Weniger Zeug, mehr Raum

Nicht erst seit Silbermonds Song „Mit leichtem Gepäck“ fragen sich Familien, wie sie ihr Leben vereinfachen und erleichtern können. Auch Rachel Suhre aus dem Hunsrück ist mit ihrer Familie minimalistisch unterwegs.

Eine ausrangierte Fahrradzeitschrift und diverse Holztiere liegen verstreut auf dem Boden herum. Hinter mir ein kleiner Haufen Krimskrams: Drei bunte Badeschwämmchen, ein lila Handspiegel, zwei Spielzeugautos, eine Dino-DVD und ein Handglöckchen aus Metall. Ein kleiner Haufen Spielzeug, der es vom Wohnzimmer nicht ins Kinderzimmer geschafft hat. So sieht das Leben als Familie aus, die sich mit dem Thema Minimalismus auseinandersetzt? Ja. Vor etwa sieben Jahren begann für uns das Weniger relevant zu werden. Wir lebten in einer Wohnung voller Dinge. So viel Besitz wie damals haben wir seitdem nicht mehr gehabt, dennoch ist es noch immer einiges.

DREIMAL MEHR
Es fing damit an, dass wir von allen vermeintlich notwendigen Babyutensilien mindestens zwei hatten: zwei Babyphone, drei Wippen, zwei Babyschalen fürs Auto, Unmengen Babykleidung. Wir begannen zu reduzieren. Erst den Babykram, dann Bücher, DVDs, Kleidung, Möbel.

Anfangs fehlte uns einfach der Platz. Dann wurde uns bewusst, wie viel Pflege und Arbeit viele Dinge erfordern. Sei es die Instandhaltung technischer Geräte oder das Säubern und Ordnen von Regalen und Kommoden. Beides erfordert Zeit, die wir plötzlich zurückgewannen und für anderes einsetzten. Das Leben wurde leichter, und wir hatten plötzlich wieder mehr Raum. Mehr Raum für uns, mehr Raum zum Spielen, mehr Raum zum Durchatmen. Das sind meine ganz persönlichen drei Mehr, von denen wir heute als Familie profitieren.

Nach dieser Erfahrung entschieden wir, nur noch das in unseren Haushalt hineinzulassen, was wir wirklich brauchen. Wir haben keinen Fernseher. Allerdings schauen wir ausgewählte Kinderserien am Notebook, und das Tablet darf zum Spielen verwendet werden. Ich stelle keine Regale im Wohnzimmer auf. Ich halte den Süßigkeitenkonsum gering, und das Spielzeug unterliegt meiner mal mehr, mal weniger strengen Auswahl. Unser Wasser trinken wir aus dem Hahn und nicht mehr aus der (Plastik-)Flasche. Wir kaufen viel frisch aus dem Bio-Hofladen und den Joghurt in Gläsern. Bücher leihen wir uns aus der Bücherei. Wir sind viel draußen unterwegs. Deshalb hat jeder ein eigenes Fahrrad. Ist das Minimalismus? Keine Ahnung. Das machen viele Familien so, ganz ohne das große Wort Minimalismus.

Glühbirnen-Bildchen und Checklisten

ADHS-Trainerin Judith Gruhler gibt Tipps, was betroffenen Familien helfen kann. Teil 2 unserer Mini-Serie zu ADHS

Ein Leben mit ADHS bringt ständige Herausforderungen mit sich – das kostet Kraft. Vor allem, wenn man als Elternteil selbst auch betroffen ist! Doch es ist möglich, dass der Alltag entspannter wird. Dazu möchte ich in diesem Artikel einige Anregungen geben. Diese ersetzen allerdings kein Elterntraining! Darum ist der erste Tipp: Nehmen Sie an einem ADHSElterntraining teil! Dort lernen Sie, Ihr Kind besser zu verstehen und besser mit ihm umzugehen. Dazu gehört zu verstehen, welche Auswirkungen die andere Netzwerknutzung im Gehirn eines Kindes mit ADHS hat (siehe Teil 1 der Mini-Serie in Family 4/16). Und sie können sich dort mit anderen Eltern austauschen. Das gilt auch für ADHSSelbsthilfegruppen. Je mehr hilfreiches Wissen Sie über ADHS haben, umso besser werden Sie den Alltag bewältigen können (Infos und Buchtipps siehe Kasten).

