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„Kann so nicht weiterleben“ – Wie Model und Mutter Mirja du Mont ihre Lebenskrise überstand

Mirja du Mont wollte es im Beruf und in der Familie allen recht machen. Dann kam der Zusammenbruch. Im Interview erzählt sie, wie sie zurück ins Leben fand und was sie anderen Müttern rät.

Mirja, nach der Trennung von deinem Exmann Sky du Mont hast du dir selbst sehr viel Druck gemacht. Warum?

Ich wollte mir selbst und meinem Ex beweisen, dass ich keinen Mann brauche, um mich zu finanzieren. Ich wollte zeigen, dass ich stark bin, alle meine Jobs machen kann und zusätzlich auch die Kinder und den Haushalt unter einen Hut bekomme. Dabei stand mir mein Perfektionismus zusätzlich im Weg. Ich sah all die Perfektion in den sozialen Medien, die falschen Fassaden der anderen, und ich wollte mir und der Welt beweisen, dass ich auch alles kann. Und das nicht nur irgendwie, sondern richtig gut. Aber der Druck und die Termine lagen alle viel zu eng. Es war viel zu viel.

Wie sah das konkret aus?

Es gab den Punkt in meinem Leben, an dem ich zeitgleich drei verschiedene Fernsehshows hatte: Dance dance dance, die Reportage bei VOX „6 Mütter“ und meine eigene Show bei Channel24. Die Fernsehproduktion bei VOX begleitete mich zusätzlich jeden Tag und zu all den anderen Shows. Auch am Wochenende. Es war permanenter Stress. Zusätzlich versorgte ich die Kinder, kochte abends vor und machte mir selbst viel Druck. Ich wollte meine Arbeit wirklich gut machen, denn ich arbeite sehr gerne, bin gleichzeitig gern Mama und liebe mein Leben. Ich hatte nicht mal Hilfe im Haushalt, weil meine Mama auch immer alles alleine geschafft hat und ich es nicht mag, wenn andere für mich arbeiten müssen.

Plötzlich taub

Das kann nicht lange funktionieren. Was ist passiert?

Morgens war ich im Möbelgeschäft und hatte sehr viel eingekauft. Als ich zu Hause ankam, stellte ich fest, dass der Fahrstuhl kaputt war und ich alles alleine in den vierten Stock schleppen musste. Als ich das geschafft hatte, überkam mich plötzlich eine unendliche Müdigkeit. Ich hätte am liebsten den ganzen restlichen Tag verschlafen. Aber meine Freundinnen hatten abends für uns einen Tisch reserviert und ich hatte mich auf sie gefreut. Also fuhr ich hin. Doch schon während des Termins spürte ich, dass es mir eigentlich zu viel ist und ich lieber schlafen würde.

Als ich nach Hause fuhr, passierte es plötzlich: Mein Ohr ging zu, als würde man an einem Regler drehen und es ausschalten. Ich erschrak, aber hatte die Hoffnung, dass es am nächsten Morgen schon weitergehen würde.

Aber am nächsten Morgen war nicht alles gut?

Ich wachte auf und es durchzuckte mich. Ich lag auf meinem gesunden Ohr, daher hörte ich gar nichts. Nicht mal den Baustellenlärm vor meinem Fenster. Ich dachte, ich sei taub geworden. Als ich ein paar Sekunden später begriff, dass es doch nur das eine Ohr war, beruhigte mich das nicht viel weniger.

Ich fuhr ins Krankenhaus. Dort stellte man fest, dass ich einen Riss im Innenohr hatte und Hörflüssigkeit ausgelaufen war. Ich hatte dadurch Schwindelstörungen und als Folge dessen Sehstörungen. Und das ein ganzes Jahr lang. Ich konnte nicht mehr raus gehen, nicht einkaufen gehen. Nichts. Meine ganze Welt drehte sich einmal um 180 Grad. Dazu kam eine große Angst. Was, wenn das nie mehr aufhört? Was, wenn irgendwann mein anderes Ohr auch betroffen sein könnte?

