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„Mein Kind will nicht in die Kita“ – Diese Fragen sollten Sie unbedingt stellen

„Meine Tochter (5) ist immer gern in den Kindergarten gegangen. Aber nun weigert sie sich, sich morgens fertig zu machen. Was kann ich tun?“

Erst einmal ist es erfreulich, dass Ihre Tochter bisher immer gern in den Kindergarten gegangen ist. Das spricht dafür, dass sie sich dort grundsätzlich wohlfühlt. Nun gilt es herauszufinden, ob es Veränderungen gab, die ihre plötzliche Verweigerung erklären könnten. Gab es eventuell einen Personalwechsel? Treten Konflikte zwischen Ihrer Tochter und anderen Kindern auf? Gibt es Veränderungen im Tagesablauf oder in der Gruppenzusammensetzung? Am besten sprechen Sie darüber offen mit den Erzieherinnen und mit Ihrer Tochter.

FRAGEN SIE UNAUFFÄLLIG NACH

Suchen Sie einen ruhigen Zeitpunkt, an dem Sie es sich mit Ihrer Tochter gemütlich machen und sie behutsam fragen, warum sie auf einmal nicht mehr gern in den Kindergarten gehen mag. Wenn Ihre Tochter nicht antworten möchte oder den Grund selbst nicht benennen kann, kann es helfen, Beispiele zu nennen, etwa: „Manchmal kommt es vor, dass Kinder nicht mehr gern zum Kindergarten gehen, weil jemand sie ärgert oder weil sich etwas verändert hat, zum Beispiel bei den Erzieherinnen. Kennst du so etwas?“ Sie können auch immer mal wieder unauffällig Fragen stellen wie „Mit wem hast du denn heute gespielt?“ oder „Welche Erzieherinnen waren heute da?“ oder „War alles gut oder gab es heute Streit oder war jemand gemein?“.

BEARBEITEN SIE TRENNUNGSÄNGSTE

Nicht selten entstehen phasenweise Trennungsängste, die den Abschied erschweren. Überlegen Sie, wenn sich kein anderer Grund finden lässt, gemeinsam mit Ihrer Tochter, was ihr helfen könnte – vielleicht ein Kuscheltier-Begleiter oder etwas, das sie an Mama erinnert (zum Beispiel ein Tuch oder ein Mut-Stein)? Tolle Tipps dazu gibt es auch in dem Buch „Fremdeln-Klammern-Trennungsangst“ von Elizabeth Pantley.

SPRECHEN SIE OFFEN ÜBER SEXUALITÄT UND GEWALT

Obwohl es ein schwieriges Thema ist, sollte man immer wachsam sein in Bezug auf mögliche sexuelle oder aggressive Übergriffe, die auch Grund dafür sein können, dass ein Kind plötzlich nicht mehr in den Kindergarten gehen möchte. Achten Sie sehr genau auf mögliche Verletzungen und fragen Sie vorsichtig: „Manchmal möchten Kinder auch nicht mehr zum Kindergarten, weil dort jemand etwas machen will, das sie nicht wollen. Zum Beispiel irgendwo anfassen, weh tun oder Fotos machen. Hast du das schon mal erlebt?“ Auch Kinderbücher helfen, über dieses Thema ins Gespräch zu kommen und Kinder grundsätzlich zu stärken (Mein Tipp: „Mein Körper gehört mir“ von Dagmar Geisler). Bei Unsicherheiten berät auch unverbindlich und kostenlos der Kinderschutzbund.

HOSPITIEREN SIE IN IHREM KINDERGARTEN

Sollten Sie auf diesem Weg nicht weiterkommen, wäre eine weitere Option, mal einen Tag im Kindergarten zu hospitieren. Sprechen Sie das vorher mit dem Kindergarten ab, mit der Begründung, herausfinden zu wollen, wie Sie Ihrer Tochter helfen können, sich wieder wohler zu fühlen. Erklären Sie Ihrer Tochter, dass Sie heute mal ausnahmsweise zu Besuch kommen dürfen, damit Sie nicht erwartet, dass das nun immer so läuft.

Melanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin, Mutter von zwei Kindern und als freie Autorin und Elternberaterin auf elternleben.de und neuewege.me unterwegs. Illustration: Sabrina Müller

„Kinder haben ein Recht auf eigene Gottesbilder“

Am letzten Wochenende war ich bei einem Fachtag zum Kinderschutz. Er stand unter dem Motto „Kindern auf Augenhöhe begegnen“. Im Wesentlichen ging es um Kinderschutz in der Gemeinde, speziell auch in der Kinder- und Jugendarbeit, aber auch für Eltern gab es viele wertvolle Impulse. Denn Kinderschutz geschieht nicht nur, indem eine Gemeinde Schutzmaßnahmen ergreift und Schulungen abhält, sondern vor allem, wenn Kinder die Chance haben, sich zu starken Persönlichkeiten zu entwickeln.

