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Großer Tag – kleiner Fußabdruck: 5 Tipps für eine nachhaltige Hochzeit

Eine Hochzeit nachhaltig zu gestalten, ist gar nicht schwer. Als Merksatz dient ein amerikanisches Sprichwort.

Wer an seiner Hochzeit die Umwelt und ganz nebenbei auch noch den Geldbeutel schonen möchte, kann sich einfach an einer alten amerikanischen Tradition orientieren, wonach eine Braut an ihrer Hochzeit fünf Dinge braucht: „Something old, something new, something borrowed and something blue. And a silver sixpence in her shoe.“

1. Something old (Etwas Altes)

Es ist nicht nötig, für die Hochzeit alles neu anzuschaffen. Vasen und Kerzenständer können Feiernde günstig gebraucht kaufen. „Alte“ Blumen in Form von Trockenblumen erleben derzeit ihren zweiten Frühling und geben eine wunderschöne Boho-Deko ab. Und heruntergekommenes Mobiliar oder verkratzte Tischplatten können mithilfe von Stuhlhussen und Tischdecken in neuem Glanz erstrahlen. Stofftischtücher sind natürlich besonders umweltschonend.

Auch beim Essen tut es „etwas Altes“, und zwar im übertragenen Sinne: „Iss nichts, was nicht auch deine Großmutter gegessen hätte“, rät Ernährungsberaterin Lynn Hoefer in Hinblick auf eine ganzheitliche, gesunde Ernährung. Das bedeutet: Bei der Speiseauswahl kann das Hochzeitspaar die dann herrschende Saison im Blick behalten und regionale Lebensmittel auf dem Buffet anbieten.

Ein ganz besonderer Hingucker ist es, wenn Omas altes Brautkleid noch im Schrank hängt und von einer kundigen Schneiderin zu einem neuen, modernen Kleid umgearbeitet werden kann.

2. Something new (Etwas Neues)

Natürlich sollte es auf einer nachhaltigen Hochzeit so wenig Wegwerfprodukte wie möglich geben. Wer jedoch auf Strohhalme und den Luftballonstart nicht verzichten möchte, kann sich zumindest um einen nachhaltigen Ersatz bemühen. Inzwischen gibt es viele ökologisch wertvolle Alternativen zu herkömmlichen Produkten, so zum Beispiel Luftballons aus Naturlatex. Überschüssige Glas- oder Stahlröhrchen kann das Brautpaar nach der Feier an die Gäste verschenken, welche sie dann zuhause weiterverwenden.

Beim Upcycling entsteht etwas ganz Neues aus einem ehemals alten Produkt: Teelichte leuchten in einem alten Marmeladenglas, das mit einer Buchseite aus einem ausrangierten Buch umwickelt ist. Vasen können aus Altglas, Konservendosen und sogar Tetrapacks gebastelt werden. Und aus zerknitterten Servietten aus Mutters Krims-Krams-Schublade lassen sich wunderschöne Blumengirlanden und Pompoms zaubern, die von der Decke baumeln. Sogar der Ehering lässt sich aus recyceltem Edelmetall fertigen.

3. Something borrowed (Etwas Geliehenes)

Hochzeitsdeko und Blumenschmuck, ja sogar Brautkleider kann man heutzutage leihen und nach der Feier problemlos zurückgeben. Gleiches gilt für Getränke, die Feiernde beim Getränkehändler auf Kommission erwerben können. Das spart Ressourcen und Geld.

Übrig gebliebenes Essen kann das Brautpaar zwar nicht zurückgeben, aber zumindest den Gästen mitgeben. Daher am Hochzeitstag an Verpackungsmaterial aus biologisch abbaubaren Materialien wie Papier oder Bienenwachstücher denken und auf die gute alte Alufolie beziehungsweise den Plastikgefrierbeutel nach Möglichkeit verzichten.

4. Something blue (Etwas Blaues)

Blau ist, wer auf der Hochzeit zu tief ins Glas geschaut hat. Auch beim Thema Getränkekonsum lässt sich auf Nachhaltigkeit achten: Wenn die Gäste mehrere Bier aus demselben Glas trinken, lassen sich Spülgänge einsparen. Statt Plastikflaschen lieber Glasflaschen kaufen und die Getränke immer in Gläsern, nie in Papp- oder gar Plastikbechern ausschenken. Das macht den ökologischen Fußabdruck gleich kleiner!

