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Wir sind alle so erschöpft

Das Familienleben ist häufig erschöpfend. Warum das so ist und wie Familien zu neuer Stärke finden, erklärt der Psychotherapeut Jörg Berger.

Erschöpft zu sein ist anders als müde oder erholungsbedürftig. Wer müde ist, schläft ein paar Nächte und fühlt sich wieder fit. Wer Erholung braucht, verbummelt ein Wochenende oder genießt einen Urlaub. Dann ist der Akku wieder geladen. Doch Erschöpfung geht tiefer. Man schläft und bleibt müde. Man ruht und wird nur antriebslos. Der Akku bleibt leer. Wer müde und erholungsbedürftig ist, kann es sich außerdem erklären: Vielleicht waren die Nächte schlecht oder ein Infekt hat den nächsten abgelöst. Oder einer steigt wieder in den Beruf ein und die Kinderbetreuung fällt aus. Das kostet Kraft. Doch wenn die Belastung nachlässt, kommt auch die Energie wieder. Das ist bei Erschöpfung anders. Man ist in normalen Lebensphasen k. o. und fragt: „Warum bin ich so erschöpft?“

Dann gibt es offenbar immer Dinge, die zu viel Energie kosten. Das betrifft erschreckend viele Menschen. Die Sozialforschungsgesellschaft Forsa hat 2019 im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse 1.000 Eltern mit Kindern unter 18 Jahren befragt. Über ein Drittel der Eltern hat angegeben, unter Erschöpfung und Burnout zu leiden. Etwa genauso viele haben auch Gereiztheit, Nervosität, Müdigkeit und Schlafstörungen erlebt. Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht es nicht anders, wie die Befragung „Jugend in Deutschland“ 2022 zeigte: Von den 1.000 repräsentativ ausgewählten jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren berichteten 45 Prozent von Stress, 35 Prozent von Antriebslosigkeit und 32 Prozent von Erschöpfung. In der Forsa-Umfrage wurden gestresste Eltern auch gefragt, was ihnen helfen würde. Sie wünschen sich vor allem zweierlei: mehr Zeit (70 Prozent) und innere Gelassenheit (72 Prozent). Hier können vier Strategien ansetzen, die aus der Erschöpfung führen.

1. Den Selbstwert stärken

Selbstwert und Energie hängen eng zusammen. Menschen, die sich wertvoll fühlen, spüren Energie in ihrem Körper. Sie können sich auf den Augenblick einlassen, genießen ihre Lieben und ihre Aufgaben. Und sie können über sich lachen und nehmen selbst Dinge, die schiefgehen, gelassen. Wer sich dagegen oft hinterfragt, kritisiert und schuldig fühlt, hemmt sich bis in sein körperliches Energielevel hinein. Er nimmt Dinge schwer und persönlich. Wer über Erschöpfung nachdenkt, sollte daher zuallererst am Selbstwert ansetzen: einander ermutigen, einander vertrauen und zutrauen, geräuschlos vergeben, auch das annehmen, was unvollkommen ist.

Aber macht das nicht selbstbezogen und rücksichtslos? Im Gegenteil, Annahme und Ermutigung machen korrigierbar. Wer sich wertvoll fühlt, bei dem kommen Signale an: „Ups, damit fühle ich mich nicht wohl.“ – „Wolltest du nicht noch …?“ – „Ich glaube, du bringst XY gerade in eine unangenehme Situation.“ Wer sich einer Korrektur verschließt, hat meist das Gefühl, nicht zu genügen und dass es ohnehin nie gut genug ist.

Selbstwert brauchen wir vor allem, wenn wir uns gegen das Zuviel wehren, mit dem fast jede Familie zu kämpfen hat. Es ist schrecklich überfordernd, was wir alles wissen, können, tun, leisten, haben und schaffen müssen. Aber müssen wir das wirklich? Vieles nicht. Gerade Verpflichtungen gegenüber Verwandten, Freunden und Bekannten, gegenüber Institutionen wie Kindergarten, Schule, Verein und Kirche können wir überprüfen: Müssen wir wirklich alles tun, was von uns erwartet wird? Wo nicht, können wir lernen, uns fröhlich zu schämen. Doch wer sich wertvoll genug fühlt, kann Erwartungen enttäuschen. Ich könnte eine lange Liste mit Punkten schreiben, in denen ich hinter dem zurückbleibe, was man von einem gebildeten, rücksichtsvollen und engagierten Menschen erwartet. Wo das sichtbar wird, schäme ich mich. Manchmal lassen es mich andere auch spüren, dass sie mehr von mir erwarten. Das lässt mich nicht kalt. Es kränkt, es schmerzt. Aber niemals würde ich mir die Freiheit nehmen lassen, so zu leben, wie es mir entspricht und wie es auch denen guttut, die ich liebe. Dann schäme ich mich lieber fröhlich.

2. Gefühle und Konflikte willkommen heißen

Kennen Sie den Gedanken: „Auch das noch!“, wenn wir es mit Gefühlsausbrüchen oder Konflikten zu tun bekommen? Etwa bei einem Wutausbruch unserer Kinder, einer Sinnkrise unseres Partners oder einem Streit? Doch wenn wir so reagieren, offenbart das: Unser Leben ist so voll, dass für Gefühle und Konflikte keine Kraft mehr da ist. Schon Bücher über berufliche Zeitplanung empfehlen: „Planen Sie in Ihren Arbeitstag Zeit für unvorhergesehene Dinge ein, denn die kommen immer. Wenn Sie den ganzen Tag bereits verplant haben, bringt Sie alles, was unerwartet kommt, unter Druck.“ Was für die Arbeit gilt, trifft in ähnlicher Weise für unser Privatleben zu.

Für Gefühle und Konflikte etwas übrig zu haben, ist schon deshalb entlastend, weil sie sich nicht verhindern lassen. Es gibt aber noch einen besseren Grund. Gefühle tragen viel Energie in sich: Sie brechen aus, reißen uns mit, sie bewegen oder überwältigen uns. Wo wir unsere Gefühle und die unserer Lieben bekämpfen, versiegt eine Energiequelle. Wo wir Gefühle dagegen verstehen, liebevoll beantworten und deren Energie in eine gute Richtung lenken, erhöht sich unser Energielevel. Auch die unvermeidlichen Konflikte können wir unter diesem Gesichtspunkt betrachten: Wo wir verstehen, worum es geht und einen guten Kompromiss finden, setzen wir Motivation und Kraft frei. Das Gegenteil wäre der ungelöste Konflikt, in dem wir uns gegenseitig blockieren, beschneiden, zensieren und das Leben eng machen, damit an dieser Stelle nicht schon wieder ein Streit ausbricht. Das macht nicht nur gereizt und traurig. Es lähmt unsere Lebenskräfte, die wir doch für unseren Alltag brauchen.

