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Warum sagt einem das vorher keiner?

In der Family 5/21 schrieb Simone Oswald darüber, wie viel Realität Schwangere ertragen können und wie ehrlich Mütter ihnen gegenüber sein sollten. Darauf haben uns zwei Rückmeldung erreicht.

OHNE ANGSTMACHEN, OHNE SCHÖNREDEN

Carina Nill hat gute Erfahrungen mit einer mutigen Ehrlichkeit gemacht.

Meine Schwägerin erwartet ihr zweites Kind. Als ich bei der Verkündigung freudig frage, wie es war, es zu erfahren, ob der Schwangerschaftstest aufregend war und die Warterei bis dahin auszuhalten, antwortet mein Schwager irritiert und kühl: „Hä, ne – es war ja geplant!“ Mein Herz zieht sich leicht zusammen – wie schön wäre es, wenn es immer so einfach wäre.

Ich habe es so erlebt: Elternsein im Kopf und im Herzen beginnt schon, bevor man das eigene Baby im Bauch oder auf dem Arm trägt. Elternsein beginnt oft schon mit dem Kinderwunsch. Spätestens jetzt wachsen Vorstellungen, Vorhaben und Vorurteile … Und ja, es stimmt: Es verlangt viel Weisheit, mit diesen eigenen Ideen und denen im Familien- und Freundeskreis umzugehen – egal, ob in der Kinderwunschzeit, der Schwangerschaft, der Kleinkindoder der Kindergartenkindphase.

TROST SUCHEN UND SPENDEN

Aber die Zeit unseres Wunsches, Eltern zu werden, ist zu lange her, um bei meinem Schwager präsent zu sein. Und meine Schwägerin kam erst danach in unsere Familie. Sie erkennt mein Schlucken und zaghaftes Lächeln und fragt nach. Und ich erzähle – obwohl sie frisch schwanger ist. Ich erzähle, weil ich es immer schon erzählt habe. Ich erzähle, obwohl es mich manchmal alles kostet: Mut, Kraft, Ehrlichkeit. Aber ich erzähle auch, weil ich an diesem Mut anderer Frauen gewachsen bin und getröstet wurde.

Bevor wir unseren ersten Sohn bekamen, haben wir eine kleine Bandbreite der Möglichkeiten erlebt, die es auf diesen Wegen zu erleben gibt: Fehlgeburt, Eileiterschwangerschaft, Windei, Blutungen und Sorgen in der Schwangerschaft bis hin zum Notkaiserschnitt. Hoffnung und Enttäuschung, Schmerz und Wut, Fragen und Zweifel und neues Vertrauen.

Und ich habe es immer erzählt. Unter Tränen, hoffnungslos und hoffnungsvoll, Trost suchend oder Trost spendend. Es war mir immer eine Hilfe und ein Anliegen, dass unsere Freunde und Familie darüber Bescheid wussten. Viele waren zeitgleich schwanger. Manche erlebten schließlich ähnliches, und so war unsere Ehrlichkeit ein großer Gewinn. Und es war ein Segen, uns gegenseitig zu haben, voneinander zu wissen, miteinander zu fragen und zu verarbeiten. Ich finde, dieser Mut, von unseren Erfahrungen zu erzählen, hat sich ausgezahlt. Ich war dankbar, vor meinen eigenen Verlusten von Frauen zu wissen, die ähnliches erlebt hatten, und mich bei ihnen verstanden zu fühlen. Hätten andere Frauen diese Realität, so schwer und herausfordernd sie ist, nicht mit mir geteilt, hätte ich mich oft einsamer und hilfloser gefühlt.

ERFOLGE FEIERN, ERSCHÖPFUNG ZUGEBEN

Auch später, beim schmerzhaften Stillen, habe ich mich dankbar an eine Kollegin erinnert, die sich vor Jahren beim Stillen ihres Babys die Tränen wegwischte und gestand: „Das tut so weh!“ Und als mir der Große das erste Mal „Du dumme Mama“ vor die Füße knallte, war ich erleichtert, dass eine Mama aus dem Hauskreis schon vor Monaten das Gleiche (mit dem gleichen Entsetzen) zu berichten hatte.

Diese Erfahrung nehme ich durch die Jahre bis heute mit. Ich möchte all das Gute und Schöne, die vielen kleinen Freuden, die großen Entwicklungsschritte, Erziehungserfolge und Glücksmomente des Elternseins teilen: aufrichtig und unübertrieben. Aber ich wünsche mir auch, dass es erlaubt ist, in meinem Hier und Jetzt erschöpft zuzugeben, dass Junior immer noch nicht durchschläft, dass Zähneputzen zu einer choreografischen Meisterleistung werden muss oder dass ich ratlos Rat suche, weil die Streitereien zwischen den Brüdern einfach nicht aufhören.

Inzwischen gehen beide Jungs in den Kindergarten. Beim Abgeben am Tor frage ich mich gelegentlich, ob eigentlich andere Mütter auch schon 17 Nervenzusammenbrüche erleiden, bis sie hier ankommen. Natürlich teilt man seine Geschichten und seinen Alltag nicht mit allen, dennoch nicken wir Mütter uns scheinbar wohlwissend zu.

