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„Bist zu uns wie ein Vater …“

Die Beziehung zwischen Gott und den Menschen hat Ähnlichkeiten zu unserem Elternsein. Lisa-Maria Mehrkens hat sich auf die Suche gemacht.

„Vater unser im Himmel …“ So beginnt das bekannteste Gebet. Ist Gott also der Idealtyp eines Vaters? Zuerst einmal ist „Vater“ eine Beschreibung Gottes, die uns helfen soll zu begreifen, wie Gott ist. Wir müssen als Eltern nicht so sein wie Gott. Aber wir können uns einiges von seinem Wesen und Handeln für unser Elternsein zum Vorbild nehmen.

Erreichbarkeit und Verlässlichkeit

„Bist zu uns wie ein Vater, der sein Kind nie vergisst“, so beginnt das bekannte Lied „Unser Vater“. Gott vergisst seine Kinder niemals und hält seine Versprechen ein! „Aber Mama, du hast mir das doch versprochen …“ Die Enttäuschung bei meinen Kindern, wenn ich im hektischen Alltag ein Versprechen vergessen habe, ist oft groß und das Vertrauen schwindet. Im schlimmsten Fall sind sich Kinder dann nicht mehr sicher, ob sie sich auf die Versprechen ihrer Eltern überhaupt verlassen können. Wir sollten deshalb vorsichtig mit unseren Zusagen sein und gegebene Versprechen im Zweifelsfall aufschreiben.

Das Lied geht weiter: „… der trotz all seiner Größe immer ansprechbar ist.“ Gott ist immer für uns da und gibt uns stets Priorität. Kinder haben manchmal ein Talent für ungünstiges Timing. Sie haben meist dann ein Anliegen, wenn die Eltern gerade beschäftigt sind oder es eilig haben. Aus elterlicher Sicht erscheint das kindliche Problem dann nicht so dringend oder wichtig. Doch wie würde es uns gehen, wenn wir beten und als Antwort von Gott hören: „Warte mal kurz, ich kann mich gerade nicht um deine kleinen Probleme kümmern, ich habe Wichtigeres zu tun“? Manchmal hilft es, innezuhalten und die Situation durch Kinderaugen zu sehen. Kinder wollen ernst genommen werden und die Eltern als verlässliche Ansprechpartner erleben. Aufmerksam zuhören und gemeinsam überlegen, wie und wann das Anliegen gelöst werden kann, bewirkt oft schon viel.

Liebe und Wertschätzung

Gott beschenkt uns großzügig mit seiner Liebe. Und diese Liebe ist bedingungslos! Gott sagt nicht: „Ich liebe dich, wenn du machst, was ich dir sage. Wenn du gute Noten schreibst, dein Zimmer aufräumst, Pfarrer wirst…“ Gott liebt uns als seine Kinder bedingungslos. Vor ihm dürfen wir ehrlich sein, müssen uns nicht verstellen oder irgendwelche Erwartungen erfüllen. Auch die meisten Eltern lieben ihre Kinder bedingungslos. Aber im Alltag fällt es nicht immer leicht, sie mit allen Ecken und Kanten wertzuschätzen – auch oder gerade dann, wenn sie unsere Erwartungen mal nicht erfüllen.

Einzigartig und zu seinem Ebenbild geschaffen

Eltern suchen bei ihren Kindern immer wieder nach Vertrautem: „Die Augen hat sie von mir.“ Oder: „Genauso habe ich mich als Kind auch benommen.“ An diesen Ähnlichkeiten erkennt man die Zugehörigkeit der Kinder zu ihren Eltern. Auch Gott als unserem himmlischen Vater geht es so. Wir sind zu seinem Ebenbild geschaffen und Gott freut sich, wenn wir ihm ähnlicher werden in unserem Denken und Handeln. Gleichzeitig ist jeder von uns einzigartig gemacht. Diese Unterschiede erscheinen uns bei uns selbst oder unseren Kindern im Vergleich mit anderen oft als Schwachstellen. Meist sehen wir nur, worin wir schlechter sind als andere. Doch Gott liebt Vielfalt und Einzigartigkeit! Daher dürfen auch wir uns und unsere Kinder in aller Unterschiedlichkeit annehmen und besonders wertschätzen.

Geduld und Vergebung

Oft verliere ich im Umgang mit meinen Kindern die Geduld. Wenn meine Tochter auf dem Weg in die Kita trödelt, obwohl ich es eilig habe. Wenn ich meinen Sohn zum zehnten Mal vom Stuhl herunternehme, auf den er nicht klettern soll. Wenn meine Kinder dann leise „Entschuldigung, Mama“ sagen, verraucht meine Wut. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich lauter geworden bin. Weil Gott vollkommen ist, bekommt er es besser hin. Er ist im Umgang mit uns unendlich geduldig, bleibt stets gelassen und ist immer wieder neu zur Vergebung bereit. Sanftmütig und liebevoll nimmt er uns immer wieder an und gibt uns eine neue Chance. Diese Güte und Geduld dürfen wir an unsere Kinder weitergeben. Dass wir das nicht so perfekt hinbekommen wie Gott, liegt daran, dass wir Menschen sind …

Liebe und Grenzen

Wenn ich meinen Kindern zum Nachtisch ein weiteres Stück Schokolade verbiete oder sie bei Minusgraden nicht im Lieblingssommerkleid rauslasse, führt das oft zu Wutanfällen. Denn sie verstehen den Grund für mein Nein nicht. Sie sehen nur die unmittelbare Situation, nicht deren Folgen oder das große Ganze. Manchen Eltern fällt es dann schwer, den verständlichen Ärger der Kinder auszuhalten. Doch seine Kinder zu lieben, kann auch bedeuten, ihnen Grenzen zu setzen.

Auch Gott sieht in uns Potenzial, das wir manchmal selbst noch nicht sehen. Er will uns helfen, es zu entfalten. Dafür kann es nötig sein, uns zu korrigieren oder in Liebe Grenzen zu setzen. Das kann für uns ein herausfordernder oder sogar schmerzhafter Weg sein, den wir nicht immer verstehen. Vielleicht lässt Gott Dinge in unserem Leben zu, die nicht zu unserem Bild von ihm als Vater passen. Oder er versperrt Wege, die wir gern gegangen wären. Doch wie alle Eltern für ihre Kinder will auch Gott unser Bestes! Wir können darauf vertrauen, dass unser Vater im Himmel weiter sieht und mehr versteht als wir und am Ende alles zum Guten führen wird.

Freiraum und Halt geben

Als meine Tochter Fahrradfahren lernte, brauchte sie anfangs noch viel Hilfe. Ich musste sie festhalten, damit sie nicht stürzt. Irgendwann wurde sie sicherer auf dem Rad und wir lernten beide, loszulassen. Ich musste lernen, auf ihre Fähigkeiten zu vertrauen und ihr den nötigen Freiraum zu geben, damit sie allein ihren Weg fahren kann. Auch unser himmlischer Vater ist ein sicherer Halt und Schutz für uns, auf seine Unterstützung können wir stets vertrauen. Gleichzeitig lässt er uns unseren Willen und Freiraum, damit wir uns entwickeln und entfalten können. Er traut uns eine Menge zu, ohne jede Angst, dass wir den Herausforderungen nicht gewachsen sein könnten. Wir dürfen eigene Erfahrungen sammeln und er hilft uns bei Bedarf. Wie in der Geschichte des verlorenen Sohnes dürfen wir jederzeit in Gottes offene Arme zurückkehren, wenn wir uns verlaufen haben.

