Familien: Handys stören Kommunikation

Jedes dritte Kind ist eifersüchtig, weil die Eltern zu oft auf ihr Smartphone blicken, während sie Zeit mit ihrem Nachwuchs verbringen. Das haben Studien in Skandinavien ergeben. In Deutschland wirken sich Handys negativ auf Partnerschaften aus. Psychologen schlagen Alarm.

Jedes fünfte Kind in der norwegischen Hauptstadt Oslo beklagt, dass seine Eltern zu wenig Zeit mit ihm verbringen. Allerdings bemängeln diese Kinder nicht die körperliche Abwesenheit der Eltern, sondern die mentale. „Über Smartphones und andere Internetzugänge würden die Eltern einfach verschwinden“, berichtet die Tageszeitung Die Welt über die kürzlich veröffentlichte Erhebung. Elf Prozent aller in Norwegen befragten Mädchen und Jungen fühlen sich demnach von ihren Eltern wegen deren Internetnutzung vernachlässigt.

In Schweden liegt diese Zahl sogar noch höher: Dort leidet laut einer Studie von YouGov jedes dritte Kind darunter, dass seine Eltern zu oft und zu lange mit ihrem Smartphone beschäftigt sind. Jedes fünfte Kind hat sich schon einmal darüber beklagt. In der Hauptstadt Stockholm liegt dieser Anteil sogar bei gut 30 Prozent. Die Eltern sind sich des Problems bewusst: Zwölf Prozent haben zugegeben, ihre Kinder etwa im Schwimmbad oder auf dem Spielplatz schon einmal nicht ausreichend beaufsichtigt zu haben, weil sie mit ihrem Handy beschäftigt waren.

Für Deutschland liegen solche Umfragen noch nicht vor, heißt es in dem Artikel: „Doch wer die Mütter beobachtet, die ihr Level bei einem digitalen Autorennen verbessern, während sie den Kinderwagen durch den Park schieben, wer den verdutzten Blick der Väter kennt, die den Torschuss ihres Sohnes verpasst haben, weil sie gerade ein wichtiges Gespräch führen mussten – der ahnt nichts Gutes.“

Kinderärzte und Psychologen nehmen die Zahlen aus Skandinavien ernst. So könne es zu Verzögerungen bei der Sprachentwicklung der Kinder kommen, wenn die Eltern zu wenig mit ihrem Nachwuchs kommunizieren. Auch eine Depression sei möglich, wenn sich die Kinder zurückgesetzt fühlen. Zudem lernten Kinder durch Nachahmung – Eltern, die sich ständig mit ihrem Handy beschäftigten, seien somit in dieser Hinsicht kein gutes Vorbild.

Ob Handys die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern auch belasten, ist noch nicht erforscht. Dass Mobiltelefone sich negativ auf Partnerschaften auswirken, ist hingegen statistisch erwiesen. Eine Studie von TNS Emnid ergab jüngst, dass für jeden vierten Deutschen das Smartphone des Partners ein größerer Grund zur Eifersucht als ein anderer Mann oder eine andere Frau sei. Bei den unter 30-Jährigen empfinden knapp 40 Prozent der Befragten das Handy als Störfaktor in der Beziehung, weil der Partner zu viel Zeit damit verbringt.

Zwischen zwei Geschlechtern

Dr. Ute Buth beantwortet Fragen zur Intersexualität.

Was ist Intersexualität?

Der Duden definiert Intersexualität als „das Vorkommen von männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen in einem Individuum [einer sonst getrenntgeschlechtigen Art]“. Bei der Intersexualität ist die Geschlechtsbiologie uneindeutig. Man kann es auch von der lateinischen Bedeutung her erklären: „Inter“ bedeutet zwischen, Sexus steht für Geschlecht. Intersexualität meint also, dass es um einen „zwischengeschlechtlichen Zustand“ handelt. In der Medizin spricht man auch von Sexualdifferenzierungsstörungen. Intersexuelle Menschen werden je nach Ausprägung der Verschiedenartigkeit auch als Zwitter oder Pseudo- oder echte Hermaphroditen bezeichnet.