VORSICHT, GEÄNDERTER FAHRPLAN!
Was kann helfen, dass der Alltag entspannter wird? Einige praxisbewährte Anregungen dazu:

  • Kinder mit ADHS haben Probleme mit Umstellungen. Sie brauchen eine Ankündigung vor einer Umstellung, etwas Neuem oder einer „Fahrplanänderung“. Hilfreich ist ein Küchenwecker, der als Ankündigung beispielsweise fünf Minuten vor dem Ende des Spielens läutet.
  • Bei einem Kind mit ADHS, das überreizt oder irritiert ist, kann die Stimmung unmittelbar kippen. Es kann heftig erregt sein und verletzende Dinge sagen. Nehmen Sie diese Äußerungen nicht persönlich! Versuchen Sie, tief durchzuatmen. Stellen Sie sich vor, vor Ihnen sei eine Plexiglasscheibe, an der die Aussagen Ihres Kindes abprallen.
  • Achtsamkeit, Gelassenheit und Humor können bewirken, dass Schweres leichter wird. Diese Fähigkeiten kann man lernen, dazu braucht man jedoch Zeit!
  • Weil der Alltag viel Kraft kostet, ist ein positiver Ausgleich wichtig. Tun Sie regelmäßig etwas, das Ihnen guttut, wo Sie auftanken können. Um Stresshormone abbauen zu können, ist Bewegung sehr gut. Planen Sie auch Zeiten ein, in denen Sie gemeinsam mit dem Kind etwas Schönes erleben können.

„Es geht nicht nur um die Hebammen“

Immer weniger Hebammen bieten Geburten zu Hause oder im Geburtshaus an. Dabei würden sie das gern. Ein Gespräch mit Lisa Leitlein, Hebamme in Essen.

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Nachhaltig leben

… muss nicht teuer sein. Natürlich haben Bio-Produkte und faire Kleidung ihren Preis. Aber wer auf Nachhaltigkeit setzt, kann auch Geld sparen. Drei Familien berichten von ihren Erfahrungen. Ein Experte gibt Tipps.

Bio bezahlbar

Bei uns fing es mit dem Kaffee an. Das war das erste Produkt, bei dem wir uns Gedanken gemacht haben, ob es ethisch korrekt angebaut und gehandelt wird. Also begannen wir den Kaffee im Eine-Welt-Laden in Bioqualität zu kaufen. Ansonsten bestand unser Einkauf beim Lebensmitteldiscounter auch aus den dort vorhandenen Biolebensmitteln. Da wir allerdings über ein recht überschaubares Budget verfügen, kamen auch weiterhin Sonderangebote in den Einkaufskorb.

Angeregt durch die Fastenzeit 2010, in der ich mich entschlossen hatte, vegetarisch zu leben, begann ich mir mehr und mehr Gedanken über meinen Konsum zu machen. Nach der Lektüre etlicher Bücher beschlossen wir als Familie, dass wir etwas ändern wollen. Der ethisch beste Konsum ist nach wie vor kein Konsum. Das bedeutet, dass wir uns zurückhalten mit Spontankäufen. Bei Lebensmitteln haben wir seit geraumer Zeit eine Biokiste vom Bauernhof, die hauptsächlich mit regionalem Obst und Gemüse gefüllt ist. So ist auch Bio bezahlbar.

Unseren Fleischkonsum haben wir auf ein- bis zweimal wöchentlich eingeschränkt, da ich auch nach der Fastenzeit Vegetarierin geblieben bin. Das Fleisch beziehen wir von der Metzgerei oder dem Bauernhof vor Ort. Brot ist ein relativ teures Lebensmittel, vor allem in Bioqualität. Aus diesem Grundbacke ich so oft wie möglich selbst. Bei Kleidung hat sich das Ganze mit den Kindern etwas schwieriger gestaltet. In jungem Alter haben wir viel Gebrauchtes geschenkt bekommen oder gekauft. Unsere zwei Teenager legen jedoch mehr und mehr Wert auf aktuelle Mode. Da wir uns hier aber nicht ausschließlich ethisch korrekte Kleidung leisten können, kaufen wir für die Jungs auch mal ganz konventionell ein.

Es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, wie unsere Güter hergestellt werden und wie die Arbeitsbedingungen dabei sind. Wir alle haben eine Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen und Gottes Schöpfung. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass dies auch mit kleinem Geldbeutel möglich ist. Trotz allem braucht man nicht dogmatisch zu sein, denn viele kleine Veränderungen führen zu einem großen Ziel.

Sylvia Imhoff arbeitet als Augenoptikerin und lebt mit ihrer Familie in Neuenbürg.

