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Geliebte Nervensäge

Kann man sich ein Leben lang faszinierend finden trotz all dieser wahnsinnig nervigen Eigenschaften, die wir alle mit uns herumtragen? Eigentlich nicht, meint Steffi Diekmann – und doch kann die Faszination immer wieder neu aufblühen.

Ich bin hellwach. Wie immer beginnt mein Tag früh und mein Mann schläft. Sein Schnarchen macht mich sauer. Wie kann er so pennen? Klar gönne ich es ihm. Aber wir haben eine lange Liste an Kleinigkeiten zu bewältigen heute. Und er … ist tiefenentspannt.

Als Jugendliche fand ich an Henrik so faszinierend, dass er klar und gelassen wirkte. Klar in seinen Aussagen, Handlungen und Haltungen und sehr entspannt mit Kindern, desaströsen Chorproben und hitzigen Diskussionen. Und mit mir. Meine Emotionen sind rau, oft ungefiltert und meine Wahrheit ist ganz lange wahr – bis Henrik mir hilft, den Horizont zu weiten.
Diese Faszination hatte er für meine Vielfältigkeit, Entschlossenheit und Kreativität auch. Gute Voraussetzungen, um sich ein Leben lang neu zu entdecken, oder?
Am Beginn unserer Ehe haben wir uns oft über den kühlen Ton mancher Ehepaare gewundert, die verloren gegangene Faszination und wachsende Lieblosigkeit. Während ich mich nun durch meinen schlummernden Mann mit den Tagesaufgaben allein gelassen fühle, stelle ich fest: same here. Die Erkenntnis, dass ich ihm nicht mal ein Ausschlafen gönne, trifft mich nicht zum ersten Mal.

ÜBERFORDERT DURCH DEN FAMILIENALLTAG

Als nach und nach Kinder in unser Leben traten, ließ meine Faszination für seine eindeutigen Ansagen nach und wich immer öfter meiner Bitte um mehr Einfühlungsvermögen. Aus meinem bezaubernden Menschenflüsterer wurde ein polternder Vater, wenn der Apfelsaft zum wiederholten Mal umfiel. Seine Klarheit, die ich einordnen konnte, empfanden Freunde oft als Arroganz oder Lieblosigkeit. Gleichzeitig erinnere ich mich, dass in dieser Phase immer mehr Rückmeldungen zu meinem „alltäglichen Drama“ von ihm kamen. Meine Überforderung, meine Gefühle und Wahrnehmungen zu sortieren, wuchs und wurde sichtbarer. Wir hatten auf der einen Seite das Glück, Familie zu werden, das verlangte uns auf der anderen Seite aber auch viel ab.

Was am Anfang gülden schimmerte, blendete uns nun gegenseitig schmerzhaft, wenn die eigenen Kräfte am Limit waren. Durch einen von Bronchitis begleiteten Kleinkindalltag, finanzielle Herausforderungen, Schlafdefizit vom Feinsten, Streit in der Kirchengemeinde und veränderte Beziehungen zu Eltern und Familie sehnten wir uns nach einem Partner, der das Zuhause-Gefühl bedingungslos ausstrahlt. Ein Partner, der sich auf mich freut und mir zeigt, wie willkommen ich bin. Die wachsende Anspannung sorgte jedoch dafür, dass ich den Reaktionen meines Partners immer kritischer gegenüberstand. Das reibungslose Prinzip unserer Anziehungskraft wurde erschüttert. Wir nervten uns.

EIN GEHÖRIGER SCHRECKEN

Dabei hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Als wir in einem verregneten Low Budget Campingurlaub ankamen, legte sich Henrik erst mal fiebernd und schlafend hin. Ich bebte innerlich vor Neid und Empörung. Wie konnte er mich so mit dem ganzen Chaos alleine lassen? Ausladen, auspacken, aufbauen, Kinder versorgen und mein Mann lag darnieder!

Mein unbarmherziger Ärger jagte mir selbst einen gehörigen Schrecken ein. Damals traf ich einen Entschluss: Ab sofort wollte ich nicht mehr aufrechnen, wer wann wie viel wickelt, füttert, Hausaufgaben begleitet oder putzt. Ich traf den Entschluss nicht demütig, sondern weil mein Zorn auf meinen Partner so groß war, dass ich von mir selbst schockiert war. Seine Gelassenheit und entspannte Sicht waren die schimmernden Faszinationspunkte und ich war gerade dabei, sie mit Alltagsstaub zu bewerfen. Bei einer Tasse Tee teilte ich meinem immer noch kranken Mann meinen Entschluss mit und er begann wieder zu strahlen. Als ich aufhörte, ihn zu attackieren, wurde ich mit seiner Fürsorge beschenkt. Bis heute erzählt er, wie gut es ihm getan hat, dass ich jeden Morgen die Frühschicht übernommen habe.

Danach lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage? Schön wär’s! Wenn ich Henrik heute frage, was ihn an mir richtig nervt, kommen Umschreibungen der Dinge, die ihn einmal sehr angezogen haben. Natürlich kenne auch ich diese Seiten an mir. Doch dieses Wissen schützt nicht vor Missverständnissen, manchmal ebnet es ihnen sogar den Weg: Wenn Henrik eine Schere sucht, rattert es in meinem Kopf. Ich habe für seinen Blick, sein Seufzen eine Deutung. Ich meine, meinen Mann so gut zu kennen, dass ich weiß, was er ausdrücken will. Ich bin mir bewusst, dass er unter meiner Kreativität leidet, jeden Tag einen neuen Platz für eine Schere zu finden. Als dies aus mir herausplatzt, guckt mich mein Mann ganz verdutzt an: „Äh, nein! Ich suche nur eine Schere. Ich denke dabei nicht an dich.“ Den Fokus auf die Reibungspunkte zu legen, ist eine Falle im Bewältigen des Alltags.

AN DIE GUTEN TAGE ERINNERN

Um den Partner aus der Bewertungsklammer zu entlassen, hilft uns ein Schritt zurück. Wie haben wir zusammen eine lustige Episode erlebt, einen großen Streit in der kirchlichen Kleingruppe geschlichtet oder Trauer gemeistert? Wenn wir aussprechen, was wir in diesen Erlebnissen am anderen wohltuend wahrgenommen haben, ist das wie ein Zündfunke für den Faszinationsglimmer zwischen Verbündeten.