Welche Ausprägungen gibt es?

Die Intersexualität kann verschiedene Ursachen haben und dementsprechend ganz unterschiedliche Ausprägungen annehmen. Deshalb wird sie auch zu verschiedenen Zeitpunkten entdeckt: Manchmal ist sie schon zur Geburt offenkundig oder in der Pubertät setzt die erwartete Körperveränderung nicht wie bei den anderen ein. Bei wieder anderen wird sie erst sehr viel später im Erwachsenenalter entdeckt.

1. Veränderungen der Erbinformationen (Chromosomen): Wenn beim Verschmelzen der männlichen und weiblichen Erbinformation nicht die gängigen 46XY (männlich) oder 46XX (weiblich) entstehen, kann es zur Intersexualität kommen. Auf Grundlage der gängigen oder veränderten Erbinformation entwickeln sich nach der Zeugung bei jedem Menschen im Verlauf der frühen Schwangerschaft die Ausprägungen der jeweiligen Geschlechtsinformation.

2. Fehlende oder veränderte Keimdrüsen, das betrifft beim Mann die Hoden und bei der Frau die Eierstöcke. Sie enthalten die Keimzellen, die wir für die Fortpflanzung brauchen: Samenzellen beim Mann, Eizellen bei der Frau. Veränderungen an den Keimdrüsen können auch als sogenannte „Streifengonaden“ in Erscheinung treten, bei denen die spezielle geschlechtliche Ausbildung und damit die Fortpflanzungsfähigkeit ausbleibt. Es kommen diverse Varianten mit unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbildern vor.

3. Ein hormonell verändertes Gleichgewicht bei den Geschlechtshormonen oder ihrer biochemischen Vorstufen kann im Körper eines Menschen zu gegengeschlechtlichen Veränderungen führen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der männliche Behaarungstyp am Körper von Frauen, insbesondere der Bartwuchs (Hirsutismus) oder umgekehrt die Bildung einer Brust beim Mann (Gynäkomastie), wenn zu viele weibliche Geschlechtshormone überwiegen. Achtung: Dies kommt nicht nur bei einer Intersexualität vor, sondern kann auch nur ein Zeichen dafür sein, dass das hormonelle Gleichgewicht verschoben ist. Die Ursachen für eine hormonelle Intersexualität können im Bereich der Niere, der Erbinformation oder der Keimdrüsen liegen.
4. Uneindeutige Geschlechtsorgane als Zeichen der Intersexualität: Ein großer Kitzler bei einem weiblichen Säugling wird gelegentlich mit dem Penis verwechselt oder sehr kleine Hoden mit den Schamlippen.

Wie kommt es dazu, dass das Geschlecht uneindeutig ist?

Zu Beginn des Lebens wird das Geschlecht des neuen Menschen normalerweise durch die Samenzelle des Mannes festgelegt. Zu der Grundausstattung von 46 Erbinformationen (23 von der Frau und 23 vom Mann) kommt die Geschlechtsinformation dazu. Die Frau (Erbinformation 46XX) gibt die Hälfte ihrer Geschlechtsinformation weiter, also ein X. Der Mann (Erbinformation 46 XY) gibt ebenfalls die Hälfte seiner Geschlechtsinformation weiter, also entweder X oder Y. Dazu muss ihre Geschlechtsinformation halbiert werden. Funktioniert bei dieser Reduzierung der vollständigen Erbinformation auf die Hälfte etwas nicht richtig, können statt 46 XX zum Beispiel 45 X0 auftreten. Dies nennt man auch Turner-Syndrom. Oder es bildet sich 47 XXY, das Klinefelter-Syndrom. Doch auch wenn auf Basis der Erbinformationen alles problemlos verläuft, können im weiteren Geschehen zum Beispiel durch falsche oder unvollständige Botenstoffe (Hormone) Eigenschaften ausgebildet werden, die eigentlich zum anderen Geschlecht gehören würden. Das liegt auch daran, dass die grundsätzliche Möglichkeit, männliche oder weibliche Geschlechtsorgane auszubilden, in jedem Menschen als Kernanlage vorliegt. Gemäß seiner Erbinformation bildet sich aber normalerweise auch vermittelt durch Botenstoffe das zu den Erbinformationen passende Geschlecht aus — und das andere Geschlecht wird unterdrückt.