Nachhaltiger leben – vier Tipps zum Einstieg

1. Fang mit dem an, was du schon weißt
Mit dem nachhaltigen Leben ist es wie mit anderen Dingen auch: Bevor man angefangen hat, erscheint einem alles völlig unüberschaubar. Doch oft weiß man mehr, als man denkt. Und da sollte man ansetzen. Am einfachsten geht es beim Lebensmitteleinkauf: Kaffee, Schokolade und viele andere Produkte gibt es auch „Fairtrade“, Milch kann man „erzeugerfreundlich“ bekommen und bei Eiern auf artgerechte Haltung achten.

2. Beruhige nicht nur dein Gewissen, sondern ändere dein Leben
Bei der Idee der Nachhaltigkeit geht es um einen Lebensstil, den alle durchhalten können: Verbraucher, Produzenten und Umwelt. Deshalb ist der gelegentliche Kauf eines Bioproduktes zwar ganz nett, sinnvoller ist es jedoch, nach und nach ganze Bereiche auf eine andere Grundlage zu stellen. Also: Nimm nach dem Lebensmitteleinkauf Kleidung und Elektrogeräte unter die Lupe und arbeite dich dann weiter vor.

3. Betrachte das Auto als Luxusgut
Autos sind geschlossene, klimatisierte Räume, die uns von unserer Umwelt trennen. Manchmal ist ihr Einsatz sinnvoll, oft ist er es nicht. Und dann hindert uns das Auto an der Wahrnehmung unseres Körpers, unserer Umgebung und des Wetters. Deshalb sollten wir es so oft wie möglich stehenlassen und uns zu Fuß, auf dem Rad oder im öffentlichen Verkehr bewegen. Das hilft beim Entschleunigen und regt zum Nachdenken an.

4. Probiere vieles aus, halte das meiste davon durch
Nachhaltigkeit ist nicht nur etwas für verbissene Ideologen oder griesgrämige Asketen, sondern fordert zur spielerischen Kreativität heraus. Probiere einfach einmal ein Kochrezept mit regionalen Zutaten aus, versuche ein Brot zu backen, Butter zu machen, einen kleinen Tisch selbst zu schreinern. Finde neue Wege in die Stadt jenseits der Autostraßen. Geh über den Wochenmarkt. Unterhalte dich mit einem Biobauern. Ersetze alte Rituale durch neue, nachhaltige. Wenn es gut läuft, mache es weiter. Wenn nicht, probiere etwas anderes aus.

Dr. Thomas Weißenborn ist theologischer Leiter am Marburger Bildungs- und Studienzentrum (mbs). Mit seiner Frau und seinen vier Kindern versucht er, konsequent nachhaltig zu leben.

Weitere Erfahrungsberichte zum Thema „Nachhaltig leben“ finden Sie in der aktuellen Ausgabe der family.

Bildnachweis: istockphoto/thinkstock

„Warum sind die nur so fies?“

Was soll ich ihm denn jetzt sagen?“ Hilflos steht Mira* (38) vor mir und erwartet einen Rat. Ihr Sohn Luis* (12) wird gehänselt. Manchmal würde er am liebsten zu Hause bleiben, einfach krank werden. Denn Schule ist so anstrengend. Nie laut pupsen. Bloß nichts Falsches sagen, sonst wird man öffentlich ausgelacht. Die Hose immer schön weit runterziehen, auf keinen Fall „strebermäßig“ rüberkommen … So weit klingt für Mira und mich alles ganz normal. Typisch Schule eben. Aber Luis ist unglücklich dabei, hat in letzter Zeit Probleme beim Einschlafen. Als Mira ihm sagte, sie habe das früher auch so erlebt, das gebe sich irgendwann von selbst, ist Luis ausgeflippt: „Du hast ja keine Ahnung!“

Und ich? Ich habe keine Ahnung, wie ich die Situation beurteilen soll. Was müssen Kinder einfach aushalten? Was macht sie stark für die Auseinandersetzungen, die im Erwachsenenleben auf sie zukommen? Wie können sie sich wehren, wenn ihnen etwas zu weit geht? Und was ist seelenverletzendes Mobbing, das man schnellstmöglich stoppen muss?

Was ist Mobbing und was nicht?

„Wenn ein Kind ein anderes Kind tritt, und dies vielleicht auch mehrfach, ist das eine aggressive Handlung und an sich kein Mobbing. Denn hier gibt es einen Angreifer und ein Opfer. Von Mobbing können wir sprechen, wenn negative Handlungen stets ein und dasselbe Kind treffen, und wenn gleichzeitig andere Kinder die Angreifer unterstützen“, weiß Françoise Alsaker. Sie ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Uni Bern und forscht seit vielen Jahren zum Thema Mobbing unter Kindern.

