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Schlechte Noten? 5 Tipps für besorgte Eltern

In den meisten Bundesländern wurden bereits die Halbjahreszeugnisse vergeben. Doch nicht immer sind die Ergebnisse ein Grund zur Freude. Dabei müssen schlechte Noten nicht automatisch ein Grund zum Verzweifeln sein.

Der Andrang von Familien, die Nachhilfe benötigen, sei kurz nach der Zeugnisvergabe gerade enorm, berichtet Fredrik Harkort, Gründer des Online-Lern-Angebots Cleverly. Besonders für Mathe und Deutsch gäbe es gerade viele Anfragen. Mittlerweile würden auch immer mehr Kinder aus der Grundschule die Online-Nachhilfe buchen – eine neue Entwicklung. „Das sind noch die Nachwirkungen von Corona, hier fehlen oft Grundlagen“, erklärt Fredrik Harkort. Kinder, die Nachhilfe bei ihnen buchen, haben oft große Schwierigkeiten in einem Fach: „Da geht es in der Regel nicht darum, mal schnell für eine Prüfung zu üben, sondern ein Kind ist in einem Fach auf eine fünf abgerutscht und vielleicht versetzungsgefährdet. Das sind schon keine Nebensächlichkeiten.“ Schlechte Noten würden nicht nur die Kinder, sondern die ganze Familie unter Druck setzen.

Keine Panik

Doch was können Eltern tun, wenn ihr Kind in einem Fach eine besonders schlechte Note erhält? Elternbegleiterin und Familientherapeutin Stefanie López rät Eltern, sich erst einmal zu entspannen. „Eltern kommen oft mit dieser Angst zu mir, dass ihr Kind abgehängt wird, wenn es jetzt eine schlechte Note auf dem Zeugnis hat. Dass es später keinen guten Beruf findet und unglücklich wird.“ Doch wenn Eltern aus dieser Angst heraus Druck auf ihr Kind ausüben, würde das oft zu Abwehr und Ermüdung beim Kind führen. Im schlimmsten Fall könne es sogar zu einer Schulverweigerung kommen. Je älter ein Kind werde, desto wichtiger wäre es, dem Kind Raum zu geben, um selber herauszufinden: Was für ein Schüler, was für eine Schülerin möchte ich sein? Kann ich mit meinen jetzigen Noten später das beruflich machen, was ich machen möchte? Zu viel Druck von den Eltern kann sich auch negativ auf die Beziehung zum Kind auswirken, erklärt Stefanie López. „Das Leben findet nicht erst statt, wenn das Kind sein Studium oder seine Ausbildung beendet hat und im perfekten Job ist – es passiert jetzt. Möchte ich, dass mein Kind später einen Einser-Abschluss hat, dafür aber unglücklich ist und nicht mehr mit mir redet?“

Gemeinsames Gespräch

Auch Fredrik Harkort empfiehlt, gelassen zu bleiben und das Gespräch mit dem Kind zu suchen. „Eltern können zum Beispiel fragen: ‚Was glaubst du, woran liegt es, dass es aktuell nicht so läuft?‘ Es ist wichtig, dass es Raum für eine unbelastete Situationsaufnahme gibt.“ Dann könnten Eltern gemeinsam mit dem Kind weiter über die nächsten Schritte nachdenken: „Sind wir uns einig, dass das so nicht weitergehen kann? Sind wir uns einig, dass du dich in diesem Fach verbessern möchtest? Dann lass uns doch mal zusammen schauen, wie wir das hinbekommen.“ Das gemeinsame Sprechen über die Situation, das Formulieren von Wünschen und Gefühlen – all das sei eine gute Grundlage für weitere Schritte. Es sei übrigens auch in Ordnung, wenn ein Kind nicht in allen Fächern gut ist, meint Fredrik Harkort: „Eine Vier in Mathe ist kein Weltuntergang.“

Nachhilfe

Haben Kind und Eltern beschlossen, dass die Note in einem Fach sich deutlich verbessern soll, gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Ein erster Schritt kann sein, nach passenden Nachhilfe-Angeboten zu suchen. Angebote gibt es viele: Private Nachhilfe von älteren Schülern der eigenen Schule, professionelle Nachhilfe-Institute, Vermittlungsplattformen für Nachhilfe-Lehrkräfte oder Online-Tutorials, die den gesamten Lernstoff abdecken. Egal welche Form Eltern wählen, wichtig ist, dass die Verträge nicht langfristig sind. Denn guter Nachhilfeunterricht macht sich möglichst schnell wieder überflüssig. Für Familien mit knappen Einkommen, die zum Beispiel Wohngeld oder Kinderzuschlag erhalten, gibt es staatliche Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundesministeriums für Familie. Hier können Familien Lernförderung beantragen. Dazu muss die Lehrerin oder der Lehrer den Förderbedarf bescheinigen, akut versetzungsgefährdet muss das Kind aber nicht sein.