Ich erinnere mich, welche Wesenszüge zu Beginn unserer Ehe strahlend waren, und frage mich: Wo sehe ich das heute? Was könnte ich heute an meinem Partner loben und neu bewerten? Dies können kleine Dinge sein, die neu verbindend zwischen uns wirken. Den Duft des anderen wahrnehmen, das kleine Lächeln der Augen sehen, einen klugen Satz hervorheben, sich bedanken für Alltägliches. Das Enttäuschende und Trennende zu benennen, ist für mich keine Kunst. Vor Freunden den Partner zu loben, zu ihm zu stehen oder im Beisein der Eltern von den Erfolgen des anderen zu sprechen, aber sehr wohl. Mit diesen Entscheidungen entsteht ein neuer Glanz. So glimmen neue Anziehungspunkte am Partner auf. Heute treffe ich wieder diese Entscheidung wie vor Jahren im Campingurlaub: Ich will meinen Mann entdecken.

Wenn ein bewusstes Hinsehen auf die Stärken des anderen nicht möglich erscheint, so kann eine kleine Geste helfen. An welchem Moment des Tages lächle ich meinen Mann gern an? Dieses Lächeln hat meinen Mann tatsächlich schon oft von den beengenden Klebefolien meiner Bewertung befreit. Sein Lob bringt mich zum Lächeln und so funkeln wir uns mitten im Alltag neu an.

Jetzt steht mein Mann endlich verschlafen vor mir. Nimmt mich in den Arm. Während ich seinen Duft aufsauge, flüstert er: „Schon so wach? Wir schaffen den Tag schon, mein Schatz …“ Ich seufze und entscheide mich, seine entspannte Haltung wundervoll zu finden. Einen tollen Mann habe ich!

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen, verheiratet und Mutter von drei (fast) erwachsenen Kindern.

Den Partner neu entdecken

Im stressigen Alltag kann es schnell passieren, dass der Mensch an unserer Seite vor allem nervt. Folgende Fragen können helfen, immer wieder eine neue Perspektive zu gewinnen.

Warum nervt mich das gerade so? Mal angenommen, es geht nicht darum, mich zu schikanieren: Kann ich nachvollziehen, warum er oder sie so handelt? Was hat mich am Anfang so fasziniert an meinem Partner? Wo und wie sehe ich das heute? Was haben wir zusammen erlebt und durchgestanden? Was habe ich dabei über uns erfahren? Mit welchen kleinen Gesten könnte ich heute erfreuen? Wo möchte ich gerne großzügig sein? Was würde mir dabei helfen?

Einfache Regeln fürs komplizierte Leben

Paare brauchen bewährte Grundsätze, mit denen sie gut durchs Leben kommen, wenn es unübersichtlich wird. Von Jörg Berger

Beziehungen und Menschen waren schon immer kompliziert. Die Gesellschaft aber wird vielfältiger und vernetzter, das Tempo gesellschaftlicher Veränderungen zieht an. Deshalb widmet die Wissenschaft ihre Aufmerksamkeit zunehmend der Frage, wie Menschen in komplizierten Situationen entscheiden. Der Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann hat auf faszinierende Weise entlarvt, welche Denkfehler uns unterlaufen, wenn wir Entscheidungen treffen. Sein Bestseller dazu heißt: „Schnelles Denken, langsames Denken.“ Der Cambridge-Professor für Management Donald Sull und die Stanford-Professorin für Ingenieurwissenschaften Kathleen Eisenhardt haben ihre Forschungsergebnisse in dem Bestseller „Simple Rules“ zusammengefasst: Erfolgreiche Menschen und Unternehmen orientieren ihre Entscheidungen an einfachen Regeln. Bewährte Regeln schützen uns vor Fehlern, besonders wenn Situationen emotional und unübersichtlich werden. Ihre Einfachheit hilft, dass wir sie auch wirklich anwenden.

Das hat mich inspiriert, auch einmal für Paarbeziehungen zu fragen: Wie finden wir einfache Regeln, die das gemeinsame Leben gelingen lassen? Längst hat sich unsere Lebenserfahrung zu Regeln verdichtet, an denen wir unsere Entscheidungen orientieren. Es ist spannend, sich das einmal bewusst zu machen. So können wir unsere Regeln überprüfen und auch neue Regeln finden.

Einfache Regeln sind konkret

Wenn ich bei uns als Paar und Familie beginne, dann ist mein erster Gedanke: „Als Christen wollen wir uns in jeder Entscheidung an Jesus orientieren. Das ist unsere einfache Regel.“ Doch in dieser Verallgemeinerung sagt eine Regel alles und nichts. Was heißt es denn konkret, dass wir uns an Jesus orientieren? Zwingen wir zum Beispiel unsere Kinder früh zum Teilen, weil Jesus auch geteilt hat? Oder wäre das lieblos und überfordernd? Wir haben aber auch konkrete Regeln gefunden. Eine ist: „Lebensentscheidungen treffen wir nicht aufgrund von finanziellen Kriterien. Wir vertrauen, dass Gott uns materiell versorgt.“ So haben wir in manchen Jahren Ersparnisse aufgebraucht, statt Vermögen zu bilden und uns um die gebotene Altersvorsorge zu kümmern. In anstrengenden Zeiten hatten wir beide unsere Stellen reduziert. Dadurch blieb für unser Familienleben und unsere Ehe so viel Zeit, wie es uns gut und richtig erschien. Wir könnten heute vielleicht wohlhabender sein, wenn wir nach einer anderen Regel entschieden hätten. Aber gefehlt hat uns bisher nichts.