3. Energieräuber ausladen

Nichts greift tiefer in unser Nervensystem als das, was sich in unseren Beziehungen abspielt. Hier erneuert sich unsere Kraft, hier verlieren wir sie. Menschen ermutigen uns zu einem Leben, wie es uns entspricht. Menschen versuchen, über uns zu bestimmen und uns zu verbiegen. Für unseren Kräftehaushalt ist es daher entscheidend, wen wir in unsere Nähe lassen und wem wir emotionale Macht über uns geben.

Sozial eingestellte und gläubige Menschen sind großzügig gegenüber den Eigenarten anderer Menschen. Sie übernehmen Verantwortung für das Gelingen von Beziehungen, zur Not einseitig. Sie suchen im Zweifelsfall den Fehler bei sich. Doch manchmal ist das schädlich. Denn wenn andere sich unfair oder ausnutzend verhalten, brauchen wir eine starke Liebe, die den Schwächen anderer Grenzen setzt. Sie stellt andere vor die Wahl: „Möchtest du eine liebevolle, gesunde Beziehung mit mir leben? Oder bestehst du darauf, dich weiterhin unfair zu verhalten? Dann aber ohne mich.“

Nur wer fair und vertrauenswürdig ist, darf in unsere Nähe kommen. Viele Beziehungen sind gesetzt: Verwandtschaft, Nachbarn, Kollegen. Doch wir bleiben frei darin, wie viel Zeit wir mit jemandem verbringen und ob wir uns öffnen. Auch in einer oberflächlichen Beziehung, die sich auf das unvermeidliche Miteinander beschränkt, kann man freundlich, wertschätzend und hilfsbereit sein. Christlich geprägte Menschen erinnere ich manchmal daran, dass selbst Feindesliebe keine seelische Nähe erfordert. Beispiele für Feindesliebe in der Bibel sind beten, ein Kleidungsstück überlassen, etwas zu trinken oder etwas zu essen geben. Das alles ist möglich, ohne einen bösen oder schädlichen Menschen in sein Leben zu lassen. Manchmal spreche ich mit Menschen auch über die Frage, wie sozial man sein muss. Denn wenn sich jeder von schwierigen Menschen abwenden würde, blieben sie ja ganz allein. Doch man sollte das Potenzial schwieriger Menschen nicht unterschätzen, sich auf eine gesündere Beziehung einzulassen. Die Motivation dafür entsteht aber erst, wenn es nicht mehr genug Personen gibt, die sich unfair und ausnutzend behandeln lassen. Wenn das schwierige Verhalten Ausdruck einer psychischen Erkrankung ist, schenkt man einer Person besser in einem kleinen Netzwerk Gemeinschaft – alles andere überfordert oft.

4. Glück ist analog

Als Werkzeug ist die digitale Welt unendlich nützlich, als Lebensform erschöpft sie uns. Denn einerseits überreizt sie, andererseits schneidet sie uns von dem ab, was Kraft gibt: Berührungen, persönliche Begegnungen, in der Natur sein, etwas mit den Händen tun, die Welt mit allen Sinnen erfahren, die Wohltat des Nichtstuns genießen, in der Langeweile erleben, wie sich kreative Kräfte entfalten. Was einem schon der gesunde Menschenverstand sagt, können Studien präziser fassen. In der BLIKK-Medien-Studie 2017 wurden zum Beispiel über 5.000 Familien zum Umgang mit digitalen Medien befragt. Gleichzeitig wurde die Gesundheit und Entwicklung von Kindern untersucht. Das Ergebnis: Die Nutzung digitaler Medien begünstigt Schlafstörungen, Fütterstörungen, motorische Entwicklungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Sprachentwicklungsstörungen, Konzentrationsstörungen und anderes. Je früher der Mediengebrauch einsetzt und je intensiver er ist, desto ausgeprägter sind die Effekte. Sowohl für die betroffenen Kinder als auch für Eltern, die sich Sorgen machen, sind die Folgen des Medienkonsums kraftraubend. Ins Positive gewendet liegt hier ein großes Potenzial für Wohlbefinden. Es gibt zwar den Sog in die digitale Welt und oft auch einen sozialen Druck. Doch wir bestimmen, inwieweit wir dem nachgeben. Je glücklicher wir in der analogen Welt sind, desto leichter wird es.

Wenn ich erschöpfte Menschen begleite, wünschen sie sich nichts mehr, als wieder Kraft zu haben. Um dann so weiterzumachen wie bisher? Lieber nicht. Denn Erschöpfung hat eine Botschaft, die uns etwas Wichtiges zu sagen hat. Wir haben uns von dem abschneiden lassen, was uns Kraft gibt. Wir haben den falschen Menschen oder Dingen Macht über uns gegeben. Wer die Botschaft hört und beherzigt, wird seine Erschöpfung feiern. Denn sie führt auf einen Weg, der das Leben leichter und glücklicher macht. Sie bringt mehr in Übereinstimmung mit dem, was einem wirklich wichtig ist.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut in eigener Praxis in Heidelberg (psychotherapie-berger.de/family).

Erschöpfung in der Familie? 4 Tipps für mehr Resilienz

Das Familienleben ist häufig erschöpfend. Warum das so ist und wie Familien zu neuer Stärke finden, erklärt der Psychotherapeut Jörg Berger.