Als Eltern können wir auch unseren Kindern ein sicherer Hafen sein, zu dem sie immer zurückkehren können. Aber sie dürfen auch ihre eigenen Wege gehen, selbst wenn diese vielleicht von den elterlichen Vorstellungen abweichen. Und wir dürfen uns entspannen und ihnen zutrauen, dass sie in dieser Welt zurechtkommen und das Potenzial entfalten, das Gott in sie hineingelegt hat.

Kind sein beim himmlischen Vater

Auch wenn wir selbst Eltern sind, bleiben wir immer Kinder Gottes. Unser Vater im Himmel freut sich mit uns über Gutes in unserem Leben. Er schützt uns, wenn wir Angst haben. Er leidet mit und tröstet uns in schweren Zeiten. Er stellt sich vor uns und kämpft, wenn wir es gerade nicht können. Was für ein Geschenk, dass wir immer wieder in seine Arme laufen können! Er sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns. Vielleicht erinnert er uns ab und an daran, dass das letzte Gespräch mit ihm schon eine Weile her ist. Oder er fragt leise an, ob wir nicht mal wieder Zeit mit ihm verbringen wollen. Dann dürfen wir Gottes Töchter und Söhne sein, uns von ihm beschenken lassen mit seiner Gegenwart und seinem Segen und einfach die Gemeinschaft mit unserem himmlischen Vater genießen. Dann dürfen wir beten: „Unser Vater im Himmel …“

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.

6 bis 10 – Kinderbibeln zum Selbstlesen

Elternfragen: „Mein Kind liest eifrig und würde jetzt gern mal die Bibel lesen. Welche Kinderbibeln eignen sich für Grundschulkinder?“

Dies ist eine sehr wertvolle Frage bei der Fülle an Kinderbibeln, die sich in der Textauswahl, in ihrer Illustration und Gestaltung unterscheiden. In diesem Angebotsspektrum wird deutlich, dass unterschiedliche Wege gewählt werden, Kindern ihrem Alter und ihrer Entwicklung entsprechend biblische Geschichten nahezubringen. Ich stelle vier sehr unterschiedliche Kinderbibeln vor, in denen die biblischen Geschichten kindgemäß nacherzählt werden. Abschließend gehe ich auf die bisher einzige Bibelübersetzung für Kinder ein.

Zwei erste Fragen, die mir zur Auswahl einer Kinderbibel in den Sinn kommen: Ist die Gestaltung der Bibel für mein Kind so ansprechend, dass es die Bibel gern in die Hand nimmt? Welche Lesevorliebe hat mein Kind: Liest es lieber Bücher im Comicstil oder liest es von Beginn an gern Bücher mit mehr Fließtext?

Die große Kinderbibel

In dieser Bibel fallen die großen, kindgerechten und zum Teil sehr humorvollen Illustrationen direkt ins Auge. Die Erzählungen werden auf kindgemäße Weise nacherzählt und sind in leicht verständlichen Worten geschrieben. Die Schriftgröße und Textlänge ist für Kinder im Erstlesealter geeignet. (Deutsche Bibelgesellschaft)

Die Kinderbibel

Ein Klassiker ist diese Bibel von Eckart zur Nieden. Er erzählt die biblischen Geschichten so, dass die Charaktere der Personen für die Kinder auf besondere Weise lebendig werden. Nicht zu jeder Erzählung gibt es Illustrationen. Hervorzuheben ist, dass in dieser Bibel am Ende jeder Erzählung die Bibelstelle steht. Es gibt die Texte des Neuen Testamentes von Eckart zur Nieden auch als Bible Art Journaling Bibel für Kinder. Hier wird ihnen die Möglichkeit gegeben, sich kreativ vertiefend mit den biblischen Erzählungen auseinanderzusetzen. Dies ermöglicht ihnen einen ganz persönlichen Zugang zu ihnen wichtig gewordenen Versen oder Geschichten. (SCM R.Brockhaus)

Die Bibel kreuz und quer

Für Kinder, die gern Bücher im Comic-Stil wie „Gregs Tagebücher“ oder „Mein Lotta-Leben“ lesen, ist diese Bibel von Bob Hartmann passend. Mein 10-jähriger Sohn beschreibt sie so: „Sie ist gut verständlich formuliert, mit witzigen schwarz-weißen Comics. Die Bibelgeschichten werden anschaulich erzählt. Sie ist sehr gut zum Selberlesen.“ Interessant ist, dass in den Geschichten mit Querverweisen gearbeitet wird, sodass ein Einblick in Gottes große Geschichte ermöglicht wird. (Herder Verlag)

Die Bibel – Übersetzung für Kinder

Dies ist die bisher einzige Bibelübersetzung für Kinder. Sie ist dem Wortschatz und der Lesegewohnheit von Grundschulkindern angepasst. Diese ansprechend gestaltete Bibel enthält die wichtigsten Texte aus dem Alten und Neuen Testament, die nach kindgemäßen Vorgaben Wort für Wort übersetzt wurden. Mithilfe vieler Begriffserklärungen und erklärenden Bildern am Rand können Kinder ab acht Jahren die Texte eigenständig erforschen und verstehen. (SCM R.Brockhaus)

Extra-Tipp: Die Deutsche Bibelgesellschaft hat gute Kriterien zur Auswahl einer Kinderbibel zusammengestellt: www.die-bibel.de/bibeln/bibel-in-der-praxis/bibelfuer-kinder

Claudia Rohlfing ist Referentin für Kindergottesdienst im Bund Freier evangelischer Gemeinden.

„Glaubt die Zahnfee auch an Gott?“ – Diese Tipps helfen, wenn Kinder Glaubensfragen stellen

Kinder reden ganz unbefangen über Gott und den Glauben. Sie stellen oft lustige, manchmal aber auch herausfordernde Fragen. Die Theologin Gabriele Berger-Faragó gibt Anregungen, wie Eltern darauf reagieren können.

Die Gedanken und Gespräche von Kindern über Gott sind oft lustig, ihre Fragen an uns Erwachsene mitunter anstrengend. Für Eltern mit wenig Bezug zum Glauben ist ein „theologisches“ Gespräch mit Kindern im besten Fall irrelevant, im schlimmsten Fall wird es als Zumutung empfunden. Manche Eltern wollen ihre Kinder nicht beeinflussen, also reden sie lieber gar nicht über das Thema. Oder sie wollen sich aus persönlichen Gründen nicht damit beschäftigen und fühlen sich von den religiösen Fragen ihrer Kinder bedrängt, weshalb sie lieber ausweichen oder das Thema wechseln.

Aber auch für Eltern mit kirchlicher Bindung ist das theologische Gespräch mit Kindern oft eine Herausforderung. Manche meinen, sie müssten die „richtigen“ Antworten auf Glaubensfragen ihrer Kinder wissen und setzen sich dadurch selbst unter Druck.

Vier Themengebiete

Kinder hingegen sind dem Glauben gegenüber völlig unvoreingenommen. Sie stellen Fragen, haben selbst oft interessante Antworten und denken viel über Gott und die Welt nach. Manche ihrer Gedanken lassen uns schmunzeln, andere Fragen sind so tiefgründig, dass wir selbst als Erwachsene lange darüber nachdenken und zu keiner umfassenden Antwort kommen, egal, wie gut wir uns mit Glaube und Theologie auskennen.