Um einige Beispiele zu nennen: Funktionieren wichtige männliche Botenstoffe nicht am Erfolgsorgan oder werden gar nicht erst gebildet, können bei einem Jungen mit 46 XY weibliche Genitalorgane ausgebildet werden. Liegen aufgrund von Nebennierenstörungen beim Mädchen zu hohe männliche Hormone vor, vergrößert sich der Kitzler und wird nicht selten für einen Penis gehalten (AGS-Syndrom / Adrenogenitales Syndrom).

Wie häufig ist Intersexualität?

Eine konkrete Zahl ist schwer zu ermitteln. Denn je nach Variante/Ursache der spezifischen Veränderung werden einerseits sehr unterschiedliche Häufigkeiten angegeben. Andererseits kommen manche Veränderungen nur sehr selten vor oder werden in ganz unterschiedlichem Lebensalter und nicht umfassend erfasst. So ist es schwer, überhaupt verlässliche Zahlen zu nennen. Alles in allem gibt es Quellen, die von einem intersexuellen Baby auf (500 bis) 5000 Geburten ausgehen. Verschiedene Quellen sprechen von vermuteten ca. 80.000 bis 120.000 Intersexuellen in Deutschland. Eine große Zahl – und doch kennt kaum jemand einen von ihnen persönlich, weil es ein großes Tabu-Thema ist und Betroffene meist in der Familie zum Schweigen angehalten werden – oder sogar selbst nichts von ihrer besonderen Situation wissen.

Ist es besser, das Geschlecht uneindeutig zu lassen, bis das Kind selbst entscheiden kann oder sollten Eltern sich lieber von Anfang an festlegen?
Das ist eine schwierige und sehr komplexe Frage. Denn jede Entscheidung, die man trifft — für oder gegen eine eindeutige Zuordnung — hat Folgen. Zum Beispiel könnte man das Kind mit einer eindeutigen Zuordnung auf ein Geschlecht festlegen, zu dem es sich später nicht zugehörig fühlt. Oder aber es ist bei einer Nicht-Zuordnung Hänseleien oder Unverständnis anderer ausgesetzt, die sich nicht vorstellen können, dass es eine Zwischengeschlechtlichkeit überhaupt gibt. Auch sah das Deutsche Gesetz bis vor kurzem kein uneindeutiges Geschlecht vor. In der Praxis war also bislang eine wie auch immer geartete Zuordnung nötig. Viele Alltagssituationen sind schwierig: Was sagt man Verwandten oder Bekannten? Wer wird in die Information einbezogen und kann damit wie vertrauensvoll umgehen? Melden die Eltern das Kind in der Kita/ Schule als Junge oder Mädchen an? Man denke zum Beispiel auch an nicht zu vermeidende Situationen wie das Umkleiden beim Sportunterricht, Baden, Klassenfahrten etc.
In der Vergangenheit gab es unterschiedliche Strategien: Tatsächlich hat man im 19. Jahrhundert auch in Ermangelung operativer Möglichkeiten das Geschlecht uneindeutig gelassen und Betroffene mit 18 Jahren entscheiden lassen, zu welchem Geschlecht sie sich zugehörig halten wollen. Doch so fortschrittlich wie das klingt, war es nicht in jedem Fall. Betroffene mit auffälliger Intersexualität wurden zum Teil sogar auf Jahrmärkten ausgestellt. Mit Zunahme der Operationsmöglichkeiten gab es dann eine deutliche Bewegung hin zu frühen Entscheidungen und damit Operationen. Technisch war es zudem anfangs leichter, ein weibliches Genital zu formen, was für Jungen mit einem sehr kleinen Genital gravierende Folgen hatte, wenn sie nach einer solchen Operation dann als Mädchen aufgezogen wurden. Hinzu kommt, dass man früher dachte, es sei bei kleinen Kindern noch steuerbar, in welcher Geschlechtszugehörigkeit man sie aufzöge. Außerdem riet man Eltern früher, mit ihren Kindern nicht über die Operation oder deren Intersexualität zu reden. Das hatte nicht selten traumatische Folgen, wenn Kinder an sich Veränderungen wahrnahmen, die aber nicht zu ihrem „Erziehungsgeschlecht“ passten. Inzwischen weiß man, dass das Geschlecht bereits im Mutterleib mit geprägt wird und dass es nicht einfach durch Erziehung veränderbar ist.