5. And a silver Sixpence in her shoe (Und ein Ein-Cent-Stück in ihrem Schuh)

Ganz von allein spart das Brautpaar bei einer nachhaltigen Hochzeit Geld. Den Blick sollte das Paar jedoch nicht darauf richten, worauf es bei einer nachhaltigen Hochzeit verzichten muss, sondern was es dadurch gewinnt: Die Kreativität wird angeregt beim Ausdenken upgecycelter Dekoelemente, das Essen ist lecker und dabei noch gesund, das Ambiente umso schöner. Und es bleibt sogar mehr Geld übrig für die Flitterwochen. Und immer dran denken: Worauf es bei einer Hochzeit wirklich ankommt, gibt es sowieso in keinem Laden der Welt zu kaufen!

Catharina Bihr lebt mit ihrem Mann in Stuttgart und arbeitet in der Erwachsenenbildung.

Bräutigam: „Wegen Corona steht meine Hochzeit auf der Kippe.“

Dass ich wie geplant am 28. März heiraten kann, ist wegen des Coronavirus unwahrscheinlich. Trotzdem will ich nicht verzweifeln.

Gut ein Jahr lang haben meine Verlobte und ich geplant, beraten und uns vor allem gefreut – auf den sogenannten „schönsten Tag unseres Lebens“, unsere Hochzeit. Aktuell stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Dass wir nicht in der geplanten Kirche feiern dürfen, steht seit heute fest. Ob die anschließende Feier stattfinden kann – wir wissen es nicht. Und beim Standesamt dürfen Trauzeugen und Eltern nicht anwesend sein. Denn Veranstaltungen jeglicher Größe sind wegen des Coronavirus in Nordrhein-Westfalen eigentlich untersagt.

Der Gedanke ans Verschieben ist schrecklich

Und, seien wir ehrlich: Das fühlt sich schrecklich an. Ich weiß, ich habe gut reden. Schließlich steht bei mir nicht mein Beruf auf der Kippe. Ich muss also nicht um meine Existenz bangen. Auch zähle ich nicht zur Risikogruppe. Es gibt also andere, denen geht es zurzeit deutlich schlechter. Trotzdem ist die aktuelle Hochzeitssituation extrem bedrückend. Dass die Eheringe eventuell neu graviert werden müssen, ist noch das kleinste Problem. Schwerwiegender sind Fragen wie: Kriegen wir das sonst ausgebuchte Wunschrestaurant überhaupt noch an einem anderen Termin? Können dann noch alle Gäste kommen? Wer bleibt schlussendlich auf den Kosten sitzen? Was ist überhaupt ein realistischer Termin, auf den wir umdisponieren können? … Kurzum: So haben wir uns diesen ganz besonderen Tag nicht vorgestellt.

Warum ich?

Und ich kann mich dessen nicht ganz erwehren: Zeitweise frage ich mich, warum gerade uns beiden so etwas passieren muss. Wieso muss die Krise gerade jetzt voll über Deutschland hineinbrechen? Wieso haben wir nicht einfach ein anderes Datum wählen können? Hätten weniger drastische Maßnahmen nicht vielleicht doch gereicht? Rational weiß ich, dass diese Gedanken nicht produktiv sind. Es hätte alles anders kommen können – ist es aber nicht. Deswegen will ich die aktuelle Situation viel lieber als eine gute Schule begreifen.

Nicht die Herrscher der Welt

Wir Menschen haben nicht die Macht über alles. Krisen wie die jetzige lassen mir das bewusst werden. Und das ist gut so. Es hilft mir, demütig zu sein. Wir sind eben nicht immer die Herrscher dieser Welt, es gibt Grenzen. Im Umkehrschluss heißt das: Ich kann für viele Dinge dankbar sein, weil sie eben keine Selbstverständlichkeit sind. Hochzeiten feiern zu können zum Beispiel. Unglücksmomente wie dieser sorgen dafür, dass Alltägliches mich wieder glücklich macht. Im kleinen kennt jeder das Gefühl, wenn beispielsweise der Schnupfen nach Wochen endlich nachlässt. Wie viel größer wird unsere Freude sein, wenn wir dann endlich als Paar vor den Traualtar treten dürfen? Das wird ein Geschenk sein, für das ich schon jetzt Dankbarkeit üben kann.