Erschöpft zu sein ist anders als müde oder erholungsbedürftig. Wer müde ist, schläft ein paar Nächte und fühlt sich wieder fit. Wer Erholung braucht, verbummelt ein Wochenende oder genießt einen Urlaub. Dann ist der Akku wieder geladen. Doch Erschöpfung geht tiefer. Man schläft und bleibt müde. Man ruht und wird nur antriebslos. Der Akku bleibt leer. Wer müde und erholungsbedürftig ist, kann es sich außerdem erklären: Vielleicht waren die Nächte schlecht oder ein Infekt hat den nächsten abgelöst. Oder einer steigt wieder in den Beruf ein und die Kinderbetreuung fällt aus. Das kostet Kraft. Doch wenn die Belastung nachlässt, kommt auch die Energie wieder. Das ist bei Erschöpfung anders. Man ist in normalen Lebensphasen k. o. und fragt: „Warum bin ich so erschöpft?“

Dann gibt es offenbar immer Dinge, die zu viel Energie kosten. Das betrifft erschreckend viele Menschen. Die Sozialforschungsgesellschaft Forsa hat 2019 im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse 1.000 Eltern mit Kindern unter 18 Jahren befragt. Über ein Drittel der Eltern hat angegeben, unter Erschöpfung und Burnout zu leiden. Etwa genauso viele haben auch Gereiztheit, Nervosität, Müdigkeit und Schlafstörungen erlebt. Jugendlichen und jungen Erwachsenen geht es nicht anders, wie die Befragung „Jugend in Deutschland“ 2022 zeigte: Von den 1.000 repräsentativ ausgewählten jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren berichteten 45 Prozent von Stress, 35 Prozent von Antriebslosigkeit und 32 Prozent von Erschöpfung. In der Forsa-Umfrage wurden gestresste Eltern auch gefragt, was ihnen helfen würde. Sie wünschen sich vor allem zweierlei: mehr Zeit (70 Prozent) und innere Gelassenheit (72 Prozent). Hier können vier Strategien ansetzen, die aus der Erschöpfung führen.

1. Den Selbstwert stärken

Selbstwert und Energie hängen eng zusammen. Menschen, die sich wertvoll fühlen, spüren Energie in ihrem Körper. Sie können sich auf den Augenblick einlassen, genießen ihre Lieben und ihre Aufgaben. Und sie können über sich lachen und nehmen selbst Dinge, die schiefgehen, gelassen. Wer sich dagegen oft hinterfragt, kritisiert und schuldig fühlt, hemmt sich bis in sein körperliches Energielevel hinein. Er nimmt Dinge schwer und persönlich. Wer über Erschöpfung nachdenkt, sollte daher zuallererst am Selbstwert ansetzen: einander ermutigen, einander vertrauen und zutrauen, geräuschlos vergeben, auch das annehmen, was unvollkommen ist.

Aber macht das nicht selbstbezogen und rücksichtslos? Im Gegenteil, Annahme und Ermutigung machen korrigierbar. Wer sich wertvoll fühlt, bei dem kommen Signale an: „Ups, damit fühle ich mich nicht wohl.“ – „Wolltest du nicht noch …?“ – „Ich glaube, du bringst XY gerade in eine unangenehme Situation.“ Wer sich einer Korrektur verschließt, hat meist das Gefühl, nicht zu genügen und dass es ohnehin nie gut genug ist.

Selbstwert brauchen wir vor allem, wenn wir uns gegen das Zuviel wehren, mit dem fast jede Familie zu kämpfen hat. Es ist schrecklich überfordernd, was wir alles wissen, können, tun, leisten, haben und schaffen müssen. Aber müssen wir das wirklich? Vieles nicht. Gerade Verpflichtungen gegenüber Verwandten, Freunden und Bekannten, gegenüber Institutionen wie Kindergarten, Schule, Verein und Kirche können wir überprüfen: Müssen wir wirklich alles tun, was von uns erwartet wird? Wo nicht, können wir lernen, uns fröhlich zu schämen. Doch wer sich wertvoll genug fühlt, kann Erwartungen enttäuschen. Ich könnte eine lange Liste mit Punkten schreiben, in denen ich hinter dem zurückbleibe, was man von einem gebildeten, rücksichtsvollen und engagierten Menschen erwartet. Wo das sichtbar wird, schäme ich mich. Manchmal lassen es mich andere auch spüren, dass sie mehr von mir erwarten. Das lässt mich nicht kalt. Es kränkt, es schmerzt. Aber niemals würde ich mir die Freiheit nehmen lassen, so zu leben, wie es mir entspricht und wie es auch denen guttut, die ich liebe. Dann schäme ich mich lieber fröhlich.

2. Gefühle und Konflikte willkommen heißen

Kennen Sie den Gedanken: „Auch das noch!“, wenn wir es mit Gefühlsausbrüchen oder Konflikten zu tun bekommen? Etwa bei einem Wutausbruch unserer Kinder, einer Sinnkrise unseres Partners oder einem Streit? Doch wenn wir so reagieren, offenbart das: Unser Leben ist so voll, dass für Gefühle und Konflikte keine Kraft mehr da ist. Schon Bücher über berufliche Zeitplanung empfehlen: „Planen Sie in Ihren Arbeitstag Zeit für unvorhergesehene Dinge ein, denn die kommen immer. Wenn Sie den ganzen Tag bereits verplant haben, bringt Sie alles, was unerwartet kommt, unter Druck.“ Was für die Arbeit gilt, trifft in ähnlicher Weise für unser Privatleben zu.

Für Gefühle und Konflikte etwas übrig zu haben, ist schon deshalb entlastend, weil sie sich nicht verhindern lassen. Es gibt aber noch einen besseren Grund. Gefühle tragen viel Energie in sich: Sie brechen aus, reißen uns mit, sie bewegen oder überwältigen uns. Wo wir unsere Gefühle und die unserer Lieben bekämpfen, versiegt eine Energiequelle. Wo wir Gefühle dagegen verstehen, liebevoll beantworten und deren Energie in eine gute Richtung lenken, erhöht sich unser Energielevel. Auch die unvermeidlichen Konflikte können wir unter diesem Gesichtspunkt betrachten: Wo wir verstehen, worum es geht und einen guten Kompromiss finden, setzen wir Motivation und Kraft frei. Das Gegenteil wäre der ungelöste Konflikt, in dem wir uns gegenseitig blockieren, beschneiden, zensieren und das Leben eng machen, damit an dieser Stelle nicht schon wieder ein Streit ausbricht. Das macht nicht nur gereizt und traurig. Es lähmt unsere Lebenskräfte, die wir doch für unseren Alltag brauchen.

3. Energieräuber ausladen

Nichts greift tiefer in unser Nervensystem als das, was sich in unseren Beziehungen abspielt. Hier erneuert sich unsere Kraft, hier verlieren wir sie. Menschen ermutigen uns zu einem Leben, wie es uns entspricht. Menschen versuchen, über uns zu bestimmen und uns zu verbiegen. Für unseren Kräftehaushalt ist es daher entscheidend, wen wir in unsere Nähe lassen und wem wir emotionale Macht über uns geben.