Negative Handlungen, das können Demütigungen sein – wie das Herausstellen von vermeintlichen Schwächen, das Verbreiten von Gerüchten oder der Ausschluss von allen Gruppenspielen. Erpressung kann dazu gehören. Treten, Schlagen, Schubsen oder Kneifen ebenso. Und auch das Zerknicken von Stiften oder ständiges Augenrollen und Stöhnen bei jeder Äußerung eines bestimmten Kindes. Mobbing hat viele Gesichter. Man kann es sogar als „Ist doch alles nur Spaß“ tarnen. Das macht es so schwer, es zu erkennen. Ein Erkennungsmerkmal bleibt allerdings stets gleich: Mobbing ist ein Gruppengeschehen, das sich gezielt gegen eine Person richtet und sich über einen längeren Zeitraum hinzieht.

Bei Mobbing geht es immer auch um Macht. „Mobber wollen Erfolg, kein Kräftemessen und auch keine Strafe“, erklärt Alsaker. „Die Mobber sind viele: Ein, zwei Anführer – oft mehrere Mitläufer. Das Opfer steht allein. Dadurch ist ihr Erfolg bereits vorprogrammiert.“ Und wenn die Mobber doch ertappt werden? „Können sie einander in ihren Aussagen stützen, wodurch das Machtgefälleweiter wächst.“

Mobbing oder simpler Streit?

Und wie unterscheide ich zwischen Mobbing und einem Streit? Dazu Alsaker: „Bei einem Streit sind die Kinder einigermaßen gleich stark, mindestens aber gleichberechtigt.“ Geraten zwei Streithähne öfter aneinander und zieht mal der eine, mal der andere den Kürzeren, egal ob verbal oder bei einer kurzen Klopperei, müssen Eltern sich noch keineSorgen machen. „Solche Konflikte gehören zum Alltag, zur sozialen und emotionalen Entwicklung.“ An ihnen lernten Kinder, sich durchzusetzen, aber auch mal nachzugeben und sich zu vertragen. „Außerdem erkennen sie dabei, wie weit sie gehen können. Und sie lernen, sich zu wehren.“ Mobbing hingegen biete Kindern genau diese Möglichkeit nicht. „Ein Mobbing-Opfer hat keine Chance gegenüber den anderen. Es lernt nur eins: nachgeben und einstecken.“

Noch etwas gibt Alsaker zu bedenken: „In Konflikten wird um oder über etwas gestritten. Beim Mobbing geht es hauptsächlich darum, das Opfer zu verletzen, seinen Wert als Mensch herabzusetzen. Zudem geht Mobbing auch dann noch weiter, wenn das Opfer bereits klein beigegeben hat.“

Um Mobbing herrscht Schweigen

Eines der verstörendsten Ergebnisse der Mobbingforschung ist, dass um Mobbing Schweigen herrscht. Mobber berichten ihren Eltern mit Sicherheit nicht, was sie treiben. Sie wissen, dass es nicht in Ordnung ist. Selbst die Opfer schweigen häufig. Vor allem über das Ausmaß. So wissen Eltern manchmal nur von der Spitze des Eisberges und denken, ihr Kind berichte von Einzelfällen. Deshalb rät Alsaker allen Eltern: „Hören Sie Ihren Kindern gut zu, wenn sie etwas erzählen. Nehmen Sie sie ernst und stellen Sie interessierte Fragen, wie:

• Ist das früher schon passiert?
• Haben die anderen Kinder etwas gesagt?
• Was ist danach geschehen?

Verkneifen sollten Eltern sich vorschnelle Erwiderungen wie „Ist doch nicht so schlimm!“, „Da musst du dich selber wehren!“ oder „Was hast du denn dazu beigetragen, dass dir das passiert ist?“ Soll Mobbing wirkungsvoll gestoppt werden, muss darüber geredet werden: Kinder sollten zu Hause alles äußern dürfen. Eltern sollten offen mit den Lehrkräften sprechen können. Und Lehrer sollten Mobbing in der Klasse ansprechen, allerdings ohne nach Ursachen oder Schuldigen zu suchen. So muss sich kein Mobber verteidigen. Und kein Opfer wird bloßgestellt.

*Alle Namen geändert

Anke Gasch ist freie Autorin und lebt mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern in Hilden.

Weitere Artikel zum Thema Mobbing finden Sie in der aktuellen family 02/13. Jetzt bestellen

Bildnachweis: thinkstock

Mütter bestürmen den Himmel

Christine Gehrig trifft sich regelmäßig mit anderen Müttern zum Beten. Ein echter Segen!