Alles dient dem Guten

Und auch darüber hinaus kann ich aus dieser Situation etwas lernen. Als Christ bin ich der festen Grundüberzeugung, dass alles dem Guten dient. Wieso also nicht auch der potenzielle Ausfall der Hochzeit? Vielleicht wäre der 28. März ein Regentag geworden. Vielleicht hätte sich jemand angesteckt und wäre ernsthaft krank geworden. Vielleicht … In meiner Vergangenheit durfte ich immer wieder erleben, dass auch aus schlechten Situationen etwas Gutes entstehen kann. Hätte mich meine vermeintliche Wunsch-Universität wegen eines formalen Fehlers im System nicht abgelehnt, hätte ich niemals meine heutige Verlobte kennen gelernt. Hätte ich den Job bekommen, den ich mir als Jugendlicher gewünscht habe, wäre ich heute nicht in einem Beruf, der mich erfüllt. „Die Wege des Herrn sind unergründlich“, heißt es so schön. Das durfte ich bisher immer wieder erleben. Wieso nicht auch bei meiner Hochzeit? Dieses positive Denken lerne ich jetzt – wenn auch ein wenig auf die harte Tour.

Der Nicht-Hochzeitstag

Den 28. März wollen meine Verlobte und ich im Zweifel übrigens zum Nicht-Hochzeitstag deklarieren. Wer sagt, dass man nicht auch den, sobald man wieder darf, feiern kann? Es ist ein schöner Gedanke, unseren Kindern Jahr für Jahr zu erzählen, wie ihre Eltern beinahe geheiratet hätten. Und es dann zum Glück so bald wie möglich nachgeholt haben.

„Gott, warum kippt Corona meine Hochzeit?“

Dass ich wie geplant am 28. März heiraten kann, ist unwahrscheinlich. Doch der Frust ist eine gute Übung für den Glauben.

Gut ein Jahr lang haben meine Verlobte und ich geplant, beraten und uns vor allem gefreut – auf den sogenannten „schönsten Tag unseres Lebens“, unsere Hochzeit. Aktuell stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Dass wir nicht in der geplanten Kirche feiern dürfen, ist spätestens ab heute quasi gesetzt. Ob die anschließende Feier stattfinden kann – wir wissen es nicht. Und beim Standesamt dürfen Trauzeugen und Eltern nicht anwesend sein. Denn Veranstaltungen jeglicher Größe sind wegen des Coronavirus in Nordrhein-Westfalen eigentlich untersagt.

Und, seien wir ehrlich: Das fühlt sich schrecklich an. Ich weiß, ich habe gut reden. Schließlich steht bei mir nicht mein Beruf auf der Kippe. Ich muss also nicht um meine Existenz bangen. Auch zähle ich nicht zur Risikogruppe. Es gibt also andere, denen geht es zurzeit deutlich schlechter. Trotzdem ist die aktuelle Hochzeitssituation extrem bedrückend. Dass die Eheringe eventuell neu graviert werden müssen, ist noch das kleinste Problem. Schwerwiegender sind Fragen wie: Kriegen wir das sonst ausgebuchte Wunschrestaurant überhaupt noch an einem anderen Termin? Können dann noch alle Gäste kommen? Wer bleibt schlussendlich auf den Kosten sitzen? Was ist überhaupt ein realistischer Termin, auf den wir umdisponieren können? … Kurzum: So haben wir uns diesen ganz besonderen Tag nicht vorgestellt.

Keine Strafe Gottes

Und ich kann mich dessen nicht ganz erwehren: In den dunkelsten Stunden keimt auch in mir der gänzlich alttestamentarische Gedanke auf, ob das alles nicht einfach eine ganz persönliche Strafe Gottes ist. Für was auch immer. Denn eigentlich sollte ihm doch daran gelegen sein, wenn ein Paar vor ihm den Bund fürs Leben schließen will. Die Frage: „Gott, warum lässt du zu, dass der Coronavirus meine Hochzeit gefährdet?“ kam mir mehr als einmal. Natürlich weiß ich, dass der Gedanke an zwingende Kausalität irrational ist. Deswegen will ich die aktuelle Situation viel mehr als eine gute Schule begreifen.

