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Wie stille ich richtig ab?

„Meine Tochter (10 Monate) ist mein drittes und wahrscheinlich letztes Kind. Ich überlege, sie bald abzustillen. Aber es fällt mir schwer, weil es dann ein endgültiger Abschied vom Stillen sein wird. Wie finde ich für mich und mein Kind den richtigen Zeitpunkt?“

Ich verstehe die Frage gut, denn mir ging es ganz ähnlich: Ich habe beim Stillen immer wieder diesen exklusiven Moment und die körperliche Verbindung mit dem Kind zelebriert! Diese Momente erinnern uns an die Symbiose, die wir mit unserem Kind hatten, als es noch in unserem Bauch war. Mir hat es geholfen, mir bewusst zu machen: Diese besondere Verbindung zu unserem Kind ist immer da. Auch wenn sie nach dem Abstillen nicht mehr unmittelbar sichtbar ist.

INNERE KLARHEIT

Die aus meiner Sicht wichtigste Grundvoraussetzung für das Abstillen ist die innere Klarheit, dass Sie wirklich abstillen wollen – egal, wie alt Ihr Kind ist und was Ihr Umfeld darüber denkt. Deshalb ist es sinnvoll, sich zunächst bewusst zu machen, warum man abstillen möchte. Vielleicht haben Sie eigentlich noch Lust und Ihre Tochter auch, nur mehren sich langsam die Anfragen von außen, wie lange Sie sie denn noch stillen wollen. Das führt in Ihnen möglicherweise zu einer inneren Ambivalenz und könnte das Abstillen erschweren. In diesem Fall würde ich Ihnen empfehlen, sich mit anderen Müttern zu vernetzen, denen es ähnlich geht.

Vielleicht wollen Sie mehr Freiraum für sich haben und erlauben sich diesen Gedanken noch nicht so richtig. Vielleicht haben Sie zu Beginn der Stillzeit gedacht, dass Sie in Einvernehmen mit Ihrem Kind abstillen werden, und nun dauert es Ihnen doch zu lange. Ich möchte Sie ermutigen, dieses Gefühl anzunehmen und als natürlichen Teil des Abstillprozesses zu verstehen. Diese Unlust kann ein Zeichen sein, dass für Sie tatsächlich der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um abzustillen.

Was auch Ihre Gründe sein mögen: Erlauben Sie sich, diesen Prozess in Ihrem Tempo zu durchlaufen, und nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, um sich darüber klar zu werden.

DER RICHTIGE ZEITPUNKT

Das natürliche Abstillalter für Kinder liegt zwischen zwei und sieben Jahren. Natürlich gibt es auch Kinder, die sich zu einem früheren Zeitpunkt selbst abstillen. Fakt ist: Falls Sie wirklich nicht mehr wollen, müssen Sie die Entscheidung für sich treffen. Wie Ihr Kind mit dem Abstillen klarkommt, hängt von Ihrer Klarheit und Begleitung ab.

Wenn für Sie klar ist, dass Sie abstillen wollen, habe ich noch einige Ideen, wie Sie den Abstillprozess begleiten können:

• Erzählen Sie Ihrem Kind von Ihrer Entscheidung und auch von Ihren Gefühlen. Lassen Sie beim Stillen die Tränen laufen, wenn sie kommen. Schreiben Sie einen Abschiedsbrief an das Stillen. Bitten Sie Ihren Mann, Sie ein letztes Mal beim Stillen zu fotografieren.

• Bieten Sie Ihrem Kind andere Beruhigungsalternativen an, wie Kuscheln oder einen Beruhigungssauger.

• Zelebrieren Sie die letzten Male, die Sie stillen. Sagen Sie Ihrem Kind, dass nun der Zeitpunkt des letzten Stillens gekommen ist, und stillen Sie dann bewusst ein letztes Mal.

Isabelle Bartels ist Pädagogin und familylab-Familienberaterin, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ostwestfalen und bloggt unter www.isabellebartels.com. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Psychologin: Diese Kindheitserfahrung beeinflusst unsere Beziehungen heute

Fehlende Sicherheit als Kind sorgt dafür, dass wir als Paare anders streiten. Doch das kann durchbrochen werden, sagt Monika Ringleb.

Rums! Krachend fällt die Haustür hinter Marcus ins Schloss. Susanne, die zurückbleibt, lässt den Tränen freien Lauf, die sich in der heftigen Diskussion angestaut haben. Sie ist stocksauer auf ihren Mann, der sie einfach nicht zu verstehen scheint. Warum sieht Marcus nicht, wie schlecht es ihr damit geht, dass er immer wieder so spät von der Arbeit kommt? Dass sie sich alleingelassen fühlt mit den Kindern und der Alltagsorganisation? Sie hat es ihm schon so oft gesagt, doch ihre verzweifelte Botschaft, dass sie sich von ihm im Stich gelassen fühlt, scheint nicht zu Marcus durchzudringen.