Nein, wir sind nicht zu verwechseln mit den Kabarettistinnen „Die Mütter“. Trotzdem sind wir welche. Nicht Kabarettistinnen, sondern Mütter. Und das Leben ist manchmal wie ein Kabarett: schräg, irrwitzig, heillos verworren. Wenn unsere Kinder daneben langen in der Wahl ihrer Freunde. Wenn ihr Verhalten uns Rätsel aufgibt. Wenn wir überanstrengt sind. Wenn sich beruflich oder beziehungsmäßig was verkantet. Wenn wir unter Krankheiten, Krächen, Krisen leiden. Und auch, wenn es was zum Freuen gibt.

Deshalb treffen wir Mütter uns, tauschen uns aus, lachen, ermutigen uns und beten mit- und füreinander. Zu einem Unsichtbaren, der dabeisitzt, mitfühlt und unsere Dinge in Planung nimmt: Jesus.

Gestaunt und gelacht

Meine Zweifel wiegen manchmal schwerer als mein Vertrauen. Dann ist es ein starkes Getragenwerden, wenn meine Freundinnen für mich glauben und den Himmel bestürmen. Umgekehrt tue ich es auch gern für sie. Ich bin so froh, dass ich sie habe: Nikolina ist sehr einfühlsam, Heidrun weiß oft das rechte Wort zur rechten Zeit, Annette bringt komplexe Inhalte gut auf einen Nenner, Anja hat ein weites Herz, Joyce kann sehr gut zuhören.

Leider haben wir es in unserem zweieinhalbjährigen Bestehen verpasst, Protokoll zu führen. Protokoll über etappenweise oder spontane Gebetserhörungen. Denn oft haben wir gestaunt und gelacht. Sei es, dass eine Freundin inneren Frieden und Klarheit bekam. Eine Tochter hat sich mit ihrer Freundin wieder versöhnt. Eine Familie hat ein Haus gefunden. Ein finanzieller Engpass weitete sich, schulische Probleme haben sich gelöst, ein Kindergeburtstag verlief harmonisch oder ein in sich gekehrtes Kind taute vergnügt auf. Und eine Freundin, die mit großem Interesse bei uns eingestiegen ist, hat einen Durchbruch zu Jesus erlebt.

Praktische Hilfe

Unsere Gebete beschränken sich nicht auf die Mittwochvormittage. Gedanklich nehmen wir die Anliegen mit in die Woche. Auch in ganz lebenspraktischen Dingen unterstützen wir uns gegenseitig. Einmal nahm ich ganz spontan einen kleinen Jungen in Obhut, den das Jugendamt vermittelt hat. Weil meine Kinder schon groß sind, hatte ich weder Kleidung noch Kinderwagen oder Kinder sitz. Schnell und zuverlässig bekam ich alles von meinen Freundinnen. Mal backt die eine für die andere einen Kuchen, wenn es pressiert. Wertvolle Informationen, welcher Arzt gut ist, wo man Geld sparen kann, wie man eine Haushaltspraktikantin bekommt, wo welche Veranstaltung stattfindet, machen bei uns die Runde. Da wird Gottes Liebe herrlich erfahrbar.

Wie fing es eigentlich an? Durch Zuzüge entstand eine kleine Ansammlung christlicher Familien in unserem Wohnviertel und bei Heidrun die Idee für unsere Treffen. Auch aus anderen Stadtteilen kamen Frauen hinzu. Die jeweilige Gastgeberin stellt Wohnzimmer, Spielekiste und Getränke zur Verfügung und wir halten uns an die Termine, soweit es geht.

Unsere geographische, zeitliche und zwischenmenschliche Schnittmenge ist ein großes Geschenk und nicht selbstverständlich. Dafür sind wir dankbar. Erwartungsvoll beten wir weiter und sind gespannt, welche Überraschungen wir noch erleben werden.

Christine Gehrig ist Familienfrau und Nordic-Walking- Lehrerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Bamberg.

Foto: photocase/unseen

Ehe in der Pubertät

Wenn Kinder in die Pubertät kommen, dann kriselt häufig nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung. Auch die Beziehung zwischen den Ehepartnern kann ins Trudeln geraten. Wie man dem entgegenwirkt, erläutern die Paarberaterin Felicitas A. Lehnert und der Theologe Dr. Volker A. Lehnert im Gespräch mit family-Redakteur Christof Klenk.

Ihr neues Buch heißt „Ehe in der Teenie-Krise“. Was sind besondere Herausforderungen, denen sich Väter und Mütter in dieser Zeit stellen müssen?