SICH VERLETZBAR MACHEN

Auch unter Freunden kostet es mich oft alles, mir und anderen gegenüber einzugestehen, dass ich in vielem gern geduldiger, belastbarer und humorvoller wäre. Auch hier nehme ich oft unter Tränen meinen Mut zusammen und vertraue Freundinnen oder Familie – mit Kindern in unterschiedlichem Alter – meine Gegenwart an: Sorgen, Versagen, Unzulänglichkeiten und mein „Das wollte ich eigentlich anders machen“. Manchmal verändert es Freundschaften, wenn man erkennt, dass man unterschiedliche Erziehungsstile oder Ansichten hat – dann schmerzt diese Ehrlichkeit, zu der man sich durchgerungen hat. Manchmal fühle ich mich nach so einer Offenbarung auch beobachtet oder bewertet. Aber manchmal ernte ich nach den ersten unverständlichen Blicken jüngerer Mütter ein paar Monate später ein seufzendes: „Jetzt weiß ich, was du meintest! Das war gut zu hören.“ Und dann bin ich froh, dass ich darüber gesprochen habe und nicht hinterher um Mitgefühl oder gute Ratschläge ringen muss.

Also doch: Obwohl es mich immer wieder so viel kostet, mich mit dem Teilen meiner Gegenwart verletzbar zu machen, ist es vielleicht das Kostbarste, was wir miteinander teilen können: aufrichtige Ehrlichkeit – ohne Angstmachen, aber auch ohne Schönreden. Ich jedenfalls bin dankbar für alle, die ihr „So ist es gerade“ miteinander teilen – egal, wer von uns gerade die (un-)realistischeren Vorstellungen hegt.

In diesem Sinne: Seid mutig, seid ehrlich und „helft euch gegenseitig bei euren Schwierigkeiten und Problemen, so erfüllt ihr das Gesetz, das wir von Christus haben“. (Galater 6,2)

Carina J. Nill arbeitet als Kunst- und Lerntherapeutin und „künstlert“ Bilder und Bücher, z. B. „Count your Blessings: Mein kreatives Segen-Sammelbuch“. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei wunderbaren wilden Söhnen in Deizisau bei Esslingen.

 

AUFKLÄREN UND AUF DAS GUTE HOFFEN

Dorothee Spengler möchte ihren Freundinnen ihre Erfahrungen nicht vorenthalten.

Der Artikel von Simone Oswald hat mich auch Wochen später immer wieder gedanklich beschäftigt. Ich kenne diese Situation, da ich vor sechs Jahren zu den Ersten im Familien- und Freundeskreis gehört habe, die schwanger waren und dementsprechend „Erfahrungsvorsprung“ hatten, als später Freundinnen schwanger wurden.

Ein wichtiger Aspekt, der im Artikel auch erwähnt wird, ist, dass ich mein eigenes Erleben ehrlich teile, mit Höhen und Tiefen, Herausforderungen und Erfolgen. Und wenn ich das „tagesaktuell“ mache, ist das schon eine ganze Menge „Präventionsarbeit“ gegen allzu unrealistische Erwartungen, noch ehe die Freundinnen selbst schwanger sind. Eine meiner besten Freundinnen sagt, dass sie von dieser Art „Mit-Erleben“ noch heute in ihrem Mama-Alltag zehrt. Und ich bin mir sicher, dass meine Schwägerin, die in den letzten Jahren regelmäßig unseren Familienalltag erlebt hat, mit weniger realitätsfernen Vorstellungen in ihr erstes Babyjahr starten wird, wenn es so weit ist.

STRESS VERMEIDEN

Dieses „Basiswissen“, das vor einigen Jahrzehnten aufgrund größerer Familien noch deutlich präsenter war, sollte aus meiner Sicht unbedingt im Freundeskreis weitergegeben werden. Insofern kann ich mich in dem Absatz „Nicken und lächeln“ in Simone Oswalds Artikel nicht so ganz wiederfinden. Natürlich ist jedes Kind und jede Mutter individuell. Und ich stimme zu, dass ich anderen nicht meine ganz persönlichen Probleme prophezeien muss. Aber wenn es um Entwicklungserwartungen (z. B. Beikostreife mit fünf Monaten) geht, die wissenschaftlich und allen Erfahrungswerten nach eher die Ausnahme als die Regel sind, würde ich gute Freundinnen unbedingt darauf hinweisen.

Gerade wenn konkrete Planungen, wie zum Beispiel die Jobrückkehr der Mutter, darauf fußen, dass ein Kind zum Zeitpunkt X nicht mehr gestillt wird, lässt sich dadurch sehr viel Stress vermeiden. Bei anderen Themen, wie dem Supermarkt-Szenario, würde ich bei passender Gelegenheit (die sich vielleicht auch erst beim Eintritt des Kindes in die Autonomiephase bietet) auch etwas sagen und auf gute Podcasts oder Literatur zu dem Thema verweisen. Schließlich gehört die Autonomiephase zur gesunden Entwicklung eines jeden Kindes – auch wenn nicht jedes Kind schreiend auf dem Supermarktboden liegt. Ein gutes Verständnis der Hintergründe kann den Eltern und Kindern jede Menge unnötigen Stress ersparen. Diese Art von „Aufklärung“ steht für mich nicht im Widerspruch dazu, „auf das Gute zu hoffen“, wie es im letzten Absatz beschrieben ist.