Szenenwechsel zu Marcus: Er sitzt im Auto und fährt ziellos durch die Gegend. Sein Puls beruhigt sich nur langsam. Warum muss Susanne ihm immer wieder Vorwürfe machen? Warum sieht sie seine Bemühungen nicht, ihr ein guter Partner zu sein? Er tut doch so viel für sie! Da ist es wieder, dieses hochbelastende Gefühl, Susanne nicht zu genügen. Der Druck ist wieder so unerträglich, dass er rausmusste, einfach nur weg von ihren Vorwürfen. Warum schafft er es nicht, die Frau, die er liebt, glücklich zu machen? Minderwertigkeitsgefühle und Scham überfluten ihn.

Ohnmächtig im Streit

Susanne und Marcus sind ein fiktives Paar, aber Paare wie die beiden begegnen mir immer wieder: Obwohl sie sich um eine gute Kommunikation bemühen und Strategien aus Paar-Ratgebern befolgen, finden sie einfach keine Lösung für den ständigen zehrenden Streit. Sie fühlen sich der zerstörerischen Macht des Konflikts ohnmächtig ausgeliefert, obwohl sie in anderen Lebensbereichen und Beziehungen gut zurechtkommen. Vor allem, wenn ein Partner oder sogar beide in vergangenen Beziehungen Traumatisierungen erlebt haben, ist die Gefahr groß.

Warum ist es für betroffene Paare so schwer, aus dem Streitmuster auszubrechen? Weil sie oft in einer unsicheren Bindung feststecken. Um zu verstehen, was das bedeutet, werfen wir einen kurzen Blick in die Bindungstheorie: Babys sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern feinfühlig erspüren, was ihnen fehlt, da sie sich selbst nicht anders als über ihre Stimme oder Körperbewegungen äußern können. Wenn Eltern in ausreichendem Maße in der Lage sind, die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse ihres Babys sensibel wahrzunehmen und sie zu erfüllen, kann das Kind das Vertrauen entwickeln, dass andere Menschen verlässlich sind. Psychologen würden sagen, das Kind ist sicher an seine Eltern gebunden.

Jedoch sind nicht alle Eltern – aus verschiedenen Gründen und oft unverschuldet – in der Lage, feinfühlig wahrzunehmen, was ein Baby braucht oder ihm dies auch zu geben. Kinder solcher Eltern erleben nicht, dass die Bezugspersonen sich zuverlässig um ihre Bedürfnisse kümmern und bilden eher die Erwartung aus, dass niemand für sie da ist. Sie sind unsicher gebunden.

Kindheit beeinflusst Beziehungen als Erwachsene

Wir Menschen bewegen uns ein Leben lang in Beziehungen, in denen wir uns nach Sicherheit sehnen. Was wir über die Verlässlichkeit anderer Menschen gelernt haben, nehmen wir mit in unsere Beziehungen als Erwachsene. Entsprechend können sich unsere Paarbeziehungen zu unsicheren oder sicheren Bindungen entwickeln.

Vermutlich hat Susanne die Erfahrung gemacht, von wichtigen Bezugspersonen verlassen worden zu sein. Sei es durch eine reale Trennung oder dadurch, dass ihr emotionale Zuwendung verwehrt geblieben ist. Deshalb ist es für Susanne so schmerzhaft, wenn sie sich von Marcus alleingelassen fühlt. Marcus dagegen kennt es sicher, dass er nicht genügt und dass sich wichtige Menschen deswegen von ihm abwenden. Vielleicht konnte er von klein auf nicht den Erwartungen seines Vaters entsprechen, der sich enttäuscht von seinem Sohn zurückgezogen hat. So wird verständlich, warum Susannes Kritik für ihn unerträglich ist.

Angst dominiert

Beide haben also in der Vergangenheit Beziehungen erlebt, in denen sie nicht bekommen haben, was sie brauchten, um sich emotional sicher zu fühlen: das Gefühl, dass jemand da ist für Susanne, und für Marcus die Gewissheit, dass er so, wie er ist, geliebt ist. Aufgrund dieser Prägungen sind beide der Gefahr ausgesetzt, dass sich auch in ihrer Partnerschaft ein unsicheres Bindungsmuster etabliert.

In unsicheren Paarbindungen dominieren Angst und Unsicherheit anstelle von Sicherheit und Geborgenheit, weil der Streit ständig wiederkehrt. Susanne und Marcus erleben sich nicht als emotional verlässlich, fühlen sich voneinander nicht verstanden und aufgefangen, sondern eher das Gegenteil: Der andere wird als gleichgültig („Ihm ist egal, wie es mir geht!“) oder sogar feindselig („Sie macht mich absichtlich nieder!“) wahrgenommen.

Gefährlicher Teufelskreis

Häufig nimmt der eine Teil wie Susanne eine eher verfolgende Position ein. Dass sie sich allein fühlt, macht ihr große Angst und so versucht sie, an Marcus heranzukommen. Ihre Vorwürfe sind ein Bemühen, Marcus zu erreichen, um ihre emotionale Not zu lindern. Das Tragische ist jedoch, dass sie mit diesem Verhalten bei Marcus das Gegenteil von dem auslöst, was sie möchte. Denn Marcus, der eher eine Rückzüglerposition einnimmt, fühlt sich von Susannes verzweifelten Versuchen, zu ihm durchzudringen, stark unter Druck gesetzt. Gleichzeitig erlebt er sich als unfähig und schämt sich, dass er sie nicht zufriedenstellen kann. Auch er hat Angst: Dass Susanne ihn deswegen verlassen wird. Diese belastenden Gefühle behält er für sich, was den Druck so stark ansteigen lässt, dass er raus muss aus der Streitsituation. Damit jedoch entfernt er sich auch von Susanne, die sich in ihrer Verlassenheit bestätigt sieht – der Beginn einer weiteren Runde im Streitmuster.