Einfache Regeln sind individuell

Wir haben uns auch eine Priorisierungsregel gegeben: „Erst die persönliche Gottesbeziehung von jedem von uns beiden, dann Ehe und Familie, dann der Beruf und dann das übrige Engagement, zum Beispiel in der Kirche.“ Meine Frau hat mich auch in der Kleinkindphase zu Schweigetagen im Kloster freigesetzt, obwohl das für sie anstrengend war. Meine Tätigkeit als Psychotherapeut in einer Klinik dagegen hat zeitweise nicht zu unserer Priorisierungsregel gepasst. Durch die Überstunden und die hohe emotionale Beanspruchung hat sich der Beruf dann gegen meinen Willen an die erste Stelle geschoben. Meine verbleibende Kraft hat sich auf die anderen Bereiche aufgeteilt. Erst die Tätigkeit in meiner eigenen Praxis hat das geändert. Ich erwähne das auch, weil deutlich wird: Das darf nicht jeder so machen. Wer würde seine Erfahrung an junge Kollegen weitergeben, wenn jeder in die Freiheit einer eigenen Praxis fliehen würde? Wo stünden wir, wenn nicht manche Paare das Wagnis eingingen, für eine berufliche Schlüsselposition eines Partners die Familie hinten anzustellen und zu vertrauen, dass es trotzdem gutgeht? Unsere Priorisierungsregel passt zu uns. Wir sind überzeugt, dass wir mit ihr unser Bestes geben können. Die gleiche Regel könnte aber das Leben eines anderen Paares in die Irre führen.

1. Gesprächsimpuls: Regeln für unsere Prioritäten

Macht euch doch einmal eine Liste mit den zehn Dingen, die euch im Leben am wichtigsten sind. Versucht eine Reihenfolge zu finden, die euch als Orientierung dienen kann. An dieser geordneten Liste könnt ihr eure Priorisierungsregeln ablesen: „Wenn … und … nicht beide gut zu schaffen sind, dann muss … zurückstehen.“

Einfache Regeln verändern sich durch Erfahrungen

Manche Regeln stellen sich mit der Zeit als unpassend oder zu idealistisch heraus. Eine Regel, die uns selbstverständlich erschien, könnte man vielleicht so formulieren: „Wir begegnen jedem Menschen offen, ehrlich, konfliktbereit und unterstützend.“ Diese Regel hat uns aber auch in Auseinandersetzungen geführt, die uns viel Kraft gekostet haben, ohne dass dadurch etwas Gutes entstanden wäre. Wir haben uns auch an Unvollkommenheiten unserer Arbeitsstellen und unserer Kirchengemeinde gerieben und oft vergeblich mit Verantwortlichen nach besseren Wegen gesucht. Heute würden wir die Regel ergänzen: „Aber wir lassen los, bevor wir zum Opfer unguter Verhaltensweisen oder Strukturen werden.“ Man kann immer Nischen finden, man kann sich immer diplomatisch und unauffällig zurückziehen und sich so auf die Beziehungen und Einsatzfelder konzentrieren, in denen wirklich etwas Gutes entsteht. Umgekehrt würden wir ja auch nicht wollen, dass sich jemand lange und vergeblich an unseren Schwächen aufreibt. Unsere Lebenserfahrung stellt daher Regeln auf den Prüfstand. Wer sich an Regeln orientiert hat, die für andere passen mögen, sich aber für das eigene Leben nicht bewähren, der braucht den Mut zu eigenen Regeln. Und wer sich an überfordernden Grundsätzen abgearbeitet hat, darf sie bescheidener fassen.

Einfache Regeln für schwierige Zeiten

Seit über zwanzig Jahren begleite ich Menschen. Ich bin vielfach Zeuge von Gelingen und Scheitern geworden. Warum halten die einen Belastungen und Versuchungen stand? Warum zerbricht anderen, was sie sich aufgebaut haben? Ein Grund für das Scheitern hat mit unserem Thema zu tun. Menschen haben sich für vorhersehbare Schwierigkeiten keine Regel gegeben. Zum Beispiel ist es wahrscheinlich, dass sich im Lauf einer Ehe einer einmal fremdverliebt. Wer dann erst nach einer Regel sucht, ist vielleicht verloren. Auf dem Boden starker Gefühle gedeihen exotische Grundsätze, die nichts mit den bisherigen Überzeugungen eines Menschen zu tun haben, zum Beispiel ein Grundsatz wie dieser: „Seinen Gefühlen muss man folgen, wenn man sich treu bleiben will.“ Es hat aber noch einen weiteren Nachteil, wenn Menschen erst in Krisen nach einer guten Regel suchen. Denn eine junge Überzeugung kann sich nicht tief genug in der Persönlichkeit verwurzeln. Sie hat vielleicht die Kraft, ein schlechtes Gewissen zu wecken, doch Entscheidungen bestimmt sie nicht. Partner dagegen, die eine Fremdverliebtheit gut bewältigt haben, hatten Regeln wie: „Wenn mir das einmal passieren sollte, offenbare ich mich sofort meinem besten Freund/meiner besten Freundin und unternehme nichts, ohne dort Rechenschaft abzulegen.“

2. Gesprächsimpuls: Unsere Regeln für schwierige Zeiten

Habt ihr schon eine Regel für die Fremdverliebtheit? Und habt ihr einfache Regeln für andere Lebensereignisse, die euch vermutlich einmal treffen werden: ein Partner muss durch eine Krankheit gehen und verliert in dieser Zeit seine Leistungsfähigkeit und Ausgeglichenheit; in eurer Ehe entsteht ein Problem, das ihr trotz vieler Gespräche nicht lösen könnt; einer erlebt in seiner Gottesbeziehung eine längere Funkstille und wird von Glaubenszweifeln heimgesucht; einer gerät in eine berufliche Situation, die so schwer ist, dass sie auch das gemeinsame Leben belastet; eines der Kinder trifft eine Lebensentscheidung, die Leid nach sich ziehen wird. Vielleicht entdeckt ihr auch Regeln, die grundsätzlich für schwierige Zeiten passen.