Sozial eingestellte und gläubige Menschen sind großzügig gegenüber den Eigenarten anderer Menschen. Sie übernehmen Verantwortung für das Gelingen von Beziehungen, zur Not einseitig. Sie suchen im Zweifelsfall den Fehler bei sich. Doch manchmal ist das schädlich. Denn wenn andere sich unfair oder ausnutzend verhalten, brauchen wir eine starke Liebe, die den Schwächen anderer Grenzen setzt. Sie stellt andere vor die Wahl: „Möchtest du eine liebevolle, gesunde Beziehung mit mir leben? Oder bestehst du darauf, dich weiterhin unfair zu verhalten? Dann aber ohne mich.“

Nur wer fair und vertrauenswürdig ist, darf in unsere Nähe kommen. Viele Beziehungen sind gesetzt: Verwandtschaft, Nachbarn, Kollegen. Doch wir bleiben frei darin, wie viel Zeit wir mit jemandem verbringen und ob wir uns öffnen. Auch in einer oberflächlichen Beziehung, die sich auf das unvermeidliche Miteinander beschränkt, kann man freundlich, wertschätzend und hilfsbereit sein. Christlich geprägte Menschen erinnere ich manchmal daran, dass selbst Feindesliebe keine seelische Nähe erfordert. Beispiele für Feindesliebe in der Bibel sind beten, ein Kleidungsstück überlassen, etwas zu trinken oder etwas zu essen geben. Das alles ist möglich, ohne einen bösen oder schädlichen Menschen in sein Leben zu lassen. Manchmal spreche ich mit Menschen auch über die Frage, wie sozial man sein muss. Denn wenn sich jeder von schwierigen Menschen abwenden würde, blieben sie ja ganz allein. Doch man sollte das Potenzial schwieriger Menschen nicht unterschätzen, sich auf eine gesündere Beziehung einzulassen. Die Motivation dafür entsteht aber erst, wenn es nicht mehr genug Personen gibt, die sich unfair und ausnutzend behandeln lassen. Wenn das schwierige Verhalten Ausdruck einer psychischen Erkrankung ist, schenkt man einer Person besser in einem kleinen Netzwerk Gemeinschaft – alles andere überfordert oft.

4. Glück ist analog

Als Werkzeug ist die digitale Welt unendlich nützlich, als Lebensform erschöpft sie uns. Denn einerseits überreizt sie, andererseits schneidet sie uns von dem ab, was Kraft gibt: Berührungen, persönliche Begegnungen, in der Natur sein, etwas mit den Händen tun, die Welt mit allen Sinnen erfahren, die Wohltat des Nichtstuns genießen, in der Langeweile erleben, wie sich kreative Kräfte entfalten. Was einem schon der gesunde Menschenverstand sagt, können Studien präziser fassen. In der BLIKK-Medien-Studie 2017 wurden zum Beispiel über 5.000 Familien zum Umgang mit digitalen Medien befragt. Gleichzeitig wurde die Gesundheit und Entwicklung von Kindern untersucht. Das Ergebnis: Die Nutzung digitaler Medien begünstigt Schlafstörungen, Fütterstörungen, motorische Entwicklungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Sprachentwicklungsstörungen, Konzentrationsstörungen und anderes. Je früher der Mediengebrauch einsetzt und je intensiver er ist, desto ausgeprägter sind die Effekte. Sowohl für die betroffenen Kinder als auch für Eltern, die sich Sorgen machen, sind die Folgen des Medienkonsums kraftraubend. Ins Positive gewendet liegt hier ein großes Potenzial für Wohlbefinden. Es gibt zwar den Sog in die digitale Welt und oft auch einen sozialen Druck. Doch wir bestimmen, inwieweit wir dem nachgeben. Je glücklicher wir in der analogen Welt sind, desto leichter wird es.

Wenn ich erschöpfte Menschen begleite, wünschen sie sich nichts mehr, als wieder Kraft zu haben. Um dann so weiterzumachen wie bisher? Lieber nicht. Denn Erschöpfung hat eine Botschaft, die uns etwas Wichtiges zu sagen hat. Wir haben uns von dem abschneiden lassen, was uns Kraft gibt. Wir haben den falschen Menschen oder Dingen Macht über uns gegeben. Wer die Botschaft hört und beherzigt, wird seine Erschöpfung feiern. Denn sie führt auf einen Weg, der das Leben leichter und glücklicher macht. Sie bringt mehr in Übereinstimmung mit dem, was einem wirklich wichtig ist.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut in eigener Praxis in Heidelberg (psychotherapie-berger.de/family).

„Kann so nicht weiterleben“ – Wie Model und Mutter Mirja du Mont ihre Lebenskrise überstand

Mirja du Mont wollte es im Beruf und in der Familie allen recht machen. Dann kam der Zusammenbruch. Im Interview erzählt sie, wie sie zurück ins Leben fand und was sie anderen Müttern rät.

Mirja, nach der Trennung von deinem Exmann Sky du Mont hast du dir selbst sehr viel Druck gemacht. Warum?

Ich wollte mir selbst und meinem Ex beweisen, dass ich keinen Mann brauche, um mich zu finanzieren. Ich wollte zeigen, dass ich stark bin, alle meine Jobs machen kann und zusätzlich auch die Kinder und den Haushalt unter einen Hut bekomme. Dabei stand mir mein Perfektionismus zusätzlich im Weg. Ich sah all die Perfektion in den sozialen Medien, die falschen Fassaden der anderen, und ich wollte mir und der Welt beweisen, dass ich auch alles kann. Und das nicht nur irgendwie, sondern richtig gut. Aber der Druck und die Termine lagen alle viel zu eng. Es war viel zu viel.

Wie sah das konkret aus?

Es gab den Punkt in meinem Leben, an dem ich zeitgleich drei verschiedene Fernsehshows hatte: Dance dance dance, die Reportage bei VOX „6 Mütter“ und meine eigene Show bei Channel24. Die Fernsehproduktion bei VOX begleitete mich zusätzlich jeden Tag und zu all den anderen Shows. Auch am Wochenende. Es war permanenter Stress. Zusätzlich versorgte ich die Kinder, kochte abends vor und machte mir selbst viel Druck. Ich wollte meine Arbeit wirklich gut machen, denn ich arbeite sehr gerne, bin gleichzeitig gern Mama und liebe mein Leben. Ich hatte nicht mal Hilfe im Haushalt, weil meine Mama auch immer alles alleine geschafft hat und ich es nicht mag, wenn andere für mich arbeiten müssen.

Plötzlich taub

Das kann nicht lange funktionieren. Was ist passiert?