TROTZDEM TRÄUMERISCH

Selbstverständlich male auch ich mir lieber harmonische Familienurlaube aus als pubertären Zickenalarm oder Teenager-Eskapaden, aber ich weiß, dass letztere nicht gänzlich ausbleiben werden. Bei den anderen Beispielen (Geldprobleme oder Unzufriedenheit im Alter) würde ich es übrigens anders sehen: Hier gehört es nicht zur üblichen Entwicklung, dass sie auftreten, und entsprechend „träumerisch“ gehe ich da für das Leben meiner Kinder heran – und wenn die Probleme kommen, können wir sie ja immer noch meistern.

Dorothee Spengler ist aktuell in Elternzeit. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern zwischen 0 und 6 Jahren in Albstadt.

Den Artikel von Simone Oswald aus Family 5/21 könnt ihr hier nachlesen: www.family.de/warum-sagt-einem-dasvorher-keiner/

Aufklärung: So können Eltern mit Kleinkindern über Sex reden

Was tun, wenn das Kind sich an Penis oder Vagina fasst? Wie darüber sprechen, wo Babys herkommen? Sexualberaterin Ute Buth zur Aufklärung.

Warum ist die Phase, in der Kinder sich mit dem Thema Sexualität und ihren eigenen Geschlechtsorganen auseinandersetzen, so wichtig?
Wenn Kinder heranwachsen, entdecken sie Geschlechtsorgane wie alles andere, was sie entdecken. So gesehen ist es also eigentlich gar keine besondere Phase, die Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt erlebt haben müssen. Das ist höchst individuell. Die Kinder entdecken auch, dass sie selbst Geschlechtsorgane haben und manche, dass sie schöne Gefühle machen. Wichtig ist, dass die Kinder lernen, dass diese Organe zu ihrem Körper gehören, sie zu benennen, ihren Körper zu schützen und die Körpergrenzen anderer zu respektieren. Dieses Grundwissen spielt nicht zuletzt in Zeiten von #metoo eine wichtige Rolle.

Dass Kinder ihr Geschlecht entdecken, ist normal

Wenn ich mitbekomme, dass sich mein Kind an den Kitzler oder den Penis fasst, wie soll ich dann reagieren?
Wenn Kinder entdecken, dass sie Geschlechtsorgane haben und sich dort berühren, bedeutet das noch nicht, dass sie sich daran betätigen und sich selbst befriedigen. Manchmal juckt etwas oder sie ziehen nur die Kleidung gerade. Wenn sie die Organe entdecken, dann ja erst einmal, dass es da etwas wie die Genitallippen, den Kitzler oder den Penis oder Hoden gibt. Bei Jungen sind die Harnwege und die Geschlechtswege gleich. Ein Junge kommt also gar nicht umhin, sich mit seinem Penis zu beschäftigen. Er wird ja täglich zum Wasserlassen berührt, ist vorgelagerter und gut greifbar und so probieren sie auch aus, was sie damit machen können.

Bei Mädchen sind die Harn- und Geschlechtswege getrennt. Der Kitzler liegt verborgener unter den Genitallippen. Sie entdecken sexuelle Gefühle deshalb nicht so selbstverständlich wie Jungen. Manche entdecken sie beim Duschen, beim Trockenrubbeln danach oder wenn sie auf einer Sofakante sitzen. Wenn Kinder ihre Organe entdecken, anfassen, fühlen oder daran reiben, ist das also an sich normal. Wenn Sie das als Eltern mitbekommen, ist es ratsam, sich nicht aus Scham wegzudrehen, es pauschal zu verbieten oder einen abwertenden Kommentar abzugeben. Denn damit beschämen Sie Ihr Kind für etwas, was selbstverständlich zu seinem Sein dazu gehört. Dass unsere Geschlechtsorgane fühlen können, gehört zur Grundausstattung von uns Menschen und zum Menschsein.

Reagieren, wenn Kinder Sex nachspielen

Wenn man sich nicht wegdrehen, es nicht pauschal verbieten oder abfällige Kommentare dazu machen soll, wie soll man denn dann reagieren?
Dafür gibt es kein Patentrezept. Wichtig ist, das Kind nicht zu beschämen. Man kann schon zum Beispiel fragen, was es da macht und wie es dem Kind damit geht. Oder man kann in der Situation oder danach ins Gespräch darüber kommen, dass es einen intimen Privatbereich gibt und wie man den schützt. Erstmal ist es doch so: Die Kinder stellen fest: Was ich da tue, macht mir schöne Gefühle. Sie denken sich nichts Böses dabei. Manchmal erzählen sie auch begeistert davon und wollen ihr neu gewonnenes Wissen mit den Eltern teilen, im Sinne von ‚ich gebe einen guten Tipp weiter‘.

Gibt es auch Situationen, auf die man reagieren sollte, und wie?
Wenn ein Kind explizit irgendwelche sexuellen Handlungen nachspielt und das immer wieder, dann könnte man sich fragen, wo es das womöglich gesehen hat. Ist es vielleicht mit Pornografie in Kontakt gekommen? Wenn ein Kind sich selbst befriedigt, würde ich schauen, wie oft es das macht, ob es dieses Verhalten sehr in Beschlag nimmt und sich irgendwelche Muster abzeichnen: Wenn es sich immer dann, wenn es traurig oder gestresst ist, so verhält, dann kann es sein, dass Selbstbefriedigung zum Tröster oder Entspannungstool wird. Falls Sie als Eltern unsicher sind, können Sie auch ihren Kinderarzt um Rat bitten.