Mit einfachen Regeln das Leben aufbauen

Einfache Regeln bauen unser Leben also in dreifacher Weise auf. Sie helfen uns erstens dabei, das Wichtige auch wirklich wichtig zu nehmen und unsere alltäglichen Entscheidungen daran zu orientieren. Eine einfache Regel, die uns als Familie gut durch die Jahre gebracht hat, lautet: „Was immer auch passiert, wir nehmen uns Zeit für schöne Momente und gute Gespräche miteinander.“ Das hat auch seinen Preis gehabt, denn in der Zeit, in der wir dieser Regel gefolgt sind, haben wir uns für anderes keine Zeit genommen. Zweitens helfen uns Regeln, Dinge auf Anhieb richtig zu machen. Eine How-to-Regel zum Beispiel, die ich gerne früher entdeckt hätte, lautet: „Versuche ein Kind erst zu erziehen, nachdem du eine einfühlsame innere Haltung gefunden hast und diese auch in deiner Körpersprache und deinen Worten ausdrücken kannst.“ Und drittens helfen uns einfache Regeln, in schwierigen Situation Fehler zu vermeiden. Ab und zu erziele ich in der Paartherapie schnelle Erfolge. Wenn das gelingt, dann nur aus einem Grund: Ich habe ein Paar dafür gewonnen, sich einfachen Regeln zu unterwerfen. Meist sind es die Regeln wie diese, die ich beiden Partnern an die Hand gebe: „Konzentriere dich auf das, was du selbst beeinflussen kannst. Wenn etwas nicht hilft, dann überlege dir etwas anderes. Wo du alleine überfordert bist, warte auf Hilfe.“

3. Gesprächsimpuls: Unsere How-to-Regeln

Im Alltag folgt ihr längst Regeln. Versucht doch einmal, von eurem Verhalten auf die Regeln zu schließen, denen ihr folgt: zum Beispiel in der Kindererziehung, bei der Haushaltsorganisation oder bei der Pflege eurer Beziehungen. Gäbe es hier vielleicht einfache Regeln, die euren Alltag noch leichter und erfolgreicher machen? Welchen Regeln folgen Paare, die euch in einem bestimmten Bereich ein Vorbild sind?

Erziehungswissenschaftlerin: So können Sie Ihr Kind beruhigt einem Babysitter überlassen

Ein Abend zu zweit, das wünschen sich viele Paare. Erziehungswissenschaftlerin Melanie Schüer erklärt, wie die Wahl des Babysitters funktioniert und was Eltern beachten sollten.

„Mein Mann und ich waren seit der Geburt unseres Kindes vor ein paar Monaten nicht mehr gemeinsam aus, würden es aber gern mal wieder. Ab wann kann ich einen Babysitter engagieren, wie alt muss er/sie sein, was muss er/sie mitbringen und wie viel bezahlt man ihm/ihr?“

Ein Abend zu zweit ist eine sehr gute Idee. Nach der Geburt des Kindes besteht die Gefahr, dass die Eltern zunehmend „nur noch“ Vater und Mutter sind und ihre Identität als Liebespaar vernachlässigen. Um dem vorzubeugen, sind regelmäßige Paar-Zeiten ganz wichtig.

Das Baby sollte seinen Sitter kennen

Wann das wieder möglich ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: Grundsätzlich dann, wenn Sie Ihr Baby mit gutem Gefühl eine Weile jemand anderem überlassen können und keine Faktoren wie Füttern, Krankheiten oder Ängste dagegensprechen. Wenn das Baby gestillt wird, stellt sich die Frage, wie lange Pausen es aushält. Wenn es zwei bis drei Stunden recht zuverlässig schafft, ist zum Beispiel ein gemeinsames Abendessen gut umsetzbar. Abpumpen erhöht die Flexibilität.

Wie gut kommt ihr Baby mit Trennungen zurecht? Die meisten Babys fangen mit fünf bis sechs Monaten an, Trennungsangst zu entwickeln, bei manchen kommt es schon früher vor. Man sollte daher dafür sorgen, dass das Baby den Babysitter vorher zumindest zwei- bis dreimal für einige Zeit kennenlernen konnte (im Beisein eines Elternteils) und auch vor dem Verlassen der Wohnung mindestens eine halbe Stunde zusammen mit dem Babysitter zum „Warmwerden“ einplanen, bevor man sich verabschiedet. Auf keinen Fall sollte man sich rausschleichen, sondern kurz und herzlich verabschieden. Wenn das Baby jünger als drei bis vier Monate ist, reicht es oft aus, wenn es den Babysitter ein- oder zweimal vorher kennengelernt hat, da Trennungsangst da meist noch keine Rolle spielt.

Wie alt sollte ein Babysitter sein?

Der Babysitter sollte über alle wichtigen Abläufe, Rituale und Besonderheiten beim Schlafen, Wickeln und Füttern Bescheid wissen. Am besten zeigt man möglichst vieles davon schon einmal vorher: Wo ist der Schnuller, wann gibt es diesen? Wie schläft das Baby am besten ein, wie kann man es gut beruhigen?

Gerade bei Babys ist es meist gut, wenn der Babysitter schon volljährig ist. Es gibt aber auch Jugendliche, die schon viel Erfahrung und ein gutes Händchen haben, dann sollte man diese aber vorher sehr genau einweisen, prüfen, ob sie ausreichend souverän wirken und die vorhandene Erfahrung erfragen. Manche haben ein sogenanntes „Babysitter-Diplom“ über eine Schulung erhalten, das ist ein Pluspunkt.

Was sollte ein Babysitter verdienen?

Man sollte bestimmte Notfallnummern für den Babysitter sichtbar aufhängen und natürlich sicherstellen, dass man selbst erreichbar ist. Für den Anfang bietet es sich an, nicht zu weit wegzufahren, um möglichst rasch wieder zu Hause zu sein. Bei der Bezahlung sollte man sich bei volljährigen Babysittern am gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde orientieren. Jüngere Babysitter erhalten oft zwischen 6 und 8 Euro pro Stunde, je nach Region sind die üblichen Preise auch höher. In der Schweiz erhalten bis 15-Jährige bis 10, ältere bis 18 Franken pro Stunde.

Melanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und als freie Autorin und Elternberaterin mit dem Schwerpunkt Schrei- und Schlafprobleme tätig, auf elternleben.de sowie neuewege.me.

Zu früh für einen Babysitter?

„Mein Mann und ich waren seit der Geburt unseres Kindes vor ein paar Monaten nicht mehr gemeinsam aus, würden es aber gern mal wieder. Ab wann kann ich einen Babysitter engagieren, wie alt muss er/sie sein, was muss er/sie mitbringen und wie viel bezahlt man ihm/ihr?“

Ein Abend zu zweit ist eine sehr gute Idee. Nach der Geburt des Kindes besteht die Gefahr, dass die Eltern zunehmend „nur noch“ Vater und Mutter sind und ihre Identität als Liebespaar vernachlässigen. Um dem vorzubeugen, sind regelmäßige Paar-Zeiten ganz wichtig.