Somit ist das frühe medizinische Vorgehen heutzutage umstritten. Denn eine eindeutige Zuordnung, was für das Kind das Beste wäre, ist im Säuglingsalter nicht allumfassend möglich. Und die Zustimmung des Kindes kann man ja noch gar nicht einholen. Mit diesen Fragen befasste sich auch der Deutsche Ethikrat. Als Ergebnis verabschiedete der Bundestag in diesem Jahr ein Gesetz, das am 1. November in Kraft tritt: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ (PStG § 22 Abs. 3). Somit ist das Geschlecht auf dem Standesamt offen zu lassen. Da die Eltern bei konsequenter Auslegung des Gesetzes nun auch keine Wahlfreiheit haben, ist das Gesetz auf Kritik gestoßen. Betroffene Eltern stehen so weiterhin vor einer Einzelfallentscheidung und einem Dilemma, in dem sie sehr viel Weisheit brauchen. Denn selbst wenn sie im Interesse ihres Kindes die endgültige Entscheidung offen lassen, können sie nicht steuern, wie verantwortlich und feinfühlig andere mit ihrem Kind umgehen. Wollen sie sich für ein bestimmtes Geschlecht entscheiden, befürchten Kritiker des Gesetzes, sehen sie sich erst recht zu einer Operation gedrängt, um eine vermeintliche Eindeutigkeit zu schaffen. Aber auch damit wissen sie nicht, ob es langfristig die richtige Entscheidung war.

Welche Behandlungen/OPs sind jeweils nötig oder sinnvoll?

Zunächst sollte man bedenken: Behandlungen haben in der Regel das Ziel einer eindeutigen Zuordnung. Damit erschweren sie oder verunmöglichen sie ggf. eine spätere andere Entscheidung des intersexuellen Menschen. Die konkrete Behandlung hängt von der Ausprägung der Symptome und dem gewünschten Ergebnis/Veränderungswunsch ab. Manchmal werden Botenstoffe eines Geschlechts gegeben, die zu spezifischen Körperveränderungen führen. Vielleicht kennt dies der eine oder andere bereits von Nachrichten über geschlechtsumwandelnde Operationen. Vor einem solchen Eingriff erhält der Betroffene schon weit im Voraus die Botenstoffe des anderen Geschlechts. So bildet sich bei Frauen dann Bartwuchs oder ein männlicherer Körperbau, die Muskelmasse nimmt zu, die Stimme wird tiefer … Bei Männern, die weibliche Botenstoffe erhalten, verändert sich der Behaarungstyp, der Bartwuchs verschwindet, die Brust beginnt zu wachsen, die Stimme wird höher. Allerdings lässt sich nicht der Knochenbau nachträglich verändern. Und weibliche Geschlechtsorgane wie Scheide oder Gebärmutter entstehen nicht einfach durch die Gabe von weiblichen Botenstoffen. Hier ist dann die plastische Chirurgie gefragt. Anders als früher sind heutzutage geschlechtsangleichende Operationen grundsätzlich möglich. Sie erschaffen optisch und zum Teil funktionell das andere Geschlecht, können aber keine Keimdrüsen wie Hoden oder Eierstöcke entstehen lassen, sondern allenfalls Hoden optisch nachbilden.