Wenn die Selbstbefriedigung eine Funktion erfüllt und Sie sie einfach unterbinden würden, machen es die meisten Kinder heimlich weiter – dann aber belastet mit einem schlechten Gewissen. Suchen Sie mit dem Kind gemeinsam nach Alternativen, indem Sie überlegen, was es beruhigt, was sonst noch guttut. Wenn es sich in der Öffentlichkeit, wo andere es sehen und sich darüber lustig machen können, an seine Geschlechtsorgane fasst oder sogar befriedigt, sollte es lernen, seinen Privatbereich in Sachen Intimität zu schützen.

Kinder lernen spätestens ab der Schule, woher Babys kommen

Welche Rolle spielen Eltern bei der Aufklärung der Kinder?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Sexualität eine große Rolle spielt. Eltern sollten sich bewusst machen, dass sie keine Aufklärungshoheit haben und dass sie auch nonverbal aufklären. Das permanente Schweigen zum Thema Sex sendet auch die Botschaft, darüber spricht man nicht! Wenn ein Kind bis zum Schuleintritt nicht weiß, woher die Babys kommen und was Sex ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es das in der Schule lernt, riesengroß – und damit meine ich nicht in erster Linie den Aufklärungsunterricht! Bis dahin haben sie in aller Regel schon etliches auf dem Schulhof, von anderen Kindern oder in den Medien erfahren.

Medienwissenschaftler weisen darauf hin, dass die ersten Informationen, die man auf einem Wissensgebiet erhält, einen viel stärker prägen als Folgeinformationen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Eltern möglichst vor dem Schuleintritt eine gute Grundlage für die Aufklärung ihrer Kinder legen. Ich ermutige Eltern, Aufklärung als Aufgabe und Chance zu begreifen und sich auch mit der eigenen Lerngeschichte auseinanderzusetzen. Wenn sie schambestimmt reagieren, weil ihr Kind sich mit seinen Geschlechtsorganen beschäftigt, hat das häufig mit Hilflosigkeit aber auch mit der eigenen Prägung zu tun. Wenn ich gelernt habe, dass man so etwas nicht tut, was ich aber nun mein eigenes Kind tun sehe, dann gerate ich womöglich schon dadurch in einen inneren Konflikt, bei dem eine Klärung hilfreich sein kann.

Kind kein Aufklärungsgespräch aufzwingen

Und wenn sich mein Kind gar nicht für das Thema interessiert?
Dass ein Kind nicht danach fragt, bedeutet nicht, dass es keine Fragen in seinem Kopf hat. Es kann durchaus sein, dass es Fragen hat, vielleicht sogar auch schon Kontakt mit dem Thema hatte und es so schräg findet, dass es meint, mit den Eltern nicht darüber sprechen zu können oder Sorge hat, Ärger oder peinliche Rückfragen zu bekommen, wenn es Fragen stellt. Wichtig ist, sich möglichst früh sprachfähig auch zu sexuellen Themen zu positionieren. Dann lernt Ihr Kind, dass es normal ist, dass die Eltern dazu ansprechbar sind.

Überfordern Sie Ihr Kind nicht und zwingen Sie ihm kein peinliches Aufklärungsgespräch auf. Es geht ja auch nicht darum, den ganzen Tag über Sex zu reden, aber eben auch darüber zu reden. Manchen Kindern hilft es, über die eigene Zeit als Baby ins Gespräch über das Thema zu kommen. Die Eltern können auch von der Schwangerschaft erzählen und so nach und nach Informationen vermitteln.

Aufklärung nach dem Baukastenprinzip

Wie klärt man Kinder am besten auf?
Aufklärung ist kein Termin im Kalender, den man abhakt und dann ist es erledigt. Aufklärung ist ein Lebensstil. Es geht im Prinzip darum, dass ich wie beim Baukastenprinzip immer wieder an vorhandenes Wissen weitere Informationen anbaue und dafür vor allem zu Beginn Begriffe aus der Alltagswelt des Kindes benutze.

Haben Sie dafür Beispiele?
Ich habe meinen Kindern immer erzählt, dass Mütter im Bauch das Zimmer „Gebärmutter“ haben und darin die Babys wohnen. Vom Zimmer Gebärmutter führt der Gang „Scheide“ nach draußen. Aus dem kommen die Babys dann heraus. Auf dem Weg zum Schwimmkurs knöpfte ich einmal daran an und erklärte, dass das Zimmer Gebärmutter auch ein Schwimmbad ist, dass da Wasser drin ist und es den Babys Bewegung ermöglicht und wie sich die Gebärmutter durch das Wasser dehnt. Ein anderes Mal sagte eine ältere Dame zu meiner 3-jährigen Tochter: „Du hast die Augen und die Haare von deiner Mama.“ Ich erklärte ihr daraufhin, dass wenn ein Baby entsteht, es die Hälfte von Mama und die andere Hälfte von Papa bekommt. Damit hatte ich Zeugung erklärt, aber auf einem ganz niedrigen Level – nichts von Samen, Eizellen, Penis, Scheide und Sex.

