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Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Mit diesen 5 Tipps meistern sie die Work-Life-Balance

Kann es gelingen, Familie und Beruf so zu planen, dass alle zufrieden sind? Coach Christine Jaschek gibt fünf Tipps, wie Paare den passenden Weg für sich finden können.

Überall wird sie diskutiert, gefordert und propagiert: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch in der Realität stoßen Familien an diesem Wunsch immer wieder an wie an einer Glastür. Diese „Glastür“ können äußere Rahmenbedingungen wie der Wohnort, die Kinderbetreuungszeiten, der Arbeitgeber, aber auch innerfamiliäre Einflüsse sein. Oder eine weltweite Pandemie. Am Ende steht die resignierte Schlussfolgerung: Es funktioniert nicht und ist ein Wunschdenken.

Klar ist, dass sich bei den Unternehmen, in der Gesellschaft und in der Politik noch viel bewegen muss, damit sich eine Vereinbarkeit für alle umsetzen lässt. Dennoch beginnt Veränderung im Kleinen. Daher sollte jede Familie für sich an der Umsetzung des Wunschtraums der Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten. Besonders in der letzten Zeit waren Familien und Arbeitgeber gezwungen, in kurzer Zeit viel in Sachen Vereinbarkeit dazuzulernen und auszuprobieren: Was ist machbar? Wo sind Grenzen? Welche Modelle sind erfolgreich und welche nicht?

Ganz zu Beginn möchte ich klarstellen, dass für jede Familie die Vereinbarkeit anders aussieht, egal, ob mit Eltern in einer Paarbeziehung, in einer Patchworkfamilie oder als Alleinerziehende. Das ist auch gut so. Die perfekte Anleitung oder Empfehlung gibt es nicht. Aber es gibt ein paar Tipps, die helfen, die Vereinbarkeit so umzusetzen, dass alle in der Familie glücklich sind. Wir arbeiten in unserer Familie immer wieder daran, und auch in meinen Coachings sind es oft dieselben Themen, über die wir sprechen.

1. Vereinbarkeit beginnt mit der Kinderplanung

Bereits vor der Kinderplanung sollte man sich als Paar darüber einigen, wie das Familienleben aussehen kann, wenn Kinder da sind. Keiner sollte sich scheuen, seine Vorstellung darüber zu äußern. Es gibt keine Tabus – jeder Wunsch oder jede Vorstellung hat seine Berechtigung. So gelangt man zu einer gemeinsamen Vorstellung, weil jeder vom anderen weiß, was er oder sie sich wünscht. In dieser Zeit wird die Basis für ein gemeinsames Familienleben gelegt.

Eine wichtige Frage ist, wie sich die Familie finanziert. Hierfür gibt es viele individuelle Antworten: Für Familien mit beiden Eltern können die Modelle des Alleinverdieners oder das eines Voll- und eines Teilzeitverdieners interessant sein, aber auch, dass beide Vollzeit arbeiten oder beide Teilzeit oder jedes andere Modell. Wichtig dabei ist, dass jeder das Recht hat, dass seine Vorstellung ernst genommen und gemeinsam an einer Basis gearbeitet wird. Denn jeder kann nur glücklich sein, wenn er seine Bedürfnisse erfüllt sieht. Alleinerziehende haben in dieser Frage weniger Auswahl: Bei ihnen ist der finanzielle Druck höher, weil er auf den Alleinerziehenden allein liegt – vom Unterhalt abgesehen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Zwei Berufstätige

Meinem Mann und mir war von Anfang an klar, dass ich in jedem Fall arbeiten will. Ich selbst war vor meiner Selbstständigkeit wie er in verschiedenen Leitungspositionen tätig. Gleichzeitig hatten wir uns bewusst für unsere Kinder entschieden. Uns war klar, dass wir das Doppelverdiener-Modell wählen würden. Ich arbeite nicht Vollzeit, aber einen hohen Stundensatz, und er in Vollzeit. Da er in seinen Leitungspositionen sehr flexibel war und ist, können wir viel gemeinsame Zeit mit unseren Kindern genießen.

