Gute Ideen im Praxistest

Stefan Gerber stellt fest, dass die Auftanktipps von anderen nicht immer hilfreich sind.

Als junger Vater habe ich mit Begeisterung – es müsste in der Family gewesen sein – von der Idee des Papi-Gutscheins gelesen. Es geht darum, dass Väter und Mütter Qualitätszeit mit dem Kind erleben. Das hörte sich prima an! Meine Frau und ich, wir sahen uns schon bei beziehungsstärkenden Aktivitäten mit unseren Kindern. Die Umsetzung erschien uns einfach: In einem Monat würde unsere Tochter einen Papi-Gutschein erhalten und der Sohn einen Mami-Gutschein. Im Folgemonat umgekehrt. Die Gutscheinempfänger sind dazu berechtigt, einen Ausflugswunsch mit dem entsprechenden Elternteil einzubringen. Sie können da ihrer Fantasie freien Lauf lassen – so lange es vom Zeit- und Finanzbudget her im Rahmen bleibt. Vom gemeinsamen Spielnachmittag, dem Fahrradausflug an den See über die Rollhockey-Partie oder einer Runde Minigolf bis zum Besuch im Hochseilgarten oder im Fußballstadion ist vieles denkbar. Leider wurde die tolle Idee nicht zu unserer Familien- Tankstelle! Euphorisch dachten wir, die Wunschlisten unserer Kinder würden sich sofort füllen und es gäbe ganz viel, was sie mit uns unternehmen wollten. Doch trotz mehrerer Anläufe – es klappte nicht. Besonders unserer Tochter entsprach dieses Vorgehen nicht. Sie hatte große Mühe, überhaupt etwas auf ihre Wunschliste zu bekommen. Was nicht bedeutet, dass sie keine Zeit mit ihren Eltern verbringen will, aber der „Zwang“ eines monatlichen Papi-/Mami-Gutscheins schreckte sie eher ab. Was ein gutes Ritual sein kann, passte nicht zu uns als Familie. Wir mussten lernen, uns von guten Ideen inspirieren, aber nicht einengen zu lassen. Ich kämpfe immer mal wieder mit fixen Vorstellungen – von der Familienandacht bis zur Regelung des Medienkonsums; aber immer wieder erlebe ich, dass meine Vorstellung, wie es wohl sein sollte, eher in eine Sackgasse führt, als dass sie unserer Familie dienen würde.Daher versuchen wir unsere ganz eigene Familien-DNA zu leben. Inspiration von außen – super. Doch zum Gesetz wollen wir uns nicht machen, was bei anderen funktioniert, aber möglicherweise zu uns nicht passt. Umso mehr genieße ich es, wenn dann doch solche Inseln im Alltag entstehen und ich mit einem unserer Kinder etwas erleben kann: Manchmal geplant wie der Ausflug zum Spengler-Cup (Eishockey-Turnier) in Davos zum zehnten Geburtstag unseres Sohnes oder ganz spontan wie in den Herbstferien, als unsere Tochter und ich einen anderen Wanderweg wählten. Ganz viel bedeutet es mir auch, wenn mich eines meiner Kinder zum Skifahren auf den Steilhang meiner Lieblingsskipiste begleitet. Das sind dann jeweils richtig wohltuende Tankstellen für mich – und für meine Kinder.

Stefan Gerber, Geschäftsführer Willow Creek Schweiz, ist Leiter der Netzwerk- Kirche „gms – gospel movement seeland“ und freiberuflich als Autor („Glück finden – hier und jetzt“), Referent und Coach tätig. Er ist verheiratet mit Brigitte Gerber- Urfer und Vater von Joy Nina (14 J.) und Janosch Noah (11 J.).

Zweite Halbzeit

Ingrid Jope hat nachmittags „frei“. Das heißt, sie sitzt nicht im Büro. Dafür flitzt sie von Aufgabe zu Aufgabe …

Schönen Feierabend!“ – wünscht mir mein Kollege wie fast jeden Tag, als ich gegen 13.30 Uhr das gemeinsame Büro verlasse. Während ich mich auslogge, den Büroschlüssel im Rucksack verstaue und Auto- sowie Hausschlüssel zutage fördere, rumort es in mir. Da ploppt ein Gedanke in meinem Hirn auf, den ich in die „Schublade“ schiebe: „Muss ich gleich im Auto aufschreiben, damit ich es morgen im Büro nicht vergesse.“ Danach steuere ich unsere Familienkutsche durch die Dreißiger-Zone, die am Ende einer Sackgasse zum Kindergarten führt. Das Wort „Feierabend“ liegt mir immer noch etwas ungeschmeidig auf der Zunge. Es klingt nach in Ruhe etwas Leckeres essen, Beine hochlegen, vielleicht ein Buch lesen oder eine gute Zeitschrift, wahlweise einen warmen Tee oder ein kühles Bier trinken. Was mich jetzt gleich erwartet, fühlt sich anders an. Ein verschwitzter Dreckspatz begrüßt mich verhalten begeistert. Vor Müdigkeit und voller Eindrücke ist er nicht mehr der besten Laune und schafft es kaum, sich aus der versandeten Matschhose und der verdreckten Jacke zu schälen. Wenige Minuten später kommt unsere Tochter mit sechs Stunden Schultrubel in den Knochen nach Hause. „Mama, hier ist ein Elternbrief.“ – „Mama, ich hab solchen Hunger!“ – „Mama, fährst du mich heute zu Carina?“ – „Mama, wo ist mein Sammelalbum?“ Als das selbstgebaute Legoschiff zerbricht, steht der erste Geschwisterstreit ins Haus. Ich bin beschäftigt damit, das Küchenchaos zu managen, wütende Kinder zu besänftigen, den Antwortabschnitt für die Schule auszufüllen, Termine zu planen, Waschmaschine und Meerschweinchen zu füttern. Schon ermahne ich die Kinder: „Beeilung, sonst kommen wir zu spät zur Logopädie.“ Auf dem Rückweg kaufe ich noch die Zutaten fürs Abendessen ein, anschließend koche ich, hänge Wäsche auf, beantworte schnell noch ein paar Mails, telefoniere mit der Mutter einer Freundin unserer Tochter, um die Fahrt zum späteren Schulanfang morgen abzusprechen. Glücklich schaffe ich es gerade noch so zu meiner Pilates-Stunde. Der Mann, den ich liebe, übernimmt das „Abendchaos“. Als ich nach der Dusche aufs Sofa sinke, ist das Wort wieder da: Feierabend! Diesmal mit dem richtigen Gefühl. Wenn ich an die Zeit zwischen 13.30 Uhr und jetzt denke, passt eine andere Bezeichnung viel besser: Zweite Halbzeit. So ein volles Familien- und Berufsleben verdient keinen Bequemlichkeitspreis. Es ist stressig und hält mich in Atem, besonders wenn zusätzliche Arbeitsstunden im Büro und zu Hause oder Krankheitszeiten anstehen. Irgendwas ist immer. Aber inmitten meines wirklichen Feierabends weiß ich auch: Es ist so kostbar, eine Familie zu haben. Und es inspiriert und erfüllt mich, als Reha-Prozessbegleiterin zu arbeiten. Diese „Rush-Hour des Lebens“ fordert mich, sie lässt mich aber auch wachsen – an Belastbarkeit, Frustrationstoleranz, kreativer Krisenbewältigung. Oder – wie das Schild besagt, das ich kürzlich auf dem Schreibtisch eines anderen Kollegen entdeckt habe: „Mich regt nichts auf – bin dreifacher Vater!“

