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Geliebt und gebraucht werden

„Können Kindergartenkinder schon Aufgaben zu Hause übernehmen? Wenn ja, welche können das sein?“

Wenn man mich fragen würde, was denn das absolut Wichtigste für das gute Leben eines kleinen Menschenkindes ist, dann würde ich wie aus der Pistole geschossen antworten: die Liebe. Die Liebe seiner Eltern, die Nähe und Geborgenheit, die diese Liebe spendet, die Fürsorge und Zuwendung. Das Menschlein wird versorgt und genährt durch die Liebe. Sie ist so lebensnotwendig wie Sauerstoff. Und doch – sie allein reicht nicht aus.

Kinder wollen nützlich sein

Dem Menschenherz ist es zu eigen, dass es nicht nur geliebt werden will, es will auch gebraucht werden. Dabei ist es gleich, wie alt dieses Herz ist, ob drei, dreizehn oder dreißig. Schon junge Kinder wollen wirklich gebraucht werden. Sie sollen wissen: „Gott sei Dank bist du da. Was würden wir nur ohne dich anfangen? Ohne dich wäre das alles gar nicht zu schaffen!“ In einer Familie sollte man sich also tunlichst davor hüten, die Welt in eine Kinder- und eine Erwachsenenwelt aufzuteilen, in der man sich allenfalls wechselseitig besucht. Es braucht nur eine gemeinsame Familienwelt, in der jeder unbedingt seinen Beitrag leisten sollte.

Die Möglichkeiten zur Mithilfe sind vielfältig und wandelbar. Schon kleine Kinder können helfen, Sockenpaare zu finden, Wäsche in die Maschine zu füllen oder den Tisch zu decken. Sie rühren mit Freude Kuchenteig, kehren begeistert die Straße und sind durchaus in der Lage, ihren Teller selbstständig in die Spülmaschine zu räumen oder ein Stück Butter in die Dose zu legen. Im Idealfall erledigt ihr gerade in den frühen Jahren diese Aufgaben gemeinsam. Dann muss man nicht nur ordentlich arbeiten, damit der Laden läuft, sondern hat auch noch eine nette Unterhaltung dabei. Man lernt voneinander und hilft sich gegenseitig.

Aufgaben klar formulieren

Überfordern sollte man junge Kinder aber nicht, die Aufgaben sollten überschaubar und klar formuliert sein. „Räum dein Zimmer auf!“ ist eine viel zu unkonkrete und komplexe Aufforderung. „Räum bitte die Bausteine zurück in die Box!“ ist dagegen klar begrenzt und einfach umsetzbar. Langsam, Stück für Stück wächst dadurch auch die Selbstständigkeit, Hand in Hand mit dem Selbstbewusstsein.

Natürlich ist diese Art der Mithilfe für Eltern keine echte Entlastung, noch nicht! Wenn man der Versuchung widersteht, alles mal eben fix selbst und allein zu erledigen, dann hat man in nicht allzu ferner Zukunft wirkliche Hilfe im Haus. Es wäre aussichtslos, von einem Zehnjährigen plötzlich kompetente Unterstützung zu erwarten, der bis dahin nicht erfahren durfte, wo sich die Mülltonnen befinden. Von klein auf als selbstverständliche Notwendigkeit erlernt, wird die Mithilfe in späteren Jahren kaum hinterfragt, auch wenn ihre Form dann immer wieder neu verhandelt werden muss.

Wenn Sie mich fragen würden, was das absolut Wichtigste für das gute Leben eines jeden Menschen ist, dann würde ich antworten: geliebt und gebraucht zu werden.

Sandra Geissler ist katholische Diplomtheologin und zurzeit Familienfrau. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Nierstein am Rhein und bloggt unter 7geisslein.com. 

Ein Paar, zwei Perspektiven: Brotdosen

DAS GLÜCK AUS DER TUPPERDOSE

Katharina Hullen füllt den Liebestank ihrer Familie mit Pausenbroten.