Erlernte Muster lassen sich ändern

Es gibt jedoch eine gute Nachricht: Bindungsmuster sind veränderbar! Das macht sich zum Beispiel die Emotionsfokussierte Paartherapie (EFT) nach Sue Johnson zu Nutze. Diese zählt zu den am besten erforschten und effektivsten paartherapeutischen Verfahren. Ziel ist es, beiden Partnern zu einer sicheren Bindung zu verhelfen. Dazu wird das Streitmuster genau erforscht und mit ihm tiefer liegende schlimme Gefühle sowie Rückzug oder Verfolgung als Möglichkeiten, mit diesen Gefühlen umzugehen. So erleben sich die Partner von einer neuen Seite: Der wütende Verfolger wird plötzlich sichtbar als jemand, der große Angst hat – wie ein Kind, das sich nach Beruhigung sehnt.

Und auf Seiten des Rückzüglers wird deutlich, dass er an sich zweifelt und dringend die Zusage braucht, dass er geliebt ist. Die Partner erleben sich also in ihrer Bedürftigkeit und Verletzlichkeit. Wenn sie spüren, dass ihr Gegenüber sie sieht und sie in ihrem emotionalen Bedürfnis abholt, entstehen tief berührende Momente von emotionaler Sicherheit. Bei wiederholten sicheren Erfahrungen gewinnt die Beziehung insgesamt an Sicherheit und destruktive Streitmuster können sich auflösen.

Nicht der Partner ist das Problem

Paare, die in unsicheren Bindungen feststecken, können jedoch auch selbst etwas dafür tun, mehr Sicherheit zu erleben. Dazu ist es wichtig, dass Sie Folgendes erkennen: Nicht Ihr Partner und sein Verhalten ist das Problem – das Problem ist das Streitmuster zwischen Ihnen! Es ergibt mehr Sinn, dass Sie sich als Paar gegen das Muster verbünden, als sich gegenseitig anzugehen! Auch wenn das Verhalten Ihres Partners Sie verständlicherweise verletzt, zeigt er dies nicht in böser Absicht, sondern als Strategie, mit seinen schlimmen Gefühlen umzugehen. Machen Sie sich bewusst, dass Sie beide in Not sind, wenn das Muster im Gange ist. Die Not Ihres Partners sieht anders aus als Ihre, aber er ist auch sehr belastet!

Der Weg zu einem sicheren Bindungsmuster führt über sichere Bindungserfahrungen – über das Erleben von Momenten, in denen Sie von Ihrem Partner das bekommen, was Sie emotional brauchen. Schaffen Sie sich gegenseitig diese Momente!

Monika Ringleb ist Psychologin und Theologin, Ehe-, Familien- und Lebensberaterin und EFT- Therapeutin i.A. Dieser Artikel stützt sich auf Erkenntnisse aus der Forschung zur Emotionsfokussierten Paartherapie sowie der Bindungswissenschaft.

Wochenbettdepression bis Psychose: Wenn die Tage nach der Geburt zur Zerreißprobe werden

Sarah, Beatrice und Anna hatten nach der Geburt ihres Kindes mit psychischen Krankheiten zu kämpfen. Lisa-Maria Mehrkens erzählt ihre Geschichte.

Sarah wurde nach langem Kinderwunsch endlich schwanger. Doch bereits im dritten Monat wurde Schwangerschaftsdiabetes bei ihr festgestellt. Sechs Monate lang musste sie sich mehrmals täglich Insulin spritzen. Für sie eine schwere Zeit voller Überwindung, Angst, Schmerzen, Tränen, die sie für ihr Kind erträgt. Innerlich plagen sie Zweifel: „Ohne Kind keine Nadeln, dieser Gedanke war permanent in meinem Kopf. Ich versuchte, das Kind dafür nicht zu hassen. Es konnte ja auch nichts dafür! Oder?“

Die Geburt ging schnell, aber ständige Hebammenwechsel, das schmerzhafte und langwierige Nähen eines Dammrisses, Beschimpfungen durch den Arzt und ihr neugeborener Sohn, der weit weg von ihren Armen schreiend unter der Wärmelampe lag, ließen Sarah nur Überforderung fühlen. Auch mehrere Monate nach der Geburt wartete sie vergeblich, dass sich Liebesgefühle für ihr Kind einstellten. Erst nach drei Jahren suchte Sarah sich Hilfe, um die Beziehung zu ihrem Sohn zu retten – viel zu spät, wie sie selbst bekennt.

Was ist eine nachgeburtliche posttraumatische Belastungsstörung?