Doch auch dann wenn man eine Operation plant, die keine umfassende Geschlechtsumwandlung bedeutet, sollte man Folgen bedenken. Wird zum Beispiel ein als „zu groß“ empfundener Kitzler des Mädchens verkleinert, operiert man in einem Bereich, der für das sexuelle Lustempfinden zuständig ist. Das kann Folgen für das spätere Sexualleben haben.

Welche körperlichen und seelischen Auswirkungen kann Intersexualität haben?

Auch das ist von Fall zu Fall sehr verschieden und hängt stark von der Ausprägung im Einzelfall ab. Manche Menschen bemerken bis zur Pubertät gar nichts von ihrer Intersexualität, sind dann aber hochgradig irritiert, weil sie sich plötzlich nicht mehr als normal und zugehörig zu ihrer Geschlechtsidentität empfinden. Und das in einer Zeit, in der jungen Menschen auf dem Weg zum Erwachsenen gern möglichst unauffällig im breiten Mittefeld mitschwimmen. Andere fühlen sich ständig anders oder dem ihnen zugedachten Geschlecht nicht zugehörig, leiden unter der Schweigeverpflichtung, die ihnen womöglich auferlegt wurde oder finden erst später heraus, dass ihre Eltern oder Mediziner einmal grundlegende Entscheidungen hinsichtlich ihres Geschlechts getroffen haben. So wie Christiane Völlig, die als Mädchen einen zu großen Kitzler hatte. Die Geburtshelfer interpretierten ihn als Mikropenis und machen sie zum Jungen „Thomas“. Jahrzehntelang fühlte sie sich falsch in diesem Geschlecht. Mit 17 Jahren entdeckte ein Chirurg bei dem vermeintlichen Jungen in einer Blinddarm-Operation Gebärmutter und Eierstöcke. Mit 18 Jahren wurden sie ihr ohne ausreichende Aufklärung entfernt, männliche Botenstoffe wurden verabreicht und damit der Körper weiter vermännlicht. Erst mit weit über 40 Jahren erfuhr sie die ganze Geschichte – und lebt inzwischen nach einem langen Weg als Frau.
Vielen Intersexuellen geht es vor allem deshalb nicht gut, weil sie in einer Gesellschaft leben, in der in zwei einfachen Geschlechtsschubladen gedacht wird, in die sie nun einmal aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht so ohne weiteres hineinpassen. Zwar ist die Anlage der Geschlechter von der Schöpfung her schon eindeutig männlich und weiblich gedacht. Aber wir leben in einer Welt, in der Krankheit und veränderte Erbinformationen nun einmal vorkommen. Es ist eine Frage des gesellschaftlichen Bewusstseins, wie wir mit Intersexualität umgehen — und damit auch eine zentrale Frage der Aufklärung. Wenn das Phänomen Intersexualität nicht bekannt ist, führt dies zu viel mehr Irritationen und Ablehnung, als wenn es als eine körperliche Variante dazugehört, von der man weißt, dass sie vorkommt, und dass dies einen feinfühligen Umgang mit dem Betroffenen erfordert. Auch hier gilt wieder der biblische Grundsatz, dass man sich überlegen sollte, wie man selbst in einer solchen Situation behandelt werden wollte oder auch das eigene besondere Kind. „So wie ihr von den Menschen behandelt werden möchtet, so behandelt sie auch.“ (Matthäus, 7,12).

Können Intersexuelle Kinder bekommen?

Für viele Intersexuelle ist das nicht oder nicht so ohne Weiteres möglich. Im Einzelfall hängt es von der Ausprägung ihrer Geschlechtsmerkmale/-varianten ab und vor allem davon, ob funktionsfähige Keimdrüsen vorhanden sind oder nicht. Zum Beispiel ob die Frau eine Gebärmutter und funktionsfähige Eierstöcke hat oder ob der Mann funktionsfähige Hoden hat und der Penis zum Geschlechtsverkehr fähig ist. Manchmal kann man auch mit Botenstoffen/Hormonen die Situation so verändern, dass jemand, der intersexuell ist, Kinder bekommen/zeugen kann. Das sollte im Einzelfall genau untersucht werden. Darüber hinaus gibt es im Rahmen der künstlichen Befruchtung zum Teil noch Möglichkeiten, die aber ethische Fragen aufwerfen: Inwiefern beispielsweise eine Eizell- oder Samenspende verwendet werden sollte oder eine Leihmutterschaft in Frage kommt. Vieles davon ist aufgrund der deutschen Gesetzgebung und des Embryonenschutzgesetzes hierzulande auch nicht möglich.