Dabei drehen sich die theologischen Fragen und Aussagen von Kindern, wenn man sie näher betrachtet, grob gefasst um vier Themengebiete:

1. Wer und wie ist Gott?

Bei diesem Thema geht es nicht nur darum, wie Gott aussieht, sondern oft um Gottes Allmacht, seine Allwissenheit, sein Schöpfer-Sein und uns als seine Geschöpfe. Kinder empfinden sich nicht nur im Vergleich zu uns Erwachsenen, sondern auch Gott gegenüber als „klein“. Ihnen ist ihre Nicht-Allmacht und ihr Nicht-Wissen oft viel bewusster als uns Erwachsenen. Dabei empfinden sie Gottes Größe jedoch meistens nicht als bedrohlich, sondern als beruhigend und stabilisierend. Es ist erstaunlich, dass selbst völlig religionslos aufwachsende Kinder oft eine innere Ahnung oder ein Gefühl haben: Da ist einer über allem, der unendlich stark ist und der es gut mit mir meint. Das spiegelt sich in ihren Fragen und Gedanken zum Wesen Gottes wider. Das kann beispielsweise so klingen:

Magdalena (5) hüpft auf und ab: „Guck mal, Papa, ich hüpfe ganz doll in Gottes Hand, und ich falle nicht runter!“
Papa: „Nun ja, du hüpfst auf dem Boden.“
Magdalena: „Ja, aber Gott hält die ganze Welt in seiner Hand, also hält er auch mich auf dem Boden.“

Wie geht man mit Fragen über Gott und sein Wesen um? In jedem Fall ist es gut, sein Kind in dem Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu bestärken, das aus dem Glauben an eine große, liebende Macht erwächst. Wie die obigen Fragen zeigen, geben sich Kinder oft selbst die Antworten. Daher ist es besser, nachzufragen: „Was denkst du?“, als vorgefertigte Antworten zu geben.

Achtung vor der Angst

Wenn sich bei Kindern religiöse Ängste zeigen – vor Gott, seiner Allmacht, Allwissenheit oder Ähnlichem –, ist es hilfreich, nachzufragen, welche Vorstellung genau beim Kind herrscht und woher diese kommt. Häufig stellt sich dann heraus, dass Gehörtes missverstanden wurde. Oder dass Dinge kombiniert wurden, die nichts miteinander zu tun haben: Aus einem bösen Monster mit „Zauberkräften“ kombiniert mit Gottes „Allmacht“ kann ein beängstigendes Gottesbild entstehen. Es ist wichtig, diesem frühzeitig auf die Spur zu kommen und es auf liebevolle Weise aufzulösen.
Gleichzeitig ist es sinnvoll, sich selbst offen auf die Fragen nach Gott einzulassen. Kinderfragen bieten die Möglichkeit, verkrustete Denkmuster aufzubrechen und nochmal neu nach dem zu fragen, was man schon längst verstanden zu haben meint. Dabei lässt sich Gott neu entdecken, der viel größer, weiter und unverständlicher ist, als wir manchmal meinen. Egal, wo wir selbst als Eltern glaubensmäßig stehen: Unsere Kinder können uns mit ihren Fragen bereichern, wenn wir uns darauf einlassen und uns mit ihnen gemeinsam auf Spurensuche machen.

2. Woher komme ich und wohin gehe ich?

Hier gilt es, zwischen „biologischen“ und „ontologischen“ Fragen zu unterscheiden. Die „biologischen“ Fragen wollen wissen, wie das Werden und Vergehen rein faktisch funktioniert: Befruchtung, Schwangerschaft, Geburt ebenso wie Sterben, Beerdigung, Zerfall des Körpers. Hier gilt es, Kindern altersgemäße, ehrliche Antworten zu geben, ohne sie zu überfordern. Als Unterstützung für Eltern gibt es hierzu viele Kinderbücher für das jeweilige Alter (siehe Buchtipps). Beispiele für „biologische“ Fragen und Gedanken von Kindern können sein:

Samuel (4): „Wenn man dick ist und stirbt, haben die Ameisen mehr zu fressen, gell?“
Tabea (6): „Mama, trink mal einen Kakao, dann trinkt dein Baby im Bauch auch Kakao, gell? Und wenn es den Kakao wieder rauspieselt, schwimmt es dann im Kakao?“

Kindgerechte Antworten

Die „ontologischen“ Fragen dagegen wollen über das „Sein“ vor und nach dem Tod Auskunft erhalten und fragen nach dem Sinn des Lebens. Kinder formulieren das einfach und konkret, beispielsweise so:

Magdalena (5): „Hat Gott sich selber gemacht? Er hat doch ‚alles, alles, alles gemacht‘ (Liedzitat). Oder?“

Die Antworten müssen ebenfalls kindgerecht sein, ohne jedoch simpel zu werden. Kinder sind durchaus in der Lage, größer und komplexer über das Sein zu denken, als wir oft meinen. Rückfragen, die das Denken der Kinder anregen und zum Finden eigener Antworten herausfordern, sind auch hier oft besser als Erwachsenen-Antworten, und können zu tiefgründigen Erkenntnissen führen, wie der Gesprächsfortgang von obiger Frage zeigt:

Mama: „Was glaubst du? Hat Gott sich selbst gemacht?“
Magdalena: „Ja!“
Mama: „Und wie geht das? Kann man sich selbst machen?“
Magdalena denkt eine Weile stumm nach, dann: „Wir Menschen können uns nicht selbst machen. Aber Gott kann alles. Also kann er sich auch selbst machen.“
Mama: „Du hast echt tiefe Gedanken.“
Magdalena denkt weiter: „Und was war, bevor Gott sich selbst gemacht hat?
Mama: „Ja, gell? Gute Frage!“
Magdalena: „Da war er auch schon da.
Mama: „Und woher kam Gott dann?
Magdalena: „Ja, woher? Schon immer immer da, wie kann das sein? Das kann ich mir nicht vorstellen.“
Mama: „Ja, es ist schwer, Gott zu verstehen oder sich vorzustellen. Darum ist er ja auch Gott.“
Magdalena grübelt, nach einer langen Zeit: „Ich hab’s! Gott war erst ein Nix-Gott, und dann hat er sich selbst zum Gott-Gott gemacht, der dann die Welt gemacht hat. Gell?“

3. Fragen nach dem Unsichtbaren und Sichtbaren

Kinder wollen alles wissen. Für sie ist die Welt so neu, so faszinierend, dass sie nicht zwischen „Immanent“ und „Transzendent“, das heißt zwischen „Materiellem“ und „Über-Irdischem“ trennen. Für sie ist das ganze Leben, das Universum eins. Alles ist denkbar, alles ist möglich. Die Frage nach der Farbe von Pudding und der Farbe von Engelsflügeln macht für sie keinen Unterschied. Daher ist es wichtig, unsere Kinder nicht zu belächeln und von oben herab zu belehren, nicht die immanenten Fragen ernsthaft-wissenschaftlich und die transzendenten Fragen mystisch-märchenhaft zu beantworten, sondern auf sämtliche Fragen ernsthaft, aber doch mit spielerischer Leichtigkeit einzugehen. Theologische Gespräche von Kindern untereinander haben oft diese unverkrampfte Offenheit, wie folgendes Beispiel zeigt:

Magdalena (6): „Kann man Engel sehen? Welche Farbe haben ihre Flügel?“
Tabea (13): „Ich glaube, ihre Flügel können jede Farbe haben. Meistens sind sie unsichtbar.“
Samuel (11): „Manchmal sehen Engel wie Menschen aus und helfen uns.“
Magdalena: „Verkleiden sie sich als Menschen? Wo verstecken sie dann ihre Flügel?“
Samuel: „Nein, nicht verkleidet. Sie machen sich einfach so menschlich. Oder Gott macht das.“
Magdalena: „Ach so, ja. Gott kann alles. Aber hat er dann keine Engel mehr im Himmel?“
Tabea: „Doch, der hat genug Engel für Himmel und Erde. Er hat Heerscharen davon.“
Magdalena: „Ja, er ist ja auch der Herrscher, gell?“

4. Konkrete Wissensfragen, die sich auf die eigene Glaubensgemeinschaft beziehen

Diese Fragen entstehen bei kirchlich geprägten Kindern durch (Kinder-)Gottesdienst und Familienalltag, bei nicht-kirchlich aufwachsenden Kindern durch den Religionsunterricht oder durch Gespräche mit Gleichaltrigen. Solche Fragen oder Aussagen lauten beispielsweise so:

Ali (8), mit islamischem Hintergrund, will mehr über die Pfingstferien in Deutschland wissen: „Was ist Pfingsten? Feiern Christen das auch mit Schokotieren?“

Oder: 

Unsere Familie unterhält sich beim Essen über Gaben, die Gott uns schenkt und die wir zum Wohl unserer Mitmenschen einsetzen können. Als Beispiele nennen wir verschiedene Teams in der Gemeinde, zum Beispiel Küchenteam, Musikteam, Kindergottesdienstteam.

Magdalena (5): „Gibt es auch ein Schlafteam?“

Gemeinsam nach Antworten suchen

Auch bei religiösen Wissensfragen gilt es für Eltern, nicht gleich mit vorgefertigten Antworten zu kommen, sondern erst einmal nachzuhaken, woher die jeweilige Frage kommt und welche Gedanken das Kind selbst dazu hat. Für nichtreligiöse Eltern kann es hilfreich sein, sich ein Religionslexikon anzuschaffen (siehe Buchtipps), um mit dem Kind gemeinsam nach Antworten zu suchen. Gläubige Eltern tun gut daran, ihren Kindern zwar die Gedanken mit auf den Lebensweg zu geben, die ihnen selbst als tragfähig erscheinen, ihnen aber dabei Freiraum zu lassen, eigene Gedanken zu verfolgen.

Toleranz bewahren

Ebenso ist es wichtig, mit Kindern auch offen und tolerant über andere Weltanschauungen zu sprechen, wie folgendes Beispiel zeigt:

Im Chinarestaurant sieht Tabea (10) eine Buddha-Statue und fragt nach deren Bedeutung. Nach der kurzen Erklärung über Buddhismus staunt sie: „Und die glauben an so einen fetten Gott?“
Mama: „Nicht Gott, weiser Lehrer. Du solltest höflicher sein gegenüber dem, was andere glauben.“
Tabea: „Okay, sorry. Trotzdem mag ich Jesus lieber. Der ist dünner und sitzt nicht nur rum.“
Samuel (8): „Besser dick rumsitzen als dünn am Kreuz hängen.“
Tabea: „Stimmt, von außen betrachtet ist unsere Religion auch komisch. Aber ich glaub trotzdem an Jesus.“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es für Kinder meistens gar nicht um die „korrekte“ Antwort geht, sondern darum, dass man sie ernst nimmt und mit ihnen ins Gespräch kommt. Das ist die erleichternde Botschaft sowohl für die „unreligiösen“ als auch für die „religiösen“ Eltern, die alles richtig machen wollen. Wenn man das Theologisieren mit Kindern entspannt als Möglichkeit sieht, die tiefsten Gedanken und Gefühle der Kinder besser zu verstehen und dabei selbst auf neue Ideen und Gedankenwege zu stoßen, kann es richtig großen Spaß machen.

Gabriele Berger-Faragó ist evangelische Theologin, Psychologische Beraterin und Systemische Ehe- und Familientherapeutin in eigener Praxis. Sie wohnt mit ihrer Familie in Heidelberg. Die meisten Zitate stammen von ihren drei Kindern, die mit der Veröffentlichung einverstanden sind. Bei den Zitaten anderer Kinder sind die Namen geändert.

 

Buchtipps

Religionslexika für Kinder:
Monika & Udo Tworuschka: Die Weltreligionen – Kindern erklärt (Gütersloher)
Religionen der Welt. Wieso? Weshalb? Warum? (Ravensburger)

Kinderbuch über Aufklärung, Schwangerschaft, Geburt:
Malcolm & Meryl Doney: Mama, Papa und ich. Wo kommen die kleinen Babys her? (Brunnen)

Bücher zu Tod und Sterben: 
Roland Kachler: Wie ist das mit der Trauer? (Gabriel)
Elke Barber & Anne Jarbis: Kommt Papa gleich wieder? Ein für Kindergarten- und Grundschulkinder verständliches Buch über den plötzlichen Tod eines geliebten Menschen (Mabuse)

Theologie mit Kindern:
Lydia Fischer: Glaube und Gottesvorstellungen von Kindern im Alter von 3-6 Jahren. Theologisieren mit Kindern im Kindergartenalter (Akademiker)
Friedrich Schweitzer: Das Recht des Kindes auf Religion (Gütersloher)

Bräutigam: „Wegen Corona steht meine Hochzeit auf der Kippe.“

Dass ich wie geplant am 28. März heiraten kann, ist wegen des Coronavirus unwahrscheinlich. Trotzdem will ich nicht verzweifeln.

Gut ein Jahr lang haben meine Verlobte und ich geplant, beraten und uns vor allem gefreut – auf den sogenannten „schönsten Tag unseres Lebens“, unsere Hochzeit. Aktuell stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Dass wir nicht in der geplanten Kirche feiern dürfen, steht seit heute fest. Ob die anschließende Feier stattfinden kann – wir wissen es nicht. Und beim Standesamt dürfen Trauzeugen und Eltern nicht anwesend sein. Denn Veranstaltungen jeglicher Größe sind wegen des Coronavirus in Nordrhein-Westfalen eigentlich untersagt.

Der Gedanke ans Verschieben ist schrecklich

Und, seien wir ehrlich: Das fühlt sich schrecklich an. Ich weiß, ich habe gut reden. Schließlich steht bei mir nicht mein Beruf auf der Kippe. Ich muss also nicht um meine Existenz bangen. Auch zähle ich nicht zur Risikogruppe. Es gibt also andere, denen geht es zurzeit deutlich schlechter. Trotzdem ist die aktuelle Hochzeitssituation extrem bedrückend. Dass die Eheringe eventuell neu graviert werden müssen, ist noch das kleinste Problem. Schwerwiegender sind Fragen wie: Kriegen wir das sonst ausgebuchte Wunschrestaurant überhaupt noch an einem anderen Termin? Können dann noch alle Gäste kommen? Wer bleibt schlussendlich auf den Kosten sitzen? Was ist überhaupt ein realistischer Termin, auf den wir umdisponieren können? … Kurzum: So haben wir uns diesen ganz besonderen Tag nicht vorgestellt.