Daran kann man dann anbauen und darüber sprechen, dass Frauen im Bauch kleine Eier haben. Eier können sich die Kinder gut vorstellen und Samen kennen sie auch – zum Beispiel aus dem Frühjahr, wenn sie Samen aussäen, damit daraus etwas wächst. Nur dass man Papas Samen nicht in den Boden stecken und gießen kann, damit ein Baby daraus wächst, sondern dass sie die winzigen Eier von der Mama treffen müssen. So gibt man immer weitere kleine Informationen dazu, damit die Kinder nach und nach ihr Wissen auf eine breitere Basis stellen können.

Die Fragen stellte Ruth Korte.

Vom Kind beim Sex entdeckt – Wie Sie jetzt reagieren sollten

Das kann immer mal passieren: Mitten im Schäferstündchen platzt das Kind ins Schlafzimmer. So finden Mama und Papa die richtigen Worte.

„Unser Sohn (7) hat uns beim Sex erwischt. Wir sind uns unsicher, wie wir nun damit umgehen sollen. Wie kann man das in diesem Alter besprechen?“

In solchen Situationen sind nicht selten die Erwachsenen schockierter als die Kinder. Sprechen Sie Ihren Sohn in einer ruhigen, entspannten Atmosphäre vorsichtig an und fragen Sie, wie er das Erlebnis wahrgenommen hat.

Das kann zum Beispiel so aussehen: „Als du vorhin hereingekommen bist, hast du ja gesehen, wie dein Papa und ich nah beieinander lagen. Hast du dich da gewundert oder hast du Fragen dazu?“ Warten Sie erst einmal ab, wie Ihr Kind die Situation überhaupt erlebt hat und was es gern wissen möchte. Wenn es sich zurückhaltend zeigt, kann man noch etwas konkreter werden: „Wir haben da miteinander gekuschelt auf eine Weise, wie das nur Erwachsene machen. Das ist eine Art, wie zwei Erwachsene sich zeigen, wie lieb sie sich haben und dass sie zusammengehören. Hast du dazu noch Fragen oder kam dir etwas seltsam vor?“

Was soll ich ihm sagen? 

Das Prinzip dabei ist, möglichst locker und gelassen mit dem Thema umzugehen und zu signalisieren: Das ist etwas Normales und du darfst dazu fragen, was du möchtest. Gleichzeitig sollte man das Kind nicht mit Informationen überhäufen, mit denen es womöglich noch gar nichts anfangen kann. Man gibt also erst einmal ein kleines Häppchen Information und erkundigt sich, ob das Kind noch mehr darüber wissen möchte und welche Fragen es noch hat.

In diesem Alter ist das Interesse der Kinder an diesem Thema recht unterschiedlich ausgeprägt – manchen wird eine Erklärung wie die oben beschriebene völlig ausreichen, andere werden genauer wissen wollen, was denn bei diesem „besonderen Kuscheln“ passiert. In der Regel gilt: Wenn ein Kind konkret fragt, kommt es mit der Antwort (kindgerecht ausgedrückt, aber wahrheitsgemäß) auch zurecht. Wenn es zu viele Informationen sind oder es einfach noch nicht so relevant für das Kind ist, kommt es auch häufig vor, dass das Kind die Erklärung wieder vergisst und irgendwann erneut nachfragt und scheinbar nichts mehr von dem Gespräch weiß.

Wie kann ich es formulieren?

Hier eine mögliche Formulierung: „Männer haben ja einen Penis und Frauen eine Vagina. Wenn jetzt ein Mann und eine Frau, die sich sehr liebhaben, miteinander kuscheln, dann können auch der Penis und die Vagina miteinander kuscheln. Dazu kommt der Penis in die Vagina hinein und der Mann und die Frau können sich dabei auch küssen oder streicheln. Manchmal machen die Erwachsenen dabei auch Geräusche, weil ihnen das Kuscheln so gut gefällt. Das ist das, was du bei uns gerade mitbekommen hast. Möchtest du dazu noch etwas wissen?“

Wenn das Kind interessiert wirkt, kann man natürlich noch erklären, dass auf diese Weise auch Babys entstehen können, weil aus dem Penis Samenzellen kommen, die ein Ei im Bauch der Frau befruchten können, woraus dann ein Baby entstehen kann. Wenn das Kind aber eher den Eindruck vermittelt: „Danke, mir reicht’s!“, dann ist es ratsam, es erst einmal bei dieser Auskunft zu belassen und das Gespräch mit einem Satz wie: „Okay, wenn du dazu irgendwann noch einmal etwas wissen willst, kannst du uns gern fragen“ zu beenden.

Melanie Schüer ist verheiratet, zweifache Mutter, Erziehungswissenschaftlerin und als freie Autorin und Elternberaterin tätig.

„Warum sind da nackte Frauen?“

„Auf dem Rummel ist unseren Kindern (7 und 9) aufgefallen, dass an vielen Fahrgeschäften halbnackte Frauen abgebildet waren. Sie fragten, wieso die Frauen so wenig anhaben und warum es keine Männer gäbe? Wie erkläre ich das altersgerecht?“

Es ist super, dass Ihre Kinder ansprechen können, was sie irritiert und ihnen komisch erscheint. Das Schöne an dieser Frage ist, dass Sie dadurch mit Ihren Kindern ganz natürlich über die Sexualisierung unserer Gesellschaft sprechen können – ein Thema, mit dem Kinder schon früh konfrontiert werden.