Lernen lernen

Bei Cleverly gibt es neben klassischer Nachhilfe zusätzlich auch ein Mentoring-Angebot. In den 1:1 Sitzungen, die dazugebucht oder eigenständig genutzt werden können, sprechen die Kinder mit Pädagoginnen und Pädagogen über Themen wie Selbstvertrauen, Lern-Motivation oder Prüfungsangst. Denn Erfolg in der Schule ist nicht nur vom Lernstoff abhängig, der vielleicht verpasst wurde, sagt Fredrik Harkort. „Es geht auch um das Thema Lernen lernen. Wie kann mein Kind lernen, selbst zu lernen? Wie lernt es, seinen Arbeitsplatz zu organisieren?“ Auch Lernmotivation und Prüfungsangst sind Themen der Mentorings. Bei Cleverly wird eine dreiviertel Stunde freies Spiel vor den Hausaufgaben empfohlen, damit die Kinder nicht von der Schule gleich wieder an den Schreibtisch müssen. „Dann gibt es etwas, was wir Gedankenbox nennen. Die Eltern setzen sich mit den Kindern hin und fragen: Was beschäftigt dich gerade? Das Kind schreibt seine Gedanken auf einen Zettel und steckt es in eine Box. Nach der Hausaufgabensession schauen sich Eltern und Kind dann gemeinsam den Zettel an und sprechen darüber.“ So kommen Eltern und Kinder miteinander ins Gespräch und die Kinder lernen, sich zu fokussieren. Es wird im Mentoring auch über den Platz, an dem die Hausaufgaben gemacht werden, gesprochen. Ist er übersichtlich? Oder liegen dort viele Dinge rum, die ablenken?

Es gibt nicht die eine Methode

Stefanie López betont, dass es nicht die eine Methode gibt, die für alle Kinder funktioniert. Eltern können gemeinsam mit dem Kind ausprobieren, was gut klappt, in welcher Umgebung es gut lernen kann und welche Lernmethoden ihm helfen. Immer wieder sollten Eltern gemeinsam mit dem Kind auswerten, welche Art von Unterstützung es von ihnen braucht und ob ihre Hilfe wirklich hilfreich ist. „Ich habe mal eine Mutter beraten, die sich jeden Tag mit ihrem Kind laut wegen der Hausaufgaben stritt. Da sagte ich zu ihr: ‚Guck mal, das machst du jetzt seit zwei Jahren immer auf dieselbe Weise. Hast du den Eindruck, dass sich etwas verbessert hat?‘ Sie meinte: ‘Nein, irgendwie nicht‘.“ Eltern würden manchmal an bestimmten Dingen festhalten, die einfach nicht funktionieren. Statt immer weiterzumachen, würde es helfen zu fragen: „Wie kriegen wir das besser hin? Was brauchst du, damit es besser wird?“

Sarah Kröger ist Journalistin und Projektmanagerin, bloggt unter neugierigauf.de und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Berlin.

Nachhilfe, ja oder nein?

„Ich habe das Gefühl, mein Kind kommt im Unterricht nicht mit. Ab wann ist Nachhilfe sinnvoll?“

Nachhilfe ist sinnvoll, wenn ein Schüler versetzungsgefährdet ist, viel krank war und dadurch große Lücken entstanden sind, oder in einem Fach regelmäßig Probleme bei den Hausaufgaben und Klassenarbeiten entstehen. Auch bei Leistungsunterschieden durch einen Schulwechsel ist sie empfehlenswert. Kurz gesagt: Nachhilfe ist dann sinnvoll, wenn Wissenslücken geschlossen werden müssen. Wenn Ihr Kind sich oft krank fühlt und die Noten in den Keller rutschen, kann das aber auch auf andere Gründe, wie zum Beispiel Mobbing hindeuten. Dann kann Nachhilfe unterstützen, aber die Ursache sollte parallel gefunden und bearbeitet werden.

WIE VIEL KOSTET NACHHILFE UND WER GIBT SIE?
Individuelle Förderung ist oft teurer als das Lernen in kleinen Gruppen. Für eine private Nachhilfestunde bei Schülern oder Studenten kann man zwischen 10 und 18 Euro investieren. Ausgebildete Pädagogen können schon mal bis zu 30 Euro nehmen. Der Vorteil dieser 1:1-Betreuung ist die individuelle Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Schülers. Wenn die Chemie stimmt, kann es Ihr Kind motivieren, mit einem Studenten zusammenzuarbeiten, der selbst noch mitten im Lernprozess steckt und weiß, was es heißt, Klausuren schreiben zu müssen. Außerdem sind Studenten altersmäßig näher an den pubertierenden Kindern und können sich anders einfühlen. In der Zeitung oder im Internet findet man die Angebote zahlreicher geeigneter Lehrer. Eine Unterrichtsstunde (45 Minuten) in Kleingruppen kostet dagegen zwischen acht und dreizehn Euro, wobei oft 90 Minuten gearbeitet wird. Sprechen Sie mit Ihrem Kind und beobachten Sie, wie es besser lernt. Arbeitet es gerne in einer Gruppe, dann ist ein Nachhilfeinstitut sicherlich empfehlenswert. Qualitätsmerkmale dort sind das Angebot einer Probestunde sowie ein persönliches Gespräch, in dem die Bedürfnisse des Schülers abgefragt werden, das Angebot von Fachpersonal, ansprechendes Lernmaterial sowie nachweisbares Qualitätsmanagement und eventuell sogar ein TÜV-Siegel.