Warum ich?

Und ich kann mich dessen nicht ganz erwehren: Zeitweise frage ich mich, warum gerade uns beiden so etwas passieren muss. Wieso muss die Krise gerade jetzt voll über Deutschland hineinbrechen? Wieso haben wir nicht einfach ein anderes Datum wählen können? Hätten weniger drastische Maßnahmen nicht vielleicht doch gereicht? Rational weiß ich, dass diese Gedanken nicht produktiv sind. Es hätte alles anders kommen können – ist es aber nicht. Deswegen will ich die aktuelle Situation viel lieber als eine gute Schule begreifen.

Nicht die Herrscher der Welt

Wir Menschen haben nicht die Macht über alles. Krisen wie die jetzige lassen mir das bewusst werden. Und das ist gut so. Es hilft mir, demütig zu sein. Wir sind eben nicht immer die Herrscher dieser Welt, es gibt Grenzen. Im Umkehrschluss heißt das: Ich kann für viele Dinge dankbar sein, weil sie eben keine Selbstverständlichkeit sind. Hochzeiten feiern zu können zum Beispiel. Unglücksmomente wie dieser sorgen dafür, dass Alltägliches mich wieder glücklich macht. Im kleinen kennt jeder das Gefühl, wenn beispielsweise der Schnupfen nach Wochen endlich nachlässt. Wie viel größer wird unsere Freude sein, wenn wir dann endlich als Paar vor den Traualtar treten dürfen? Das wird ein Geschenk sein, für das ich schon jetzt Dankbarkeit üben kann.

Alles dient dem Guten

Und auch darüber hinaus kann ich aus dieser Situation etwas lernen. Als Christ bin ich der festen Grundüberzeugung, dass alles dem Guten dient. Wieso also nicht auch der potenzielle Ausfall der Hochzeit? Vielleicht wäre der 28. März ein Regentag geworden. Vielleicht hätte sich jemand angesteckt und wäre ernsthaft krank geworden. Vielleicht … In meiner Vergangenheit durfte ich immer wieder erleben, dass auch aus schlechten Situationen etwas Gutes entstehen kann. Hätte mich meine vermeintliche Wunsch-Universität wegen eines formalen Fehlers im System nicht abgelehnt, hätte ich niemals meine heutige Verlobte kennen gelernt. Hätte ich den Job bekommen, den ich mir als Jugendlicher gewünscht habe, wäre ich heute nicht in einem Beruf, der mich erfüllt. „Die Wege des Herrn sind unergründlich“, heißt es so schön. Das durfte ich bisher immer wieder erleben. Wieso nicht auch bei meiner Hochzeit? Dieses positive Denken lerne ich jetzt – wenn auch ein wenig auf die harte Tour.

Der Nicht-Hochzeitstag

Den 28. März wollen meine Verlobte und ich im Zweifel übrigens zum Nicht-Hochzeitstag deklarieren. Wer sagt, dass man nicht auch den, sobald man wieder darf, feiern kann? Es ist ein schöner Gedanke, unseren Kindern Jahr für Jahr zu erzählen, wie ihre Eltern beinahe geheiratet hätten. Und es dann zum Glück so bald wie möglich nachgeholt haben.

„Gott, warum kippt Corona meine Hochzeit?“

Dass ich wie geplant am 28. März heiraten kann, ist unwahrscheinlich. Doch der Frust ist eine gute Übung für den Glauben.

Gut ein Jahr lang haben meine Verlobte und ich geplant, beraten und uns vor allem gefreut – auf den sogenannten „schönsten Tag unseres Lebens“, unsere Hochzeit. Aktuell stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Dass wir nicht in der geplanten Kirche feiern dürfen, ist spätestens ab heute quasi gesetzt. Ob die anschließende Feier stattfinden kann – wir wissen es nicht. Und beim Standesamt dürfen Trauzeugen und Eltern nicht anwesend sein. Denn Veranstaltungen jeglicher Größe sind wegen des Coronavirus in Nordrhein-Westfalen eigentlich untersagt.

Und, seien wir ehrlich: Das fühlt sich schrecklich an. Ich weiß, ich habe gut reden. Schließlich steht bei mir nicht mein Beruf auf der Kippe. Ich muss also nicht um meine Existenz bangen. Auch zähle ich nicht zur Risikogruppe. Es gibt also andere, denen geht es zurzeit deutlich schlechter. Trotzdem ist die aktuelle Hochzeitssituation extrem bedrückend. Dass die Eheringe eventuell neu graviert werden müssen, ist noch das kleinste Problem. Schwerwiegender sind Fragen wie: Kriegen wir das sonst ausgebuchte Wunschrestaurant überhaupt noch an einem anderen Termin? Können dann noch alle Gäste kommen? Wer bleibt schlussendlich auf den Kosten sitzen? Was ist überhaupt ein realistischer Termin, auf den wir umdisponieren können? … Kurzum: So haben wir uns diesen ganz besonderen Tag nicht vorgestellt.

Keine Strafe Gottes

Und ich kann mich dessen nicht ganz erwehren: In den dunkelsten Stunden keimt auch in mir der gänzlich alttestamentarische Gedanke auf, ob das alles nicht einfach eine ganz persönliche Strafe Gottes ist. Für was auch immer. Denn eigentlich sollte ihm doch daran gelegen sein, wenn ein Paar vor ihm den Bund fürs Leben schließen will. Die Frage: „Gott, warum lässt du zu, dass der Coronavirus meine Hochzeit gefährdet?“ kam mir mehr als einmal. Natürlich weiß ich, dass der Gedanke an zwingende Kausalität irrational ist. Deswegen will ich die aktuelle Situation viel mehr als eine gute Schule begreifen.

Uns kann beim Thema Hochzeit nur noch ein Wunder helfen. Und darin ist unser Gott schließlich Experte. Nach menschlichen Maßstäben ist es absolut unwahrscheinlich, dass wir Ende März 2020 heiraten werden. Nach göttlichen Maßstäben ist alles möglich. Solche vermeintlich ausweglosen Situationen sind perfekt dazu geeignet, sich dieses Ausgeliefertsein bewusst zu machen und im zweiten Schritt zu sagen: „Gott, ich lege es in deine Hand.“

Alles dient dem Guten

Und was, wenn Gott nicht eingreift? Schließlich ist er keine Wundermaschine: Gebet rein, Erfüllung raus. Auch dann kann ich aus dieser Situation etwas lernen. Als Christ bin ich der festen Grundüberzeugung, dass alles dem Guten dient. Wieso also nicht auch der potenzielle Ausfall der Hochzeit? Vielleicht wäre der 28. März ein Regentag geworden. Vielleicht hätte sich jemand angesteckt und wäre ernsthaft krank geworden. Vielleicht … Gott wird wissen, was er tut. Es ist leicht, das in guten Zeiten zu sagen. Und es lässt einen wachsen, das in schlechten Zeiten anzunehmen. Das darf ich jetzt lernen – ein wenig auf die harte Tour.

Nathanael Ullmann ist Volontär in der Online-Redaktion des SCM Bundes-Verlags und mitverantwortlich für die Nachrichten auf Jesus.de.