So wie Sarah ergeht es etwa ein bis zwei Prozent aller Frauen in Deutschland, bei denen schwierige Schwangerschaftsverläufe und traumatische Geburten zu starken psychischen Beeinträchtigungen im Wochenbett führen. Die Dunkelziffer von Frauen, die nach der Geburt unter quälenden Gedanken und Alpträumen leiden, ist weitaus höher. Experten sprechen von einer „nachgeburtlichen posttraumatischen Belastungsstörung“. Dabei ist es unwichtig, ob Schwangerschaft und Geburt nur subjektiv als besonders belastend erlebt wurden oder auch objektiv schwierig waren, etwa durch einen Kaiserschnitt oder wenig einfühlsame Geburtshelfer. Wiederkehrende negative Erinnerungen an die Geburt, Schlafstörungen, Gereiztheit und das Vermeiden aller mit der Geburt verbundenen Aktivitäten, wie Sexualität mit dem Partner oder Körperkontakt mit dem Kind, können die Folgen sein. Häufig fällt es Betroffenen schwer, sich die mangelnden Liebesgefühle zu ihrem Kind einzugestehen.

Wann wird der Baby Blues zur Krankheit?

Doch auch ohne schwierige Schwangerschaft oder eine als traumatisch erlebte Geburt können psychische Erkrankungen im Wochenbett auftreten. Sie entstehen meist durch eine Kombination aus genetischen, hormonellen, psychischen und sozialen Einflüssen, zum Beispiel Vorerkrankungen, familiäre Häufungen, die Hormonumstellung im Wochenbett, eine zu geringe Unterstützung durch das Umfeld oder auch ein zu hoher Erwartungsdruck der Mutter an sich selbst.

Etwa 50 bis 70 Prozent aller Mütter kennen den „Baby Blues“ ein paar Tage nach der Geburt: Durch Hormonumstellungen kann es zu häufigem Weinen, Ängstlichkeit, Stimmungsschwankungen, Erschöpfung sowie Konzentrations-, Appetit- und Schlafstörungen kommen. Verschwinden diese Symptome nach spätestens zwei Wochen nicht von allein, könnte es sich um eine Erkrankung handeln, die einer Behandlung bedarf.

Depression nach der Geburt

So erging es Beatrice, die zweimal nach der Entbindung ihrer Söhne an einer mehrmonatigen Depression erkrankte. Sie musste häufig weinen, litt an Übelkeit und Erschöpfung, konnte kaum schlafen und essen. Das erschwerte auch den Aufbau von Nähe zu ihren Kindern: „Ich hatte Angst vor dem nächsten Tag. Ich hatte Angst, nie eine glückliche Mutter werden zu können.“ Ihre Familie und Freunde unterstützten sie durch Gebet und praktische Hilfe. Doch erst Medikamente, ein Klinikaufenthalt und eine Psychotherapie brachten nach einigen Monaten Besserung.

An einer nachgeburtlichen Depression wie bei Beatrice leiden ungefähr 10 bis 15 Prozent aller Mütter. Symptome treten bei manchen schon während der Schwangerschaft, bei anderen erst bis zu einem Jahr nach der Geburt auf. Antriebsschwäche, Lustlosigkeit, innere Leere und Traurigkeit, Appetit- und Schlafstörungen sowie Konzentrationsschwäche sind nur einige Anzeichen. Sehr belastend erleben viele Mütter das Gefühl, ihr Kind nicht richtig zu lieben, und das damit verbundene schlechte Gewissen. Manchmal geht die Krankheit mit starken Ängsten oder Zwängen einher.

Daraus können eigene Erkrankungen entstehen, die betroffene Frauen und ihr Umfeld stark belasten und einen normalen Alltag unmöglich machen. Dadurch denken manche Mütter sogar an Selbstmord. Die seltenste und schwerste Form der nachgeburtlichen Erkrankungen ist die Psychose, die etwa ein bis zwei von 1.000 Müttern betrifft. Symptome zeigen sich meist in den ersten vier Wochen nach der Entbindung. Dazu zählen unrealistische, extreme Ängste, Wahnvorstellungen und Halluzinationen, die meist auf das Kind bezogen sind und eine große Gefahr für Mutter und Kind darstellen.

Eine Psychose lähmte Anna

Anna erkrankte nach der Geburt ihrer Tochter an einer solchen Psychose. Das Wochenbett verbrachte sie ohne Kind in der Psychiatrie. Es folgten mehrere Klinikaufenthalte mit und ohne Kind sowie eine ambulante Psychotherapie. Anna durfte ihre Tochter eine Zeit lang nicht allein sehen, wurde vorübergehend für nicht geschäftsfähig erklärt, ihr Mann zu ihrem Vormund bestimmt. Sie erhielt viel Unterstützung und Kraft von ihrem Umfeld durch Gebet, Gespräche und praktische Hilfe.

Doch die notwendigen Medikamente hatten Nebenwirkungen: „Die Tage waren lang und zäh und kosteten mich unglaublich viel Kraft. Ich hatte an nichts mehr Freude oder Spaß. Ich fühlte mich wie erschlagen, ständig müde und überfordert von allem und jedem. Ich dachte, meine Tochter nicht genug zu lieben. Sie ging mir auf die Nerven und ich musste aufpassen, sie nicht zu schlagen. Ich überlegte, ob meine Familie ohne mich besser dran wäre und ob ich mir etwas antun sollte“, beschreibt sie ihren damaligen Zustand. Ein erster Versuch, die Medikamente abzusetzen, brachte die Psychose zurück. Bis heute muss Anna Medikamente nehmen und ist nur eingeschränkt arbeitsfähig.