Uns kann beim Thema Hochzeit nur noch ein Wunder helfen. Und darin ist unser Gott schließlich Experte. Nach menschlichen Maßstäben ist es absolut unwahrscheinlich, dass wir Ende März 2020 heiraten werden. Nach göttlichen Maßstäben ist alles möglich. Solche vermeintlich ausweglosen Situationen sind perfekt dazu geeignet, sich dieses Ausgeliefertsein bewusst zu machen und im zweiten Schritt zu sagen: „Gott, ich lege es in deine Hand.“

Alles dient dem Guten

Und was, wenn Gott nicht eingreift? Schließlich ist er keine Wundermaschine: Gebet rein, Erfüllung raus. Auch dann kann ich aus dieser Situation etwas lernen. Als Christ bin ich der festen Grundüberzeugung, dass alles dem Guten dient. Wieso also nicht auch der potenzielle Ausfall der Hochzeit? Vielleicht wäre der 28. März ein Regentag geworden. Vielleicht hätte sich jemand angesteckt und wäre ernsthaft krank geworden. Vielleicht … Gott wird wissen, was er tut. Es ist leicht, das in guten Zeiten zu sagen. Und es lässt einen wachsen, das in schlechten Zeiten anzunehmen. Das darf ich jetzt lernen – ein wenig auf die harte Tour.

Nathanael Ullmann ist Volontär in der Online-Redaktion des SCM Bundes-Verlags und mitverantwortlich für die Nachrichten auf Jesus.de.

Silberkrönchen auf Föhnfrisur

Warum Christian Rommert und seine Frau nach Irland fliehen.

Sie hat es gesagt. Das böse Wort! Silberhochzeit! Ich habe den Gedanken daran verdrängt, vermieden, ignoriert. Bisher! „In einem Jahr ist es soweit!“, sagt die Frau, die ich liebe, „Wir sind 25 Jahre verheiratet.“ 25 Jahre! Echt jetzt?

EIN TRAUM VON EINEM FEST

Ich sehe mich bei der Feier unserer Silberhochzeit im Anzug am Kopf einer Festtafel sitzen. Neben mir meine Frau mit Silberkrönchen auf einer frischgeföhnten Frisur. Mein Bruder hat ein wenig Programm vorbereitet. Die Kinder tragen Flötenstücke vor. Es gibt ein Gedicht von den Jüngsten. Sie haben auch eine Präsentation zusammengestellt. Peinliche Bilder von einem viel zu jungen Bräutigam. Was macht diese bildschöne Frau nur mit solch einem Typen? Bilder vom Studium. Bilder von unserer Zeit in Hamburg, Elstal und Bochum. Die Geburten der Kinder. Ausflüge und Reisen. Die Präsentation ist sehr lang. In 25 Jahren ist ja auch viel passiert. Zwischen den Folien singen wir gemeinsam Lieder. Mein Bruder hat eine Vorliebe für Paul Gerhardt. Und Paul Gerhardt hat eine Vorliebe für sehr lange Lieder. Unser Pastor hält eine Andacht. Zu unserem Trauvers. Er stammt aus einem sehr langen Psalm. Ich sehe mich im zu engen Anzug am Kopf der Tafel sitzen. Neben mir sitzt die Frau, die ich liebe, mit Silberkrönchen. Wir sind hungrig und verschwitzt. Vor uns steht eine Torte. Auf ihr ein Silberpaar und eine 25.

Kreidebleich falle ich aus dem Tagtraum. „Das müssen wir irgendwie verhindern!“, stöhne ich. Die Frau, die ich liebe, schaut irritiert. „Was? Die Silberhochzeit?“, fragt sie und fügt an: „Willst du dich trennen, oder was?“ Ich denke: „Wenn das der einzige Weg ist, das Fest mit Torte, Silberkrönchen und Paul Gerhardt zu umgehen, dann: Ja!“ Ich sage: „Nein, Quatsch! Ich lieb‘ dich doch! Aber es muss einen Weg geben, kein peinliches und verkrampftes Fest daraus zu machen!“ „Keine Lust auf Paul Gerhardt?“, fragt sie verschmitzt. „Kein Familienalbum, keine Präsentation mit dem Best-of der letzten 25 Jahre!“, antworte ich bestimmt. „Und was ist mit einem Silberkrönchen?“, will sie wissen. „Kein Silberkrönchen!“, da bleibe ich kompromisslos. „Keine aufwendige Föhnfrisur“. Wie immer hat meine Frau eine gute Idee: „Wie wäre es, wenn wir uns einen lang gehegten Traum erfüllen?“ Sollen unsere Kinder die Vogelhochzeit für uns umdichten und aufführen, frage ich mich und sage: „Fideralala?“

WHISKEY MIT FLÖTENMUSIK

„Wie wäre es, wenn wir nach Irland fahren?“ Irland? Ich bin sofort Feuer und Flamme. Dort gibt es Whiskey. Und das Land ist einsam. Und wenn lange Lieder gesungen werden, dann sind die lustig. Und die Musik klingt schön – obwohl jemand Flöte spielt. Gibt es die Vogelhochzeit eigentlich auch auf Englisch? Ich glaube nicht! Sofort schreibe ich eine E-Mail. Ich habe Freunde mit irischen Vorfahren. Sie haben ein Haus an der Küste, das sie Bekannten zur Verfügung stellen. Das Haus ist so weit im Nirgendwo, da gibt es keine Anzüge und keine Silberkrönchen.