Das klingt nach einer schrecklichen Phase …

Als ich meine Eltern besuchte, erlebte ich einen Knackpunkt. „Ich kann so nicht weiterleben“, sagte ich gegenüber meinem Papa. Ich war absolut körperlich und psychisch am Ende. Meine Eltern trösteten und hielten mich. Ich wusste in dem Moment: Ich bin geborgen. Diese Liebe hat mir viel Kraft gegeben.

Ich bekam kurz danach Psychopharmaka aufgrund der großen Angststörung, die ich entwickelt hatte. Ich hatte Angst, essen zu kochen, Angst, vor die Tür zu gehen und einiges mehr. Diese Medikamente vertrug ich allerdings so schlecht, dass ich in eine Klinik kam.

Kein Iron Man

Wie bist du wieder gesund geworden? Wo hast du Hilfe gefunden?

Meine Familie ist sehr eng, hier helfen wir uns alle gegenseitig. Meine Kinder waren mir auch eine große Hilfe, weil sie so viel Verständnis zeigten. Ich dachte in dem Moment, dass es vielleicht auch etwas Gutes ist, dass sie sehen, dass Mama nicht nur Iron Man ist mit 80 Armen und 50 Beinen und alles immer kann. Dass Mama auch mal schwach sein darf und Hilfe braucht.

In der Zeit meiner Krankheit starb meine sehr liebe Freundin. Sie war mir ein leuchtendes Vorbild, denn sogar am Ende ihres Lebens, als sie kaum noch konnte, sagte sie immer wieder zu mir: „Das Leben ist wunderschön“. Ihr gegenüber empfand ich es als unfair, dass ich hier die Leidende war. Ich starb ja nicht an meiner Krankheit. Dadurch habe ich mich zusammengerissen.

Wie fühlte sich das für dich an, dass andere dir geholfen haben?

Ich wusste, dass ich es alleine nicht schaffen werde und war dankbar für all die Hilfe. Auf der anderen Seite empfand ich viel Scham. Ich wollte nicht, dass jemand weiß, wie es mir tatsächlich geht. Später schrieb ich aus diesem Grund mein Buch. Ich wollte lieber selbst meine Geschichte erzählen, damit Betroffene sehen können, dass man wieder gesund werden kann.

In ihrem Buch erzählt Mirja du Mont ihre Geschichte ausführlich. Cover: adeo

In ihrem Buch erzählt Mirja du Mont ihre Geschichte ausführlich. Cover: adeo

„Jetzt mache ich auch mal zwei Wochen gar nichts“

Was hat sich durch diese Lebenskrise in die verändert? Was machst du jetzt anders als vorher?

Ich habe gelernt, Nein zu sagen und meine Grenzen zu ziehen. Das konnte ich früher überhaupt nicht. Ich entschuldige mich sogar immer noch, wenn ich mal etwas absagen muss. Da habe ich noch etwas Lernstoff vor mir. Ich mache keine Jobs mehr gleichzeitig, sondern nur noch nacheinander. Und das Wichtigste: Jetzt mache ich auch mal zwei Wochen gar nichts. Früher war ich sogar im Urlaub auf Achse.

Was hat dir Kraft gegeben?

Ich glaube, dass es eine höhere Kraft gibt. Ich kann es nicht betiteln und weiß auch nicht, was es ist, aber ich habe das Gefühl, dass meine verstorbene Oma und meine geliebte Freundin auf mich aufpassen. Das und natürlich meine Familie und Freunde.

Immer noch Tinnitus

Hat die Krankheit noch Nachwirkungen?

Ich lebe inzwischen mit Dauertinnitus. Viele Menschen haben das in Deutschland und viele nehmen Schlaftabletten. Wenn man das Geräusch und die Krankheit nicht akzeptiert, dreht man durch. Der Tinnitus ist dein Kumpel, er ist immer da. Es gibt schlimmere Sachen im Leben. Wenn man den Tinnitus akzeptiert, kann man damit leben.

Wie kann man sich Tinnitus vorstellen? 

Der Tinnitus ist ein Piepen und ein Rauschen, wie ein Radio ohne Frequenz. Und er ist so laut, als würde man direkt neben dem Radio sitzen. Früher konnte ich damit nicht einschlafen, man hört immer, dass man krank ist und das ist sehr schwer.