Bis heute ist es uns wichtig, dass wir beide so arbeiten, dass genügend Zeit für unsere Kinder und unsere Familie bleibt und unsere Kinder nicht von morgens bis abends in der Kindertageseinrichtung sind. Bei uns heißt das, dass mein Mann sie morgens hinbringt und ich früh zu arbeiten beginne. Ich hole sie am frühen Nachmittag ab und spätestens zum gemeinsamen Abendessen treffen wir uns alle wieder zu Hause. Natürlich wird im Lauf der Jahre dieses Modell immer wieder in Frage gestellt, angepasst oder verändert. Leben ist Veränderung, genauso wie die Art und Weise, wie wir Familie gestalten.

2. Investiert in eine starke Paarbeziehung!

Eltern sein ist schön, aber nicht alles! Um gemeinsam die Anforderungen des Alltags zu meistern, ist eine feste Paarbeziehung wichtig. Diese kann im Alltagstrubel schnell verloren gehen, weil man sich gegenseitig aus den Augen verliert und nicht mehr aufeinander achtet. Der Fokus liegt auf der Bewältigung des Alltags und auf den Kindern. Deshalb sind gemeinsame Auszeiten ohne Kinder wichtig. Es braucht anfangs Mut, loszulassen, aber mit zunehmender Routine geht es besser. Zu Beginn hält man sich lieber in kurzer Reichweite auf, sodass man schnell bei den Kindern sein kann. Wenn sich alle daran gewöhnt haben, kann man den Radius erweitern. In Zeiten digitaler Kommunikation ist man schnell informiert und kann jederzeit reagieren. Übrigens genießen es die Kinder auch, einmal ohne Eltern zu sein.

Mein Mann und ich versuchen, einen Abend im Monat für uns zu planen, an dem wir beide ohne Kinder Zeit miteinander verbringen. Das kann ein Kinobesuch, ein gemeinsames Essen oder eine gemeinsame Aktivität sein. Einmal im Jahr fahren wir zusammen ohne Kinder für ein Wochenende weg. Da wir generell viel verreisen, haben wir daneben noch viele Zeiten, in denen wir zusammen mit den Kindern unterwegs sind. Für die Abende ohne Kinder haben wir einen Babysitter oder fragen die Großeltern. Natürlich hat dieses Vorhaben in den zurückliegenden Monaten wegen der Corona-Pandemie gelitten, aber wir haben darauf geachtet, dass wir es wieder in die Tat umsetzen können, sobald es die Situation zulässt.

Wichtig ist uns, dass wir gemeinsame Erlebnisse schaffen, die uns als Paar stärken. Wir besprechen unsere Alltagssorgen, Gedanken um die Kinder, Vorstellungen für die Zukunft, unsere Wünsche und vieles mehr. Es geht darum, an der gemeinsamen (Werte-)Basis zu arbeiten für einen respektvollen und achtsamen Umgang miteinander. Gegenseitige Vorwürfe bringen keinen weiter. Schließlich haben wir uns versprochen, in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten.

Auszeit alleine nicht vergessen!

Ich kann nur jedem empfehlen, sich zu trauen und die Kinder einen Abend oder ein Wochenende anderweitig gut betreuen zu lassen. Diese Zeit ist wertvoll und hilft, als Paar bestehen zu bleiben. Nur wenn man versteht, warum sich der andere gerade so verhält, kann man gemeinsam daran arbeiten und Änderungen umsetzen. Daneben sollten Auszeiten allein ebenfalls möglich sein, um sich beispielsweise mit Freunden zu treffen. Denn wir alle sind für uns selbst verantwortlich, müssen für uns selbst sorgen und bleiben trotz Familie auch eigenständige Personen. Und deshalb darf es ruhig auch einmal der Abend ganz ohne Mann und Kinder sein, um in Ruhe und in aller Ausführlichkeit mit der Freundin zu reden. Pausen gelten auch für Alleinerziehende! Und sie sollten sich diese auch nehmen. Entweder kann man mit dem anderen Elternteil eine entsprechende Aufteilung besprechen oder man hat Eltern, gute Freunde oder einen Babysitter, die einem die benötigten Pausen verschaffen können.