Erkrankung rechtzeitig erkennen

Viele Betroffene schämen sich für ihre Erkrankung oder haben Schuldgefühle und sprechen nicht darüber. Doch bei etwa 20 bis 30 Prozent der Mütter mit einer nachgeburtlichen psychischen Erkrankung werden die Mutter-Kind-Bindung und damit auch die Entwicklung des Kindes negativ beeinflusst. Deswegen ist es umso wichtiger, die Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen und passend zu behandeln. Denn dann bestehen gute Heilungschancen.

Der Austausch mit Familie, Freunden, anderen Betroffenen oder professionellen Helfern und Helferinnen wie Hebammen, Psychotherapeuten oder Fachärzten kann hilfreich sein, um das Erlebte zu verarbeiten. Auch praktische Unterstützung im Alltag durch das Umfeld wirkt entlastend auf die Betroffenen. Ebenso können Selbsthilfevereine ein guter Anlaufpunkt sein (siehe Kasten). Bei schweren Verläufen von Depressionen und Psychosen sind schnelle medizinische und medikamentöse Behandlungen durch Ärzte und Psychotherapeuten wichtig, um die Gefahr für Mutter und Kind abzuwenden und eine langfristige Bindungsstörung zu verhindern. Dafür gibt es spezielle Fachkliniken. Diese Behandlungen können jedoch bis zu mehreren Jahren dauern.

Drei Mütter – drei Zukunftsvisionen

Sarah, Beatrice und Anna haben unterschiedliche Krankheitsverläufe erlebt. Sie wollen anderen betroffenen Frauen Hoffnung geben, dass sie nicht allein sind und es besser wird. Sarahs Sohn ist mittlerweile fast sieben Jahre alt. Noch heute kämpft sie um die emotionale Nähe zu ihm. Eine Mutter-Kind-Kur soll nun Besserung bringen. Beatrice erlebte zweimal, dass nachgeburtliche Depressionen geheilt werden können, und hat heute eine sehr gute Beziehung zu ihren beiden Söhnen. Dennoch entschied sie sich unter anderem aus Sorge, die Erkrankung erneut durchstehen zu müssen, gegen ein weiteres Kind. Obwohl Anna bis heute mit den Folgen ihrer Erkrankung zu kämpfen hat, hat sie eine gute Bindung zu ihrer zweieinhalbjährigen Tochter aufgebaut und wünscht sich ein zweites Kind. All diese Mütter verbindet die Liebe zu ihren Kindern und der Wunsch nach der besonderen Nähe zwischen Mutter und Kind. Und dafür werden sie weiterkämpfen.

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.

Hier finden Betroffene Hilfe:

Selbsthilfevereine:
schatten-und-licht.de
postpartale-depression.ch
selbsthilfe.at
Spezialisierte Beratungsstelle:
nachdergeburt.com
Wochenbettdepressionshotline (D):
0 15 77/47 42 654
Elternnotruf (CH):
08 48/35 45 55

„Ich kämpfe um die Nähe zu meinem Baby“

Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist ab der Schwangerschaft durch eine besondere Nähe geprägt. Manchmal wird der Aufbau dieser Nähe durch belastende äußere Umstände oder Erkrankungen erschwert. Drei Frauen haben Lisa-Maria Mehrkens ihre Erlebnisse geschildert.

Sarah wurde nach langem Kinderwunsch endlich schwanger. Doch bereits im dritten Monat wurde Schwangerschaftsdiabetes bei ihr festgestellt. Sechs Monate lang musste sie sich mehrmals täglich Insulin spritzen. Für sie eine schwere Zeit voller Überwindung, Angst, Schmerzen, Tränen, die sie für ihr Kind erträgt. Innerlich plagen sie Zweifel: „Ohne Kind keine Nadeln, dieser Gedanke war permanent in meinem Kopf. Ich versuchte, das Kind dafür nicht zu hassen. Es konnte ja auch nichts dafür! Oder?“ Die Geburt ging schnell, aber ständige Hebammenwechsel, das schmerzhafte und langwierige Nähen eines Dammrisses, Beschimpfungen durch den Arzt und ihr neugeborener Sohn, der weit weg von ihren Armen schreiend unter der Wärmelampe lag, ließen Sarah nur Überforderung fühlen. Auch mehrere Monate nach der Geburt wartete sie vergeblich, dass sich Liebesgefühle für ihr Kind einstellten. Erst nach drei Jahren suchte Sarah sich Hilfe, um die Beziehung zu ihrem Sohn zu retten – viel zu spät, wie sie selbst bekennt.