Das Baby sollte seinen Sitter kennen

Wann das wieder möglich ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: Grundsätzlich dann, wenn Sie Ihr Baby mit gutem Gefühl eine Weile jemand anderem überlassen können und keine Faktoren wie Füttern, Krankheiten oder Ängste dagegensprechen. Wenn das Baby gestillt wird, stellt sich die Frage, wie lange Pausen es aushält. Wenn es zwei bis drei Stunden recht zuverlässig schafft, ist zum Beispiel ein gemeinsames Abendessen gut umsetzbar. Abpumpen erhöht die Flexibilität.

Wie gut kommt ihr Baby mit Trennungen zurecht? Die meisten Babys fangen mit fünf bis sechs Monaten an, Trennungsangst zu entwickeln, bei manchen kommt es schon früher vor. Man sollte daher dafür sorgen, dass das Baby den Babysitter vorher zumindest zwei- bis dreimal für einige Zeit kennenlernen konnte (im Beisein eines Elternteils) und auch vor dem Verlassen der Wohnung mindestens eine halbe Stunde zusammen mit dem Babysitter zum „Warmwerden“ einplanen, bevor man sich verabschiedet. Auf keinen Fall sollte man sich rausschleichen, sondern kurz und herzlich verabschieden. Wenn das Baby jünger als drei bis vier Monate ist, reicht es oft aus, wenn es den Babysitter ein- oder zweimal vorher kennengelernt hat, da Trennungsangst da meist noch keine Rolle spielt.

Babysitter in Rituale und Abläufe einführen

Der Babysitter sollte über alle wichtigen Abläufe, Rituale und Besonderheiten beim Schlafen, Wickeln und Füttern Bescheid wissen. Am besten zeigt man möglichst vieles davon schon einmal vorher: Wo ist der Schnuller, wann gibt es diesen? Wie schläft das Baby am besten ein, wie kann man es gut beruhigen?

Gerade bei Babys ist es meist gut, wenn der Babysitter schon volljährig ist. Es gibt aber auch Jugendliche, die schon viel Erfahrung und ein gutes Händchen haben, dann sollte man diese aber vorher sehr genau einweisen, prüfen, ob sie ausreichend souverän wirken und die vorhandene Erfahrung erfragen. Manche haben ein sogenanntes „Babysitter-Diplom“ über eine Schulung erhalten, das ist ein Pluspunkt.
Man sollte bestimmte Notfallnummern für den Babysitter sichtbar aufhängen und natürlich sicherstellen, dass man selbst erreichbar ist. Für den Anfang bietet es sich an, nicht zu weit wegzufahren, um möglichst rasch wieder zu Hause zu sein. Bei der Bezahlung sollte man sich bei volljährigen Babysittern am gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde orientieren. Jüngere Babysitter erhalten oft zwischen 6 und 8 Euro pro Stunde, je nach Region sind die üblichen Preise auch höher. In der Schweiz erhalten bis 15-Jährige bis 10, ältere bis 18 Franken pro Stunde.

Melanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin, verheiratet, Mutter von zwei Kindern und als freie Autorin und Elternberaterin mit dem Schwerpunkt Schrei- und Schlafprobleme tätig (www.elternleben.de sowie www.neuewege.me).

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Paartherapeut: Schon zehn Minuten pro Tag helfen der Beziehung

Im Alltagsstress bleibt oft keine Zeit für viel Zweisamkeit. Aber Paartherapeut Jörg Berger ist überzeugt: Es reichen auch die kleinen Gewohnheiten.

Drei Megatrends lenken uns von dem ab, was unsere Liebe aufbaut. Wir haben uns an sie gewöhnt und doch beeinflussen sie unser Leben:

Gestiegene Anforderungen. Manchmal führe ich mir vor Augen, was meine Eltern leisten mussten, um gegenüber der Schule und dem Sportverein als „gute Eltern“ dazustehen. Ich würde sagen, meine Frau und ich müssten heute das Dreifache leisten, um die Erwartungen in gleicher Weise zu erfüllen. Ich werde neidisch, wenn ich höre, wie ältere Kollegen vor 30 Jahren gearbeitet haben, und höre ähnliche Geschichten von Menschen in anderen Berufen. Natürlich ist heute auch vieles besser. Gleichzeitig führen wir unser Leben in einem Tempo, für das wir nicht geschaffen sind.

Höhere Ansprüche. Produkte und Erlebnisse treffen heute jeden Geschmack. Noch mehr als die Produktpalette hat sich aber unsere Möglichkeit verbessert, uns zu informieren und genau das zu finden, was zu uns passt. Der Urlaub wird perfekt, wenn wir nicht ins Reisebüro gehen, sondern ihn nach einer tagelangen Internetrecherche zusammenstellen. Gleichzeitig nimmt unsere Fähigkeit ab, mit einem durchschnittlichen Erlebnis glücklich zu sein. Wir sind beinahe gezwungen, den Aufwand zu betreiben, der zu dem Produkt oder Erlebnis führt, das wirklich zu uns passt.

Google und Facebook fressen Stunden unseres Lebens

Die Macht der Aufmerksamkeitsindustrie. Warum noch mal sind Unternehmen wie Google und Facebook Milliarden wert? Ja, sie wollen unsere Daten. Doch letztlich bezahlen wir mit unserer Aufmerksamkeit, nämlich jener, die wir der Werbung widmen. Je länger uns digitale Unternehmen an ihre Anwendungen binden, desto besser funktioniert ihr Geschäftsmodell. Die Nutzungsstatistiken von Facebook, WhatsApp oder YouTube zeigen, wie gut das gelingt: Stunden unserer Aufmerksamkeit schenken wir digitalen Medien. So nützlich viele Anwendungen sind, verlieren wir durch sie doch Zeit für unser übriges Leben.