3. Gemeinsam ist man stark

Die Rolle des Vaters hat sich in den letzten Jahren gesellschaftlich extrem gewandelt. Väter wollen heute mehr denn je ihren Teil zum Familienleben und der Erziehung beitragen. Sie wollen nicht nur zusehen, sondern Bestandteil sein. Vereinbarkeit lässt sich besser realisieren, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Sei es im Familienleben, weil die Aufgaben im Haushalt geteilt werden, sei es in der Kinderbetreuung, weil auch der Vater Zeiten in der Betreuung übernimmt, und sei es im Berufsleben, weil jeder finanziell seinen Beitrag leistet und somit das Einkommen gesichert ist. Zeiten, die Kinder allein mit dem Vater verbringen, sind ebenso wertvoll wie Zeiten, in denen sich die Mutter allein um die Kinder kümmert. Jedes Elternteil erzieht anders, davon profitieren die Kinder ungemein.

Damit schließt sich auch der Kreis zu Tipp 2. Je besser die gemeinsame Basis als Paar ist, desto stärker ist man zusammen! Dies gilt auch für getrennt lebende Eltern, denn auch wenn man kein Paar mehr ist – Eltern bleibt man ein Leben lang. Und damit auch in dieser Verantwortung. Klar gibt es Arbeitsplätze, die dies besser oder schlechter bewerkstelligen lassen. Aber in Zeiten des Fachkräftemangels und der beständigen Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben auch Arbeitgeber erkannt, dass sie sich an dieser Stelle bewegen müssen. Die Umsetzung von Home-Office in den letzten Monaten ist nur ein Beispiel für eine Maßnahme, die vorher bei vielen Tätigkeiten als undenkbar gegolten hat oder nur sehr ausgewählt gewährt wurde. Daher kann ich nur raten, dem Arbeitgeber gegenüber mutig seine Wünsche zu äußern. In den meisten Fällen lässt sich eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird.

4. Achtet auf die Kinder!

Bisher haben wir den Blick auf die Eltern gelegt, denen die Vereinbarkeit gelingen muss. Aber in diesem System gibt es einen wichtigen Faktor, um den sich alles dreht: die Kinder. Sie sind ein guter Gradmesser, ob das aktuelle Familienleben gut ist und für alle passt. Sind die Kinder ausgeglichen und entspannt, kann man davon ausgehen, dass auch sie sich in dem System wohlfühlen. Kann man Änderungen in den Verhaltensweisen erkennen, wie plötzliche Aggressivität, schlechte Laune, keine Lust auf bisherige Aktivitäten, Anhänglichkeit, Weinerlichkeit oder Ähnliches, dann sollte man genauer und kritisch hinsehen. Kinder können ihre Gefühle erst mit zunehmendem Alter in Worte fassen. Anfangs drücken sie ihre Gefühle über ihr Verhalten aus. Deshalb muss man sie genau im Auge behalten und bei eindeutigen Anzeichen kritisch überlegen, was der Auslöser sein kann.

5. Reduziert den Druck!

Stress und Druck sind bekannte Phänomene im Familienleben. Sie entstehen auf mehreren Ebenen. Besonders, wenn beide Elternteile arbeiten oder nur der alleinerziehende Elternteil, ist das oft mit Stress verbunden. Jeder steht zeitlich unter Druck: pünktlich auf der Arbeit sein, die Kinder pünktlich abholen und daneben noch Arztbesuche, Einkaufen, Hobbys und vieles mehr. Es gibt genug zu tun, deshalb kann es hilfreich sein, die Kinderbetreuungszeiten großzügiger zu buchen. Das bedeutet, dass ein zeitlicher Puffer morgens und/oder abends entsteht. Dies kann beispielsweise zwischen Arbeitsende und dem Abholen der Kinder sein, sodass man nicht unter Druck nach Hause fahren muss oder noch Zeit hat für ein paar Erledigungen oder einfach zum Durchatmen nach einem stressigen Arbeitstag.

Stress wirkt sich auch auf die Kinder aus! Deshalb empfiehlt es sich umso mehr, für ein gutes Zeitmanagement zu sorgen. Auch im Hinblick auf sich selbst: Wer gestresst ist, macht Fehler. Ein anderer Druck, unter dem Eltern oft leiden, ist der Druck, perfekt zu sein. Macht euch frei davon! Es ist egal, ob Krümel auf dem Boden liegen, wenn das Kind spielen will. Die Krümel können warten. Die Kinder aber wollen die freie Zeit mit den Eltern genießen. Und wenn die Eltern oder der Vater oder die Mutter sich die Zeit nehmen und alles andere hinten anstellen, wird das die Erinnerungen schaffen, von denen Kinder als Erwachsene zehren.