Dr.med. Ute Buth ist Frauenärztin und Weißes-Kreuz-Fachberaterin. Die Sexualberaterin nach DGfS (Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung) leitet die Weißes-Kreuz-Beratungsstelle „herzenskunst“ in Bochum (www.herzenskunst-beratung.de).

Erschlagen von guten Tipps

Bücher geben Rat in allen Lebenslagen. Aber manchmal ist weniger mehr.

Seit ich alle Buchstaben kenne, lese ich ohne Unterbrechung. Zunächst verschlang ich Pferde- und Internatsbücher, dann Fantasy-Romane. Mit 15 las ich das Kommunistische Manifest. Mit 23 Heinrich Heine, Stefan Heym und Rosamunde Pilcher. Die besten Bücher trösteten mich, veränderten mich, schenkten mir Zuflucht und Rat.

Als ich nach 34 Lebensjahren mit Amelie schwanger wurde, gab es mittlerweile das Internet. Welch ein Segen! Welch ein Fluch! Jede Unregelmäßigkeit ließ mich das Internet zu Rate ziehen: „HILFE! Was bedeutet der schwarze Fleck auf dem Ultraschallbild?“ Ich bekam so viele unterschiedliche Antworten, dass ich mir sicher war, es müsse sich entweder um ein Hämatom, einen unterentwickelten Zwilling oder eine Krebsart handeln. Voller Anspannung ließ ich mich von einem Professor untersuchen. Letztendlich handelte es sich um eine harmlose Zyste.

Von meinem Nachttisch verschwanden die Krimis. Stattdessen stapelten sich dort nun Schwangerschafts-, Still- und Erziehungsratgeber. Zwar war ich eine halbwegs gute Sekretärin und Freizeitleiterin und hatte mittlerweile eine ungefähre Ahnung, wie das mit der Ehe funktionierte. Mutterschaft war für mich jedoch ein Buch mit sieben Siegeln. Das beunruhigte mich. Aber ich hatte schon ganz andere Dinge bewältigt. Also würde ich auch die Geburt und das Stillen und das Wickeln und das Erziehen mit den richtigen Büchern meistern.

Während der ersten Jahre meiner beiden Töchter versuchte ich, streng jedes Wort aus meinen Ratgeberbüchern zu befolgen. Ich stillte länger, als ich eigentlich wollte. Ich trainierte meinem Kind ein ordentliches Schlafverhalten an. Ich redete nur noch in Ich-Botschaften. Ich bin dankbar für einige der Bücher, die mich aus mancher Notlage retteten und mir umsetzbare Tipps für meinen Alltag gaben. Andere Bücher, die Mutterschaft über-idealisierten, ließen mich all meine Unzulänglichkeiten spüren. Das, was ich an den meisten Tagen mit Baby und Kleinkind schaffte, war das nackte Überleben und vor dem Abendessen in Warp-Geschwindigkeit zu duschen.

Mittlerweile sind meine Babys keine Babysmehr, sondern fordernde, eigenwillige, schmutzige Kinder. Und ich habe noch mehr Ratgeber gelesen. Wie meine Kinder Regeln lernen, selbstständig werden und gefördert werden können. Oft war ich nahe der Verzweiflung angesichts der vielen sich widersprechenden Aussagen und komplizierten Systeme. Viele der Methoden, die wir ausprobierten, passten nicht zu uns, nicht zu unseren Kindern. Ich merkte: ich kann mir den Umgang mit meinen Kindern nicht anlesen. Vor Kurzem habe ich alle meine Ratgeber auf ein einsames Regal im Arbeitszimmer verbannt.