Häufig kommen Kinder im jungen Teenageralter über das Smartphone ungewollt in den direkten Erstkontakt mit Nacktbildern und pornografischen Inhalten. Deswegen ist es ein wertvoller Schutz, wenn Eltern schon im Grundschulalter thematisieren, dass es solche Bilder und auch Filme gibt, wie sie darüber denken und wie Kinder damit umgehen können.

EIN GESPRÄCH IN RUHIGER MINUTE

Falls ein Kind eine solche Frage mitten im Trubel der Kirmes ausspricht, können Eltern ruhig um etwas Aufschub bitten, damit sie diese – vielleicht auch etwas überfordernde – Frage nicht in Anwesenheit anderer Zuhörer beantworten müssen. „Das ist eine wirklich gute Frage, über die ich noch etwas nachdenken möchte. Wenn wir zu Hause sind, können wir darüber reden.“ Dann sollte man das Versprechen aber auch einhalten.

In einer ruhigen Minute können Sie dann kindgemäß und möglichst sachlich erklären, dass Nacktheit für Aufmerksamkeit sorgt. Männern fällt es schnell ins Auge, wenn Frauen wenig anhaben oder aufreizend gekleidet sind. Diese Vorliebe nutzen manche Menschen, um Geld zu verdienen. „Sex sells“ ist ein Motto, das in der Werbung sehr effektiv ist, auch im Kirmesgeschäft. Die Zielgruppe dieser Art der Werbung sind vor allem Männer. Und weil Frauen sich durch Nacktbilder eher weniger ansprechen lassen, befinden sich auf den Fahrgeschäften vermutlich auch keine Bilder von Männern. Hier können Sie hinzufügen, dass es ähnliche Bilder auch auf Plakaten, in Zeitschriften oder im Internet gibt.

WERTE WEITERGEBEN

Je nach Offenheit Ihrer Kinder könnten Sie nachfragen, was sie darüber denken und wie sie diese Bilder empfinden. Überlegen Sie auch, ob Sie mit beiden Kindern gleichzeitig oder lieber einzeln sprechen wollen. Unter Umständen öffnet sich eines Ihrer Kinder mehr, wenn Bruder oder Schwester nicht mithören. Ich halte es für sehr wichtig, zu betonen, dass Nacktheit grundlegend nichts Negatives ist. Gott hat Männer und Frauen in ihrer Männlichkeit und Weiblichkeit geschaffen. Und es war seine Idee, dass sich erwachsene Menschen anziehend finden. Gleichzeitig ist Nacktheit aber auch etwas sehr Persönliches und Schützenswertes. Sie könnten Ihre Kinder fragen, ob sie es gut fänden, wenn sie jeder nackt sehen würde. So kann man gut thematisieren, dass Nacktheit in manchen Situationen normal oder sogar wichtig ist, zum Beispiel im vertrauten Zuhause oder beim Arzt, in anderen aber eben auch nicht. Nutzen Sie diese Gelegenheit, und erzählen Sie in einem geschützten Rahmen, wie Sie das empfinden und geben Sie Ihre Werte kurz und knackig mit, ohne lange Vorträge zu halten.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F. www.sonja-brocksieper.de
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Sex im Netz: Das können Sie tun, wenn Ihr Kind plötzlich Pornos schaut

„Ich glaube, dass mein Sohn (8) Pornos auf seinem Handy schaut. Wie kann ich mit ihm darüber reden? Und wie kann ich ihm dabei helfen, die Bilder wieder aus dem Kopf zu bekommen?“

Diese Situation ist leider keine Seltenheit. Lehrer erzählen mir immer wieder von Grundschülern, die Pornofilme zu Hause auf dem Computer oder in den Pausen auf dem Handy schauen. Eltern berichten mir von der ständigen Angst, dass ihre Kinder bei Freunden oder allein im Internet mit Pornofilmen konfrontiert werden.

MEHR ALS NUR BILDER

Pornos haben einen negativen Einfluss auf Kinder. Es werden nicht nur, wie Sie schreiben, Bilder in ihre Köpfe geschleust. Auch ihr Verhalten leidet darunter: Die Einstellung zu Beziehungen und der Sprachgebrauch unter Kindern zeigt weniger Respekt denn je. Mädchen werden mit Wörtern beschrieben, die man hier nicht nennen kann. Von einem Psychologen aus Oslo, der mit minderjährigen Sexualverbrechern arbeitet, weiß ich, wie sehr seine Patienten besonders von Pornofilmen beeinflusst wurden.

REDEN SIE ÜBER SEX!

Zwei Dinge sollten Eltern tun. Erstens: Versuchen Sie, die Ersten zu sein, die ihr Kind auf das Thema vorbereiten. Erzählen Sie ihm, wie Sex funktioniert und wie schön er ist. Erzählen Sie von der Ehe als Geschenk und von dem Segen, der davon ausgeht.

BEREITEN SIE IHR KIND AUF DAS INTERNET VOR!

Zweitens: Bereiten Sie die Kinder auf das Angebot im Internet vor. Manchmal sind Eltern besorgt, dass sie ihre Kinder dadurch womöglich erst auf die Idee bringen, Pornos im Internet zu schauen. Informationen, Filme und Bilder sind heute jedoch überall zugänglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch Ihr Kind davon etwas mitkriegt.