Wie lebst du damit?

Mein Papa sagte mal zu mir: „Es ist nur ein Ohr, Mausi. Was machen Menschen, die nicht sehen können?“ Das veränderte mein Denken. Am Anfang brauchte ich jemanden, der mich bemitleidet, und dann jemanden, der mir in den Arsch tritt.

Zu guter Letzt: Wie lebst du Familie, was ist dir wichtig?

Empathie und Respekt anderen Menschen gegenüber sind wichtige Werte für mich. Schon in den kleinen Alltagsdingen. Dass man alten Menschen im Bus seinen Platz anbietet zum Beispiel. Mir ist es auch wichtig, dass unsere Kinder sich nicht beleidigen. Ich liebe Menschen und das Leben, daher wünsche ich mir weniger Hass und mehr Liebe.

Die Fragen stellte Priska Lachmann.

„Homeoffice braucht andere Kompetenzen“

Ein Gespräch mit Felicitas Richter über die Herausforderungen für Familien im Homeoffice

Es gab schon immer Mütter und Väter, die vom Homeoffice aus gearbeitet haben. Was hat sich durch die Corona-Krise verändert?

Die Herausforderung, selbst im Homeoffice produktiv zu sein und gleichzeitig die Kinder zu betreuen und zu beschulen, brachte viele Eltern während der Corona-Zeit an ihre Belastungsgrenze. Dies ist aber nicht die Normalität einer gelingenden Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie in den eigenen vier Wänden. Denn wenn die Kinder in der Kita oder Schule sind, hat die Arbeit zu Hause auch eine Menge Vorteile. Auch wenn es anfangs noch gehakt hat, konnten viele in diesem Homeoffice-Riesenexperiment mal ausprobieren, ob das etwas für sie ist. Wir sind nun dabei, in eine neue Normalität zu finden: Immer mehr Arbeitgeber bieten nun (tageweise) mobiles Arbeiten und damit oft eine Flexibilisierung der Arbeitszeit an, die gerade Familien zugutekommt. Viele Beschäftigte sind ebenfalls auf den Geschmack gekommen, weil Fahrtwege und -zeiten entfallen. Paare haben Haus- und Erziehungsarbeit gerechter aufgeteilt, die gegenseitige Wertschätzung für das, was Mutter und Vater täglich leisten, ist gewachsen.

Sie beraten seit mehreren Jahren Mütter und Väter rund um den „Spagat zwischen Beruf und Familie“. Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung für berufstätige Eltern ist, Zeit für sich selbst und für die Partnerschaft zu finden. Beides wird oft über Jahre hintenangestellt. Und doch ist – und hier spreche ich vor allem die Mütter an – Selbstfürsorge das A und O. Wenn Mutter und Vater gut für sich sorgen, werden sie diese anstrengende Lebensphase gelassen meistern. Viele Paare müssen außerdem ihr Familienmodell verhandeln und das ist anstrengend. Auch wenn sich Väter (auch hier gab es durch die Corona-Lockdowns einen positiven Schub) heute vielmehr in Haushalt und Kindererziehung einbringen, haben noch meist die Mütter die To-Do-Listen im Kopf, die ihnen die Ruhe rauben. Außerdem fühlen sich viele Eltern unter Druck, den Kindern den bestmöglichen Start ins Leben mitzugeben – das heißt tägliche Hausaufgabenbetreuung, Begleitung zu vielen Freizeitaktivitäten, Beschäftigung der Kinder daheim. Das ist neben einer Berufstätigkeit eine große Herausforderung. 

Was ist Ihr wichtigster Ratschlag für Eltern, die jetzt zum ersten Mal im Homeoffice arbeiten (müssen)?  