Torsten Hebel, Leiter und Gründer der blu:boks in Berlin, die mit Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Gebieten arbeitet, betonte in seinem Vortrag zu Beginn des Fachtags, wie wichtig es ist, was Kindern in der Gemeinde und auch zu Hause bezüglich Gott und Glaube vermittelt wird. „Wir stellen uns ja nicht vor unsere Kinder und sagen: ‚Also so ganz grundsätzlich gesehen bist du scheiße'“, formulierte er sehr plakativ. Ähnliches geschehe aber nicht selten bei der Glaubensvermittlung, wenn den Kindern gesagt werde, dass der Mensch grundsätzlich sündhaft und böse sei. „Theologisch ist es richtig zu sagen: ‚Wir sind Sünder‘, aber das hat nichts bei den Kindern verloren“, betonte Torsten Hebel. „Das Kind braucht bedingungslose Zuwendung: ‚Du bist geliebt, egal wer und wie du bist!‘ Wir dürfen kein defizitäres Bild vom Kind haben.“ Aufgabe von Eltern und Mitarbeitenden sei es, Kindern liebevoll, wertschätzend und auf Augenhöhe zu begegnen.

Am Nachmittag wurden zahlreiche Workshops angeboten, um die verschiedenen Aspekte des Themas Kinderschutz zu vertiefen. Es ging um Kinderschutzkonzepte, um den Umgang mit Kindeswohlgefährdung und Missbrauchserfahrungen und um Schritte zu einer sicheren Gemeinde. In weiteren Workshops tauschten sich Eltern und Mitarbeitende über Erziehungsfragen aus oder bekamen Einblick in Konzepte der Arbeit mit Kindern.

In einem Workshop von Bastian Erdmann, Landesjugendpastor im Gemeindejugendwerk Norddeutschland, ging es um die Frage, wie Kinder Gott anschauen und wie sich Gottesbilder verändern. „Theologie mit Kindern bedeutet nicht, ihnen meine Wahrheit zu vermitteln“, betonte Erdmann. „Kinder haben ein Recht auf eigene Gottesbilder.“ Dabei definierte er ein Gottesbild als eine persönliche theologische Momentaufnahme – im Gegensatz zu einem festen Konstrukt, auf das sich das Bilderverbot in der Bibel beziehe. Anhand konkreter Beispiele zeigte Bastian Erdmann, wie sich das Gottesbild von Kindern in den verschiedenen Entwicklungsphasen verändert. „Auch Erwachsene müssen ihre Gottesbilder an ihre jeweilige Lebenssituation anpassen“, forderte er.

Ein weiterer Workshop trug den schönen Titel „Fröhlich und gelassen als Eltern scheitern“. Dagmar Lohan, Referentin im Fachbereich Familie und Generationen des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, lud die TeilnehmerInnen dazu ein, sich unter anderem darüber auszutauschen, wie Eltern Ermutigung erfahren. Dabei wurde deutlich, dass das Eingeständnis des eigenen Scheiterns für andere Eltern sehr ermutigend sein kann. Gerade in einer Zeit, in der immer höhere Ansprüche an Eltern gestellt werden – von der Umwelt ebenso wie von sich selbst. „Erziehung ist anstrengender geworden, weil sie von anderen bewertet wird“, erläuterte Dagmar Lohan. Die Elternschaft sei zu einem besonderen Projekt geworden, das gelingen müsse. Hilfe und Ermutigung gebe es für Eltern auch in der Bibel. Dort werde häufig von Menschen erzählt, die mit Gott unterwegs waren, aber trotzdem scheiterten. Die Bibel habe kein Interesse daran, ein ideales Bild von Familie zu beschreiben. Sie beschreibt, was war. Deshalb gebe es in der Bibel auch kaum etwas zu Erziehungsfragen. Aber es gebe durchaus grundlegende Gedanken, die sich auch auf die Erziehung und das Familienleben beziehen lassen. Beispielsweise, dass jeder Mensch einzigartig sei. Dass kein Mensch allein sein soll. Dass alle Menschen gleich sind. Dass Menschen – auch Eltern – aus der Gnade leben. Und dass sich Menschen – und damit auch Eltern und Kinder – gegenseitig Respekt erweisen sollen.