NOCH VOR DER SCHULE AUFKLÄREN

Meiner Erfahrung nach sollten Eltern diese Gesprächsbrücke allerspätestens vor dem Schulanfang gebaut haben. Der erste Gedanke, der über eine Sache mitgeteilt wird – dazu noch von den Menschen, die den Kindern im Leben am meisten bedeuten –, ist immer die stärkste Grundlage. Von dieser Grundlage aus werden die Kinder neue Eindrücke verarbeiten. Wenn sie in eine entsprechende Situation geraten, werden Sie die erste Bezugsperson sein.

FRAGEN SIE IHR KIND!

Bei unseren eigenen Kindern benutzen wir oft Rollenspiele und Situationsbeschreibungen, um mit ihnen über dieses Thema ins Gespräch zu kommen, zum Beispiel: „Wenn ein Freund dir einen Film mit nackten Menschen zeigt, was würdest du tun?“ Oder: „Ist es dir schon einmal passiert, dass du etwas im Internet gesehen hast, was dir schlechte Dinge vermittelt hat?” Seien Sie nicht zimperlich beim Werte-Vermitteln. Ihr Kind liebt Sie und wird die Werte in seinen Entscheidungen berücksichtigen.

DIE HARDDISK DER GEDANKEN FÄRBEN

Was ist mit Kindern, die schon Pornofilme gesehen haben? Hier denke ich, dass man diese Filme als schlechte Beispiele besprechen kann. Pornos sind eine unechte Präsentation der Wahrheit. Wir sind für etwas viel Besseres von Gott gebaut worden. Leider ist es sehr schwer, Bilder von der Harddisk der Gedanken zu löschen. Aber man kann sie färben.

Chris Duwe lebt mit seiner Familie auf einem kleinen Bauernhof nördlich von Oslo und arbeitet bei „Jugend mit einer Mission“.

Wir müssen reden

„Wie kann ich mit meinem Teenager über Sex sprechen? Sollte ich das überhaupt tun, und was muss ich beachten?“

Sollte ich mit meinem Teenager über Sex sprechen?“ – Natürlich! „Wie gehe ich dabei vor?“ – Natürlich! Eigentlich liegt in diesem Wort schon eine klare Antwort auf diese wichtige Frage: Wer, wenn nicht wir Eltern, können mit unseren Kindern und Jugendlichen angemessen über dieses Thema reden? Unsere Kinder sind in den meisten Fällen seit dem Kindergarten bestens über die körperlichen Aspekte von Sexualität aufgeklärt. Das Meiste erfahren sie „auf der Straße“, im Kreis von Freunden und Bekannten oder im Internet. Was können wir als Eltern dann noch tun? Und warum sollten wir auch noch mit ihnen reden? Wir können unseren Kindern und Jugendlichen früh vermitteln, dass dies ein natürliches Thema ist, das wir immer gern offen mit ihnen besprechen. Eine offene Gesprächs- Atmosphäre seit Kindheitstagen ist die beste Grundlage für spätere Gespräche mit unseren Kindern. Wichtig ist, dass wir sachlich darüber reden und nicht beschämt oder ironisch oder Sexualität vielleicht sogar nur in „zweideutigen Andeutungen“ besprechen. Genauso wichtig ist es, dass wir die natürliche Schamgrenze unserer Teens beachten. Vielleicht wollen sie nicht mit uns über das Thema reden. Und meistens wollen sie auch nichts von unserem Sexualleben wissen, denn das ist Teenagern oft peinlich.

WICHTIGE THEMEN
Die körperliche Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen, Hormone und ihre Auswirkungen, Selbstbefriedigung, Verhütung, Geschlechtsverkehr, Pornografie, Missbrauch, sexuelle Orientierungen – all das sind Themen, auf die unsere Jugendlichen Antworten suchen und brauchen. Anders als zu Kindheitstagen, wo wir diese Themen unsererseits ansprechen konnten, müssen wir bei unseren Jugendlichen die Gelegenheiten wahrnehmen, die diese uns eröffnen. Alltagssituationen lassen sich dafür nutzen: Hochzeiten, Geburten, Frauenarzttermine, Kondomwerbung im TV, AIDS-Kampagnen in den Medien. Besonders die zaghaften Fragen, Bemerkungen, Meinungen, die sie im Gespräch mit uns einstreuen, sind wertvolle Situationen, um einzuhaken. Dann sollten wir den Fernseher ausmachen, den Schlaf unterbrechen oder das Telefongespräch beenden. In diesem Alter sind es oft keine langen Gespräche, sondern kurze Momente, die uns die Möglichkeit geben, Informationen und Werte zu vermitteln.