Ingrid Jope ist Theologin und Sozialpädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wetter/Ruhr.

 

Der Holzwurm der Ehe

Wenn Nebensächliches an der Beziehung nagt. Von Susanne Ospelkaus

Vor ein paar Monaten musste eine Kirche in unserem Landkreis geschlossen werden. Nagekäfer hatten sich durch das Gebälk geknuspert. Um genau zu sein: Es waren Larven des Anobium punctatum, bekannt unter der Bezeichnung „Holzwurm“. Im Verborgenen vernaschen sie totes Holz und haben dabei einen erstaunlichen Appetit. Im Verborgenen wollen Kleinigkeiten unsere Beziehungen zernagen. Dabei geht es nicht um die großen Themen wie Sexualität, Religion und Erziehung oder Geld, Gesundheit und Genussmittel. Es geht um die Kleinigkeiten, die sich summieren. Aus Missverständnissen und Enttäuschungen erwächst ein Monsterkäfer, der jede Liebe und Vertrautheit vertilgt.

AMÜSANT, SOLANGE ES UNS NICHT BETRIFFT
Jeder kennt diese Kleinigkeiten. Vielleicht empfand man sie am Anfang der Beziehung süß, hinreißend oder lustig. Comedy Shows sind voller Beispiele über die wir lachen, so lange sie uns nicht betreffen. Da ärgert sich ein Partner, wenn man …
… an der Butter kratzt, statt schneidet.
… die Socken herumliegen lässt.
… den Autoschlüssel jedes Mal an einen anderen Platz legt.
… das Bett nicht macht.
… den Schrank offen lässt.
… beim Essen schmatzt.
… die Gabel seltsam hält.

WAS STECKT DAHINTER?
Ich habe auch solch ein Getier in meiner Ehe, das mich am Mittagstisch piesackt: Mein Mann zerdrückt sein Essen! Mit der Gabel macht er aus jeder Speise eine Pampe. „Soll ich es dir pürieren?“, erkundige ich mich genervt. Wenn ich mich beherrsche und nichts sage, fragt er: „Wieso guckst du so?“ „Wie denn?“ „Na so!“ Jeder andere würde sich über uns amüsieren. Ich habe das Tierchen untersucht, das mich zu Tisch befällt. Ich interpretiere das zermatschte Essen als Kritik an meiner Kochkunst. Würde es ihm schmecken, müsste er es doch nicht zerdrücken, oder? „Nein, mein Schatz, es ist genau andersherum. Weil es mir so gut schmeckt, zerdrücke ich es.“ „Ach so?“ Für den Fall, dass wir mal in ein Feinschmeckerrestaurant gehen, hat er mir versprochen, sein Essen nicht zu zerdrücken. Es gibt auch Dinge, die ihn an mir nerven, wie ein lästiges Insekt, das immer wieder kommt. Ich wurstle das Handtuch nach dem Benutzen über die Trockenstange. Er ist empört, wie solle es nun trocknen? „Wieso kannst du es nicht ordentlich aufhängen?“ „Wieso ist es dir so wichtig?“ Mein Mann überlegt. Hinter dem Wunsch, dass ich das Handtuch sorgfältig hinhänge, steckt die Bitte nach einer Vorbildfunktion für unsere Kinder. Räume gewissenhaft auf!

WIESO STÖRT ES MICH GERADE JETZT?
Unliebsame Angewohnheiten schlummerten schon in unserer Beziehung, als wir uns kennenlernten. Doch spürbar wurden sie erst, als die Routine im Alltag einzog. Nähe und Gewöhnung schufen die Bedingungen dafür, dass Unarten reiften, schlüpften und schließlich durch die Zweisamkeit krabbelten. Die besondere Vertrautheit in einer Ehe macht uns sensibel füreinander, aber auch manchmal überempfindlich. Bei Menschen, die uns nicht so nah stehen, können wir eine Unart leichter aushalten. Tauchen sie bei der Chefin, dem Pfarrer oder einem Bekannten auf, wedeln wir sie weg. Doch gegenüber unserem Partner machen wir aus einer mückengroßen Unart einen Elefanten.
Die Vertrautheit in der Ehe ist groß, die Hemmschwelle niedrig. Der Partner lässt seine Kleidung vor dem Bett liegen: wir stöhnen, grummeln, verdrehen die Augen. Die Haare der Partnerin hängen im Abfluss und schweben in der Wohnung: wir klagen, motzen, explodieren. Da entzündet eine Kleinigkeit angestauten Frust und der Partner bekommt die Detonation ab. Der Ärger über die Unart des Partners wird zu einem Brandbeschleuniger für die eigene Unzufriedenheit, aber wir sollten uns ehrlicherweise fragen: Worum geht es wirklich?