Morgens war ich im Möbelgeschäft und hatte sehr viel eingekauft. Als ich zu Hause ankam, stellte ich fest, dass der Fahrstuhl kaputt war und ich alles alleine in den vierten Stock schleppen musste. Als ich das geschafft hatte, überkam mich plötzlich eine unendliche Müdigkeit. Ich hätte am liebsten den ganzen restlichen Tag verschlafen. Aber meine Freundinnen hatten abends für uns einen Tisch reserviert und ich hatte mich auf sie gefreut. Also fuhr ich hin. Doch schon während des Termins spürte ich, dass es mir eigentlich zu viel ist und ich lieber schlafen würde.

Als ich nach Hause fuhr, passierte es plötzlich: Mein Ohr ging zu, als würde man an einem Regler drehen und es ausschalten. Ich erschrak, aber hatte die Hoffnung, dass es am nächsten Morgen schon weitergehen würde.

Aber am nächsten Morgen war nicht alles gut?

Ich wachte auf und es durchzuckte mich. Ich lag auf meinem gesunden Ohr, daher hörte ich gar nichts. Nicht mal den Baustellenlärm vor meinem Fenster. Ich dachte, ich sei taub geworden. Als ich ein paar Sekunden später begriff, dass es doch nur das eine Ohr war, beruhigte mich das nicht viel weniger.

Ich fuhr ins Krankenhaus. Dort stellte man fest, dass ich einen Riss im Innenohr hatte und Hörflüssigkeit ausgelaufen war. Ich hatte dadurch Schwindelstörungen und als Folge dessen Sehstörungen. Und das ein ganzes Jahr lang. Ich konnte nicht mehr raus gehen, nicht einkaufen gehen. Nichts. Meine ganze Welt drehte sich einmal um 180 Grad. Dazu kam eine große Angst. Was, wenn das nie mehr aufhört? Was, wenn irgendwann mein anderes Ohr auch betroffen sein könnte?

Das klingt nach einer schrecklichen Phase …

Als ich meine Eltern besuchte, erlebte ich einen Knackpunkt. „Ich kann so nicht weiterleben“, sagte ich gegenüber meinem Papa. Ich war absolut körperlich und psychisch am Ende. Meine Eltern trösteten und hielten mich. Ich wusste in dem Moment: Ich bin geborgen. Diese Liebe hat mir viel Kraft gegeben.

Ich bekam kurz danach Psychopharmaka aufgrund der großen Angststörung, die ich entwickelt hatte. Ich hatte Angst, essen zu kochen, Angst, vor die Tür zu gehen und einiges mehr. Diese Medikamente vertrug ich allerdings so schlecht, dass ich in eine Klinik kam.

Kein Iron Man

Wie bist du wieder gesund geworden? Wo hast du Hilfe gefunden?

Meine Familie ist sehr eng, hier helfen wir uns alle gegenseitig. Meine Kinder waren mir auch eine große Hilfe, weil sie so viel Verständnis zeigten. Ich dachte in dem Moment, dass es vielleicht auch etwas Gutes ist, dass sie sehen, dass Mama nicht nur Iron Man ist mit 80 Armen und 50 Beinen und alles immer kann. Dass Mama auch mal schwach sein darf und Hilfe braucht.

In der Zeit meiner Krankheit starb meine sehr liebe Freundin. Sie war mir ein leuchtendes Vorbild, denn sogar am Ende ihres Lebens, als sie kaum noch konnte, sagte sie immer wieder zu mir: „Das Leben ist wunderschön“. Ihr gegenüber empfand ich es als unfair, dass ich hier die Leidende war. Ich starb ja nicht an meiner Krankheit. Dadurch habe ich mich zusammengerissen.

Wie fühlte sich das für dich an, dass andere dir geholfen haben?

Ich wusste, dass ich es alleine nicht schaffen werde und war dankbar für all die Hilfe. Auf der anderen Seite empfand ich viel Scham. Ich wollte nicht, dass jemand weiß, wie es mir tatsächlich geht. Später schrieb ich aus diesem Grund mein Buch. Ich wollte lieber selbst meine Geschichte erzählen, damit Betroffene sehen können, dass man wieder gesund werden kann.

In ihrem Buch erzählt Mirja du Mont ihre Geschichte ausführlich. Cover: adeo

In ihrem Buch erzählt Mirja du Mont ihre Geschichte ausführlich. Cover: adeo

„Jetzt mache ich auch mal zwei Wochen gar nichts“

Was hat sich durch diese Lebenskrise in die verändert? Was machst du jetzt anders als vorher?

Ich habe gelernt, Nein zu sagen und meine Grenzen zu ziehen. Das konnte ich früher überhaupt nicht. Ich entschuldige mich sogar immer noch, wenn ich mal etwas absagen muss. Da habe ich noch etwas Lernstoff vor mir. Ich mache keine Jobs mehr gleichzeitig, sondern nur noch nacheinander. Und das Wichtigste: Jetzt mache ich auch mal zwei Wochen gar nichts. Früher war ich sogar im Urlaub auf Achse.

Was hat dir Kraft gegeben?

Ich glaube, dass es eine höhere Kraft gibt. Ich kann es nicht betiteln und weiß auch nicht, was es ist, aber ich habe das Gefühl, dass meine verstorbene Oma und meine geliebte Freundin auf mich aufpassen. Das und natürlich meine Familie und Freunde.

Immer noch Tinnitus

Hat die Krankheit noch Nachwirkungen?

Ich lebe inzwischen mit Dauertinnitus. Viele Menschen haben das in Deutschland und viele nehmen Schlaftabletten. Wenn man das Geräusch und die Krankheit nicht akzeptiert, dreht man durch. Der Tinnitus ist dein Kumpel, er ist immer da. Es gibt schlimmere Sachen im Leben. Wenn man den Tinnitus akzeptiert, kann man damit leben.

Wie kann man sich Tinnitus vorstellen? 

Der Tinnitus ist ein Piepen und ein Rauschen, wie ein Radio ohne Frequenz. Und er ist so laut, als würde man direkt neben dem Radio sitzen. Früher konnte ich damit nicht einschlafen, man hört immer, dass man krank ist und das ist sehr schwer.

Wie lebst du damit?

Mein Papa sagte mal zu mir: „Es ist nur ein Ohr, Mausi. Was machen Menschen, die nicht sehen können?“ Das veränderte mein Denken. Am Anfang brauchte ich jemanden, der mich bemitleidet, und dann jemanden, der mir in den Arsch tritt.

Zu guter Letzt: Wie lebst du Familie, was ist dir wichtig?

Empathie und Respekt anderen Menschen gegenüber sind wichtige Werte für mich. Schon in den kleinen Alltagsdingen. Dass man alten Menschen im Bus seinen Platz anbietet zum Beispiel. Mir ist es auch wichtig, dass unsere Kinder sich nicht beleidigen. Ich liebe Menschen und das Leben, daher wünsche ich mir weniger Hass und mehr Liebe.