Am Ende des Tages waren wohl alle Besucher des Fachtags angefüllt mit vielen guten, oft auch herausfordernden Gedanken. Bei der Abschlussveranstaltung kamen Jason Querner und Andreas Schlüter zu Wort, die sich in ihrem jeweiligen Gemeindebund für das Thema „Sichere Gemeinde“ stark machen. Beide waren sich einig, dass in diesem Bereich noch viel zu tun sei. Viele Gemeinden hätten sich noch nicht mit Fragen des Kinderschutzes beschäftigt, manche seien auch gar nicht bereit dazu – aus Sorge, dass etwas ans Licht kommen könne, das man lieber nicht sehen wolle. Hier sind wir Eltern gefragt: Wir sollten uns dafür einsetzen, dass sich unsere Kirchengemeinde mit dieser Thematik auseinandersetzt – auch wenn sie durchaus unbequem ist!

Bettina Wendland, Redakteurin bei Family und FamilyNEXT

Der Fachtag zum Kinderschutz war eine gemeinsame Veranstaltung des Fachkreises „Sichere Gemeinde“ im Gemeindejugendwerk des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, der FeG Junge Generation im Bund Freier evangelischer Gemeinden und des Kinder- und Jugendwerks der Evangelisch-methodistischen Kirche Süd. Er fand in Bochum statt.

„Grenzen werden akzeptiert!“

Katrin und Christian Rommert machen sich für den Kinderschutz stark. Im Interview erklären sie, was Eltern tun können, damit ihre Kinder weder Opfer noch Täter werden.

Wie kann ich mein Kind vor sexuellem Missbrauch schützen?

Christian Rommert: Das Wichtigste ist, eine Beziehung und echte Bindung zum Kind zu haben. Nur so gelingt offene Kommunikation. Und nur so wird sich das Kind im Fall des Falles öffnen und signalisieren: Da ist was komisch, da ist was, was ich nicht mag.
Katrin Rommert: Ich finde es wichtig, Kinder zu stärken und mit ihnen über ihre Gefühle zu reden – über gute und schlechte Gefühle.
CR: Wichtig ist uns auch der Umgang mit Grenzen. Kinder lernen in erster Linie durch das Vorbild der Eltern. Werden bei uns Grenzen geachtet? Darf ein Kind Grenzen setzen? Uns ist wichtig, dass Kinder lernen: Grenzen werden akzeptiert – auch von den Erwachsenen. Wir klopfen bei uns zum Beispiel alle in der Wohnung an die Tür und fragen: Kann ich reinkommen? Nur, wenn drinnen jemand Ja ruft, betreten wir das Kinderzimmer.
KR: Grenzen zu setzen bedeutet zum Beispiel auch, ernst zu nehmen, wenn Kinder das Küsschen von Oma oder Opa nicht mögen. Dann ist es wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass das okay ist. Und den Großeltern zu sagen: „Die Kinder wollen das nicht, können wir da einen anderen Umgang finden?“ Dadurch merken Kinder, dass sie ernst genommen werden.
CR: Und sie spüren: Auch ein Erwachsener darf nicht alles. Meine Meinung zählt etwas! Das ist entscheidend.

Muss ich mit meinem Kind vorbeugend über sexuellen Missbrauch sprechen?

KR: Wenn es sich natürlich ergibt, kann ich das machen. Manchmal gibt es einen Anlass. Kinder schnappen etwas auf oder es kommt ein Bericht im Fernsehen … Dann ist ein guter Zeitpunkt, darüber zu reden. Aber ich würde einem Kind nie sagen: Komm, jetzt setzen wir uns hin, ich will dir mal was erzählen. Ein Kind zeigt, wenn es Interesse an dem Thema hat.
CR: Ich glaube auch, dass die Initiative vom Kind ausgehen muss. Aber ich kann initiativ werden bei Themen wie Grenzen setzen, Nein sagen, gute und schlechte Geheimnisse.

Man weist Kinder darauf hin, dass sie nicht zu fremden Leuten ins Auto steigen sollen. Aber der meiste Missbrauch passiert ja mit vertrauten Personen. Wie kann ich das verhindern?