AUS LIEBE
Ein Freund – er ist wirklich ordnungsliebend – beklagte sich über die Kalkflecken am Wasserhahn. Seine Partnerin könne sie doch wegwischen, man müsse doch nur mit einem Tuch … das könne sie doch aus Liebe tun. Ich amüsierte mich über die unwichtigen Kalkflecken. Doch Moment mal, andere werden das zerdrückte Essen oder das verwurstelte Handtuch auch lächerlich finden. Könnte ich nicht aus Liebe …? Ja, was denn? Mich verändern? Die Aussage: „Wenn du mich liebst, dann kannst du dies und jenes für mich tun …“ ist Manipulation! Der Psychotherapeut Paul Watzlawick hat die Bücherlandschaft um den schönen Titel „Wenn du mich liebtest, würdest du gerne Knoblauch essen“ bereichert. Daran wird das Problem schon deutlich. Hier werden Beweise für die Liebe verlangt. Aber alles Wichtige im Leben, wie Vertrauen und Liebe lässt sich nicht beweisen. Es ist Gewissheit. „Wenn du mich liebst, dann …“ mit dieser Aufforderung kann man zielgerichtet und präzise die Ehe zerstören. Wie soll der Partner sich verhalten? Handelt er nach der Aufforderung, macht er es vielleicht lieblos, nur aus einer Pflicht heraus. Handelt er nicht, ist es ein Beweis, dass er nicht liebt. Jede Reaktion ist falsch, weil die Anforderung falsch ist. Ist eine aufgeräumte Unterhose tatsächlich ein Liebesbeweis? Taten der Liebe sind sehr speziell und persönlich. Eine weitere Reaktion könnte sein: „Ja und wenn du mich liebst, dann würde dich meine Unart nicht stören.“ Spätestens jetzt gewinnt der Ehestreit an Tempo. Die Holzwürmer freuen sich auf die Achterbahn und schreien: „Jippie!“ Wir können keinen Liebesbeweis einfordern und wir dürfen unseren Partner nicht für das eigene Glück verantwortlich machen. Auch wenn uns manche Macken nerven, unsere Zufriedenheit liegt nicht in den Händen unseres Partners. Unsere Zufriedenheit liegt in Gottes Händen. Bevor wir uns beim Partner beschweren, sollten wir zuerst mit Gott darüber reden. Gelassenheit kommt eher aus dem Himmel als durch die Taten von Menschen.

KAMPF DEM UNGEZIEFER
Als wir uns eine Katze zulegten, beherbergten wir gleichzeitig eine Flohpopulation. Es war schrecklich. Wir holten uns Rat und kauften Mittelchen, um alle Entwicklungsstufen des Flohs zu eliminieren. Wir wuschen Kissen und Decken, röchelten mit dem Staubsauger in jede Ecke und unter jedes Polster. Es hat uns Mühe und Zeit gekostet, bis unser Haushalt flohfrei war. Der Umgang mit lästigen Kleinigkeiten kostet Disziplin. Selbstdisziplin! Ich darf mich nicht auf die Macke meines Partners konzentrieren. Ich könnte schon mit der Erwartung aufstehen: „Na, ob ich gleich über seine Klamotten stolpere?“ oder „Ob sie wieder die Shampooflaschen offengelassen hat?“ Diese Gedanken lassen den Holzwurm wachsen. Er dehnt sich aus und verschlingt den liebevollen Guten-Morgen-Gruß. Damit ich den Wurm unter Kontrolle habe, räume ich dies oder jenes auf. Eine schlichte Handlung, die mich Überwindung kostet, aber mir nicht meinen Seelenfrieden raubt. Ich will keine Insekten in meinem Herzen und auch nicht in meiner Beziehung. In einem ruhigen Moment kann ich sagen: „Alexander, mich stört, wenn du …“, und muss darauf gefasst sein, dass er mir auch meine Versäumnisse aufzeigt. Wie wäre es, wenn jeder dem anderen zwei Unarten „schenkt“? Ich ärgere mich nicht über deine Socken vor dem Bett und du beschwerst dich nicht über die zerkratzte Butter. Ich schimpfe nicht mehr über den offenen Kleiderschrank und du beschwerst dich nicht mehr über die Messer, die verkehrt herum in der Spülmaschine stehen.

Susanne Ospelkaus lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München, bloggt unter www.buchstabenkunst.de und arbeitet als Ergotherapeutin.

Fitness

SCHNAPPATMUNG

Katharina Hullen denkt über einen persönlichen Fitnesscoach nach.

Katharina: „ 5 Kinder! – Sportlich!“ Ha, wenn es das nur mal wäre! Es stimmt: Ich bezwinge mehrmals in der Woche unsere Wäschegebirge, betätige mich täglich mit ganzem Körpereinsatz als „Stalljunge“ an der Wickelkommode und ziehe dutzende Male am Tag mein persönliches Fitnessprogramm „Sachen vom Boden aufheben“ durch. Ich müsste fit wie ein Turnschuh sein. Faktisch ist mein Körper nach den Geburten von fünf Kindern aber doch leicht aus der Form. Da halfen auch zehn Stunden Rückbildungsgymnastik nichts – wenn der Geist zwar willig ist, aber das Fleisch nach dem Kurs wieder müde und chipshungrig auf dem Sofa sitzt. Dazu kommt, dass sich jeder Trotzanfall der Kinder doch auch viel leichter mit einem großen Stück Schokolade herunterschlucken lässt. Und ist eine mollige Mama nicht ohnehin viel kuscheliger? Außerdem bemerke ich den Verfall ja nicht nur bei mir, sondern auch bei Hauke. Warum soll nur ich mir Mühe geben, wieder in Form zu kommen? Und wie sollte es überhaupt im Moment gehen? Im Fitnessstudio anmelden? Dort gäbe es ja sogar eine Kinderbetreuung – ich fürchte allerdings, dass dann leider alle anderen Eltern ihre Kinder nicht mehr mitbringen würden, weil unsere Schar den kleinen Raum komplett ausfüllt. „Hilfe, die Hullens kommen!“ Dann doch lieber Sport daheim. Ohnehin ist es doch ungemein praktisch, sich alles nach Hause zu holen, damit man nicht immer mit Sack und Pack und Mann und Maus überall aufschlagen muss: Musiklehrer, Frisör, Finanzberater … warum nicht auch den Personal- Trainer? Am besten als Familien-Trainer. Das wäre großartig! Wobei – wäre es das wirklich? Hätten wir alle Spaß daran? Während die Kinder an der Turnstange mit wehenden Haaren und einem Liedchen auf den Lippen Feldaufschwünge, Klimmzüge und Salti schlagen, lägen Mama und Papa doch schon nach dem Warm-Up mit Schnappatmung ausgestreckt auf der Wiese. Ach ja. Abnehmen, wieder fitter, beweglicher sein, das wäre schon gut. Für mich, und damit auch für uns alle. In diesem Jahr werde ich 40 Jahre alt. Ich glaube ja, dass Konfektionsgrößen an das Alter angepasst sind. Immer ist die Größe aktuell, in die man altersmäßig hineinwachsen wird. Fürs erste behalte ich aber die 38er Klamotten noch, auch wenn die 42 am Horizont schon zu sehen ist. Vielleicht zählt ja irgendwann das gefühlte Alter! Auf meinem Wunschzettel jedenfalls steht ein stabiler Crosstrainer, der im Zweifel auch Haukes Gewicht trägt, wenn er irgendwann soweit ist, sich einzugestehen, dass seine Kleidung nicht kürzer, sondern er „größer“ geworden ist. Aber lesen Sie selbst …

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

IM ZWEIMANNZELT

Hauke Hullen wird aus der Kleiderabteilung mit Normalgrößen verbannt.