Stattdessen verlasse ich mich neuerdings auf mein Bauchgefühl und meinen Mutterinstinkt. Die wurden von den Büchern so sehr an den Rand gedrängt, dass ich erst neu lernen muss, meiner inneren Stimme zu vertrauen. Letztens las ich einen treffenden Satz von Thomas Carlyle: „Bevor der Kopf sehen kann, sieht das Herz schon längst.“ Mir ist es mittlerweile egal, was ein vierjähriges Kind können muss. Und ich rede auch nicht mehr ausschließlich in Ich-Botschaften. Manchmal rede ich sogar erschreckenderweise wie die Prusseliese in Pippi Langstrumpf.

Ich möchte als Mutter ich selbst bleiben. Mein großer Leitfaden heute ist mein Instinkt. Und Jesus. Die Masse an Ratgebern hatte mich verunsichert und trotzdem brauche ich einen, der mir Rat schenkt. Die Lehren von Jesus sind der Ankerplatz für meine Unsicherheiten und er selbst ist Abladeplatz für meine Unzulänglichkeiten. Das, was ich von Jesus lerne, ist immer mit Gnade und Einfühlsamkeit, mit Loslassen und Anleitung zum Selbstständigwerden verbunden. Und wenn mir mal wieder alles über den Kopf wächst, dann meine ich, Jesus flüstern zu hören: „Tief durchatmen, nimm einen Krimi und lass es dir gut gehen.“

Veronika Smoor aus Waldbach bei Heilbronn ist zweifache Mutter, Hausfrau und Ehefrau aus Überzeugung. Nebenbei arbeitet sie als Fotografin aus Leidenschaft. Ihren Mütter-Alltag verarbeitet sie in ihrem Blog: http://smoorbaer.wordpress.com.

 

Was ist Ihre Meinung zu dem Thema? Wie Rat(gebet)-liebend sind Sie?

„Jetzt bin ich mal dran!“

Wenn Ehepartner einen Ausgleich zwischen Geben und Nehmen finden, sind sie glücklicher. Das muss aber erst einmal gelingen …

Bestimmt passiert das in Ihrer Ehe nicht: Unter Stress geraten meine Frau und ich ins Aufrechnen. In verantwortungsschweren Worten schildere ich meinen Einsatz für die Steuererklärung, das Auto, Reparaturen und PC-Probleme. Myriam kontert mit ihrem größeren Anteil an der Hausarbeit, dem Besorgen von Kinderkleidung, Geschenken und Schulsachen.

Nach dieser Eröffnung werfen wir die Vorteile in den Ring, die sich aus unseren unterschiedlichen Begabungen ergeben. Ich bin etwas effektiver, wofür ich schnell Beispiele finde, von denen Myriam profitiert. Daran knüpfen sich allerdings Situationen, die mir Myriams größere Ausdauer vor Augen führen. Wenn diese Runde ausgekämpft ist, legen wir harte Bandagen an, die auf das Gewissen des anderen zielen.

Dann beschreibe ich Tätigkeiten, die mich frustrieren, und Situationen, in denen ich für die Familie zurückstelle, was für mich schön und wichtig ist. Aber auch Myriam kann leistungsmasochistische Verdienste für sich in Anspruch nehmen. Schlauer sind wir nach solchen Auseinandersetzungen nicht. Sie laufen eigentlich immer nach demselben Schema ab. Sie zeigen aber, wie wichtig uns Gerechtigkeit in unserer Beziehung ist.

Es gibt wohl keinen Blick auf die Liebe, der nüchterner ist als der sozialpsychologischer Paarforscher. Liebe – so die Theorie des sozialen Austauschs – bedeutet einen Austausch von Ressourcen: Informationen, Status, Zuneigung, Dienstleistungen, Güter und Geld. Muss man sich in einen solchen Ansatz vertiefen? Man müsste es nicht, würden Liebesbeziehungen nicht sehr sensibel auf Ungerechtigkeit reagieren. Gerechtigkeit zeigt sich Paarforschern als wichtiger Baustein einer tragfähigen Paarbeziehung.