Katharina: Liebe geht durch den Magen. Das gilt für den romantischen Eheabend mit feinem Essen ebenso wie für den rustikalen Sauerkrauteintopf oder die schnöden Nudeln mit Tomatensoße, wenn sie mittags zur Begrüßung als Lieblingsessen auf dem Tisch stehen. Ich habe entdeckt, dass ich den Liebestank einzelner Familienmitglieder mit Essenszubereitung füllen kann. Kommt eines der Mädchen früher von der Schule nach Hause als die anderen und steht auf seinem Platz ein verzierter Teller mit geschnittenem Obst, dann bin ich mit Sicherheit – für den Moment „die beste Mama der Welt!“ Eine andere freut sich in gleicher Weise, wenn sie ein warmer Kakao und ein Keks erwartet. Unser viertes Kind stürmt nach dem Kindergarten ins Haus und schreit gleich lautstark nach seinem Apfel, und Hauke nimmt mich viel lieber zur Begrüßung in den Arm, wenn wir ihm noch etwas vom Mittagessen übriggelassen haben.

Mit diesem Wissen über die Macht der liebevollen Essenszubereitung stehe ich jeden Morgen auf und schlurfe in die Küche, um fünf Brotdosen und ihre Nutzer startklar für den Tag zu machen. Sie sind niemals Kunstwerke und absolut gewöhnlich, aber ich bemühe mich, für jeden Einzelnen das Lieblingsbrot mit dem Lieblingsaufschnitt und dem Lieblingsobst liebevoll angeordnet unterzubringen. Wer einen langen Tag hat, bekommt noch einige Lieblingskekse dazu, und wer eine Arbeit schreibt, den obligatorischen Traubenzucker. Für meinen Mann gibt es noch einen großen Kaffeebecher und ein Frühstücksbrot. Tatsächlich spannen wir unsere Kinder im Vergleich zu ihren Freunden im Haushalt recht umfangreich ein. Und bei vielen Aufgaben denke ich auch, dass es nur richtig und wichtig ist, wenn jeder in der Lage ist, zumindest seine Dinge zu erledigen. Natürlich sind die Kinder in der Lage, sich ihre Dosen selbst zu füllen. Ich bräuchte es nur kundzutun, dass diese Regel ab morgen gilt. Aber irgendwie stehen die Brotdosen auf meiner Aufgabenliste! Sie sind wie kleine Zettel, die man im Mäppchen oder der Arbeitstasche der Lieben versteckt und auf denen „Ich denke an dich!“ steht.

So ist es nicht das gleiche, wenn Papa mal diesen „Dienst“ übernimmt. Er, der ohnehin morgens um jede halbe Minute im Bett feilscht, wirft in jede Snackbox irgendein Brot mit irgendeinem Aufschnitt und viertelt vielleicht noch einen Apfel, den er auf die Kinderdosen aufteilt. Fertig! „Warum machen die sich eigentlich nicht selbst die Dosen? Ich hatte früher gar keine Dose, wenn ich mir nicht selbst was mitgenommen habe. Hat mir nicht geschadet, bis mittags nichts zu essen!“, höre ich ihn grummeln, während er sich (weil er ja nicht so lange für die Zubereitung braucht) noch einmal fünf Minuten neben mich legt. Mmh, er tut mir ein bisschen leid. Vielleicht kaufe ich ihm ein Steak für heute Abend …

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

PAUSENBROTE FÜR PRINZESSINNEN

Hauke Hullen ärgert sich über die liebevoll zubereiteten Zwischenmahlzeiten seiner Frau.

Hauke: Da steht sie auf dem Küchentisch: die Brotdose, liebevoll gefüllt von der besten Ehefrau und Mutter von allen. Was da zwischen den Plastikdeckeln liegt, ist lecker, gesund und im höchsten Maße ärgerlich!

Ganz ehrlich: Warum können sich unsere Kinder ihre Schulbrote nicht selbst schmieren? Warum stehen wir in aller Herrgottsfrühe auf den kalten Küchenfliesen und legen Salami auf Brotscheiben – eine Tätigkeit, die unsere Kinder genauso gut beherrschen wie wir?

All das ist die Folge eines Prozesses, der einem Suchtverhalten ähnelt. Angefangen hat es damals mit einer ganz kleinen Dosis, der niedlichen Brotdose für den Kindergarten. Nur ein halbes Brot. Nur ein paar Gurkenscheibchen. Nur für die KiTa-Zeit und stets in dem festen Glauben, jederzeit aufhören zu können. Ich äußerte erste Bedenken: Unser Mädchen frühstückt doch schon zu Hause, bekommt im KiGa ein zweites Frühstück gestellt, ist zum Mittagessen auch schon wieder daheim, muss es da wirklich noch eine zusätzliche … – es musste.