Hauke: Die Umkleidekabine – welch Ort der Demütigung! Grelles Neonlicht, ein unvorteilhafter Zerrspiegel und dann noch dieser süffisant vor sich hin grienende Verkäufer mit offenkundiger Sehschwäche, der mir Hosen in aberwitzigen Größen anschleppt … doch der Reihe nach! Früher hatte ich Bundweite 34, doch da die Hersteller ihre Maße änderten, muss ich inzwischen einen 36er-Bund akzeptieren. Anfang Januar stelle ich aber fest, dass etliche Hosen in Bauchhöhe eingelaufen waren. So suchen wir ein großes Kaufhaus auf, wo ich hoffnungsfroh mit einer seltenen 35er-Hose in der Umkleide verschwinde. Sie passt. Hurra – ich habe abgenommen! Doch vor der Umkleide gibt es statt Szenenapplaus nur Schweigen und betretene Mienen des Verkäufers und meiner Frau. Der Angestellte schüttelt resigniert den Kopf. Nein, die Hose ginge gar nicht, auch 36 käme nicht in Frage, doch größere Hosen würden sie in dieser Abteilung nicht führen. Ich will dem Verkäufer ordentlich den Marsch blasen, doch der zu eng eingestellte Gürtel verhindert das Luftholen. „Wir haben da noch die Abteilung für starke Größen”, flötet er. Wo genau? „Auf der anderen Seite der Etage, immer geradeaus.” Aha. Wer also wie meiner einer ein bisschen muskulöser gebaut ist, wird in die hinterste Ecke abgeschoben, um die unterernährten anderen Kunden optisch nicht zu belästigen, schon klar! Ich sinniere, wie die Abteilung wohl genannt wird: „Dick & Chic” vielleicht, oder „Fett & Adrett”?!? Wir machen uns auf den Weg, dem Gang der Schande aus dem „Games of Thrones”- Epos nicht unähnlich. Er führt uns quer durch die Sportabteilung. „Schande!”, scheinen die Blicke der drahtigen Mittzwanziger zu sagen, die in den Trikotagen wühlen, „Schande!”, rufen die aufgereihten Laufschuhe, „Schande!” skandiert die Funktionswäsche, „da geht wieder so ein Adipositas-Athlet, der seine Neujahrsvorsätze schon in der ersten Woche gebrochen hat!” Endlich haben wir unsere Abteilung erreicht, wo mir ein schmieriger Verkäufer die übliche 36er-Hose verwehrt und mir höhnisch ein paar 38er in die Hand drückt. Ich betrete die Kabine neben dem – genau! – Lastenaufzug. Kabine? Eine Familienumkleide! Für Großfamilien! Gut, ein bisschen stämmig bin ich vielleicht geworden, aber muss man mir zum Umziehen gleich einen Tanzsaal zuweisen? Mit einer Spiegelwand? Erbost schlüpfe ich in das mir aufgeschwatzte Zweimannzelt und trete aus der Umkleide. Wieder Schweigen. Dann ein anerkennendes Nicken des Angestellten: „Passt!” Kathi strahlt: „Gut siehst du aus!” Jetzt fällt es mir auch auf. „Richtig sportlich”, ergänzt die beste Ehefrau von allen. „Ja”, bestätigt der überaus sympathische und sachkundige Fachverkäufer. Wir kaufen alles. Es ist wirklich leicht, seine gute Figur zu halten!

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Survival-Tipps für schwangere Kerle

10 mehr oder weniger ernst gemeinte Kniffe für den Start ins Papa-Abenteuer.

 

  1. Besuchen Sie zusammen mit Ihrer Partnerin einen Geburtsvorbereitungskurs. Enormer Lern- und Lachfaktor. Der Ernstfall wird dann
    doch ganz anders als geplant.
  2. Nutzen Sie die „Einzugsankündigung“ in Ihrer Wohnung zum Ausmisten. Machen Sie Schränke und Steckdosen frühzeitig kindersicher.
    Unter Vollbetrieb wird’s stressiger.
  3. Begeben Sie sich mit auf die Suche nach einem Kinderwagen. Nicht erschrecken! Für den Preis bekommen Sie auch schon mal einen Gebrauchtwagen. Drandenken: Kofferraum ausmessen.
  4. Jedes Kind hat ein Lieblingskuscheltier. Suchen Sie sich einen knuffigen Vertreter aus. Noch besser: Sie nehmen zwei. Das erspart Ihnen später Kummer und Ärger.
  5. Streichen Sie die Worte „Machen wir später“ aus Ihrem Vokabular. Besuchen Sie jetzt die Oper, das Theater, das Museum, die Freunde, die Stadt …
  6. Betreuungs- und Kindergartenplätze sind rar. Es schadet nichts, sich schon frühzeitig nach einer Bleibe umzuschauen und Platzkarten zu reservieren.
  7. Trainieren Sie das frühe Aufstehen. Lassen Sie sich samstags um 5.30 Uhr vom Smartphone rausschmeißen. Statt Flasche wärmen können Sie jetzt noch joggen und anschließend die Frau im Bett mit frischen Brötchen verwöhnen.
  8. Fankultur kann man nicht früh genug einüben. Besorgen Sie sich einen Strampler Ihres Lieblingsvereins. Wenn dann der Krabbelgruppenkumpel vom FC Bayern schwärmt, liegen Sie schon 1:0 vorne.
  9. Stellen Sie auf alkoholfrei um. Alkoholfreies Weizen zum Beispiel ist gelebte Solidarität. Und es unterstützt die Milchbildung.
  10. Fangen Sie an, ein Tagebuch mit Gedanken, Bildern, Wünschen und Gebeten zu führen, welches Sie Ihrem Nachwuchs am 18. Geburtstag überreichen.

Rüdiger Jope ist Vater von Anna und Joshua und Chefredakteur des Männermagazins MOVO, www.MOVO.net.