Ungewöhnliche oder als ungewöhnlich wahrgenommene Lebenskonzepte können oftmals Skepsis bei anderen auslösen. Auch davon muss man sich freimachen. Wichtig ist, dass ihr euch – Eltern und Kinder – wohlfühlt, ob mit oder ohne Krümel auf dem Boden, in einem traditionellen Familienbild oder einem modernen. Damit schließt sich der Kreis: Jede Familie benötigt ihr individuelles Vereinbarkeits- und Lebenskonzept, in dem alle zufrieden sind!

Habt Spaß!

Natürlich braucht es Mut, sich zu lösen und neue Wege in der Gestaltung des Familienlebens zu gehen. Je mehr Einigkeit im Elternpaar herrscht, umso besser kann man mit Fragen oder gutgemeinten Ratschlägen umgehen, die deutlich machen, dass andere die Entscheidung nicht nachvollziehen können. Wer sich Vereinbarkeit wünscht und dem Familienleben oberste Priorität einräumt, folgt einer neuen gesellschaftlichen Sichtweise. Diese unterscheidet sich bereits von der Sichtweise unserer Eltern. Denn für diese war es noch deutlich klarer, dass sich das Familienleben dem Beruf unterordnen muss. Heute hat sich das gewandelt, viele ordnen das Familienleben als gleich wichtig zum Beruf ein. Am wichtigsten ist: Das Leben mit Kindern soll Spaß machen! Nur mit Humor können wir auch einmal die schlechten Launen unserer Kinder oder unsere eigenen schlechten Phasen kompensieren. Je glücklicher die Familienmitglieder sind, desto glücklicher ist das Familienleben!

Christine Jaschek ist verheiratet und hat zwei Kinder. Viele Jahre war sie in Leitungspositionen tätig, heute arbeitet sie selbstständig als Unternehmensberaterin sowie als Coach: christine-jaschek.de

„Homeoffice braucht andere Kompetenzen“

Ein Gespräch mit Felicitas Richter über die Herausforderungen für Familien im Homeoffice

Es gab schon immer Mütter und Väter, die vom Homeoffice aus gearbeitet haben. Was hat sich durch die Corona-Krise verändert?

Die Herausforderung, selbst im Homeoffice produktiv zu sein und gleichzeitig die Kinder zu betreuen und zu beschulen, brachte viele Eltern während der Corona-Zeit an ihre Belastungsgrenze. Dies ist aber nicht die Normalität einer gelingenden Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie in den eigenen vier Wänden. Denn wenn die Kinder in der Kita oder Schule sind, hat die Arbeit zu Hause auch eine Menge Vorteile. Auch wenn es anfangs noch gehakt hat, konnten viele in diesem Homeoffice-Riesenexperiment mal ausprobieren, ob das etwas für sie ist. Wir sind nun dabei, in eine neue Normalität zu finden: Immer mehr Arbeitgeber bieten nun (tageweise) mobiles Arbeiten und damit oft eine Flexibilisierung der Arbeitszeit an, die gerade Familien zugutekommt. Viele Beschäftigte sind ebenfalls auf den Geschmack gekommen, weil Fahrtwege und -zeiten entfallen. Paare haben Haus- und Erziehungsarbeit gerechter aufgeteilt, die gegenseitige Wertschätzung für das, was Mutter und Vater täglich leisten, ist gewachsen.

Sie beraten seit mehreren Jahren Mütter und Väter rund um den „Spagat zwischen Beruf und Familie“. Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung für berufstätige Eltern ist, Zeit für sich selbst und für die Partnerschaft zu finden. Beides wird oft über Jahre hintenangestellt. Und doch ist – und hier spreche ich vor allem die Mütter an – Selbstfürsorge das A und O. Wenn Mutter und Vater gut für sich sorgen, werden sie diese anstrengende Lebensphase gelassen meistern. Viele Paare müssen außerdem ihr Familienmodell verhandeln und das ist anstrengend. Auch wenn sich Väter (auch hier gab es durch die Corona-Lockdowns einen positiven Schub) heute vielmehr in Haushalt und Kindererziehung einbringen, haben noch meist die Mütter die To-Do-Listen im Kopf, die ihnen die Ruhe rauben. Außerdem fühlen sich viele Eltern unter Druck, den Kindern den bestmöglichen Start ins Leben mitzugeben – das heißt tägliche Hausaufgabenbetreuung, Begleitung zu vielen Freizeitaktivitäten, Beschäftigung der Kinder daheim. Das ist neben einer Berufstätigkeit eine große Herausforderung. 