Viele Menschen meinen, sie klappen den Laptop im Büro zu und können die Arbeit daheim am Esstisch 1:1 weitermachen. Das mag mal für einen Tag funktionieren. Homeoffice aber braucht – gerade mit Familie – noch einmal andere Kompetenzen als die Auswärts-Arbeit. Ich rate Eltern, sich und der Familie eine Einarbeitungszeit zu gönnen. Alle müssen sich erst an die neue Situation gewöhnen. Es braucht einen festen Arbeitsort, der vom Familienleben abgetrennt ist (das kann anfangs eine Ecke mit Paravent sein) und arbeitsfreie Zonen wie Esstisch, Bett oder Couch. Es braucht verbindliche Arbeitszeiten und arbeitsfreie Zeiten. Manche Eltern müssen erst lernen, „Nein“ zu sagen und die Kinder müssen lernen, dass Mama oder Papa nicht immer verfügbar ist, obwohl sie daheim ist. Es braucht Achtsamkeit für sich selbst und die Familie, damit das Homeoffice nicht zur Selbstausbeutung wird. Es braucht eine gute Familien- und eine passende Arbeitsorganisation. All das kann man lernen.

Die Arbeit von zu Hause aus benötigt ein großes Maß an Organisation und Disziplin. Aber sie kann gleichzeitig viel Flexibilität bieten. Wie sehen Sie das?

Ja, beides gehört zusammen. Ich betrachte eine gute Familien- und Arbeitsorganisation als das Standbein, um fokussiert und produktiv arbeiten zu können. Mit „gut“ meine ich sowohl individuell als auch für die Familie passend. Das kann sehr unterschiedlich sein. Dann ist Flexibilität möglich. Das ist das Spielbein. Wer einen guten Plan hat, kann davon im Notfall abweichen, ohne den Überblick zu verlieren. Statt Disziplin verwende ich lieber das Wort „Motivation“. Es ist wichtig herauszufinden, was mich bei der Arbeit daheim motiviert. Da gibt es ganz verschiedene Faktoren. Dann kommt die Disziplin von selbst. Was ich immer wieder betone: Wer Beruf und Familie im Homeoffice vereinbaren will, muss beides gut trennen. Das ist in den eigenen vier Wänden gar nicht so einfach. 

Sie haben ein Buch zum Thema „Homeoffice mit Familie“ geschrieben. Wie kam es dazu?

Ich habe immer auch daheim gearbeitet. Meine vier Kinder sind quasi im Homeoffice großgeworden. In 20 Jahren habe ich gelernt, was gut funktioniert und wo die Stolperstellen für produktives Arbeiten und lebendige Familienzeit sind. Während der Corona-Lockdowns habe ich viele Eltern, die im Homeoffice waren, in Live-Talks und durch Coaching begleitet. Dabei konnte ich auf diese Erfahrungen zurückgreifen. All das ist schließlich ins Buch eingeflossen. Geschrieben ist es sowohl für Eltern, die angestellt oder selbstständig von zu Hause aus arbeiten – egal, ob sie gerade ins Homeoffice starten oder schon „alte Hasen“ sind. Profitieren werden aber auch Personalverantwortliche, die wissen wollen, welche Rahmenbedingungen produktive Arbeit in den eigenen vier Wänden (oder mobil) braucht.

Sie bieten Ihren Leserinnen und Lesern eine Fülle von Ideen. Mal ehrlich, gelingt Ihnen das auch, alles so zu organisieren, dass fast nichts zu kurz kommt?

Das ist wohl ein Grundgefühl, das alle teilen, die den Spagat zwischen Familie und Beruf meistern: Irgendetwas kommt immer zu kurz. Zumindest im Vergleich zu den eigenen Erwartungen. Das geht mir nicht anders. Wichtig ist, dass man weiß, an welchen Stellschrauben man drehen kann, wenn etwas hakt. Dabei gibt es nicht den „richtigen“ Weg. Jede Familie wird herausfinden, was für sie am besten funktioniert. Und das ist das Schöne an der Arbeit im Homeoffice: man hat viel Gestaltungsspielraum. Diesen nutzen zu können für einen erfüllten Alltag mit Beruf und Kindern wünsche ich meinen Leserinnen und Lesern.

Felicitas Richter ist tätig als Professional Speaker, zertifizierte Business-Trainerin und -coach. Als Mutter von vier Kindern, die quasi im Homeoffice großgeworden sind, weiß sie, was es braucht, damit die Vereinbarkeit von Homeoffice und Familie auch wirklich funktioniert. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Berlin. www.felicitas-richter.de