Was ist eigentlich riskant?

Oft entsteht der Eindruck, ein erfülltes Leben sei immer auch mit Risikobereitschaft verbunden. Ist das so? Gedanken von Carolin Schmitt.

Die Redewendung „No risk, no fun“ war in meinen Jugendjahren ein geflügeltes Wort, das immer dann zitiert wurde, wenn jemand etwas Neues ausprobieren wollte. Ein anderes Sprichwort besagt: „Wer wagt, gewinnt!“. Aber stimmt das tatsächlich? Können wir nur Spaß haben, wenn wir etwas riskieren? Gewinnt nur derjenige, der auch etwas wagt? Wieso haben sich diese Redewendungen in unserer Sprache und in unserem Denken so eingenistet, dass wir sie glauben, ohne sie überprüft zu haben? Sicher gibt es Beispiele, die diese Aussagen bestätigen. Aber was bedeutet eigentlich „riskant leben“ oder „ein Risiko eingehen“? Schaut man ins Wörterbuch, so wird Risiko definiert als „möglicher negativer Ausgang bei einer Unternehmung, mit dem Nachteile, Verlust, Schäden verbunden sind“. Aber behaupten die oben zitierten Redewendungen nicht genau das Gegenteil? Dass man nur gewinnen kann, wenn man ein Risiko eingeht?

ÄNGSTLICH UND LANGWEILIG
Mir fallen in diesem Zusammenhang Geschichten ein, die wohl jeder kennt: die befreundete Familie, die Haus, Job und Freunde aufgibt, um als Missionare in ein fremdes Land zu gehen. Der Kollege, der ein Jahr unbezahlten Urlaub nimmt, um die Welt zu bereisen. Die Freundin, die ihren sicheren Job kündigt, weil sie den Traum der Freiberuflichkeit realisieren möchte. Der Onkel, der viel Geld in die Gründung von StartUps investiert. Bei all diesen Geschichten komme ich mir klein und unbedeutend vor. Mein Leben erscheint mir langweilig, eintönig und grau – so wie ich es eigentlich nie haben wollte. Ich fühle mich schlecht und frustriert: Alle anderen haben ein aufregendes Leben, sind mutig und vertrauen bei ihren Entscheidungen einfach auf Gott. Ich dagegen bin ängstlich und langweilig. Und anscheinend fehlt mir das nötige Gottvertrauen, um aus meiner Routine und meinem gewöhnlichen Leben auszusteigen. Warum bin ich nicht in der Lage, riskant zu leben und Abenteuer zu wagen?

RISIKOBEURTEILUNG
Aber wer bestimmt überhaupt, was riskant ist? Hängt die Risikobeurteilung nicht immer vom Standpunkt des Betrachters ab? Es kann doch sein, dass ich ein Vorhaben als extrem riskant einordne, der betroffene Akteur aber zu einer ganz anderen Einschätzung kommt. Je nachdem, welche Erfahrungen ich bisher gemacht habe oder mit welchen Stärken und Schwächen ich von unserem Schöpfer ausgestattet wurde, wird mein Risikoempfinden anders aussehen als das meines Gegenübers. Umgekehrt werden andere meine Lebenssituationen und Entscheidungen in die Sparte „riskant“ einordnen, bei denen ich keinerlei Risiko oder Wagnis erkenne. Das heißt doch, dass letztendlich ein riskanter Lebensstil nur deshalb als riskant bewertet wird, weil wir – die Betrachter – diese Wertung vornehmen. Mir scheint, dass wir durch unsere Gesellschaft und manche Medien so geprägt sind, dass nur noch große und für alle sichtbare Lebensgeschichten als riskant und sinnerfüllend bewertet werden. Oft wird suggeriert, dass das Leben nur lebenswert ist, wenn wir etwas riskieren, neue Dinge wagen und uns auf die Suche nach dem noch besseren Erlebnis begeben. Aber was ist mit den vielen kleinen Begebenheiten in unserem alltäglichen Leben, denen wir meist gar keine Beachtung schenken? Sie werden als langweilig abgetan, ignoriert oder schneiden im Vergleich nur unterdurchschnittlich ab.

MUTIG ODER NAIV?
Mir fällt die Rentnerin ein, die ihren pflegebedürftigen Mann jahrelang pflegt – auf die Gefahr hin, unter dieser Belastung selbst zu zerbrechen. Oder der junge Mann, der im Knast saß und es nun wagt, zu heiraten und eine Familie zu gründen – in dem Wissen, dass er wahrscheinlich aufgrund seiner Vorstrafe nie einen festen Job finden wird. Oder die alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, die ihr Studium zu Ende bringen möchte, obwohl sich die Finanzen permanent am unteren Limit befinden. Und was bewegt den Freund, der es nach mehrfach gescheiterten Firmengründungen trotzdem wieder wagt, eine neue Geschäftsidee zu entwickeln? Wie sieht es mit der Familie aus, die Pflegekinder aufnimmt und neben Beruf und eigenen Kindern Zeit und Liebe investiert – in der Hoffnung, diesen Pflegekindern einen besseren Start in die Zukunft zu ermöglichen? Es gibt noch viele solcher Geschichten, die ich an dieser Stelle nicht alle aufzählen kann. Wahrscheinlich bewertet jeder diese Geschichten unterschiedlich. Von riskant, mutig, abenteuerlustig über naiv und dumm werden hier die Urteile ausfallen. Aber wann ist etwas riskant? Und wann ist etwas gefährlich oder dumm und naiv? Dieses Urteil hängt stark vom Standpunkt des Betrachters ab.

MIT DEM HERZEN SEHEN
Auch die Motivation der Menschen spielt eine Rolle. Manche gehen ein Risiko ein, um sich selbst oder anderen etwas zu beweisen oder um Anerkennung zu bekommen. Andere wagen etwas im tiefen Vertrauen auf Gott, obwohl Außenstehende es als „dumm und unüberlegt“ abstempeln. Lebensgeschichten zu vergleichen und zu bewerten ist hinfällig, keine Geschichte ist mit der anderen vergleichbar. Gott hat jeden von uns mit anderen Erfahrungen, Begabungen und Lebensumständen ausgestattet. Und Gott allein kann ein Urteil über unser Leben fällen. In diesem Zusammenhang fallen mir die Worte meiner Französischlehrerin ein, die sie mir in der 5. Klasse ins Poesiealbum geschrieben hat: „On ne voit bien qu‘avec le coeur. L‘essentiel est invisible pour les yeux.“ Ich glaube, dass Antoine de Saint-Exupéry in seinem Buch „Der kleine Prinz“ mit diesen Worten eine tiefe göttliche Wahrheit ausdrückt: Gott sieht unser Herz und lässt sich nicht von Äußerlichkeiten blenden. Ich möchte immer mehr versuchen, mir diese Wahrheit ins Bewusstsein zu bringen, um so mein Leben, mein Umfeld und meine Mitmenschen offen wahrzunehmen und nicht zu beurteilen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Carolin Schmitt arbeitet als Wirtschaftsingenieurin und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Karlsdorf/Baden.
Sie leitet die KinderKirche ihrer Gemeinde und veröffentlicht ihre Gedanken auf dem Blog www.morethanpretty.net.