WICHTIGE WERTE
Etwas, was bei aller organisierten Aufklärung und vielen Kampagnen in den Medien recht kurz kommt, ist die Weitergabe von Werten. Diese können wir als Eltern beim Reden über Sexualität betonen. Für uns Christen ist Sexualität ein Geschenk Gottes an jeden Menschen. Gott beurteilt die Sexualität als „sehr gut!“ (1. Mose 1, 27+31). Sexualität ist nie als Last und Frust, sondern als Freude zum sich gegenseitig Beschenken gegeben worden. Sie ist so wertvoll, dass wir sie nicht verschleudern wollen, sondern bewahren und schützen. Es ist aber auch wichtig, dass wir die Entscheidungen unserer Jugendlichen ernst nehmen. So wie sie in anderen Lebensbereichen eigene Entscheidungen treffen, können sie auch hier andere Werte haben als wir, ihre Eltern. Unsere Kinder sollten immer gewiss sein, dass wir sie bedingungslos lieben – unabhängig von ihren Werten und ihrer Lebensgestaltung. So wie Gott auch uns bedingungslos liebt.

Ekkehard Kosiol hat als Pastor und Heilpraktiker (Psychotherapie) eine Beratungspraxis für Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Siegen. Seine sechs Kinder sind alle erwachsen, meist verheiratet, und sieben Enkelkinder sind bereits da.

Aufgeklärt die Welt entdecken

Wie können wir Kinder in eine Welt begleiten, in der Sexualität allgegenwärtig ist? Von Ute Buth

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„Was hast du denn da?“

Warum Doktorspiele wichtig sind

Viele Eltern sind verunsichert oder auch peinlich berührt, wenn sie sehen, dass sich ihre Kinder ausziehen und mit ihren eigenen Geschlechtsorganen oder denen der Freunde spielen. Sollen wir jetzt eingreifen? Sollen wir das verbieten oder einfach nur weggucken? – Das sind Fragen, die Eltern in solchen Situationen durch den Kopf gehen.

Jeder Junge und jedes Mädchen ist von Anfang an eine sexuelle Persönlichkeit. Deshalb ist es ganz natürlich, dass ein Kind seinen Körper und damit auch seine Geschlechtsorgane wahrnimmt und erforscht. Kinder sind neugierig, berühren sich selbst an Penis oder Scheide und können schon früh angenehme Gefühle wahrnehmen. Allerdings sind das Lustempfinden, wie es Erwachsene erleben, und das Schamgefühl noch nicht entwickelt.

Neugier und Wissensdurst

Im Kindergartenalter wächst die Neugier und viele Kinder untersuchen nicht mehr nur sich selbst, sondern entdecken, dass der Freund oder die Freundin ganz anders aussieht und beziehen den anderen in ihr Spiel ein. In Rollenspielen, den so genannten Doktorspielen, werden dann die Unterschiede und Gemeinsamkeiten untersucht. Genau wie bei den Arztbesuchen im realen Leben ziehen sich die Kinder aus, verbinden sich, geben sich Spritzen und beziehen auch die Geschlechtsorgane ein. Diese Spiele dienen dazu, dass sich Kinder Wissen über ihr eigenes und das andere Geschlecht aneignen und festigen. In der Regel verliert sich das Interesse, wenn der Wissensdurst gestillt ist. Kommen Eltern ins Kinderzimmer und sehen, dass sich die Kinder gegenseitig untersuchen, sollten sie gelassen reagieren. Mit den Worten: „Oh, ihr habt euch ja ausgezogen. Was spielt ihr denn?“, kann man kurz auf das Doktorspiel eingehen, ohne ihm aber viel Bedeutung beizumessen. Anschließend kann man die Aufmerksamkeit auf eine andere Aktivität lenken, indem man zum Beispiel ein Gesellschaftsspiel miteinander spielt. Auf diese Weise erleben Kinder, dass das Erforschen des anderen Geschlechtes nichts Verbotenes ist, aber auch keine Aktivität, die im Speziellen gefördert und bestärkt wird. Vielleicht können Vater oder Mutter darauf hinweisen, dass sie nun ja wissen, wie der Freund oder die Freundin aussieht und dass sie beim nächsten Mal die Unterhose anlassen können.

Wichtige Regeln

Reagieren Eltern erschrocken und emotional und verbieten das Spiel, kann das für Kinder verwirrend und unverständlich sein und vielleicht sogar zu unangemessenen Schuldgefühlen führen. Eltern sollten dieses Verhalten ihrer Kinder also nicht grundlegend unterbinden, aber auf die Einhaltung folgender Regeln achten:

  • Jedes Kind bestimmt selbst, mit wem es Doktorspiele spielen möchte.
  • Jedes Kind bestimmt selbst, wo es berührt werden möchte oder nicht.
  • Keiner darf dem anderen wehtun.
  • Keiner darf dem anderen einen Gegenstand in Po, Scheide, Penis, Mund, Nase oder Ohr stecken.
  • Doktorspiele finden nur unter Gleichaltrigen statt.
  • Doktorspiele finden in einem geschützten Rahmen und nicht in der Öffentlichkeit statt.
  • Es werden keine Fotos gemacht. (Viele Kinder haben heute Spiel-Digitalkameras in ihren Kinderzimmern.)

Um Kinder vor Missbrauch zu schützen, sollten Eltern mit ihren Kindern im Gespräch über Sexualität sein. Hilfreich ist es, gemeinsam gute Kinderbücher zur Aufklärung anzusehen. Auf diese Weise können neugierige Fragen beantwortet werden. Herrscht in der Familie eine offene Atmosphäre und ist Sexualität kein Tabuthema, lernen Kinder einen entspannten und verantwortungsvollen Umgang mit ihrem eigenen Körper.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrer Familie in Remscheid.

Illustration: Thees Carstens