Zwar gibt es längst Gegentrends der Vereinfachung und digitaler Enthaltsamkeit. Doch die meisten von uns finden sich in einem Leben vor, das mehr Zeit und Aufmerksamkeit bindet, als wir eigentlich haben. Hier setzen die sogenannten Mini Habits an: Sie beginnen so bescheiden, dass ein guter Vorsatz auch in einem Alltag voller Ablenkungen bestehen kann.

Ein Beispiel: Zehn Minuten können reichen

Markus hat Lisa versprochen, den Eheabend wieder aufleben zu lassen, der nach ihrer Hochzeit so gut funktioniert hat. In manchen Wochen hat er schlicht nicht daran gedacht, weil so unglaublich viel los war. In anderen Wochen hat er ihn sich fest vorgenommen. Doch als er abends das Wichtigste erledigt hatte, war es für beide schon zu spät.
„Dann nehmen wir uns einen ganzen Nachmittag am Wochenende“, will Markus schon vertrösten, aber Lisa rollt nur mit den Augen. „Ok“, gesteht Markus ein, „ist vielleicht unrealistisch an diesem Wochenende.“ Markus hat von den Mini Habits in einem Gespräch mit einem Freund gehört. Was könnte das für einen Eheabend heißen? Eine ganz kleine Gewohnheit? Vielleicht Lisa jeden Tag zehn Minuten mit voller Aufmerksamkeit zuhören und ihr dann in ein paar Sätzen Anteil geben, was ihn beschäftigt?

Das hat geklappt. Markus hat eine leere Seite in seinem Kalender als Habit Tracker gestaltet und freut sich, wenn er seinen Mini-Erfolg abhaken kann. Natürlich sind aus den zehn Minuten auch schon fünfzehn oder zwanzig geworden, einmal sogar ein langes Gespräch, das durchaus als Eheabend hätte durchgehen können. Trotzdem ist es ein gutes Gefühl, wenn zehn Minuten reichen. Weil er Lisa nicht schon wieder zu viel versprechen wollte, hat Markus nichts von den Mini Habits erzählt. Vielleicht merkt sie gar nichts von seinem Einsatz? „Wie unaufmerksam“, hat Markus erst gedacht. Aber Lisa ist gerade zufriedener und zärtlicher. Sie hat sich seither nicht beklagt, dass sie gemeinsame Zeit vermisst.

Für mehr ist oft nicht die Zeit

Manchem wird dieser Ansatz wie eine Vertröstung vorkommen: Mit zehn Minuten kann sich ein Partner von seinem schlechten Gewissen freikaufen und von seiner Verantwortung, wirklich in die Beziehung zu investieren. Das beabsichtige ich natürlich nicht. Ich biete auch Ehewochenenden an mit viel, viel Zeit füreinander. Doch freitags in der Vorstellungsrunde höre ich oft Sätze wie diesen: „Wir haben schon tolle Ehewochenenden besucht. Das letzte ist allerdings 15 Jahre her – wir haben es einfach nicht mehr geschafft.“ Wo Sie trotz Ablenkungen Zeit füreinander finden: Bitte keine Mini Habits daraus machen! Aber wo Sie die Erfahrung lähmt, es einfach nicht zu schaffen, da beginnen Sie doch klein.

Eine Berührung am Tag schenken

Manches lässt sich leicht in Mini Habits verwandeln: Umarmungen und andere Alltagszärtlichkeiten; wertschätzende Worte; kleine Zeichen von Ermutigung, wenn der andere im Stress ist, zum Beispiel ein paar liebe Zeilen, mal aufs Kopfkissen, mal auf den Schreibtisch, mal auf den Frühstückstisch; treu eine ungeliebte Aufgabe erledigen, etwa den Müll rausbringen; bei einem Kind beharrlich an einem Erziehungsziel dranbleiben (ihr Kind ist froh, wenn das Gespräch darüber nicht länger als fünf Minuten dauert); eine persönliche Macke abstellen (fünf Minuten Selbstbetrachtung – „Habe ich sie heute ausreden lassen?“ – und ein Stoßgebet).

Sophia zum Beispiel stellt Nähe eher über Gespräch und gemeinsame Unternehmungen, weniger über Zärtlichkeit. Aber Lars braucht einfach Berührungen. Eine Umarmung oder ein kurzes Schmusen würde einen großen Unterschied machen, aber weil es nicht ihre Liebessprache ist, vergisst Sophia es oft. Sie kann sich vornehmen, Lars einmal am Tag eine Berührung zu schenken. Ihre Liste zum Abhaken, ihren Habit Tracker, legt sie in die Gute-Nacht-Lektüre am Bett. Dann kann sie die kleine neue Gewohnheit entweder abhaken oder noch nachholen.

Sex in fünf Minuten?

Aber was ist mit größeren Dingen? Sex oder ein Spaziergang in fünf Minuten? Auch das geht, aber es geht kaum, ohne mit dem Partner darüber zu reden. Für manche Paare funktioniert zum Beispiel eine Verabredung zu fünf Minuten erotischem Kuscheln am Abend, das mehr werden kann, aber nicht muss. Für andere wäre es schwer erträglich, Lust zu bekommen oder zu machen, ihr dann aber nicht immer Raum zu geben. Wenn das nicht geht, wo liegt dann ein noch kleineres erotisches Ritual, das nicht mehr weckt, als nach fünf Minuten wieder wegzuatmen wäre? Da findet sich etwas, man muss nur offen und geduldig darüber reden. (Das Beispiel geht von einer Situation aus, in der sich einer mehr sexuelle Nähe wünscht und der andere sie schon fast wie eine Pflicht empfindet.)

Ein Spaziergang könnte verkleinert werden auf fünf gemeinsame Minuten auf dem Balkon oder der Terrasse oder die kleinstmögliche Runde durchs Viertel, die dann vielleicht zehn Minuten dauert. Gespräch ist nötig, weil nicht jede Verkleinerung für jeden passt. Vielleicht muss man die kleine Gewohnheit auch als Notlösung, Übergangslösung oder behutsamen Neubeginn verstehen, damit sie Freude weckt und nicht die Sorge, abgespeist zu werden.