Noch am selben Tag erhalte ich die Antwort: das Haus ist frei und für einen Freundschaftspreis zu mieten. Ich buche direkt und es steht fest: Wir fliehen! Hiermit gebe ich offiziell bekannt: Anlässlich unserer Silberhochzeit hauen wir ab. Das wird wunderbar! Und wenn unser Pastor mitkommen will, dann kann er das. Unser Trauspruch lautet: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen!“ Davon gibt es ja jede Menge in Irland. Vielleicht machen wir gemeinsam einfach ein paar praktische Übungen?

Christian Rommert ist Autor, Redner und Berater und Fan des VfL Bochum. Er ist verheiratet mit Katrin und Vater von drei erwachsenen Kindern. Regelmäßig spricht er das Wort zum Sonntag in der ARD.
Foto: Wolfgang Wedel

Reife Entscheidung

„Unsere Tochter (23) ist erst seit einem halben Jahr mit ihrem Freund zusammen. Jetzt sprechen sie schon vom Heiraten. Wir meinen, dass sie sich noch Zeit lassen sollten. Wie können wir es ihr oder ihnen vermitteln?“

Als mein 16-jähriger Neffe im Brustton der Überzeugung verkündete, er habe die Frau seines Lebens gefunden, musste ich innerlich schmunzeln. Wer würde nicht skeptisch reagieren, wenn junge Menschen in der Phase des Verliebtseins ans Heiraten denken? Insofern kann ich Ihre Sorge gut verstehen. Ganz egal, ob die Kinder noch in der Pubertät stecken oder mit 23 Jahren eigentlich im besten Alter sind, einen Partner zu finden. J a, es stimmt: D ie Liebe braucht Zeit und muss sich im Alltag bewähren. Allerdings – in meiner Praxis als Therapeutin erlebe ich es oft genau umgekehrt: Junge Menschen haben große Selbstzweifel, ob sie je in der Lage sein werden, sich zu binden. Sie haben die Ausbildung mit Bravour abgeschlossen, machen Karriere und fragen sich ernsthaft, ob sie mit Mitte dreißig überhaupt schon die nötige Reife besitzen, sich auf einen anderen Menschen einzulassen. Insofern freue ich mich, wenn junge Menschen damit offensichtlich kein Problem haben und beizeiten mit dem Partner an einer gemeinsamen Zukunft bauen.

UNERFÜLLTE WÜNSCHE?
Natürlich sollte eine Eheschließung gut überlegt sein. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Punkt den Kern Ihrer Zweifel ausmacht. Sie wünschen sich für Ihre Tochter, dass sie in dieser Frage eine reife Entscheidung trifft. Eine Entscheidung, die nicht durch den Filter der rosaroten Brille gefällt wird. Diesen Aspekt können Sie ohne Probleme in einem offenen Gespräch zu bedenken geben. Aber dann sind Sie gut beraten, sich mit Ratschlägen zurückzuhalten. Aber bevor wir als Eltern irgendwelche Bedenken zum Ausdruck bringen, sollten wir uns erst einmal fragen, was uns so skeptisch macht. Sind es die Vorstellungen für das Leben unserer Kinder, die wir in Gefahr sehen? Oder die eigenen unerfüllten Wünsche, die uns umtreiben? Haben wir selbst das Gefühl, uns zu früh oder zu schnell gebunden zu haben? Wie zufrieden sind wir mit der Wahl des Partners? Oder haben wir die Sorge, dass die eigenen Kinder noch nicht die nötige Reife besitzen, eine derart existenzielle Entscheidung zu treffen?