Aufgaben Verteilung

WO DIE FÄDEN ZUSAMMENLAUFEN
Katharina managt das siebenköpfige Familienunternehmen. Ihren Mann sieht sie als hochengagierten Mitarbeiter.

Katharina: „Fünf Kinder! Wie schaffst Du das bloß?“ Diese Frage höre ich häufig. Meine Antwort variiert je nach Tagesform zwischen „Gar nicht!“ über „Das frag ich mich auch!“ zu „Einfach machen!“ Dabei bin ich ja nicht allein für alles zuständig, sondern habe ein Netz von Unterstützern: Schwiegereltern, Freunde und nicht zuletzt meinen Mann. Er und ich wollen diese Kinderschar und wir möchten auch partnerschaftlich mit der Aufgabenverteilung umgehen. So übernimmt Hauke den Fahrdienst zur Schwimm-AG oder den Großeinkauf, er putzt Küche und Bäder (oder das Flusensieb der Waschmaschine) und staubsaugt die Wohnung. Er kocht für alle am Wochenende – vor allem, wenn er selber Hunger hat. Zudem übernimmt er mit viel gutem Willen alle Hausmeisterdienste, die, nun ja, in seinem Vermögen stehen. Und da unser 3-Jähriger beschlossen hat, sich nur noch vom Papa ohne Theater wickeln, baden und Zähne putzen zu lassen, freue ich mich sehr über die Selbstverständlichkeit, mit der Hauke diese Aufgaben übernimmt. Das ist eine Menge bei gleichzeitiger beruflicher Tätigkeit. Hauke schneidet gut ab in punkto Familien-Engagement. Warum denken trotzdem viele, ich würde die Last alleine tragen? Ich glaube, es liegt an der Art der Arbeit. Während Hauke mit seiner Unterstützung den Rahmen zusammenhält, versuche ich, den Kasten mit Leben zu füllen. Ich organisiere die Familienzeit, habe den Überblick, wer wann wo mit welchen Dingen sein muss. Meine Überlegungen und Vorbereitungen prägen unsere Familientraditionen – die Rituale an Festtagen, aber auch im Alltag. Ich bin zuständig für die Wäsche, weiß, wem welche Hose gehört und mache mir Gedanken über Familienregeln. Abends lege ich mich häufig noch zu Kindern und kläre den Weltschmerz oder höre mir die Schulgeschichten an. Mir sind die Namen der Schulfreunde und -streitigkeiten der Kinder ein Begriff, und das Foto-Jahrbuch der Familie gestalte ich ebenso wie die Pflege unserer Freundschaften und Familienbanden. Mit all diesen Dingen übernehme ich die Familien-Denkarbeit, während Hauke bei der Umsetzung hilft. Will er das? Provoziere ich mit meinen schnellen Entscheidungen dieses Verantwortungsungleichgewicht? Bevormunde ich ihn? Aber wenn ich warte, bis er anfängt, ist der Kindergeburtstag schon morgen, und wenn es gut läuft, lässt sich nur noch ein absoluter Notfallplan umsetzen. Aber mein Plan A funktioniert eben auch nur mit Haukes Hilfe. Bei allem Gemaule („Du könntest dir ja auch mal was überlegen“ von mir und „Selber schuld, wenn du immer so schnell bist“ von Hauke) sind wir wohl beide eigentlich zufrieden mit dieser Aufteilung. Ich darf gestalten, Hauke will mitmachen und unterstützen. Beides kann von Zeit zu Zeit ermüdend sein. Das einander zuzugestehen ist die Kunst, die wir noch lernen.

 

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache. Sie
und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

DER GROSSE KNALL
Hauke bewundert das Durchgreifen seiner Frau und ist überzeugt, dass sie seinen Beitrag im Familienunternehmen falsch einschätzt.

Hauke: Manchmal grüble ich darüber nach, ob Gott die Welt nicht vielleicht mit Hilfe des Urknalls erschaffen hat. Denn wie das im Prinzip gehen könnte, zeigen mir unsere fünf Kinder nahezu täglich: Aus dem absoluten Nichts heraus gibt es plötzlich einen lauten Knall und tosendes Gezeter (oder fröhliches Gekreische, das spielt fürs Resultat keine Rolle), und Millisekunden später herrscht Chaos in der Wohnung. Der atomar zerstäubte Inhalt mehrerer Spielzeugkisten schwebt, liegt und kullert herum. Materie überall, vollständig ungeordnet. Und die Wohnung war wüst und die Schränke leer … Wem nun der Urknall schon wie ein großes Wunder vorkommt, der wird nicht glauben können, was anschließend in diesem Tohuwabohu passieren wird: Ebenfalls aus dem Nichts heraus gibt es einen zweiten Knall, noch viel, viel größer, diesmal auf jeden Fall verbunden mit tosendem Gezeter, wieder fliegt Materie in Lichtgeschwindigkeit durch die Wohnung, diesmal aber in umgekehrter Richtung, und kurz darauf ist alles wieder an seinem ursprünglichen Platz. Und siehe, es war sehr gut aufgeräumt. Welche unfassbare Macht wohl für den zweiten Knall verantwortlich ist? Sie ahnen e s: m eine Frau. O hne z u z ögern n immt s ie den K ampf m it d er l okalen A narchie- Bewegung auf, wirft sich ins Getümmel und stürmt die Barrikaden vor dem Kinderzimmer. Und da meine Frau keine Gefangenen macht, wird jeder kleine Revoluzzer sofort umgedreht, so dass er fortan für die Gegenseite arbeiten muss. Warum nicht der Göttergatte für Recht und Ordnung sorgt? Dafür gibt es zwei Gründe: Oft bemerke ich aufgrund einer deutlich höheren Toleranzschwelle die Anzeichen für den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung nicht rechtzeitig – und wenn ich sie doch registriere, dann bleibt mir meist nur noch Zeit für eine einzige Gegenmaßnahme: mich hinterm Sofa zu verstecken, um den zweiten Knall zu überstehen … Ich bewundere meine Frau aufrichtig dafür, wie sie in der Familie alles ordnet und regelt. Mit schier unerschöpflicher Energie managt sie das Leben von sieben Personen mit Weitund Umsicht. Da ich weiß, dass nicht die eigentliche Erledigung der vielen Aufgaben so anstrengend ist, sondern das Tragen der ständigen Verantwortung, versuche ich, Katharina zu entlasten. Ich will zumindest die Arbeiten erledigen, die mir auffallen – das ist wenig genug. Dazu kommen die Arbeiten, die mir nicht auffallen, aber meiner Frau. Auch dann packe ich mit an, fröhlich und frei von jedwedem traditionellen Rollendünkel. Katharina denkt übrigens, dass ich vergleichsweise viel zu Hause helfe. Ich halte das eher für ein Wahrnehmungsproblem: Meine Mithilfe sieht sie, die der anderen Männer nicht. Aber sei‘s drum, in diesem Punkt soll Kathi gerne bei ihrer Meinung bleiben. Bitte verraten Sie ihr nicht die Wahrheit!