Felicitas Lehnert: Eltern geraten in den Spagat zwischen der Pubertät der Kinder und den Erinnerungen an die eigene Pubertät. Aber die Merkmale der Teenagerwelt damals passen häufig nicht auf die Teenagerwelt von heute, weil die Welt eine andere geworden ist. Wir erziehen unsere Kinder in eine Welt, die wir selbst nicht gelernt haben. Dies ist eine Gratwanderung und eine große Herausforderung. Sie sagen auch, dass Eltern von Teenagern sich entwickeln müssen. Wohin sollen sie sich entwickeln?

Volker Lehnert: In die nächste Reifestufe. Die „Aufzucht der Kleinen“ kommt zu einem Abschluss. Damit auch das eigene Leben in die nächste Stufe kommt, sind neue Perspektiven, neue Ziele und Zukunftspläne für die eigeneBeziehung nötig.

Felicitas Lehnert: Diesen Entwicklungsschritt weiter zu gehen, ist erstrebenswert. Die Teeniephase der Kinder ist eine entscheidende Phase für die Eltern. Wenn man sie durchlebt, durchleidet und für sich eine Perspektive findet, dann ist das ein enormer Schritt. Ein Mensch verändert sich nur in der Krise. Wenn alles gut läuft, besteht kein Anlass zur Veränderung.

Wie kann sich eine kriselnde Ehe der Eltern auf die Pubertät der Kinder auswirken?

Felicitas Lehnert: Kinder lernen von ihren Eltern – so auch den Umgang mit Krisen. Gelingt es den Eltern, eine Krise als Herausforderung anzugehen und zu bewältigen, so lernen Kinder: Probleme sind dazu da, sie zu lösen. Scheitern Eltern an dieser Aufgabe, so lernen Kinder Ohnmacht. Dieses Grundgefühl werden sie in ihre eigene Partnerschaft hineintragen.

Sie sagen, wenn die Kinder massiv pubertieren, dann liegt etwas im Argen mit der Beziehung der Eltern. Wenn sie es gar nicht tun, auch.

Felicitas Lehnert: In einer Familie kann man nicht ein einzelnes Mitglied isoliert betrachten. Auffälliges Verhalten des Pubertierenden – egal, in welche Richtung – sagt nicht nur etwas über das Kind. Eltern stehen vor der Frage: Warum? Wo liegen die Wurzeln? Was hat das mit uns zu tun? Was tragen wir zu diesem Verhalten bei? Und: Wovon lenkt der scheinbare ‚Problemfall Kind‘ möglicherweise ab? Ist es nur Symptomträger?

Volker Lehnert: Wenn man die Ursachen für die Probleme des Kindes sucht, stößt man sehr häufig auf Verletzungen und Verdrängungen der Eltern.

Nun haben wir wahrscheinlich alle Verdrängtes und Unverarbeitetes, das wir lieber nicht anrühren wollen. Seien es unverwirklichte Träume oder Enttäuschungen.

Felicitas Lehnert: So wenig wie Eltern ein Anrecht auf perfekte Kinder haben, so wenig haben Kinder ein Anrecht auf perfekte Eltern. Auch dies gilt es nicht zu verdrängen. Die Schwere der Schatten wiegt unterschiedlich von Mensch zu Mensch. Das entbindet aber nicht von der Aufgabe, sich ihnen zu stellen.

Ist das unausweichlich?

Felicitas Lehnert: Ja. Genauso wie unsere genetischen Dispositionen uns ein Leben lang begleiten, genauso werden wir unsere familiären Prägungen niemals abstreifen können. Wir können sie verdrängen, sie ignorieren, uns ihnen ausliefern. Oder wir können sie erkennen, annehmen, gestalten und eventuell sogar lieben lernen.

Viele Familien leiden auch darunter, dass die gemeinsame Zeit zwischen Alltag und Berufsleben auf der Strecke zu bleibt.

Volker Lehnert: Das neue Zauberwort heißt ‚Work-Life-Balance’. Dabei geht es darum, dass genügend Zeitressourcen für die Beziehungspflege eingeplant werden. Wir beobachten mit großer Sorge, dass unser gesellschaftlichesLeben immer mehr Zeit für Aufgaben in Anspruch nimmt, die nichts mit unseren Primärbeziehungen zu tun haben. Unsere Prioritäten liegen bei genauem Hinsehen zunehmend außerhalb unserer Familie. Wer aber die Zeit an einer guten Beziehungspflege spart, der spart am falschen Ende.