Die Fragen stellte Priska Lachmann.

„Mein Kind ist überarbeitet“ – Diese drei Tipps schützen vor dem Burnout

„Mein Sohn ist vor kurzem ins Berufsleben eingestiegen und reibt sich total auf. Ständig schiebt er Überstunden und hat kaum mehr Zeit für sich. Was kann ich ihm Hilfreiches sagen, ohne mich zu sehr einzumischen?“

Es ist schwierig, auf diese Frage eine individuelle Antwort zu geben. Aber ein paar Ideen und Gedanken möchte ich gern nennen:

ACHTEN SIE AUF BEZIEHUNGEN!

Am wichtigsten im Leben von uns Menschen sind Beziehungen: zu Freunden, zu Geschwistern, zum Partner und so weiter. Wenn Ihr Sohn in einem Verein ist, einen guten Freundeskreis hat oder sich in einer Kirchengemeinde ehrenamtlich engagiert, dann hat er eine gute Basis, damit sein Leben im Gleichgewicht bleibt. Wenn er allerdings anfängt, aufgrund seiner vielen Arbeitsstunden Freunde aufzugeben oder die wöchentliche Gruppe zu meiden, ist dies kein gutes Zeichen. In diesem Fall ist es vermutlich sinnvoll, ihn darauf anzusprechen.

SEIEN SIE STOLZ!

Männer (und oft auch Frauen) neigen dazu, sich ihre Bestätigung durch Leistung zu holen. Gerade junge Männer wollen zeigen, was sie können – und das ist erst mal eine gute Sache, denn dadurch bewegt sich vieles in unserer Gesellschaft. Aber wenn junge Männer sich nur noch durch ihre Arbeit, durch Leistung, durch Erfolg definieren, dann wird es kritisch. Absolute Fokussierung auf Leistung führt nicht selten zu körperlichen und seelischen Problemen. Jeder Mensch braucht andere Menschen, die ihn bestätigen. Und Sie können Ihrem Sohn zeigen, dass Sie ihn lieben, indem Sie ihm zum Beispiel einen Brief schreiben, in dem Sie ihm sagen, was Sie an ihm schätzen, warum Sie auf ihn stolz sind: auf seine Begabungen, auf seine Art, was auch immer ihn auszeichnet.

LASSEN SIE IHN DURCH FEHLER LERNEN

Wir Menschen lernen durch Fehler. Eltern wollen ihre Kinder gern vor Fehlern oder Problemen bewahren. Aber vor allem erwachsene Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Sie müssen auch mal stolpern und hinfallen, um dann aus diesen Fehlern zu lernen. Und vielleicht muss Ihr Sohn erst einmal die Grenze seiner Leistungsfähigkeit erfahren, um zu lernen, seine Kraft richtig einzuteilen. Von daher mache ich Ihnen Mut, Ihren Sohn wertschätzend und betend zu begleiten auf dem Weg, den er geht – auch wenn es ein schwieriger Weg ist.

Stephan Münch ist Leiter und Gründer des Orientierungsjahrs Lebenstraum in Uffenheim (dein-lebenstraum.com). Illustration: Sabrina Müller

 

 

Test: Wie gestresst ist mein Kind?

  1. Wie sieht ein typisches Wochenende bei Ihnen aus?
  • Das Wochenende gehört der Familie: Meistens unternehmen wir etwas zusammen. Entweder spielen wir Fußball oder machen einen Ausflug ins Grüne. An anderen Tagen kümmern wir uns um den Haushalt oder lernen für die Schule. (2 Punkte)
  • Das sind unsere einzig freien Tage. Also wollen wir Spaß haben oder uns entspannen. Jeder darf erst einmal das tun, was er will, und dann machen wir vielleicht noch etwas zusammen. (0 Punkte)
  • Meistens läuft das Wochenende chaotisch ab, aber zusammen frühstücken muss sein! Danach erledigen wir meistens die Dinge, die in der Woche liegen geblieben sind. (4 Punkte)

 

  1. Kann Ihr Kind abends gut einschlafen?
  •  Nein, es hält mich immer lange auf Trab! (4 Punkte)
  • Ja, das funktioniert reibungslos. (0 Punkte)
  • Kinder wollen ja nie wirklich ins Bett, aber meistens hilft eine klare Ansage oder eine Gute-Nacht-Geschichte. (2 Punkte)

 

  1. Zeit für eine Zukunftsvision: Wo sehen Sie Ihr Kind in 20 Jahren?
  • Fleißig bei der Arbeit, mit einem gut gefüllten Bankkonto und einer schönen Wohnung. (4 Punkte)
  • Am Schreiben der spannenden Doktorarbeit und vielleicht sogar im Ausland. (2 Punkte)
  • Glücklich in einer tollen Beziehung und mit einem Job, der Spaß macht. (0 Punkte)

 

  1. Wie planen Sie die Sommerferien?
  •  Wir diskutieren alle Vorschläge innerhalb der Familie und dann wird abgestimmt! (2 Punkte)
  • Wir fahren – wie jedes Jahr – wieder an den See. (4 Punkte)
  • Wir teilen uns die Ferien auf: Den einen Teil verbringen wir zusammen, den anderen darf unser Kind mit den Großeltern oder Freunden verreisen. (0 Punkte)

 

  1. Angenommen, Ihr 9-jähriges Kind klagt über Bauchschmerzen und will nicht in die Schule. Was machen Sie?
  • Ich rufe in der Schule an. Mein Kind bleibt Zuhause und ich verwöhne es mit Tee und Zwieback. (0 Punkte)
  • Das kenne ich. Es will nur nicht in die Schule. Damit kommt es bei mir nicht durch. (4 Punkte)
  • Ich glaube, mein Kind hat Angst vor der Mathearbeit. Ich rede mit ihm darüber und wenn es ihm besser geht, sollte es hingehen. (2 Punkte)

 

  1. Was macht Ihr Kind nach der Schule?
  • An manchen Tagen hat es nicht viel zu tun, wohingegen es andere Tage mit vollem Programm durch Sport und Hausaufgaben gibt. (2 Punkte)
  • Meistens hat es Sport oder Musikunterricht, geht zur Nachhilfe oder hilft im Haushalt. (4 Punkte)
  • Es bleibt erst einmal für sich auf dem Zimmer und geht anschließend zum Sport oder trifft Freunde. (0 Punkte)

 