Glücksformel Ausgewogenheit

Ausgewogenheit in Paarbeziehungen wird mit einem einfachen Ansatz erforscht. In einem ersten Schritt werden Paare nach dem Geben und Nehmen in ihrer Beziehung befragt. Manche Studien fragen nach dem Gesamteindruck, andere durchleuchten bis zu 24 verschiedene Bereiche der Beziehung, in denen Geben und Nehmen eine Rolle spielt.

In einem zweiten Schritt suchen die Paarforscher nach Größen, auf die Ausgewogenheit oder Unausgewogenheit einen Einfluss haben könnten: die Zufriedenheit mit der Partnerschaft, das Gefühlsleben, die Sexualität und die Trennungsrate. Tatsächlich finden sich viele Zusammenhänge: Paare, die ihre Beziehung als ausgewogen erleben, sind zufriedener mit ihrer Partnerschaft, erleben mehr positive Gefühle und weniger Ärger.

Sogar auf die Sexualität wirkt sich Ausgewogenheit aus, die erleben Paare im Schnitt als erfüllter, wenn ihr Geben und Nehmen sich ausgleicht. Überraschenderweise ist auch der Partner unzufrieden mit der Beziehung, der von sich sagt, dass er mehr nimmt, als er gibt. Das mag daran liegen, dass Geben genauso zum Glück beiträgt wie Nehmen, außerdem können sich an der Unausgewogenheit Konflikte entzünden.

Schließlich kann Unausgewogenheit auch zur Gefahr für die Liebe werden. Paare, die ihre Beziehung unausgewogen finden, blicken weniger optimistisch in die gemeinsame Zukunft und trennen sich häufiger. In unausgewogenen Beziehungen gehen Partner häufiger fremd und zwar meist diejenigen, die mehr geben als nehmen.

Offenbar sind Menschen von Natur aus mit einem Gespür für Gerechtigkeit ausgestattet und mit einem Bedürfnis nach fairen Beziehungen. Unausgewogenheit löst negative Gefühle aus und lässt die Beziehung weniger wertvoll erscheinen. Weil Gerechtigkeit ein so wichtiger Baustein für das Liebesglück ist, verdient sie ein besonderes Augenmerk. Die folgenden Anregungen können helfen, Gerechtigkeit zu stärken und mit einem Rest an Ungerechtigkeiten zu leben.

Den anderen erwischen, wie er mir etwas Gutes tut

So heißt eine Übung, die zum Standardprogramm verhaltenstherapeutischer Paartherapie gehört: aufmerksam wahrnehmen und aufschreiben, was der Partner alles tut, das angenehm, beglückend und hilfreich ist. Je bewusster ich wahrnehme, was mir meine Frau alles schenkt, desto mehr habe ich davon und desto mehr Punkte gehen in meine Beziehungsbilanz ein. Ein Beispiel dafür ist die Verteilung der Hausarbeit, ein Politikum der Geschlechtergerechtigkeit, das gut erforscht ist.

Unbestritten ist, dass Frauen auch dann den größeren Teil der Hausarbeit erledigen, wenn beide berufstätig sind. Interessant ist aber auch der folgende Befund: Wenn man ein Paar fragt, wie viel Prozent der Hausarbeit jeder erledigt und die beiden Angaben addiert, kommt man auf mehr als 100 %.

Frauen wie Männer überschätzen ihren Anteil an der Hausarbeit. Diesen Effekt dürfte es auch auf anderen Ebenen geben: Der eigene Einsatz steht einem deutlicher vor Augen als der des Partners. Hier kann das Aufrechnen eine positive Wendung bekommen: ein wertschätzendes Aufzählen dessen, was der Partner in die Liebe und in das gemeinsame Leben investiert. Wie wichtig die Wertschätzung ist, zeigt ein Befund, der aus männlicher Sicht zwar peinlich, aber entlastend ist: Es schadet der Liebe nicht, wenn der Mann im Haushalt etwas schuldig bleibt, solange er die Hausarbeit der Frau schätzt und lobt.

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Jörg Berger
ist Psychotherapeut in Heidelberg.