„Gott hat meine Geschichte umgewandelt“

Eine Kindheit ohne Liebe und Geborgenheit kann dazu führen, dass ein Mensch gebrochen durchs Leben geht. John McGurk hat eine solche Kindheit hinter sich. Doch er läuft hoffnungsvoll durchs Leben und engagiert sich für Kinder, die ähnliche Erfahrungen machen. Ines Schobert hat den gebürtigen Schotten besucht.

Es ist ein frühsommerlicher Nachmittag Ende Mai. Ich bin mit John McGurk in Osnabrück verabredet. Er hat mich zum Interview zu sich und seiner Frau nach Hause eingeladen. Gedanklich bin ich noch mitten in der Lebensgeschichte meines Interview-Gegenübers. Ich habe seine Biografie gelesen. Seine Geschichte hat mich völlig gepackt und berührt.

ARMUT UND GEWALT

John McGurk ist Anfang der sechziger Jahre in Schottland aufgewachsen, südlich von Glasgow. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er mit seinen fünf Geschwistern und seinen Eltern. Wie in vielen Familien dieses Stadtteils war das Leben der McGurks geprägt von Gewalt, Armut, Arbeitslosigkeit, Alkohol und hoher Frustration. Sein Vater hielt sich die meiste Zeit im Pub auf. Seine Mutter war damit beschäftigt, etwas Essbares aufzutreiben. Sie kümmerte sich nicht oft um die Kinder. Ihr Mann schlug sie – auch in Anwesenheit der Kinder.

Vor diesem Hintergrund stelle ich mir vor, dass John wohl eher in einer fiesen Ecke von Osnabrück wohnt. Ich schäme mich meiner Vorurteile und erwische mich bei dem Gedanken, dass gleich ein Mann vor mir stehen wird, der bestimmt ganz mitgenommen vom Leben ist. Doch ich werde eines Besseren belehrt. Ich parke vor dem Haus der Familie McGurk, einem Einfamilienhaus mit Garten und netter Nachbarschaft. Als ich klingele, öffnet mir ein attraktiver, fröhlicher und sehr herzlicher John. Ich werde an den schön dekorierten Esstisch gebeten, auf dem Johns Unterlagen verstreut sind: Laptop, Fotos, Briefe, Lupe … Utensilien für das, was ihn zurzeit beschäftigt: seine Geschichte zu teilen!

DIE HÖLLE AUF ERDEN

Und diese Geschichte teilt er nun mit mir. Er berichtet von der traurigen Kindheit in seinem Elternhaus: „Ich verlor den Glauben an das Gute und den Glauben an mich selbst.“ Als die Situation zu Hause eskaliert, ergreift Johns Mutter die Flucht und verlässt ihre Familie. Der Vater ist mit der Versorgung der Kinder überfordert und so werden sie auf verschiedene Kinderheime verteilt.

Doch im Kinderheim ergeht es John nicht besser. Er wird schikaniert und vom Heimleiter misshandelt. „Es war die Hölle auf Erden“, sagt John rückblickend. Und auf seine gesamte Kindheit bezogen stellt er fest: „Ich kann mich an keinen einzigen Moment erinnern, an dem ich mich geborgen fühlte oder wirklich nachhaltig glücklich war.“ Trotzdem hat John es – anders als die meisten seiner Geschwister – geschafft, einen Weg heraus aus Armut, Alkoholismus, Gewalt und Beziehungsunfähigkeit zu finden und ein hoffnungsvoller und engagierter Mensch zu werden.

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war seine Entscheidung, zur schottischen Armee zu gehen. Die Grundausbildung fand in Edinburgh statt. Hier entdeckte er bei sich die Begeisterung für den Sport. Er arbeitete hart an sich, um immer der Erste zu sein. Außerdem wurde er als bester Soldat ausgezeichnet. „Hier bekam ich echte Aufmerksamkeit“, erinnert er sich. „Der Tag war strukturiert und ich wurde gefordert.“ John verpflichtete sich als Berufssoldat. Er bekam das Angebot, mit seinem Regiment nach Deutschland zu gehen und sagte zu. So landete er in Osnabrück. „Ich setzte große Hoffnung in den Neustart auf dem Kontinent. Endlich konnte ich meine Vergangenheit hinter mir lassen.“

GÖTTLICHES WUNDER

John erzählt mir lange von seiner Zeit in Osnabrück. Von Rückschlägen, Einsamkeit, schicksalhaften Begegnungen, Träumen und von Erfahrungen mit Gott. Mir wird klar, dass die Antwort auf die Frage, wie sich John von seiner Vergangenheit befreien konnte, hier zu finden ist. Es hat etwas damit zu tun, dass er den Glauben an Gott entdeckte. Dass er seine Frau Katja kennenlernte. Und dass er einen unglaublich starken Willen hat. So konnte er eine Lebenswende erleben, die an ein göttliches Wunder grenzt! Er konnte einen inneren Heilungsprozess erfahren, der alles menschliche Ermessen übersteigt.

Herzlichkeit, Wärme und Authentizität ist in unserem Gespräch und im ganzen Haus spürbar. Während wir reden, kommt die Schwiegertochter zu Besuch. John und Katja kümmern sich rührend um ihr Enkelkind, das an diesem Abend bei ihnen übernachtet. Katja berichtet, dass es John immer ein Anliegen war, ihren Kindern und nun auch den Enkelkindern mit viel Liebe, Humor und Wohlwollen zu begegnen.

John und Katja sind seit 28 Jahren ein Ehepaar. Vorher war John schon einmal verheiratet. „Ich bin einmal geschieden, es war eine kurze Episode“, berichtet er. Aus dieser Ehe stammt eines seiner drei Kinder. „Zu meinem Kind habe ich guten Kontakt. Aber zu einer Ehe war ich zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage.“ Nachdem seine Ehe in die Brüche gegangen war, haderte er mit seinem Schicksal: „Setzt sich alles fort?“, war seine ständige Frage.

NACH VORN BLICKEN UND GUTES TUN

Gerade als es ihm besonders schlecht ging, hatte er einen Traum: „Der Himmel öffnete sich, eine Frau hielt ihre Hand über meinen Körper. ‚Gott gab dir ein großes Herz, und Gott hat Großes mit dir vor‘, sagte sie immer und immer wieder.“ Dieses Erlebnis änderte alles: „Ich hörte auf zu trinken und zu rauchen, begann regelmäßig zu essen. Und ich habe meine jetzige Frau kennengelernt. Ich habe mein Leben in den Griff bekommen durch Träume, Glauben, Sport und eine liebende Frau.“

Katja und John lebten im selben Stadtteil. Katja musste immer an Johns Wohnung vorbei. Irgendwann haben sie auf der Straße miteinander gesprochen. John lud sie auf einen Kaffee ein. Sie lernten sich näher kennen und lieben. Lange hat John Katja nicht von seiner Vergangenheit erzählt. Selbst nach 15 Jahren wusste sie immer noch nicht alles, gesteht John. Er musste sich erst einmal mit sich selbst versöhnen und mit viel Scham klarkommen. „Der Schmerz wird nie weggehen“, ist sich John sicher. Seine Strategie: wenig nachdenken, immer nach vorn blicken und Gutes tun!