KR: Wenn das Verhältnis zwischen Eltern und Kind in Ordnung ist, wenn das Kind weiß, es kann zu Mama oder Papa gehen und über schlechte Gefühle reden, dann wird ein Kind auch sagen: Ich möchte nicht mehr zum Fußballtraining. Oder: Ich will nicht mehr zum Musiklehrer. Dann kann man als Elternteil nachfragen: Warum denn nicht? So findet man heraus, dass da vielleicht wirklich etwas schräg läuft.
CR: Wenn das Kind bei mir gelernt hat, dass Grenzen okay sind und es auch Nein sagen kann, wird es auch Nein sagen, wenn sich ihm ein anderer Mensch auf intime Art nähert. Die wenigsten Missbrauchsfälle passieren von Null auf Hundert sofort. Meist wird eine missbräuchliche Beziehung langsam aufgebaut. Es wird angetestet, wie das Kind und das Umfeld reagieren. Wenn ein Kind zu Hause einen gesunden Umgang mit Grenzen gelernt und eine gute Beziehung zu den Eltern hat, wird es irgendetwas signalisieren. Dann gilt es, dies wahrzunehmen.

Welche Anzeichen gibt es denn?

CR: Plötzliche, seltsame Verhaltensänderungen. Plötzliches Einnässen, plötzliches Verstummen. Das muss kein Hinweis auf Missbrauch sein, es gibt tausend andere Ursachen. Aber es kann ein Hinweis sein. Wenn es dann auch noch zum Beispiel einen neuen Nachhilfelehrer gibt, wäre ich alarmiert. Das Kind sagt vielleicht: „Ich will nicht mit dem nach oben, um meine Nachhilfe zu machen, ich will hier bleiben bei dir.“
KR: Bei älteren Kindern und Teenagern ist selbstverletzendes Verhalten oft ein Anzeichen.
CR: Oder Vernachlässigung des Körpers. Sich nicht zu waschen ist eine typische Reaktion, um den Täter von sich fern zu halten.

Kann man potenzielle Täter erkennen?

KR: Das eigene Bauchgefühl ist immer ganz gut. Manchmal hat man bei Leuten ja ein komisches Gefühl. Da muss man überlegen: Warum habe ich dieses Gefühl? Und sich Rückversicherung bei anderen holen.
CR: Täter gibt es in allen Bildungsschichten. Es sind zwar mehr Männer, aber auch Frauen. Mein Bauchgefühl springt bei diesen Machtgeschichten an: Wo nehme ich wahr, dass jemand Grenzen übertritt? Probiert, durch seine Worte zu verführen? Wenn ich in eine Gruppe komme und alle hängen einer Person an den Lippen und keiner sieht, dass die Person regelmäßig Grenzen überschreitet – körperlich oder verbal, dann werde ich misstrauisch. Wenn ich wahrnehme, dass Leute vor einem Mitarbeiter kuschen, dass sie sich nicht trauen, offen zu reden, weil er auch so etwas wie ein Heiliger, ein Unanfechtbarer ist. Dieser schräge Umgang mit Macht ist ein Kennzeichen von Tätern. Wobei das natürlich nicht heißt, dass jeder, der mit Macht komisch umgeht, auch ein Täter ist.

Was kann ich tun, damit mein Kind später nicht selbst irgendwann zum Täter wird?

KR: Auch hier geht es wieder um Grenzen: Wenn eigene Grenzen gewahrt werden und diese einem bewusst sind, dann weiß man auch, wo der andere ein Signal sendet, dass das eine Grenze für ihn ist. Wenn man das früh einübt, kann man das als Teenager und Erwachsener auch.
CR: Wir als Väter haben eine hohe Verantwortung. Ich bin immer mehr sensibilisiert worden, was wir unter Männern manchmal für einen Mist reden. Ich will weiter an mir arbeiten und Alltagssexismus aufdecken. Es gibt viele Sachen, bei denen ich mich frage: Bin ich grenzüberschreitend? Stärke ich ein System, das Frauen strukturell benachteiligt? Und lebe das auch meinem Sohn vor? Ich habe mir angewöhnt, geschlechtergerechter zu sprechen. Ich habe das lange Zeit für Blödsinn gehalten. Inzwischen bin ich da sensibel und versuche das zu ändern. Durch mein Rollenvorbild habe ich meinen Sohn hoffentlich zu einem besseren Mann gemacht, als ich gestartet bin.

 

Katrin Rommert arbeitet als Erzieherin in einem Kindergarten, Christian Rommert ist als Redner, Autor und Berater tätig. Sie leben mit ihren drei Kindern in Bochum. Das Interview führte Bettina Wendland.

 

Buchtipp
Christian Rommert: Trügerische Sicherheit. Wie wir Kinder vor sexueller Gewalt in Gemeinden schützen (SCM R. Brockhaus)
Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800-2255 530
hilfeportal-missbrauch.de