KRANK IM WOCHENBETT

So wie Sarah ergeht es etwa ein bis zwei Prozent aller Frauen in Deutschland, bei denen schwierige Schwangerschaftsverläufe und traumatische Geburten zu starken psychischen Beeinträchtigungen im Wochenbett führen. Die Dunkelziffer von Frauen, die nach der Geburt unter quälenden Gedanken und Alpträumen leiden, ist weitaus höher. Experten sprechen von einer „nachgeburtlichen posttraumatischen Belastungsstörung“. Dabei ist es unwichtig, ob Schwangerschaft und Geburt nur subjektiv als besonders belastend erlebt wurden oder auch objektiv schwierig waren, etwa durch einen Kaiserschnitt oder wenig einfühlsame Geburtshelfer. Wiederkehrende negative Erinnerungen an die Geburt, Schlafstörungen, Gereiztheit und das Vermeiden aller mit der Geburt verbundenen Aktivitäten, wie Sexualität mit dem Partner oder Körperkontakt mit dem Kind, können die Folgen sein. Häufig fällt es Betroffenen schwer, sich die mangelnden Liebesgefühle zu ihrem Kind einzugestehen.

Doch auch ohne schwierige Schwangerschaft oder eine als traumatisch erlebte Geburt können psychische Erkrankungen im Wochenbett auftreten. Sie entstehen meist durch eine Kombination aus genetischen, hormonellen, psychischen und sozialen Einflüssen, zum Beispiel Vorerkrankungen, familiäre Häufungen, die Hormonumstellung im Wochenbett, eine zu geringe Unterstützung durch das Umfeld oder auch ein zu hoher Erwartungsdruck der Mutter an sich selbst.

Etwa 50 bis 70 Prozent aller Mütter kennen den „Baby Blues“ ein paar Tage nach der Geburt: Durch Hormonumstellungen kann es zu häufigem Weinen, Ängstlichkeit, Stimmungsschwankungen, Erschöpfung sowie Konzentrations-, Appetit- und Schlafstörungen kommen. Verschwinden diese Symptome nach spätestens zwei Wochen nicht von allein, könnte es sich um eine Erkrankung handeln, die einer Behandlung bedarf.

DAS KIND NICHT RICHTIG LIEBEN

So erging es Beatrice, die zweimal nach der Entbindung ihrer Söhne an einer mehrmonatigen Depression erkrankte. Sie musste häufig weinen, litt an Übelkeit und Erschöpfung, konnte kaum schlafen und essen. Das erschwerte auch den Aufbau von Nähe zu ihren Kindern: „Ich hatte Angst vor dem nächsten Tag. Ich hatte Angst, nie eine glückliche Mutter werden zu können.“ Ihre Familie und Freunde unterstützten sie durch Gebet und praktische Hilfe. Doch erst Medikamente, ein Klinikaufenthalt und eine Psychotherapie brachten nach einigen Monaten Besserung.

An einer nachgeburtlichen Depression wie bei Beatrice leiden ungefähr 10 bis 15 Prozent aller Mütter. Symptome treten bei manchen schon während der Schwangerschaft, bei anderen erst bis zu einem Jahr nach der Geburt auf. Antriebsschwäche, Lustlosigkeit, innere Leere und Traurigkeit, Appetit- und Schlafstörungen sowie Konzentrationsschwäche sind nur einige Anzeichen. Sehr belastend erleben viele Mütter das Gefühl, ihr Kind nicht richtig zu lieben, und das damit verbundene schlechte Gewissen. Manchmal geht die Krankheit mit starken Ängsten oder Zwängen einher. Daraus können eigene Erkrankungen entstehen, die betroffene Frauen und ihr Umfeld stark belasten und einen normalen Alltag unmöglich machen. Dadurch denken manche Mütter sogar an Selbstmord. Die seltenste und schwerste Form der nachgeburtlichen Erkrankungen ist die Psychose, die etwa ein bis zwei von 1.000 Müttern betrifft. Symptome zeigen sich meist in den ersten vier Wochen nach der Entbindung. Dazu zählen unrealistische, extreme Ängste, Wahnvorstellungen und Halluzinationen, die meist auf das Kind bezogen sind und eine große Gefahr für Mutter und Kind darstellen.

VON ALLEM ÜBERFORDERT

Anna erkrankte nach der Geburt ihrer Tochter an einer solchen Psychose. Das Wochenbett verbrachte sie ohne Kind in der Psychiatrie. Es folgten mehrere Klinikaufenthalte mit und ohne Kind sowie eine ambulante Psychotherapie. Anna durfte ihre Tochter eine Zeit lang nicht allein sehen, wurde vorübergehend für nicht geschäftsfähig erklärt, ihr Mann zu ihrem Vormund bestimmt. Sie erhielt viel Unterstützung und Kraft von ihrem Umfeld durch Gebet, Gespräche und praktische Hilfe. Doch die notwendigen Medikamente hatten Nebenwirkungen: „Die Tage waren lang und zäh und kosteten mich unglaublich viel Kraft. Ich hatte an nichts mehr Freude oder Spaß. Ich fühlte mich wie erschlagen, ständig müde und überfordert von allem und jedem. Ich dachte, meine Tochter nicht genug zu lieben. Sie ging mir auf die Nerven und ich musste aufpassen, sie nicht zu schlagen. Ich überlegte, ob meine Familie ohne mich besser dran wäre und ob ich mir etwas antun sollte“, beschreibt sie ihren damaligen Zustand. Ein erster Versuch, die Medikamente abzusetzen, brachte die Psychose zurück. Bis heute muss Anna Medikamente nehmen und ist nur eingeschränkt arbeitsfähig.