AN WEN SOLL ICH MICH WENDEN?
Mit dem eigenen Kind über die Nachhilfe sprechen. Idealerweise sollte es selbst motiviert sein, Unterstützung beim Lernen zu bekommen, sonst bleibt oft der Erfolg aus. Den Lehrer des Kindes um ein Gespräch bitten. Eventuell hat er auch gleich eine Adresse für eine Nachhilfemöglichkeit. Wie viel individuelle Förderung erhält ihr Kind schon schulintern? Steht die Frage im Raum, ob das Kind unter Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS) oder Matheschwäche (Dyskalkulie) leidet, braucht es gezielte Förderung. Suchen Sie daher das Gespräch mit dem Schulpsychologen. Auch Schulangst kann der Grund für eine Lernblockade sein. Hier ist die Erziehungsberatungsstelle oder der Schulpsychologe der richtige Ansprechpartner.

WAS GILT ES ZU BEACHTEN?
Achten Sie darauf, dass in der Nachhilfe nicht nur der aktuelle Lernstoff wiederholt wird, sondern auch der Lernstoff bearbeitet wird, den Ihr Kind nicht verstanden hat. Außerdem gilt: Nachhilfe sollte keine Dauerlösung sein! Nach einem halben Jahr sollte man überprüfen, ob die Nachhilfe erfolgreich und weiterhin nötig ist.

Stefanie Böhmann ist Grund- und Hauptschullehrerin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

 

Mal wieder diese schlimmen Eltern!

Passend zu den Halbjahreszeugnissen hat die Bertelsmann Stiftung Studienergebnisse zum Thema Nachhilfe veröffentlicht: Demnach bekommen rund 14 Prozent der deutschen Schüler zwischen 6 und 14 Jahren Nachhilfe. Das Erstaunliche: ein Drittel der Schüler nutzt die zusätzliche Förderung, obwohl die Noten zwischen sehr gut und befriedigend liegen.

Erstaunlicher finde ich allerdings, dass viele Medien daraus eine Riesengeschichte machen, die sich so liest, als ob das ein Megatrend sei und nun alle Eltern ihre Kinder zum Einser-Abi drängen. „Immer mehr gute Schüler nehmen Nachhilfe“, heißt es. Oder dass es in vielen (!) Familien Alltag sei, dass ein Kind trotz einer 2 Nachhilfe bekomme.

Vielleicht hätten die zuständigen Journalistenkollegen in Mathe besser aufpassen oder selbst Nachhilfe nehmen sollen. Denn: 14 Prozent aller Schüler bekommen Nachhilfe, ein Drittel davon haben gute Noten, sprich: Auf weniger als 5 Prozent der Schüler trifft es zu, dass sie trotz guter Noten Nachhilfe nehmen. Ist das etwa viel? Gut, es mag grundsätzlich absurd sein, bei solchen Noten an Nachhilfe zu denken. Aber ich finde es angesichts ebenso absurder Numerus-clausus-Erfordernisse – beispielsweise ein Einser-Schnitt für Soziale Arbeit – durchaus verständlich, dass der eine oder andere sich ein bisschen Unterstützung holt, damit der gewünschte Studiengang in erreichbare Nähe rückt. Oder die Qualifikation für die Oberstufe.

Und übrigens: Im internationalen Vergleich liegen wir im unteren Mittelfeld, was die Nutzung von Nachhilfe angeht. Ist also alles gar nicht so schlimm!

Aber es macht sich immer gut, auf diese „schlimmen Eltern“ zu schimpfen. Mal sind sie überbehütende Helikopter-Eltern, mal streberhafte Schulstressmacher, mal überehrgeizige bis prügelnde Fußballeltern. Natürlich gibt es die. Leider. Aber es wird schnell der Eindruck erweckt, dass es die Mehrheit der Eltern sei und nicht bloß eine Minderheit. Sicherlich gibt es den Trend, dass immer mehr Eltern ihr Kind um jeden Preis aufs Gymnasium schicken wollen. Aber die große Mehrheit der Eltern geht sehr verantwortungsvoll mit den Anforderungen um, die sie und die Gesellschaft an ihr Kind stellen. Viele Eltern machen sich lange Gedanken darüber, welche Schule die beste ist für ihr Kind. Und den meisten geht es dabei um das Wohl ihres Kindes.

Aber es ist ja so einfach, sich über die Eltern zu beschweren. Ich muss zugeben, dass ich auch gern in dieses Muster verfalle und Pauschalurteile fälle. Diese Nachhilfe-Studie hat mir mal wieder gezeigt, dass es wichtig ist und sich lohnt, genau hinzugucken. Und seine Wortwahl zu bedenken. Fünf Prozent sind nicht „viel“. Und die meisten Eltern machen ihren Job richtig gut!

Bettina Wendland

Family-Redakteurin