  1. Stellen Sie sich vor, ihr Kind hat es trotz Nachhilfe nur zu einer 4 in Englisch geschafft. Wie ist Ihre Reaktion?
  • Das ist ungerecht! Vielleicht suchen wir einen anderen Nachhilfelehrer? Ich bespreche das in Ruhe mit meinem Kind. (2 Punkte)
  • Ich bin schon enttäuscht und zeige es meinem Kind auch. (4 Punkte)
  • Das tut mir sehr leid, aber davon geht die Welt nicht unter. Ich tröste, denn eine 4 ist doch ok! (0 Punkte)

 

  1. Wann hatte Ihr Kind das letzte Mal Kopfschmerzen?
  •  Gerade vorhin. Der Arzt hat uns dafür Kindertabletten gegeben. (4 Punkte)
  • Das ist lange her und hing mit der Schule zusammen. (2 Punkte)
  • Ich glaube, es hatte noch nie Kopfschmerzen. (0 Punkte)

 

 

  1. Welchem Zitat würden Sie zustimmen?
  • Kennedy: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: Keine Bildung.“ (4 Punkte)
  • Goethe: „Lehre tut viel, aber Aufmunterung tut alles.“ (2 Punkte)
  • Mark Twain: „Für mich gibt es Wichtigeres im Leben als die Schule.“ (0 Punkte)

 

  1. Welcher Spruch würde am besten zu Ihrem Sprössling passen?
  • „Mit Humor geht alles besser!“ (2 Punkte)
  • „In der Ruhe liegt die Kraft!“ (0 Punkte)
  • „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“ (4 Punkte)

 

 

Auswertung

0 bis 12 Punkte

Ihr Kind ist stress-immun

An Ihrem Sprössling prallt der Stress regelrecht ab: Er ist gelassen und ausgeglichen, nimmt sich genügend Zeit für sich und lässt sich durch Probleme in der Schule nicht aus der Ruhe bringen. Kopfschmerzen vor der Mathearbeit? Bauchschmerzen nach Ärger mit Freunden? Fehlanzeige! Bei Bedarf holt er sich bei Ihnen Hilfe. Und wenn Sie Ihr Kind unabsichtlich mit zu vielen Terminen oder Aufgaben überladen, zieht es eindeutige Grenzen: Bis hierhin und nicht weiter!

Wunderbar, Sie schaffen für Ihr Kind eine stressfreie Umgebung und ausreichend Qualitätszeit, in der es eigenbestimmt spielen und Dinge tun kann, die es gerne macht.

Tipp des Psychologen: Achten Sie weiterhin auf die Signale Ihres Kindes. Außerdem könnten Sie gegen zu viel Gelassenheit und Phlegma öfter probieren, Ihrem Kind auch für intensivere Gefühle Raum zu geben. Herzhaftes Lachen, Schreien oder Weinen sind die Ventile, die die Psyche langfristig gesund und stabil halten. Es sollte sie kennenlernen und ausleben dürfen.

 

10 bis 26 Punkte

Ihr Kind ist ein Stress-Manager

Ihr Nachwuchs beherrscht die Kunst, sich nur im Ernstfall aufzuregen: Bei Ungerechtigkeit in der Schule oder Ärger mit den Geschwistern. Normalerweise ist es recht ausgeglichen, wenn es aber um wirklich wichtige Dinge wie Freizeitgestaltung, Beziehungsprobleme oder unliebsame Klassenarbeiten geht, fühlt es sich gestresst und reagiert entweder aggressiv, mit Rückzug oder mit körperlichen Symptomen wie Bauch- und Kopfschmerzen. Auch das Einschlafen fällt Ihrem Kind dann schwer. Es dauert, bis man es beruhigen kann.

Aber Vorsicht: Nehmen Sie die ersten Stressanzeichen Ihres Kindes wahr und ernst, sonst können sich diese als Dauersymptome chronifizieren.

Tipp des Psychologen: Achten Sie immer darauf, dass Ihr Kind genügend Zeit für sich selbst hat und gönnen Sie ihm bewusst Freiräume, die es ohne Druck mit Musik, Hobbies und Freunden verbringen kann. Ermutigen Sie Ihren Nachwuchs, die Gefühlslage zeigen zu dürfen. So können Sie gegebenenfalls den Alltagsstress des Kindes reduzieren. Wichtig ist der Wechsel zwischen Pflicht und Spaß, damit es den Stress immer wieder abbauen kann.

 

28 bis 40 Punkte

Ihr Kind ist im Dauer-Stress

Auch wenn es nicht deutlich sichtbar ist, weil Ihr Kind meist engagiert und strebsam wirkt, so könnte es doch in dem Gefühl einer ständigen Überforderung leben. Es will Sie nicht enttäuschen, möchte in der Schule alles richtig machen und steht durch zu viele Termine und zu wenig selbstbestimmte Freizeit ständig unter Strom. Da niemand die Lage erkennt, äußert es die Probleme auch nicht.

Aber Vorsicht: Durch den Dauerstress könnte die Krankheitsanfälligkeit Ihres Kindes steigen. Vielleicht senden Körper und Seele bereits einige Notsignale in Form von Kopf- und Bauchschmerzen oder Schlafproblemen? Dann sollten Sie schnellstens etwas dagegen unternehmen.

Tipp des Psychologen: Auch wenn Sie es mit dem vollen Terminkalender Ihres Kindes nur gut meinen, verschaffen Sie ihm ab sofort Erholungsphasen, in denen es sich regelmäßig zurückziehen kann. Durchforsten Sie mit ihm zusammen den Terminkalender und werfen Sie alles raus, was nicht notwendig ist und was vor allen Dingen keinen Spaß macht. Entspannte Gespräche und Kuscheleinheiten tun nicht nur Ihrem Nachwuchs gut, sondern auch Ihnen selbst.