Was ist Ihr wichtigster Ratschlag für Eltern, die jetzt zum ersten Mal im Homeoffice arbeiten (müssen)?  

Viele Menschen meinen, sie klappen den Laptop im Büro zu und können die Arbeit daheim am Esstisch 1:1 weitermachen. Das mag mal für einen Tag funktionieren. Homeoffice aber braucht – gerade mit Familie – noch einmal andere Kompetenzen als die Auswärts-Arbeit. Ich rate Eltern, sich und der Familie eine Einarbeitungszeit zu gönnen. Alle müssen sich erst an die neue Situation gewöhnen. Es braucht einen festen Arbeitsort, der vom Familienleben abgetrennt ist (das kann anfangs eine Ecke mit Paravent sein) und arbeitsfreie Zonen wie Esstisch, Bett oder Couch. Es braucht verbindliche Arbeitszeiten und arbeitsfreie Zeiten. Manche Eltern müssen erst lernen, „Nein“ zu sagen und die Kinder müssen lernen, dass Mama oder Papa nicht immer verfügbar ist, obwohl sie daheim ist. Es braucht Achtsamkeit für sich selbst und die Familie, damit das Homeoffice nicht zur Selbstausbeutung wird. Es braucht eine gute Familien- und eine passende Arbeitsorganisation. All das kann man lernen.

Die Arbeit von zu Hause aus benötigt ein großes Maß an Organisation und Disziplin. Aber sie kann gleichzeitig viel Flexibilität bieten. Wie sehen Sie das?

Ja, beides gehört zusammen. Ich betrachte eine gute Familien- und Arbeitsorganisation als das Standbein, um fokussiert und produktiv arbeiten zu können. Mit „gut“ meine ich sowohl individuell als auch für die Familie passend. Das kann sehr unterschiedlich sein. Dann ist Flexibilität möglich. Das ist das Spielbein. Wer einen guten Plan hat, kann davon im Notfall abweichen, ohne den Überblick zu verlieren. Statt Disziplin verwende ich lieber das Wort „Motivation“. Es ist wichtig herauszufinden, was mich bei der Arbeit daheim motiviert. Da gibt es ganz verschiedene Faktoren. Dann kommt die Disziplin von selbst. Was ich immer wieder betone: Wer Beruf und Familie im Homeoffice vereinbaren will, muss beides gut trennen. Das ist in den eigenen vier Wänden gar nicht so einfach. 

Sie haben ein Buch zum Thema „Homeoffice mit Familie“ geschrieben. Wie kam es dazu?

Ich habe immer auch daheim gearbeitet. Meine vier Kinder sind quasi im Homeoffice großgeworden. In 20 Jahren habe ich gelernt, was gut funktioniert und wo die Stolperstellen für produktives Arbeiten und lebendige Familienzeit sind. Während der Corona-Lockdowns habe ich viele Eltern, die im Homeoffice waren, in Live-Talks und durch Coaching begleitet. Dabei konnte ich auf diese Erfahrungen zurückgreifen. All das ist schließlich ins Buch eingeflossen. Geschrieben ist es sowohl für Eltern, die angestellt oder selbstständig von zu Hause aus arbeiten – egal, ob sie gerade ins Homeoffice starten oder schon „alte Hasen“ sind. Profitieren werden aber auch Personalverantwortliche, die wissen wollen, welche Rahmenbedingungen produktive Arbeit in den eigenen vier Wänden (oder mobil) braucht.

Sie bieten Ihren Leserinnen und Lesern eine Fülle von Ideen. Mal ehrlich, gelingt Ihnen das auch, alles so zu organisieren, dass fast nichts zu kurz kommt?

