniger darum, das aufzulösen. Ich habe eher einen Coaching-Ansatz: Ich kann in diesem Moment reflektieren, welche Haltung ich an den Tag lege, und verändern, was damit vielleicht nicht stimmt. Dafür brauche ich nicht zuerst meine ganze Vergangenheit aufzuarbeiten.
Pandemie versetzt Gesellschaft in Kampfmodus
Inwiefern ist meine innere Haltung auch für die Gesellschaft relevant?
Ich beobachte, dass viele Leute, die mit dem Status quo unzufrieden sind, entweder aus der Haltung eines Opfers oder eines Täters heraus agieren. Das macht es schwierig, die Welt zum Besseren zu verändern. Opferhaltung seufzt: „Ich armer Mensch. Andere – oder auch ich selbst – haben es verbockt. So, wie es ist, ist es blöd. Aber ich kann ja sowieso nichts ändern.“ Ich mache andere, zum Beispiel die eigenen Eltern, den Chef, die Politik, den Partner oder auch das Kind, verantwortlich für meine Gefühle. Aus dieser Haltung heraus kann ich aber keine Verantwortung für mein Leben übernehmen und nicht aktiv gestalten.
Wer sich in dieser Opferrolle nicht mehr wohlfühlt, wird irgendwann ausbrechen, ohne zu wissen, wohin. Das führt Menschen oft in die Täterrolle, sie rebellieren und formulieren Vorwürfe. Es verspricht Genugtuung, endlich mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Aber das heißt auch: Ich bleibe im Kampfmodus. Gerade während der Pandemie sehen wir das häufig, dass Leute aus der Opferrolle in die Täterrolle flüchten und negative Energie in die Welt tragen. Sie mögen ein gutes Ziel haben. Sie sind unzufrieden mit dem Ist-Zustand und denken: Da muss man doch etwas machen. Weil ihre Forderungen aber aus einer negativen Haltung heraus kommen, bleibt dieser Veränderungswunsch unfruchtbar und führt nur zu noch mehr Uneinigkeit.
Um wirklich etwas zu erreichen, brauchen wir eine neue Haltung. Dafür verwende ich gerne das Bild des CEO – „Chef der Emotionen und Orientierung“. Wie der CEO eines Unternehmens kann ich Chef über mein eigenes Leben sein. Ich übernehme die Verantwortung für das, was ich fühle. Das heißt nicht, dass alle anderen oder auch ich selbst keine Fehler gemacht haben oder ich die Dinge herunterspielen muss. Gemeint ist, dass ich darüber entscheide, was für ein Mensch ich sein will. Das sollte ich mir erst mal angucken, bevor ich meine Vorwürfe in die Welt trage.
Mensch mit „Ja-Gesicht“
Was hat Glaube mit der inneren Haltung zu tun?
Ich glaube fest, dass wir aus christlicher Sicht einen Auftrag haben, darauf zu achten, mit welcher Haltung wir durch die Welt laufen. Ich habe mich beim Schreiben meines Buches oft gefragt, wie stark ich meinen Glauben einfließen lassen möchte. In Coachings oder wenn ich als Moderatorin auf der Bühne stehe, bin ich überwiegend in einem säkularen Umfeld unterwegs. Deshalb hatte ich den Glauben zunächst ans Ende in das Kopf-Kapitel gepackt. Beim Schreiben merkte ich dann, dass das nicht geht. Denn wenn ich darüber nachdenke, wie ich meine Haltung bekommen habe, stoße ich immer wieder auf meinen Glauben. Wenn wir eine Beziehung zu Jesus haben, sind wir davon durchdrungen, und das beeinflusst alle Lebensbereiche und auch unsere Haltung stark.
Mein Glaube taucht daher immer wieder auf, unter anderem in den Kapiteln über die Knie und über das Herz. In meinem Elternhaus stand eine geschnitzte Holzfigur mit betenden Händen, darin steckte ein Papier mit den Worten: „Wer vor Gott kniet, kann vor Menschen stehen.“ Viele Coaching-Ansätze sagen: „Du bist deines eigenen Glückes Schmied, du hast es selbst in der Hand, wichtig ist nur, wie du die Dinge bewertest.“ Ich glaube, es hat viel mehr damit zu tun, zu wissen, von wem mein Leben abhängt. Denn das erfüllt meine Haltung mit Dankbarkeit.
An welcher Haltung arbeitest du gerade noch?
Ich wünsche mir, ein Mensch mit einem „Ja-Gesicht“ zu sein. Ich finde, es gibt Leute, die haben Ja-Gesichter, und welche, die haben Nein-Gesichter. Wenn ich mir vorstelle, wer ich sein will, wenn ich eine alte Frau bin, meine Kinder erwachsen sind und ich vielleicht Oma bin, will ich das mit einem Ja-Gesicht sein. Wenn ich heute manchmal emotional überfordert bin, habe ich dieses Bild im Kopf und erinnere mich, dass jeder Tag dazu beiträgt, ob mein Gesicht ein Ja- oder ein Nein-Gesicht wird. Das heißt nicht, dass ich alles erlauben, hinnehmen oder schönreden muss. Es heißt vielmehr, dass ich mich immer neu für eine positive Haltung entscheiden darf – innerlich und äußerlich. Denn wofür ich mich wieder und wieder entscheide, wird irgendwann meine Normalität.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Ann-Sophie Bartolomäus, Volontärin bei Family und FamilyNEXT.