AUF AUGENHÖHE
Gehen Sie offen in das Gespräch und zeigen Sie Interesse. Lassen Sie ihre Tochter erzählen: Was gefällt ihr an ihrem Partner? Wie stellen sie sich die gemeinsame Zukunft vor? Was macht Ihre Tochter so sicher, dass er der Richtige ist? Und auf was müssten beide verzichten, wenn sie sich noch ein bisschen Zeit lassen? Schön, wenn unsere Kinder als Erwachsene, unseren Rat suchen, aber halten Sie sich mit Ratschlägen zurück. Stellen Sie offene Fragen und bleiben Sie mit dem jungen Paar auf Augenhöhe. Und übrigens: Ich war 23 Jahre alt, als ich meinen Mann geheiratet habe. Das war vor 31 Jahren. Der Gedanke, Friedhelm könnte der Mann fürs Leben sein, ist auch bei mir nach kurzer Zeit gereift. Und was soll ich sagen: Es hat funktioniert!

 

Christina Rosemann ist systemische Familientherapeutin und Supervisorin in eigener Praxis und lebt in Lüdenscheid. www.christina-rosemann.de

Papas liebstes Kind

Ich fahre leidenschaftlich gern Auto. Es ist für mich ein Gebrauchsgegenstand und Arbeitsgerät. Mein Auto passt zu mir, und seit einem ADAC-Sicherheitstraining ist es auch ein richtiger Spaßfaktor. Ja, es ist auch ein Kostenfaktor, aber man kann halt nicht alles haben. Mein Auto ist mir auch Lehrmeister und Metapher für mein Vatersein.

Beim Sicherheitstraining habe ich Bremsen und Kurvenfahren gelernt. Jetzt mache ich ohne Scheu bei Regen und Gefahr eine Vollbremsung und freue mich, wenn ich die Autobahnabfahrt mit einem Schnitt von 100 schaffe. Frauen, die das lesen, halten mich für verantwortungslos. Ich meine aber, jede Heirat ist wie eine Vollbremsung bei Regen, und jedes geborene Kind ist wie eine Kurvenfahrt mit 100. Du musst Nerven wie Stahlseile haben, das Steuer fest in der Hand behalten und dich langsam auf die neue Situation einstellen. Ich war bei unserer Hochzeit 26 und eingefleischter Junggeselle. Da war schon manche Vollbremsung nötig, damit der Ehewagen nicht an die Wand fuhr.

Ich lerne von meinem Auto auch, dass es nicht gut ist, immer nur Vollgas zu fahren. Man kommt zwar schnell zum Ziel, aber der Preis ist hoch. Schnelle Väter trimmen ihre Kinder auf das Ziel und verpassen, was alles auf dem Weg geschieht. Wer immer nur den kürzesten Weg nimmt, entdeckt nichts Neues. Was für ein Schatz ist es, wenn du mit deinem Kind unterwegs bist. Du kannst an der Hand eines Kindes zum Beispiel die Langsamkeit entdecken. Jeder Spaziergang wird zur kostenlosen Survivaltour und zum erlebnispädagogischen Entschleunigungsseminar. Ich habe es in der Elternzeit gelernt. Leider erst nach Überlastungssymptomen und einer Auszeit bei der Geburt unserer fünften Tochter, aber es war nicht zu spät und prägt meine Lebenshaltung bis heute.

Und dann das Tanken. Du musst anhalten und neuen Kraftstoff tanken. Ich liebe den Diesel als Bild für die Vaterschaft. Diesel ist flüssig, und Vaterschaft muss auch flüssig sein. Vatersein ist keine Aufgabe, die du erledigen musst, um dich dann anderen Dingen widmen zu können. Es ist ein Aggregatzustand, in dem du lebst. Nicht hart wie ein Klotz. Nicht gasförmig, sprich überall präsent, aber nicht zu greifen. Nein, Väter sind flüssig, weil sie tragen, in die Weite führen und weil sie guten Antrieb geben. Und das machen sie gut und anders als Mütter.

Und sie machen es anders als andere Väter. Das lehrt mich der Straßenverkehr auch. Ich fahre gelassen 120, weil ich es so will. Andere fahren anders. Ich kann auch anders, aber ich will es nicht immer. Hier macht mir mein Auto Mut, Vaterschaft so zu leben, wie ich es für gut halte, auch wenn andere, ja, selbst meine Frau, es oft anders sehen. Ich bin kein Sturkopf, wie die 130-Linksfahrer, aber ich lass mich auch nicht verrückt machen von jeder neuen Welle und den vielen neuen Möglichkeiten. Ich möchte vor Gott und meiner Frau den Fahrstil meines Lebens vertreten können.

Du fragst dich vielleicht, warum ich nichts über Unfälle geschrieben habe. Weil ich es nicht wollte. Und was willst du?

Gottfried Muntschick ist Generalsekretär im CVJM Sachsen-Anhalt und Referent im Bereich Männer- und Familienarbeit.