Felicitas Lehnert: Die Plattitüde, es käme lediglich auf die Qualität der Zeit an, die man miteinander verbringt, ist zu kurzsichtig. Es gibt keine Qualität ohne ein Mindestmaß an Quantität.

Sie schreiben in Ihrem Buch auch über „abwesende Väter“. Herr Dr. Lehnert, Sie sind auch ein viel beschäftigter Mann. Wie haben Sie dafür gesorgt, genügend anwesend zu sein?

Volker Lehnert: Als unsere Kinder klein waren, war ich als Gemeindepfarrer tätig. Das ist einerseits eine Belastung, denn Kinder müssen ihren Vater häufig mit vielen anderen Menschen teilen. Anderseits habe ich diese Zeit als großes Privileg erlebt, denn viele Tätigkeiten im Pfarrdienst finden zu Hause statt. Dadurch war ich immer wieder in der Familie präsent. Meine Frau und ich haben uns damals auch klare Regelungen für unsere Paarbeziehung gesetzt. Ich hatte in der Regel montags meinen freien Tag, gelegentlich kamen die Großeltern zur Kinderbetreuung und ein Abend in der Woche gehörte nur uns beiden. Solche Zeiten muss man sich erstreiten. Manche behaupten, sie hätten keine Zeit für Partnerschaft und Familie, aber jeder Mensch hat 24 Stunden am Tag – und damit muss man gut haushalten.

Neben den Vätern, die abwesend sind, berichten Sie auch über Männer, die nicht die Vaterrolle einnehmen. Wie kann man das verstehen?

Felicitas Lehnert: Die Emanzipation hat zu Recht eingeklagt, dass Väter sich mehr in die Familie einbringen, aber nicht als Ersatzmütter, sondern als Väter, mit der Aufgabe des Schutz-Gebens, des Halten-Könnens, des Leiten-Könnens … Kinder brauchen Väter, aber nicht in der Funktion des großen Bruders oder der zweiten Mutter.

Ist das die Schuld der Väter?

Felicitas Lehnert: Es geht hier nicht um Schuld. Väter sind heute häufig verunsichert. Alte Rollenverständnisse sind überholt, neue oft noch nicht gefunden. Der eigene Vater fungiert häufig nicht mehr als Vorbild. Und Frauen haben oft sehr große Erwartungen.

Was wäre die spezifische Väter- und Männerrolle?

Felicitas Lehnert: So wie es eine wichtige Aufgabe der Mutter ist, ihr Kind emotional satt zu machen, so ist es eine wichtige Aufgabe des Vaters, sein Kind emotional stark zu machen.

Volker Lehnert: Ein Vater sollte eine Art ‚Leitwolf’ sein. Dieser hat eine schützende Funktion und weicht keiner Bedrohung aus. Dadurch fühlt sich das ‚Rudel’, also die Familie, geschützt.

Felicitas Lehnert: Ein Vater muss sich bewusst sein, dass er sowohl bei seiner Tochter als auch bei seinem Sohn das Männerbild prägt. Der Sohn sieht: So werde ich mit meiner Frau umgehen. So werde ich mit meinen Kindern umgehen. So wichtig wird mir Familie sein … Die Tochter sieht: So wird ein Mann mit mir umgehen. So wird ein Mann mit meinen Kindern umgehen. So wird ein Mann zu seiner Familie stehen.

Sie schreiben auch über die Mutterrolle und dass es schwierig für Mütter ist, wenn ihre Töchter als „neue Schönheit“ erblühen.

Felicitas Lehnert: Das muss nicht, kann aber problematisch sein, insbesondere, wenn die Mutter sich über ihr Äußeres oder ihr Jungsein definiert und es ihr schwerfällt, in die nächste, durchaus attraktive Altersphase einzutreten. Unsere Kinder sind die nachfolgende Generation, die uns durch ihr Heranwachsen ständig vor Augen führen, dass ein Verharren in einer Lebensphase, mögen wir uns auch noch so an sie klammern, nicht möglich ist.

Wenn Sie die Aufgaben von Müttern und Vätern beschreiben, beziehen sich auf recht feste Rollenbilder. Sind sie unveränderlich?

Felicitas Lehnert: Nein. So viele Menschen es gibt, so viele Familien es gibt, so viele Varianten der Rollenaufteilung gibt es auch. Wichtig ist, dass jedes Paar seine eigene Rollenaufteilung findet. Das Kriterium ist, dass es der Familie dabei gut geht.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Wenn Teenager große Schwierigkeiten haben, tragen sie häufig die Probleme aus, die die Eltern mit sich selbst haben, sind Felicitas und Volker Lehnert überzeugt. In der aktuellen family 01/13  können Sie ihre Reaktion auf den konkreten Fall „Mein Sohn beschimpfte mich aufs Übelste“ nachlesen.