 

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Grenzenloses Vertrauen

Auch wenn nicht alles wie geplant lief: Hiltrud und Rüdiger freuen sich, dass sie immer wieder einen gemeinsamen Weg gefunden haben, selbst in einer Phase der beruflich bedingten Trennung.

 

Eine Sandkastenliebe verbindet die beiden nicht, dazu ist der Altersunterschied von fünf Jahren wohl zu groß. Aber Hiltrud und Rüdiger kennen sich schon lange. Sie waren Nachbarskinder und sangen gemeinsam im Kinderchor der Gemeinde. Danach verloren sie sich aus den Augen, doch das Singen hat sie dann wieder zueinander geführt. Nach Studienende und Rückkehr in die Heimatstadt sahen sie sich im Chor wieder und verliebten sich. Eine besondere Rolle hat dabei sicher die uneingeschränkte Offenheit in ihren Gesprächen über Gott und die Welt gespielt – in DDR-Zeiten keine Selbstverständlichkeit, weil man nie sicher sein konnte, wem man etwas anvertrauen konnte.
Das Verlieben war ein längerer Prozess, doch dann stand sehr schnell fest, dass sie heiraten wollten. Das war unumstößlich! Nach ihrer (heimlichen) Verlobung 1982 auf einer Wanderung im Harz hat sich etwas voreilig vor der geplanten Hochzeit ihr erstes Kind angekündigt. So wurde schnell das Standesamt „dazwischen“ geschoben und die geplante kirchliche Hochzeit dann als „Traufe“ (Trauung + Taufe) gefeiert. Die beiden haben das Fest noch in sehr guter Erinnerung und freuen sich auch an den drei Jahrzehnten danach: „Unser gemeinsames Leben war begleitet von vielen wunderschönen Erlebnissen, von Höhen und aber auch von Tiefen: Unsere Hochzeit, die Geburt unserer drei gesunden Kinder, die erste richtig schöne und große Wohnung im geliebten Stadtgebiet, der wundervolle Mauerfall, der erste gemeinsame ‚Westurlaub‘ … Dass wir so viel zusammen erlebt haben, das ist das Schönste und Wichtigste!“, schwärmen beide.

HARTE PROBE
Das tiefste Tal in ihrem Eheleben durchschritten sie nach der Wende, als sich Rüdigers Arbeitsstandort plötzlich um 500 Kilometer gen Westen verlagerte, obwohl er in Leipzig noch angestellt war. „Die langen Abwesenheitsphasen, das Alleinsein mit den drei Kindern, die Sehnsucht nach dem Familienleben, das hat uns auf eine harte Probe gestellt, besonders unsere drei pubertierenden Kinder. Letztlich mussten wir dann aufgrund des wirtschaftlichen Zwanges die geliebte Heimat verlassen und auch das war hart“, erzählt Hiltrud. Durch eigenen Mut und Zuversicht, Vertrauen in- und abgrundtiefe Liebe zueinander, tapfere Kinder, helfende Familie, eine neue Gemeinde, ein neuer Chor, treue alte und neue Freunde haben sie geschafft, die schmerzhafte Veränderung auszuhalten und durchzustehen.
Für die beiden ist grenzenloses Vertrauen in den Partner eine der wichtigsten Grundlagen ihrer Partnerschaft. Sie legen Wert auf offene und ehrliche Kommunikation. „Schwierig in unserer Ehe ist bei uns wohl vor allem die Diskrepanz zwischen weiblicher Emotionalität und männlicher Rationalität, wenn es um grundlegende Entscheidungen geht. Aber auch dann hilft es, miteinander zu reden! Es fällt uns leicht, uns unsere Liebe durch kleine Gesten bewusst zu machen und es ist wichtig, das auch immer wieder in Worte zu fassen“, meint Rüdiger.
Wichtig ist ihnen auch ihnen auch ihr Trauspruch, der ihnen oft Wegweiser und immer wieder Hoffnungssignal geblieben ist: „Christus spricht: Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ (Johannes 14/27)

Priska Lachmann ist verheiratet, zweifach Mama, Theologin, freie Redakteurin und Bloggerin von www.leipzigmama.com

 

Abi – ohne mich!?

„Unsere Tochter (15) möchte nach der 10. Klasse von der Schule gehen. Die Lehrer sind der Meinung, sie hätte Potenzial, das Abi zu schaffen. Wie können wir sie unterstützen?“

Wir Eltern haben oft genaue Vorstellungen, wie der Bildungsweg unserer Kinder aussehen soll. Wir lieben sie, und deshalb wollen wir natürlich ihr Bestes. Im Schulalltag erlebe ich sehr oft Eltern, die der Überzeugung sind, dass nur ein Leben mit Abitur (oder Matura in der Schweiz) ein vollwertiges Leben sein kann, weil dem Kind angeblich nur dann alle Bildungswege offen stehen. Auf der einen Seite stimmt das. Wenn man zielstrebig sein Abitur macht und gute Noten vorweisen kann, hat man die optimale Wahlmöglichkeit. Aber unsere Erfahrungen an der Schule zeigen auch, dass Schüler mit einem sehr guten Mittleren Schulabschluss leichter einen tollen Ausbildungsplatz finden als Schüler mit einem schlechten Abitur.