 

Katia Saalfranks 4 Tipps für eine stressfreie Kindheit:

  1. Überprüfen Sie Ihre eigenen Erwartungen: Oft sind diese zu hoch und lassen Eltern in Stress geraten. Reduzieren Sie Ihren eigenen Stress und lassen Sie sich in Bezug auf Bildung und Förderung Ihres Kindes nicht von Bemerkungen anderer verunsichern. Ihr Kind lernt immer, es kann gar nicht anders. Es hat sein eigenes Tempo und braucht Ihre Bestärkung. Druck führt zu Gegendruck und erstickt so die natürliche Neugier und Lernlust der Kinder.
  2. Qualitätszeit für Kinder schaffen: Seien Sie als Eltern achtsam und sensibel mit sich selbst und ihren eigenen Bedürfnissen. Nur dann können Sie auch ein Gespür dafür entwickeln, wie es Ihren Kindern geht. Denn diese brauchen die Freiräume, in der sie selbstbestimmt Dinge tun können, die ihnen Spaß machen.
  3. Mehr Autonomie für Kinder: Beziehen Sie Ihre Kinder in Ihre Planungen und Vorstellung mit ein und fragen Sie offen, wie es Ihrem Kind mit den vielen Termine und außerschulischen Aktivitäten geht – planen Sie dann gegebenenfalls gemeinsam um. Wichtig: oft ist es nicht die Anzahl der Termine die Kindern Stress macht, sondern das Gefühl, sich nicht selbst für die Termine entschieden zu haben.
  4. Schaffen Sie eine vertrauensvolle Atmosphäre: Kinder brauchen eine liebevolle, stabile Beziehung. Und doch: Kinder werden unter Umständen nicht sagen, dass ihnen manche Hobbys oder Veranstaltungen zu viel sind. Achten Sie deshalb auf Signale der Kinder und Anzeichen von Überforderung: Müdigkeit, Erschöpfung, schlechte Laune, Schlafschwierigkeiten oder aggressives Verhalten. Kinder brauchen eine vertrauensvolle Atmosphäre, sie benötigen Begleitung und Unterstützung, kindgerecht und ihrem Alter entsprechend.

Quelle: Bepanthen Kinderförderung

Burnout im Kinderzimmer

Etwa jedes sechste Kind (18 Prozent) und jeder fünfte Jugendliche (19 Prozent) in Deutschland leidet unter deutlich hohem Stress. Die negativen Folgen bei Kindern und Jugendlichen sind enorm, gestresste Kinder entwickeln Depressionen und Versagensängste und haben ein erheblich erhöhtes Aggressionspotential. Wesentliche Ursache für diesen Stress ist der fehlende Freiraum für eine kindliche Selbstbestimmung, ausgelöst durch die hohen Erwartungen von Eltern an ihre Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt die Universität Bielefeld in der aktuellen Studie „Burnout im
Kinderzimmer: Wie gestresst sind Kinder und Jugendliche in Deutschland?“ im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung. Dabei wurde Stress als Ungleichgewicht zwischen wahrgenommenen Anforderungen und der subjektiven Fähigkeit definiert, diese Anforderungen zu erfüllen.

Befragt wurden Kinder von sechs bis elf Jahren und Jugendliche von zwölf bis 16 Jahren sowie deren Eltern. Die Besonderheit der Studie ist, dass Stress aus Kindersicht erfasst wurde. Stress ist ein ernst zu nehmendes Problem für Kinder und Jugendliche und führt zu nachweisbaren, negativen Auswirkungen. Erhöhter Stress geht mit emotionalen Problematiken einher, d.h. betroffene Kinder berichten, dass sie oftmals wütend oder zornig sind. Außerdem fand die Forschungsgruppe der Universität Bielefeld heraus, dass Kinder mit hohem Stress über eine eher niedrige Problemlösungskompetenz verfügen: Nahezu jedes sechste Kind weiß nicht, wie es Probleme eigenständig bewältigen kann.

Kinder mit hohem Stress leiden außerdem unter Versagensängsten. Knapp die Hälfte der gestressten Kinder hat Angst seine Eltern zu enttäuschen, denn gestresste Kinder nehmen die an sie herangetragenen Erwartungen der Eltern viel intensiver wahr. Die Ergebnisse der psychischen Auswirkungen von Stress auf Jugendliche sind immens. 11 Prozent der Jugendlichen mit hohem Stresslevel sind depressiv verstimmt. 13,6 Prozent der Jugendlichen haben den Eindruck, ein Versager zu sein und 47,2 Prozent fühlen sich manchmal nutzlos. Dabei wählen 32,4 Prozent den freiwilligen sozialen Rückzug.

Laut Stress-Studie beeinflussen insbesondere zwei Faktoren das Stressempfinden der Kinder und Jugendlichen: die Anzahl und die eigene Entscheidung über ihre Termine. So haben 39 Prozent der 12- bis 16-Jährigen an drei oder mehr Tagen pro Woche mindestens einen festen Termin nach der Schule – wie z.B. Musik-, Fußball oder Schwimmunterricht. Zudem dürfen sie oftmals nicht eigenständig darüber entscheiden und erleben Termine und Aufgaben als Zwang und Belastung. 60,2 Prozent der gestressten Kinder geben an, nur manchmal oder nie nach ihrer Meinung gefragt zu werden und 85,6 Prozent der Kinder mit hohem Stress werden nicht in die eigene Freizeitplanung eingebunden.

Interessant ist, dass 87,3 Prozent der Eltern von gestressten Kindern nicht glauben, ihr Kind zu überfordern. Ungefähr 50 Prozent gaben an, alles dafür zu tun, um ihr Kind zu fördern. „Eltern wollen immer das Beste für ihre Kinder. Wichtig ist, dass sie dabei ein Feingefühl dafür entwickeln, was Kinder wirklich brauchen und sie nicht überfordern. Ich erlebe die Eltern selbst enorm unter gesellschaftlichen Druck. Sie wollen allen Anforderungen gerecht werden. Dies übertragen sie dann auch auf ihre Kinder. Somit entsteht eine Stressspirale, die für Kinder fatale Folgen haben kann“, so Katia Saalfrank, Schirmherrin der Bepanthen-Kinderförderung und Familienberaterin. Stress bleibt nicht ohne Folgen für die Betroffenen. „Unserer Gesellschaft bringt es nichts, wenn Kinder und Jugendliche unter Stress aufwachsen und so schon in jungen Jahren Burnout-Symptome aufweisen, zornig und aggressiv sind, weil sie überfordert und mit ihrem Leben nicht zufrieden sind. Kinder brauchen für eine gesunde Entwicklung eine stressfreie Umgebung und vertrauensvolle Atmosphäre. Sie benötigen Begleitung und Unterstützung – kindgerecht und ihrem Alter entsprechend. Umso wichtiger ist es, über dieses Thema aufzuklären. Dies sehe ich in meiner Verantwortung als Schirmherrin der Bepanthen-Kinderförderung“, verdeutlicht Katia Saalfrank.

Lesen Sie mehr zum Thema „Burnout bei Kindern“ in der aktuellen Family.

Außerdem veröffentlichen wir in Kürze hier im Blog einen Test, mit dem man herausfinden kann, wie gestresst das eigene Kind ist.