Das ist wohl ein Grundgefühl, das alle teilen, die den Spagat zwischen Familie und Beruf meistern: Irgendetwas kommt immer zu kurz. Zumindest im Vergleich zu den eigenen Erwartungen. Das geht mir nicht anders. Wichtig ist, dass man weiß, an welchen Stellschrauben man drehen kann, wenn etwas hakt. Dabei gibt es nicht den „richtigen“ Weg. Jede Familie wird herausfinden, was für sie am besten funktioniert. Und das ist das Schöne an der Arbeit im Homeoffice: man hat viel Gestaltungsspielraum. Diesen nutzen zu können für einen erfüllten Alltag mit Beruf und Kindern wünsche ich meinen Leserinnen und Lesern.

Felicitas Richter ist tätig als Professional Speaker, zertifizierte Business-Trainerin und -coach. Als Mutter von vier Kindern, die quasi im Homeoffice großgeworden sind, weiß sie, was es braucht, damit die Vereinbarkeit von Homeoffice und Familie auch wirklich funktioniert. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Berlin. www.felicitas-richter.de

 

 

 

„Es genügt, dass man da ist“

Im Schweden-Urlaub habe ich passenderweise das neue Buch des schwedischen Autors Tomas Sjödin gelesen: „Es gibt so viel, was man nicht muss“. Schon den Titel finde ich sehr ansprechend. Und das Buch hält, was der Titel verspricht. Es besteht aus Kolumnen, die Sjödin in den letzten Jahren für verschiedene schwedische Zeitungen geschrieben hat. Diese Texte enthalten viele wertvolle Impulse. Meine Lieblingskolumne möchte ich gern mit euch teilen (danke an den Verlag SCM R. Brockhaus, der den Nachdruck genehmigt hat):

Das Schaffen-Müssen sein lassen

Ich treffe immer mehr Menschen, die von sich behaupten, dass sie den Anforderungen, die an sie gestellt werden, nicht genügen. Nicht als Eltern, nicht als Partner, weder zu Hause noch im Beruf. Und vor allem nicht gleichzeitig zu Hause und im Beruf. Wenn es an der einen Stelle funktioniert, dann ist an der anderen Not am Mann, und beim tiefen Ausatmen kommt der Seufzer: „Ich schaff’s einfach nicht.“ Die Frage muss also heißen: Wer hat uns den Gedanken eingepflanzt, dass wir „es schaffen“ müssen? Und wer hat überhaupt festgelegt und normiert, was „schaffen“ und „genügen“ heißt?

Neulich begegnete mir ein Text, der mir klargemacht hat, dass das Problem keineswegs neu ist, sondern sich bereits in einer Quelle beschrieben findet, die fast 3000 Jahre alt ist – im Buch des Propheten Jesaja. Der Prophet beschreibt das Gefühl, nicht zu genügen, so: „Das Bett ist zu kurz, um sich darin auszustrecken, die Decke zu knapp, um sich damit zuzudecken“ (Jesaja 28,29). Ein sehr sprechender Beweis dafür, dass der Mensch sich über die Jahrtausende wenig verändert und schon immer mit den eigenen Ansprüchen und denen der anderen herumgeschlagen hat.

Wer schon einmal versucht hat, trotz einer zu kurzen Bettdecke einzuschlafen, weiß, was der fröstelnde Prophet meinte. Wenn man es sich gemütlich macht und die Decke über die Schultern zieht, ragen die Zehen unbedeckt in die kalte Luft des Schlafzimmers. Wenn man sie bedeckt, friert man bis zur Brust.

Kann es sein, dass das eine menschliche Grundbefindlichkeit ist: Immer fehlt etwas? Und dass eine Idee dahintersteckt: dass wir uns nämlich zusammentun sollen, uns nicht mit den eigenen Ressourcen zufriedengeben und uns weigern, das Dasein auf die innerweltlichen Dinge zu begrenzen?

Wenn man erkennt, dass man es alleine nicht schafft, öffnet man sein Leben für die helfenden Kräfte, die verfügbar sind. Die Situationen, in denen mein Leben eine neue und unerwartete Wendung genommen hat, waren selten die, in denen ich mich zusammengerissen und es noch einmal versucht habe, sondern solche, in denen ich aufgehört habe, mich zusammenzureißen, die Zügel aus der Hand gegeben und Hilfe angenommen habe. Hilfe von Gott und von Menschen.