Im Laufe der Zeit brauchte meine Frau mehr Stoff, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Inzwischen werden 5 Dosen gefüllt, Kathi experimentiert auch mit anderen Substanzen herum, immer auf der Suche nach dem nächsten Glücksgefühl.

Nun, ich will die Drogen-Metapher nicht zu sehr strapazieren, auch will ich nicht auf die schwierige Symbolik eingehen, die ein von der Frau angebotener Apfel in frommen Kreisen hat. Doch festzuhalten ist, dass unsere Mädels morgens auf dem Sofa herumlungern, während wir ihre Brote schmieren – da stimmt doch was nicht! Zugegeben: ich bin nicht der hilfsbereiteste Mensch, vor allem, wenn ich Arbeiten übernehmen soll, die der andere locker selbst erledigen könnte. Dass ich meinen Kindern nur ungern die Brotdosen fülle, mag kaltherzig klingen – aber ich mähe auch nicht den Rasen für meine Nachbarn, damit diese mehr Zeit fürs Fernsehgucken haben.

Als Lehrer erlebe ich immer wieder Eltern, die es nicht geschafft haben, sich abzunabeln. Vergessene Hefte, Mützen und Handys werden den kleinen Prinzen und Prinzessinnen hinterhergetragen und auch gerne mitten im Unterricht überreicht. Ja, Brotdosen selbstverständlich auch. So was gab es damals nicht, als ich zur Schule ging, quasi direkt nach dem Krieg. Ich wurde auch nicht einmal von meinen Eltern mit dem Auto abgeholt, inzwischen reicht jedoch leichter Nieselregen, und … ach, Sie können es sich denken.

Schweife ich ab? Nein, ich glaube nicht. Während ich morgens zur Schule fahre, fallen mir viele Beispiele ein, die das Überbehüten der Eltern und die Unselbstständigkeit der Kinder illustrieren. So gesehen ist die Brotdose kein Zeichen der Liebe, sondern eher eine Fußfessel in Lillifee-Optik. „Schlimm!“, denke ich, und nehme einen Schluck Kaffee aus meinem Thermobecher, den mir meine Frau, dieser Schatz, schnell noch zugesteckt hat.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

So werden Kinder hilfsbereit

Wissenschaftler der Harvard Universität haben das „Making Caring Common Project“ ins Leben gerufen. Damit wollen sie Eltern Tipps geben, was sie tun können, damit ihre Kinder zu hilfsbereiten Menschen werden. Auf der Website des Projekts (http://sites.gse.harvard.edu/making-caring-common) nennen sie sechs Prinzipien, die Eltern weiterhelfen. Hier eine Zusammenfassung:

1. Sei ein Vorbild und Lehrmeister

Eltern, die sich engagieren, anderen helfen, fürsorglich denken und handeln zeigen ihren Kindern ganz praktisch, was ihnen wichtig ist.

2. Setze die Hilfe für andere als Priorität

Wenn Kinder merken, wie wichtig ihren Eltern das Wohl der Mitmenschen ist, übernehmen sie diese Prioritätensetzung.

3. Schaffe deinem Kind Möglichkeiten, sich für andere einzusetzen

Kinder müssen den guten Umgang mit anderen Menschen üben. In der Familie und darüber hinaus. Dazu gehört auch z.B. die Mithilfe im Haushalt.

4. Erweitere die Perspektive deines Kindes

Kinder sind schnell mitfühlend mit den Menschen in ihrem direkten Umfeld. Eltern können ihnen helfen, sich auch in Menschen im weiteren Umfeld hineinzuversetzen und deren Bedürfnisse nachzuvollziehen.

5. Hilf Kindern, Anführer in Sachen Hilfsbereitschaft zu werden

Kinder brauchen oft Mut, um z.B. in ihrer Klasse zu einem Kind zu stehen, das bei den anderen nicht so beliebt ist. Hier können Eltern sie unterstützen – durch Zuhören und konkrete Ratschläge.

6. Hilf Kindern, gut mit ihren Gefühlen umzugehen

Negative Gefühle wie Neid oder Wut können Hilfsbereitschaft verhindern. Eltern sollten diese Gefühle mit ihren Kindern thematisieren und ihnen zeigen, wie sie gut damit umgehen können.