Viele Betroffene schämen sich für ihre Erkrankung oder haben Schuldgefühle und sprechen nicht darüber. Doch bei etwa 20 bis 30 Prozent der Mütter mit einer nachgeburtlichen psychischen Erkrankung werden die Mutter-Kind-Bindung und damit auch die Entwicklung des Kindes negativ beeinflusst. Deswegen ist es umso wichtiger, die Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen und passend zu behandeln. Denn dann bestehen gute Heilungschancen.

Der Austausch mit Familie, Freunden, anderen Betroffenen oder professionellen Helfern und Helferinnen wie Hebammen, Psychotherapeuten oder Fachärzten kann hilfreich sein, um das Erlebte zu verarbeiten. Auch praktische Unterstützung im Alltag durch das Umfeld wirkt entlastend auf die Betroffenen. Ebenso können Selbsthilfevereine ein guter Anlaufpunkt sein (siehe Kasten). Bei schweren Verläufen von Depressionen und Psychosen sind schnelle medizinische und medikamentöse Behandlungen durch Ärzte und Psychotherapeuten wichtig, um die Gefahr für Mutter und Kind abzuwenden und eine langfristige Bindungsstörung zu verhindern. Dafür gibt es spezielle Fachkliniken. Diese Behandlungen können jedoch bis zu mehreren Jahren dauern.

NÄHE UND LIEBE KÖNNEN WACHSEN

Sarah, Beatrice und Anna haben unterschiedliche Krankheitsverläufe erlebt. Sie wollen anderen betroffenen Frauen Hoffnung geben, dass sie nicht allein sind und es besser wird. Sarahs Sohn ist mittlerweile fast sieben Jahre alt. Noch heute kämpft sie um die emotionale Nähe zu ihm. Eine Mutter-Kind-Kur soll nun Besserung bringen. Beatrice erlebte zweimal, dass nachgeburtliche Depressionen geheilt werden können, und hat heute eine sehr gute Beziehung zu ihren beiden Söhnen. Dennoch entschied sie sich unter anderem aus Sorge, die Erkrankung erneut durchstehen zu müssen, gegen ein weiteres Kind. Obwohl Anna bis heute mit den Folgen ihrer Erkrankung zu kämpfen hat, hat sie eine gute Bindung zu ihrer zweieinhalbjährigen Tochter aufgebaut und wünscht sich ein zweites Kind. All diese Mütter verbindet die Liebe zu ihren Kindern und der Wunsch nach der besonderen Nähe zwischen Mutter und Kind. Und dafür werden sie weiterkämpfen.

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.

Was Kinder und Eltern brauchen – Bericht von der FEBuB

Am Wochenende fand in Bochum die FEBuB statt – die Familienkonferenz für Elternschaft, Bindung und Beziehung. Hier trafen sich Fachleute und Eltern, denen das Konzept einer bindungsorientierten Elternschaft am Herzen liegt. Zu den Referent/innen gehörten unter anderem der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster, Nicola Schmidt (artgerecht-Projekt), Susanne Mierau (geborgen wachsen), die Autorin Nora Imlau und familylab-Gründer Mathias Voelchert.

Bei einer bindungsorientierten Elternschaft steht die Bindung und Beziehung zwischen Eltern und Kindern im Mittelpunkt. Ein wichtiger Grundsatz ist, dass vor allem bei Babys und kleinen Kindern möglichst prompt und einfühlsam auf ihre Bedürfnisse reagiert wird. Tragen, (langes) Stillen und Familienbett spielt für die meisten bindungsorientierten Eltern eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren wurde auf den entsprechenden Blogs und in Büchern oft sehr stark die Betonung darauf gelegt, dass Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder erkennen und erfüllen. Auffällig bei der FEBuB war, dass inzwischen auch die Bedürfnisse der Eltern stärker in den Fokus gerückt sind. So sprach Nicola Schmidt vom „artgerecht-Projekt“ in ihrem Vortrag darüber, wie Eltern den Stress aus dem Familienalltag nehmen können. Und dass es nicht nur für Kinder, sondern auch für Eltern dringend notwendig sei, Geborgenheit zu erfahren.

Auch Susanne Mierau, die für das Konzept „geborgen wachsen“ steht, ging intensiv auf die Elternbedürfnisse ein und gab Anregungen, wie die Bedürfnisse der Kinder und der Eltern in ein Gleichgewicht kommen können. Lienhard Valentin, der den Verein „Mit Kindern wachsen“ gegründet hat, beschrieb, wie Eltern zu mehr Gelassenheit kommen können.

Auch bei Nora Imlaus Vortrag über die Geburt ging es nicht nur darum, wie Kinder gut geboren werden, sondern auch wie Mütter gut gebären können. Und dass Mütter ein Recht auf eine gute Geburt haben.

Am stärksten die Eltern im Blick hatte allerdings Mathias Voelchert, der betonte, dass es Kindern nur so gut gehe, wie es den Eltern geht. Er plädierte dafür, dass nicht die Kinder im Aufmerksamkeitszentrum der Familie stehen sollten, sondern die Eltern.