LAUFEN FÜR KINDER

Gutes tun – das macht John, indem er läuft. Beim Laufen sammelt er Spenden für Kinder, die wie er schlechte Voraussetzungen fürs Leben haben – mittlerweile sind dabei über 1,5 Millionen Euro zusammengekommen. Sein Markenzeichen bei den vielen Läufen, die er schon absolviert hat, ist sein Kilt, der Schottenrock, mit dem er sich selbst an seine eigene Kindheit und Herkunft erinnert. Johns Frau und auch ihre beiden erwachsenen Kinder unterstützen ihn in seinem Engagement. Sie haben den Verein „Sportler 4 a childrens world e. V.“ gegründet, in dem sich Johns Sohn Nico einbringt. Außerdem leiten John und seine Tochter Mandy die Stiftung „Eine Zukunft für Kinder“.

Neben seinem Engagement arbeitet John im Schichtdienst in der Papierindustrie. „Oft laufe und trainiere ich noch nach der Spätschicht oder sofort nach dem Aufstehen von der Nachtschicht. Dabei fallen mir immer wieder hilfsbedürftige Menschen auf und ich komme mit ihnen ins Gespräch. Oder ich helfe Obdachlosen oder sammel Müll auf. Gott scheint meine Geschichte tatsächlich umgewandelt zu haben in ein Nach-vorne-Schauen und Gutes-Tun für andere.“

EINE TIEFE BERÜHRUNG VON GOTT

Der christliche Glaube spielt für John McGurk eine zentrale Rolle. „Seitdem ich in Osnabrück bin, habe ich etwa zwanzig Träume von Gott geschenkt bekommen. Alle diese Träume habe ich aufgeschrieben. Alle Träume haben sich erfüllt und bewahrheitet. Ich empfinde eine tiefe Berührung von Gott in meinem Herzen und Leben. Das macht mich fähig zu lieben und zu geben.“ Groll oder Wut gegenüber Gott verspürt er nicht: „Ich empfinde zutiefst, dass Gott überhaupt keine Schuld an all dem Leid in meinem und unserem Leben hat. Auch nicht an dem, was in der Welt passiert. Er kann nur lieben. Die Menschen sind schuld, und er guckt traurig zu, was auf seiner Erde passiert …“

Sich selbst und seinen Nächsten zu lieben, ist für ihn das wichtigste Gebot. „Mich selbst lieben: Damit stellt mir Gott die größte Herausforderung mitten in den Weg. Wenn man in den ersten Jahrzehnten des Lebens immer wieder eingetrichtert bekommt, dass man nichts kann und ist, dann verkümmert die Selbstliebe. Mein Selbstbewusstsein und damit auch die Liebe zu mir selbst habe ich mir erkämpft. Meinen Nächsten lieben: Das sind die vielen Kinder, die Opfer von Armut, Gewalt und Lieblosigkeit sind. Ich gehe wachsam durch die Welt auf der Suche nach Menschen, denen ich helfen kann, und auf der Suche nach Verbündeten. Und ich finde sie. Immer wieder. An den ungewöhnlichsten Orten.“

Ines Schobert lebt mit ihrer Familie in Bad Essen bei Osnabrück. Seine ausführliche Lebensgeschichte hat John McGurk in dem Buch „Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen“ aufgeschrieben, das im September bei SCM Hänssler erscheint.

MitOhne – Fasten als Familie

Mit Grundschulkindern oder Teenagern kann man die Fastenzeit gemeinsam gestalten. Von Stefanie Böhmann

Als unsere Kinder kleiner waren, haben sie immer auf die Frage, ob sie Wasser mit Kohlensäure oder ohne haben wollen, geantwortet: „Bitte mitohne!“ Sie wollten Wasser ohne Kohlensäure. Dieses Wort MitOhne habe ich mit in die letzte Fastenzeit genommen, weil ich es passend fand, um das auszudrücken, was die Fastenzeit für mich und uns als Familie bedeutet. MitOhne heißt für mich in der Fastenzeit, mehr mit Gott unterwegs zu sein, ohne das verbissene Aufpassen auf etwas, dass ich unbedingt weglassen oder nicht essen soll, aber auf der anderen Seite ohne ein Produkt, das viel Zeit von mir in Anspruch nimmt oder mir sehr wichtig ist. Ich verzichte auf etwas, um intensiver mit Gott in Kontakt zu kommen. Diese Beziehung zu Gott ist mir dabei wichtig und nicht der Verzicht. Wenn ich mich über die „Mehr-Zeit“ mit Gott freuen kann, dann steht der Verzicht im Hintergrund und ich kann gestärkt und fröhlich meinen Weg gehen.

JESUS UND DAS FASTEN

Jesus ist selbst in die Wüste gegangen, nicht um seine Figur zu optimieren oder um sich selbst auf die Schulter zu klopfen, weil er es geschafft hat, 40 Tage ohne Essen auszukommen. Er wollte auch seinem Vater nicht beweisen, dass er für ihn leiden kann. Nein, er wollte Zeit mit seinem Vater haben und sich auf das vorbereiten, was vor ihm lag. Er wusste, dass er dafür Kraft brauchen würde. Das heißt, er wollte mehr mit seinem Vater in Beziehung stehen, aber ohne Essen oder andere Ablenkungen.

Jesus hat damals für längere Zeit auf das Essen komplett verzichtet. Er hatte aber auch keine Schule oder keinen Arbeitsalltag zu bestreiten. Er konnte sich ganz auf Gott konzentrieren. Das würde ich auch gerne mal ausprobieren. In den sieben Wochen zwischen Fasching und Ostern läuft allerdings der Alltag bei uns ganz normal weiter. So denke ich, dass für uns mit unseren Kids, die in die Schule müssen, in der Fastenzeit nur ein Teilfasten dran ist.

ZUSAMMEN  MITOHNE

Wichtig ist uns als Familie, dass wir beim Fasten nicht wie gequälte Leidenspersonen herumlaufen. Dazu gibt es einen passenden Bibelvers in Matthäus 6,16: „Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler, denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten.“ Wenn wir MitOhne unterwegs sind, soll das Endprodukt Freude sein.

Die gute Botschaft ist. Es funktioniert! Wenn wir mehr auf das Mit schauen, aber das Ohne uns hilft, mehr mit zu leben, dann kommt eine große Fröhlichkeit ins Herz.
Ich glaube, ein wichtiger Aspekt beim Fasten ist auch die Gemeinschaft. Wenn wir mehrere sind, die zusammen MitOhne unterwegs sind und sich über ihre Erlebnisse austauschen, fällt es uns leichter, dranzubleiben. Sieben Wochen sind manchmal ganz schön lang. Auch wenn ich als Mama davon träume, mich mit meinen Kindern über die Erlebnisse, die jeder mit Gott hatte, auszutauschen, dann habe ich doch gelernt, dass eigentlich für meine Teens der Austausch mit ihren Freundinnen und Freunden wichtiger ist und sie mehr motiviert, dranzubleiben.

MITOHNE KONKRET

Wir haben hier als Anregung Vorschläge für sieben Wochen MitOhne gesammelt, die auf unsere Familie zugeschnitten sind. Wenn ihr sieben eigene Ideen habt oder alle sieben Wochen dasselbe fasten wollt, dann könnt ihr das natürlich auch tun.