NEUE MOTIVATION
Wir staunen oft über Schüler, die völlig schulmüde nach Klasse 10 die Schule verlassen und dann in der Ausbildung aufblühen und neue Freude an der Berufsschule finden. Dort lernen sie gerade in den Hauptfächern viel spezifischer das, was sie auch für ihren Beruf brauchen. Nicht selten streben sie nach der Ausbildung mit ganz neuer Motivation die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife an. Nichts ist schlimmer für Eltern, Schüler und auch Lehrer als unmotivierte Schüler und Kinder. Wie findet man also gemeinsam einen Weg?

REDEN
Teenies sind davon überzeugt, dass nur sie selber wissen, was für sie das Beste ist. Sie wollen als vollwertige Personen angesehen werden und nicht mehr als Kinder. Das spielt auch bei diesem Thema eine wichtige Rolle! Wenn wir als Eltern Druck aufbauen, ohne ihnen das Gefühl zu geben, mitreden zu können, werden wir keine zufriedenstellende Lösung finden. Wir sollten uns anhören, was unser Kind möchte und gemeinsam überlegen, wie die Vor- und Nachteile von einem Lebenslauf mit oder ohne Abitur aussehen können. Informieren Sie sich über Alternativen, wie man das Abitur vielleicht auch später noch nachmachen kann.

ALTERNATIVEN
Wenn man nach dem Mittleren Schulabschluss (Realschulabschluss, Mittlere Reife) erst eine Ausbildung macht, ist es in Deutschland möglich, danach in der Berufsoberschule seine Hochschulreife zu erwerben. In der Abendschule kann man berufsbegleitend die Fachhochschulreife machen oder man erwirbt sie in einer Berufsfachschule parallel zu einer Berufsausbildung, sodass man nach drei Jahren eine fertige Ausbildung und die Berechtigung zum Besuch der Fachhochschule hat. Konkrete Schritte:

  • Ein Praktikum während der Ferien und das Hineinschnuppern in die Berufswelt gibt Teenies oft ein realistischeres Bild von der Schulalternative. Einen Termin bei der Jugendberufsagentur zur gemeinsamen Beratung vereinbaren. Ihre Tochter braucht Sie, auch wenn sie das nie so sagen würde.
  • Wenn man von etwas überzeugt ist, dann geht man diesen Weg mit Freude, Begeisterung und Leistungsbereitschaft. Finden Sie mit Ihrer Tochter gemeinsam diesen Weg, bei dem sie sich von Ihnen wahrgenommen und begleitet fühlt.

Stefanie Böhmann ist Grund- und Hauptschullehrerin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Mein Sohn schläft nicht…

„Unser Sohn (8) kann schlecht einschlafen. Wie können wir ihm helfen, abends besser zur Ruhe zu kommen?“

Mit Ihrer Frage sind Sie nicht allein, sondern treffen ein Thema, das viele Eltern irgendwann beschäftigt: Sie sehnen sich abends nach Ruhe und ihrem verdienten Feierabend, und auch die Kinder benötigen ihren Schlaf. Wenn ihr Sohn ein Kind ist, welches nicht alleine zur Ruhe kommt, ist Ihre Aufgabe und Herausforderung, das zu erkennen und zu akzeptieren. Wenn Sie sich darauf einstellen und ihm liebevoll und wertfrei begegnen, können sie Raum für einen guten Umgang mit der Situation schaffen. Vielleicht war er schon als Baby ein unruhiger Schläfer und brauchte bei jedem Nickerchen Ihre Hilfe? Vielleicht ist er insgesamt eher temperamentvoll und aktiv? Oder auch sehr sensibel und nimmt mehr Reize auf, als er verarbeiten kann? Probieren Sie verschiedene Strategien aus, die ihm abends helfen können: ein Bad mit ätherischen Ölen wie zum Beispiel Lavendel, dem man eine beruhigende Wirkung zuschreibt. Auch ein Gebet, beruhigende Musik, Stilleübungen, eine Wärmflasche im Bett, eine besondere Lampe mit warmem Licht, eine Massage oder eine Geschichte können helfen. Es gibt viele Möglichkeiten. Bestimmt finden Sie etwas, das zu Ihnen passt.

TAGESABLAUF
Darüber hinaus ist es wichtig, einen Blick in Ihren Alltag und auf den Tagesablauf zu werfen. Eventuell ist Ihr Sohn ein Kind, welches besonders anhand von Wiederholungen und Strukturen Orientierung erhält. Achten Sie darauf, dass Sie bestimmte Rituale in Ihren Tag integrieren. Unterziehen Sie Ihre Woche einer kleinen „Stressanalyse“: Gibt es ausreichend Zeiten, in denen alle abschalten und runterkommen können? Gibt es Phasen am Tag, an denen nichts passiert? Erlebt Ihr Sohn auch einfach mal Langeweile? Ist Ihr Wochenprogramm zu umfangreich? Bekommt er genügend Bewegung, ist er ausreichend an der frischen Luft? Achten Sie auch darauf, dass Sie den Abend als ruhige Phase im Tagesablauf markieren. Für Ihren Sohn ist es hilfreich, wenn klar ist, wann er ins Bett gehen soll und was davor passiert.

ATMOSPHÄRE IN DER FAMILIE
Manchmal finden Kinder nicht in den Schlaf, weil abends aller Trubel und alle Ablenkungen von ihnen abfallen und dann Sorgen und Ängste in ihr Bewusstsein gelangen. Als Eltern sollten Sie sich auch fragen, wie viel Ruhe von Ihnen selbst ausgeht. Wenn wir permanent auf unsere Handys schauen, abends noch schnell die Mails checken oder mit den Gedanken schon beim nächsten Tag sind, dann ahmen unsere Kinder uns nach. Womöglich quält Ihr Kind sich auch mit etwas, das in der Familie dringend angesprochen werden muss. Lassen Sie sich hier nicht verunsichern: Unsere Familien haben alle Herausforderungen, Ecken und Kanten und ihre schwierigen Punkte. Wenn diese Dinge offengelegt und nicht tabuisiert werden, kann eine Familie gut damit umgehen. Auch Ärger in der Schule oder Streit mit Freunden kann Kindern den Schlaf rauben. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie geruhsame Abende!

Anne Schultz-Brummer ist Diplom-Pädagogin, familylab-Trainerin und arbeitet als Kita-Fachberaterin in Hamburg. Sie ist verheiratet und hat drei Söhne.