Liebevolle Kreativität

Leider gibt es mehr innere Widerstände und praktische Komplikationen, als wir erwarten: Eine Frau schätzt vielleicht nur bestimmte Blumen, während ihr andere entschieden nicht gefallen. Außerdem wünscht sie sich nicht in erster Linie die Blumen, sondern vor allem den romantischen Moment, mit Blumen überrascht zu werden. Für ihren Mann wird aus der einfachen Aufgabe ein komplizierter Auftrag: „Was kaufe ich, wenn es keine Tulpen gibt? Was mache ich, wenn mir die romantischen Gefühle fehlen? Und was geschieht, wenn sie nicht zu Hause ist und ich mit den Blumen komme?“

Die kleine Gewohnheit könnte dann darin bestehen, jeden Tag fünf Minuten Kreativität aufzuwenden, um die Liebesmission einen Schritt voranzubringen. Tag 1: Brainstorming – wer könnte wissen, welche Blumen Karen noch gefallen?; Tag 2: WhatsApps an zwei Freundinnen von Karen schreiben; Tag 3: Überlegen: Wann wäre die nächsten Tage ein guter romantischer Moment? Plan A, B und C aufschreiben; Tag 4: Blumen kaufen und überreichen im Kalender fixieren: übermorgen; Tag 5: romantische Gefühle wecken: Hochzeitsalbum ansehen, die Top 3 zärtlicher Momente des letzten Jahres in Erinnerung rufen; Tag 6: Blumen kaufen und überreichen; Tag 7: ausführlich stolz auf sich sein und den schönen Moment in der Erinnerung nachklingen lassen. Fünf Minuten liebevolle Kreativität machen auch da kleine neue Gewohnheiten möglich, wo wir zunächst auf Hindernisse stoßen.

Große Ziele sind oft nicht zu schaffen

Wenn mir Paare ihre gemeinsamen Ziele nennen, muss ich oft sagen: „Es tut mir leid. Das schaffen Sie in dieser Lebensphase nicht.“ Viele Paare kommen nämlich in einer Zeit zu mir, in der sie beruflich und familiär sehr beansprucht sind. Nach dem ersten Schreck ist das Paar aber auch erleichtert, wir einigen uns auf bescheidenere Ziele. Der Erfolg einer Paartherapie steht und fällt mit den Anfangserfolgen. Stellen sie sich ein, steigt die Motivation und auch der Mut, Dinge auszuprobieren. Bleiben die Erfolge aus, weckt das Zweifel und Entmutigung. So geht es uns auch in unserem Liebesalltag – wir setzen uns gerne ein, aber nur, wenn wir dabei auch Erfolg haben. Das gelingt besser, wenn wir ernst nehmen, wie beansprucht und abgelenkt wir in unserem Alltag sind. Es bleibt oft nur Raum für Kleines, das aber einen großen Unterschied macht.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut in eigener Praxis in Heidelberg.

Damit es nicht zum Patt kommt

Entscheidungen bestimmen die Richtung unseres Lebens. Sie beeinflussen, wie sich die Liebe entfaltet und welche Gestalt das gemeinsame Leben annimmt. Und manchmal fordern Entscheidungen die Kompromissbereitschaft eines Paares sehr heraus.

„Wir dürfen so vieles gemeinsam entscheiden.“ Myriam und ich standen ganz überwältigt vor diesem Privileg, als wir nach der Hochzeit in unsere erste gemeinsame Wohnung zogen. Von der Einrichtung und Organisation unseres Haushalts über die Freizeitgestaltung bis hin zu den Weichenstellungen, die bestimmt haben, wie sich unser Freundeskreis entwikkelt. Viele Entscheidungen haben eine Welt eröffnet, die wir dann gemeinsam betreten durften. Mit jeder Entscheidung haben wir entweder am Guten aus unseren Herkunftsfamilien festgehalten oder haben einen eigenen Weg eingeschlagen, der etwas aus unserer Vergangenheit hinter sich gelassen hat. In vielem haben wir so entschieden, wie es die meisten anderen auch tun, einfach weil das unkompliziert und kraftsparend ist. In anderem haben wir Wege gewählt, die selbst für Menschen, die uns nahe standen, erklärungsbedürftig waren. Und natürlich gab es auch umkämpfte Entscheidungen, wenn Prioritäten zunächst weit auseinander lagen. In unserer Beziehung, aber auch bei Paaren, die ich begleite, habe ich folgende Erfahrung gemacht: Unterschiedliche Wünsche und Werte lassen sich zusammenführen, manchmal geht es schnell, wenn die Unterschiede nicht allzu groß sind, manchmal dauert es länger. Wenn ein Paar aber bei einer Entscheidung nicht weiterkommt, ist es vielmehr der Entscheidungsprozess, der Probleme macht. Für diesen sind folgende Faktoren wichtig: die Motivation, das Urteilen und die Kompromissbereitschaft. Auf allen drei Ebenen gibt es nämlich jeweils zwei gegensätzliche Herangehensweisen. Das kann Paare in eine Pattsituation bringen.

DIE MOTIVATION: HOFFNUNG ODER FURCHT
Der Motivationspsychologe Heinz Heckhausen entdeckte zwei gegensätzliche Motivationen, die Menschen zu ihren Entscheidungen bewegen: Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg. Manche Menschen haben vor allem das Schöne im Blick, das durch eine Entscheidung in ihr Leben kommen könnte. Andere sehen auf die Risiken und wollen diese so klein wie möglich halten. Sicher können Sie nachvollziehen, dass eine Entscheidungssituation völlig anders aussieht, je nachdem ob einer die Brille einer Erfolgshoffnung oder die Brille eines möglichen Misserfolges aufsetzt: Antje und Dirk überlegen, ob sie vielleicht einmal auf einer Nordseeinsel Urlaub machen. Antje riecht bereits den salzigen Wind, sieht die Dünen vor sich und spürt das überwältigende Gefühl, ganz von Meer umgeben zu sein. Dirk dagegen sieht die verregneten Tage, an denen die Kinder in der Ferienwohnung quengeln. Er ahnt die teuren Überraschungen, die einem der Einkauf auf einer Insel bescheren könnte. Gerne würde ich nun empfehlen: „Beides ist wichtig. Die Aussicht auf das Schöne und der Blick auf die Risiken, der vor bösen Überraschungen schützt.“ Nur würde das nicht dem Stand der Motivationsforschung entsprechen. Menschen, die durch Hoffnung auf Erfolg motiviert werden, geht es nicht nur besser, sie erreichen auch mehr. Wenn es hier Unterschiede gibt, lässt sich der ängstlichere Partner besser vom zuversichtlicheren leiten. Natürlich muss man bei Entscheidungen die Risiken prüfen. Sie sollten aber nicht zur ausschlaggebenden Motivation werden.