  • Woche 1: Ohne den ersten Griff zum Handy
    Bei uns allen geht oft der erste Griff nach dem Aufstehen erstmal zum Handy. In der ersten Woche wollen wir versuchen, die ersten Minuten unseres Tages ohne Handy, aber mit Gott zu verbringen. Wir versuchen fünf Minuten still zu sein und seine Nähe zu genießen. Das klingt so einfach, ist aber unglaublich schwer. Denn gerade in diesen fünf Minuten vibriert das Handy (kleiner Tipp: Stelle es einfach aus oder lege es weg!) oder dir kommen die besten Einfälle oder Dinge in den Kopf, die du noch unbedingt tun willst. Danach kannst du aufschreiben, wie die Zeit war. Was du mit Gott erlebt hast.
  • Woche 2: Ohne Süßigkeiten
    Immer wenn du Lust auf Süßes hast, kannst du an Gott denken und ein Zwiegespräch mit ihm beginnen. Erzähle ihm von deinem Wunsch, etwas Süßes zu essen. Versuche mal die Augen zu schließen und Gott Zeit zu geben, dir etwas Schönes vor deinem inneren Auge zu zeigen, was dich ablenkt von deinem großen Verlangen nach Naschis.
  • Woche 3: Ohne YouTube
    YouTube-Videos sind gern gesehen und nehmen viel Zeit in Anspruch. Wenn wir diese Zeit Gott widmen, kann da eine Menge Freude entstehen. Wir probieren es aus.
  • Woche 4: Ohne Kaffee/Cola oder Alkohol
    Diese Woche haben wir Eltern es eher schwer, da unser Kaffee am Morgen schon ein besonders schöner Beginn in den Tag ist. Auch das Glas Wein am Abend ist häufig eine schöne Zeit der Begegnung. Aber ein Tee tut es auch und gemeinsames Gebet stattdessen ist eine super Alternative.
  • Woche 5: Ohne Instagram
    Meine Teens sind sehr gern bei Insta unterwegs. Da geht viel Zeit bei drauf. Versucht doch in dieser Woche jedes Mal, wenn ihr zu Instagram gehen würdet, ein kurzes Gebet nach oben zu schicken und Gott für irgendetwas zu danken, das ihr erlebt habt.
  • Woche 6: Ohne Schimpfwörter
    In dieser Woche wollen wir ganz bewusst auf das Wort mit Sch… und ähnliche Worte verzichten. Jedes Mal, wenn sie in unseren Mund kommen, wollen wir uns gegenseitig darauf aufmerksam machen und für das Ereignis oder für den Menschen beten, über das oder den wir uns aufgeregt haben.
  • Woche 7 (Karwoche): Ohne Fleisch
    In vielen Familien gibt es diese Tradition schon, in der Karwoche kein Fleisch zu essen. Unsere Kids essen sehr gern Fleisch. In dieser Woche wollen wir tatsächlich ohne Fleisch auskommen, aber mit einer kurzen Zeit vor dem Essen, in der wir gemeinsam Gott die Ehre geben.

Eigentlich haben unsere Kids auch den Antrag gestellt, dass man mal eine Woche Hausaufgabenfasten durchziehen könnte, leider fanden ihre Lehrer diese Idee nicht so brillant. So wünschen wir jedem, der MitOhne in der nächsten Fastenzeit ausprobiert, ganz viel Freude und Fröhlichkeit im Herzen und viele bewegende Momente mit Gott.

Stefanie Böhmann ist Hauptschullehrerin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

 

 

Nur eine Sache

Moor Jovanovski über Konzentration aufs Wesentliche.

Irgendwas ist immer!“ Diese drei Worte sprangen mich plötzlich an. Ich hatte mir gerade den Luxus erlaubt, einen Buchladen durchzustöbern. Zwischen den Regalen waren Magnete mit kleinen Weisheiten angebracht. „Irgendwas ist immer!“ – dieser Magnet kam mir wie ein Stoppschild vor. Er aktivierte mein schlechtes Gewissen. Ich fühlte mich beim Vertrödeln wichtiger Lebenszeit ertappt. Die Leichtigkeit war dahin, und ich stand wieder unter Strom. Stimmt, dachte ich. Irgendwas ist immer.

Gerade, als ich hinauseilen wollte, um meinem Leben wieder Effizienz zu verleihen, fiel mir ein, dass man diese Aussage auch mit einem Teilsatz erweitern könnte: „Irgendwas ist immer, also mach dich nicht verrückt!“ Meine Schritte wurden langsamer, und weitere Varianten für die zweite Satzhälfte fielen mir ein: „… also gönn dir mal eine Pause.“ „… also versuch nicht alles auf einmal zu lösen.“ Und dann noch eine weitere für mich wichtige Version: „… also vergiss die wirklich wichtigen Dinge nicht!“

Wirklich wichtig sind nur wenige Dinge, aber um diese muss man in unseren Zeiten wirklich ringen. Jeder macht sein Anliegen wichtig. „Irgendwas ist immer“ wird zu einem Lebensgefühl. Ständig poppen jede Menge Nachrichten auf unserem Display auf und buhlen um unsere Aufmerksamkeit.

Diesem Lebensgefühl begegne ich mit der „Kultur der einen Sache“. So habe ich meinen Entschluss benannt, die wirklich wichtigen Dinge in meinem Leben zu kultivieren. Ich habe festgestellt (und wen wundert das), dass viele automatisierte Abläufe in meinem Alltag zu finden sind: Der Griff zum Smartphone. Der Blick ins Mailpostfach. Die Sichtung der Aufgabenlisten. Sie sind deshalb automatisch, weil sie durch das Gefühl ausgelöst werden, dass ich danach schauen muss.

Diesen Selbstläufer habe ich für meine „Kultur der einen Sache“ genutzt. Ich habe mir sehr nüchtern überlegt, was mir die meiste Kraft gibt und was meine größte Quelle der Inspiration ist und bin bei diesen Überlegungen auf einen Psalm gestoßen, der zur Grundlage für diesen Selbstläufer geworden ist:

„Eins habe ich vom HERRN erbeten, danach trachte ich: zu wohnen im Haus des HERRN alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Freundlichkeit des HERRN und nachzudenken in seinem Tempel. Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unheils, er wird mich verbergen im Versteck seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich heben.“ (Psalm 27,4+5)

Eine Sache! Eine einzige Sache, die tatsächlich das Wichtigste zu sein scheint: Gott sehen. Nachzudenken über seine Präsenz. Seine Freundlichkeit vor Augen haben. Geborgenheit erleben. Ein Zuhause spüren. Fundamente bekommen.

Die Sehnsucht danach versuche ich zu kultivieren, damit ich ganz automatisch nach Begegnungen mit Gott suche. Das Gefühl, auf meine Arbeit schauen zu müssen, weil irgendwas immer ist, bekämpfe ich nicht, denn es bringt mich auch voran. Ich habe vielmehr ein weiteres Lebensgefühl kreiert, dass es eine Sache gibt, die mir Kraft und Quelle ist und so stelle ich die Alarmzeit meines Weckers auf 05:25 Uhr. Hier ist die Ruhe, um meiner „Kultur der einen Sache“ nachzukommen. Denn danach ist immer irgendetwas.

Moor JovanovskiMoor Jovanovski hat zwei Kinder und ist verheiratet mit Monica.
Er arbeitet als Fachlehrer im Bereich Praktische Theologie am Theologischen Seminar Beröa.