Es gibt ein Wort mit nur fünf Buchstaben, das diese Erfahrung beschreibt: Gnade. Gnade ist das, was die Decke verlängert, sodass man sich in seiner vollen Länge ausstrecken kann, ohne kalte Füße zu bekommen.

In der letzten Woche las ich über den Mathematiker und Physiker Blaise Pascal und wie er seine zentrale geistliche Erkenntnis in dem zusammenfasste, was seitdem Pascals „Mémorial“ heißt: in einer Sammlung von Glaubenssätzen. Ich will mich nicht mit Pascal vergleichen, aber noch am selben Tag habe ich mich hingesetzt und „Sjödins Glaubenssätze“ formuliert. Falls sie außer mir selbst auch jemand anderem von Nutzen sein sollten, würde mich das sehr freuen. Sie lauten wie folgt – und gelernt habe ich sie von meinen kranken Söhnen: „Man muss nicht genügen. Es genügt, dass man da ist. Alles, was darüber hinausgeht, ist ein Bonus.“

 

Wenn ihr gern mehr über Autor und Buch wissen wollt, schaut mal hier rein: https://www.scm-brockhaus.de/aktuelles/portraits/tomas-sjodin

Bettina Wendland, Redakteurin bei Family und FamilyNEXT

Den Kinderwunsch aufschieben?

Facebook und bald auch Apple finanzieren ihren Mitarbeiterinnen in den USA das so genannte Social Freezing, das Einfrieren ihrer Eizellen. So können die Mitarbeiterinnen erst mal in Ruhe Karriere machen und sich später immer noch ihren Kinderwunsch erfüllen. Ohne tickende biologische Uhr.

Diese Meldung hat für viel Kritik gesorgt. Aber so ganz abwegig finden viele – vor allem junge Männer und Frauen – die Idee gar nicht. Zwar halten es 58 Prozent der Deutschen für nicht richtig, ein solches Angebot des Arbeitgebers zu nutzen – das hat eine Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Wochenzeitung „Die Zeit“ ergeben. Aber immerhin 37 Prozent sprechen sich für diese Möglichkeit aus und fast jeder Fünfte könnte sich sogar vorstellen, sie in Anspruch zu nehmen. Und bei den 14- bis 29-Jährigen ist sogar eine Mehrheit von 53 Prozent dem Social Freezing gegenüber positiv eingestellt.

Ich finde das erschreckend. Schon jetzt spielen in unserer Gesellschaft die Ansprüche des Arbeitsmarktes oft eine größere Rolle als die Bedürfnisse des Kindes und seiner Eltern. Wer drei Jahre mit dem Kind zu Hause bleibt, wird nicht selten kritisch beäugt. Wird das in Zukunft auch so sein, wenn eine Frau mit Ende 20 schwanger wird, obwohl sie doch gerade am Beginn einer vielversprechenden Karriere ist? Sind Arbeitgeber dann noch bereit, bei der Vereinbarkeit zu helfen, Teilzeit und Home Office zu gewähren?

Und außerdem: Wann ist denn der richtige Zeitpunkt für ein Kind? Viele Paare merken doch jetzt schon, dass es diesen Zeitpunkt nicht gibt. Dass es nicht einfach „klick“ macht und plötzlich alles super passt. Wer sich für ein Kind entscheidet, entscheidet sich für Kompromisse, für Verzicht, für das Neuordnen seiner Prioritäten. Das ist nicht anders, wenn ich die Entscheidung 20 Jahre aufschiebe. Letztlich passt ein Kind nie so richtig in die berufliche Planung. Oder ich muss es so lange aufschieben, bis ich im Rentenalter angekommen bin.

Ich hoffe, dass sich das Social Freezing nicht als neuer Trend in der Familienplanung durchsetzt. Dass sich junge Männer und Frauen für ein Kind entscheiden, auch wenn es grad nicht so perfekt passt. Dass Arbeitgeber weiter daran arbeiten, dass ihre Mitarbeiter Beruf und Familie gut hinbekommen. Dafür können sie gern mehr Geld investieren!

Bettina Wendland, Family-Redakteurin