Insgesamt stand bei allen Referent/innen das Thema Bindung im Mittelpunkt. Und dass immer mehr Eltern sich mit diesem Thema auseinandersetzen, ist eine gute Entwicklung. Letztlich kommt es darauf an – wie die Psychotherapeutin Stefanie Stahl in ihrem Vortrag betonte –, dass sowohl die Bindungsbedürfnisse als auch die Autonomiebedürfnisse eines Kindes erfüllt werden. Sie zeigte Wege auf, wie Eltern, die diese Balance als Kind selbst nicht erlebt haben, dies aufarbeiten und damit viele ihrer Probleme angehen können.

Was auffiel: Es waren zwar auch Väter vertreten, insgesamt aber scheint die bindungsorientierte Elternschaft vor allem ein Thema für die Mütter zu sein. Wie sagte eine Mutter so schön: „Mein Mann lässt mir freie Hand.“ Es wäre zu wünschen, dass mehr Männer sich mit Familien- und Erziehungsthemen auseinandersetzen und nicht einfach die Frauen machen lassen. Eine Chance dazu bietet sich spätestens 2019: Dann geht die FEBub in die zweite Runde.

Bettina Wendland

Redakteurin Family und FamilyNEXT

PS: In der nächsten Ausgabe von Family veröffentlichen wir ein Interview mit Susanne Mierau, in dem es unter anderem darum geht, wie bindungsorientierte Elternschaft aussieht.

Eine starke Bindung

„Ich bekomme bald mein erstes Kind und frage mich, wie eine gute Mutter-Kind-Bindung entsteht und was sie ausmacht?“

Bindung ist eine emotionale, andauernde Beziehung, hier zwischen Mutter und Kind. Sie beinhaltet den Schutz sowie Zuwendung und Fürsorge, die das Kind zum Leben braucht. Sie ist notwendig für eine gesunde körperliche und psychische Entwicklung. Auch für die seelische Gesundheit ist es wichtig, dass ein Kind in den ersten Lebensjahren eine liebevolle, intensive und beständige Beziehung zur Mutter erlebt, die dann durch den Vater und mögliche Geschwister erweitert wird. Mutter- Kind-Bindung bedeutet eine lebendige, innige Partnerschaft, die bei der Zeugung beginnt. Was braucht es für eine starke Bindung und das Gefühl, zusammenzugehören?

IN DER SCHWANGERSCHAFT UND WÄHREND DER GEBURT:
Durch die Nabelschnur ist das Ungeborene ganz natürlich mit der Mutter verbunden und bekommt von ihr alles, was es zum Wachsen braucht. Es ist von Anfang an fähig, wahrzunehmen und reagiert sehr positiv auf die Freude der Mutter. Es genießt die Geborgenheit in ihrem Bauch, die sanften Bewegungen der Mutter, hört ihren Herzschlag. Das Baby liebt die Stimme seiner Mutter und kann sich die Melodie ihrer Sprache einprägen. Es ist wesentlich, wie das Kleine angesprochen wird. Laute und hektische Worte können verunsichern, eine freundliche und ruhige Stimme hingegen festigt die Mutter- Kind-Bindung. Durch das Strampeln meldet sich das Ungeborene bei seiner Mama und freut sich, wenn sie mit ihren Händen über den Bauch streicht. Beide können so innige Momente erleben. Während der Geburt ist es für beide bedeutsam, in Kontakt miteinander zu bleiben. So wie die Mutter Unterstützung durch den Partner braucht, hilft es dem Kind, wenn sich die Mutter ihm zuwendet. Sie kann ihre Hand stärkend und beruhigend auf den Bauch halten oder zum Beispiel summend und singend die Geburtsarbeit begleiten.

WENN DAS KIND AUF DER WELT IST:
Mamas Nähe ist der sicherste Platz und gibt dem Kleinen emotionale Geborgenheit. Ihre Körperwärme und ihr Geruch, vor allem beim direkten Hautkontakt, zeigen dem Kind, dass es dazugehört. Durch das Stillen bekommt es nicht nur Nahrung, sondern das Nuckeln an der Mutterbrust lässt eine starke Bindung entstehen. Das Baby liebt sanfte Berührungen und genießt das Streicheln. Beim Halten der Hände oder der Füßchen kann es entspannen. Wenn es wach und konzentriert ist, erkundet es gerne das Gesicht seiner Mama und schaut ihr in die Augen. Es lauscht ganz intensiv ihrer Stimme und freut sich, wenn sie ihm Lieder singt oder vorliest. Jedes Mutter-Kind- Paar ist einmalig und einzigartig. So dürfen beide miteinander herausfinden, was ihnen gut tut und sich dafür viel Zeit nehmen. Der Start mit einem Baby kann auch herausfordernd sein. Sein Weinen und wenig Schlaf oder Ernährungsschwierigkeiten des Kindes können erschöpfen. Daher ist es zum Schutz der Mutter-Kind-Bindung ratsam, frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Agatha Rub ist freiberufliche Hebamme und lebt im Haus der Stille und Einkehr in Wildberg (Schweiz), wo Schwangere und Mütter mit Baby zur Ruhe kommen können. www.kommunitaet-wildberg.ch