DAS URTEIL: KOPF ODER BAUCH
Jeder Mensch trägt zwei Systeme in sich, um Situationen zu beurteilen: ein intuitives und ein rationales. Das beschreiben zum Beispiel die Psychologin Maja Storch („Das Geheimnis kluger Entscheidungen“) oder der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman („Schnelles Denken, langsames Denken“). Unsere Intuition urteilt blitzschnell. Ihr Ergebnis teilt sich oft als Gefühl oder Körperempfindung mit. Dabei wird eine Situation mit vielen ähnlichen Situationen verglichen, die wir schon einmal erlebt haben. Das rationale Urteilen muss die Situation analysieren und Pro und Kontra gegeneinander abwägen. Das dauert länger und ist grundsätzlich nie abgeschlossen – wer könnte nicht durch weiteres Nachdenken noch andere Aspekte entdecken, die für die Entscheidung eine Rolle spielen? Auch hier kann ein Paar zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, wenn ein Partner mehr zum rationalen, der andere zum intuitiven Urteilen neigt. So könnte beispielsweise der Vermögensberater sagen: „Sie können sich das Haus leisten, aber es wird dann schon eng. Sie müssen sich das überlegen, ob Sie unter Umständen ein paar Jahre sehr sparsam leben wollen.“ Ihre Intuition sagt vielleicht: „Das packen wir.“ Sein rationales Urteil fühlt sich aber zu einer solchen Entscheidung außer Stande. Denn die Faktoren, die entscheiden, wie es finanziell wird, liegen in der Zukunft und sind der Analyse noch nicht zugänglich. Hier ist es die Entscheidungsforschung, die eine Empfehlung gibt: „Wenn es um eine wichtige Sache geht, dann triff nur eine Entscheidung, bei der sowohl deine Intuition als auch dein rationales Urteilsvermögen zum gleichen Ergebnis kommen.“ Paare können also ihr rationales und intuitives Urteilen zusammenführen, wenn sie hier unterschiedlich sind. Nach dieser Regel sollte sich das Paar in unserem Beispiel nur für das Haus entscheiden, wenn auch das rationale Urteil positiv ausgeht: „Wir sind bisher immer gut und entspannt mit Engpässen umgegangen. Das können wir wagen.“ Wenn es noch kein rationales „Ja“ gibt, kann sich das Paar für ein günstigeres Haus entscheiden oder die Entscheidung vertagen und vielleicht einmal ein Jahr lang besonders sparsam leben. Das steigert nicht nur das Eigenkapital, sondern schafft auch Erfahrungswerte, wie es einem Paar in einer finanziell knappen Situation geht.

DIE KOMPROMISSBEREITSCHAFT: SELBSTBEWAHRUNG ODER OPFER
Es gibt Entscheidungssituationen, die sich nur auflösen lassen, wenn einer ein Opfer bringt. Auch hier kann man auf beiden Seiten vom Pferd fallen. Manche Partner verhalten sich bei Entscheidungen selbstbezogen. Sie wollen ihre Komfortzone nicht verlassen und verstehen nicht, dass ein gemeinsames Leben manchmal Opfer erfordert. Andere dagegen bringen derart große Opfer, dass sie sich mit den Folgen überfordern, bitter werden oder sich selbst in der Beziehung verlieren. Führende Paartherapeuten wie zum Beispiel der Frankfurter Psychoanalytiker Michael Lukas Möller oder der amerikanische Paar- und Sexualtherapeut David Schnarch raten hier Folgendes: „Wo Sie ein Opfer bringen müssten, das Ihrer Persönlichkeit oder Ihren Überzeugungen Gewalt antut, sollten Sie das Opfer nicht bringen.“ In allen übrigen Entscheidungen kann es ein starker Ausdruck von Liebe sein, für den anderen ein Opfer zu bringen (und für den anderen ist es dann eine Kunst, das Opfer auch anzunehmen). In meiner Arbeit mit Paaren orientiere ich mich an der Faustregel: Veto vor Wunsch. Wenn sich der eine etwas wünscht (ein drittes oder viertes Kind, ein Pflegekind, eine kommunenartige Lebensform, ein Aussteigerjahr im Ausland) und sich der andere wirklich damit überfordert fühlt, schadet es der Beziehung weniger, wenn einer verzichtet als wenn der andere sich auf etwas einlässt, das ihn dauerhaft überfordert. Beides, ein Verzicht oder ein Opfer, kann ein Paar an die emotionalen Grenzen führen. Es kann dann entlastend sein, sich in einigen Gesprächen durch den Entscheidungsprozess begleiten zu lassen. Das Einnehmen unserer ersten Wohnung und unseres gemeinsamen Lebens ist inzwischen 18 Jahre her. Wir haben seither viel miteinander erlebt und aufgebaut, was wunderschön ist. Aber wir haben auch einiges nicht erreichen können, was uns heute manchmal schmerzt. Das Leben ist begrenzt, und unsere Entfaltungsmöglichkeiten sind es ebenfalls. Zum Entdeckermut haben wir im Laufe der Jahre eine weitere Fähigkeit gewonnen: die Fähigkeit zum Verschmerzen dessen, was nicht möglich war. Manche scheuen den Schmerz aus Furcht, er verderbe einem, was schön im Leben ist. Aber wir erfahren zusammen mit vielen anderen Paaren: Wer sich ab und zu schmerzlichen Gefühlen stellt und betrauert, was nicht möglich war, kann von Herzen loslassen.
Das vertieft das gemeinsame Glück.

 

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut in eigener Praxis in Heidelberg.

Verhängnisvolle Einigkeit

Paare ergänzen sich, korrigieren einander – und oft gleicht einer die Fehler des anderen aus. Aber was geschieht, wenn ein Paar gemeinsame Schwächen hat? Von Jörg Berger

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