Interessiert? Dann testen Sie doch gleich family!

 

Foto: thinkstock/PolkaDot

Werteberge statt Spielzeughalden

Manche Kinderzimmer gleichen einem Spielzeugladen oder – je nach Alter – einem Elektronikgeschäft. Wie können Eltern dem allgegenwärtigen Konsumdruck gegensteuern? Anregungen von Silke Mayer

Mensch, Papa, biiiitttteeee!“, quengelt der zehnjährige Leon Groß für eine PlayStation Portable, während sein Vater gerade Unterlagen für eine Geschäftsreise zusammensucht. „Aber warum denn nicht? Papa? Pa-pa!“ Herr Groß sieht auf die Uhr und seufzt. „Also gut, wenn ich zurück bin, kaufen wir eine.“ Zur gleichen Zeit steht Frau Hartwig im Zimmer ihrer Tochter – einem Prinzessinnenreich aus Lila und Pink – und diskutiert über den anstehenden Schulranzen. „Nein, den von Lillifee!“, nölt die kleine Anna, „Sophie bekommt auch einen.“ Nach langem Hin und Her, Bitten, Betteln und Keifen gibt Frau Hartwig nach. Und hat ein schlechtes Gewissen. War es richtig, wieder einmal einzulenken? Eigentlich kann sie sich den teuren Ranzen gar nicht leisten.

Das große Quengeln
Laut Statistischem Bundesamt geben Eltern im Schnitt 550 Euro pro Monat für Kleidung, Spielzeug und Nahrungsmittel ihres Kindes aus, manchmal die Hälfte des Haushaltsnettoeinkommens. Dabei gibt es eine deutliche Steigerung nach Altersphasen: Kinder bis zu sechs Jahren kosten am wenigsten, ab der Grundschule wird es teurer und am meisten berappen die Eltern von Teenagern. Aber auch bei den Kleinen ist mittlerweile ein Anstieg zu verzeichnen: Für die Ausstattung von Erstklässlern bezahlten Eltern laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 2011 durchschnittlich 215 Euro. Das sind 30 Euro mehr als noch ein Jahr zuvor.

Den Handel dürfte es freuen. Denn der hat Kinder längst schon als kaufkräftige Zielgruppe entdeckt. In Zeiten, in denen es kaum noch darum geht, Fehlendes oder Defektes zu ersetzen, werden Gewinne mit dem Wunsch nach immer Neuem gemacht. „Kunden finden – Kunden binden“ heißt ein gängiger Slogan aus der Welt des Vertriebs. Und so werden Kinder- und Jugendprodukte weitflächig beworben: auf Plakaten, in Zeitungen, Internet und TV. Kinder zwischen sechs und 13 Jahren sehen monatlich etwa 900 Werbespots. Verschiedenen Studien zufolge haben Sechsjährige bereits 50 Prozent ihrer Konsumkompetenzen ausgebildet, 100 Prozent erreichen sie mit 16 Jahren.

Wen wundert es da, dass auch der Nachwuchs immer bestens informiert ist, was es gerade auf dem Markt gibt? Sobald etwas Begehrenswertes die Runde durch Freundeskreis und Schule macht, beginnt das große Quengeln. Besonders gestresste Eltern sind dafür anfällig. Der Wunsch nach Ruhe verleitet oft zu vorschnellem Nachgeben. Manch einer schlägt seinem Kind aber auch deshalb kaum etwas ab, weil er ein schlechtes Gewissen hat. Weil ihm vielleicht aus beruflichen Gründen häufig die Zeit für Sohn oder Tochter fehlt oder weil er als Alleinerziehender mit Geschenken unbewusst den fehlenden Elternteil wettmachen möchte.

Bloß kein Außenseiter
So gut wie alle Eltern geben klein bei, wenn irgendwann das verzweifelte Totschlagargument ertönt: „Alle in meiner Klasse haben das! Ich bin der Einzige, der …“ Dann greift die Angst der Eltern vor Ausgrenzung. Niemand will sein Kind zum Außenseiter machen. Jeder kann sich vorstellen, wie es ist, nicht dazuzugehören. Durch eigene Kindheitserinnerungen, aber auch als erwachsenes Mitglied einer Gesellschaft, in der Konsum und Besitz einen übergroßen Stellenwert einnehmen.

Sozialpsychologisch betrachtet hat jeder Mensch den Wunsch nach Zugehörigkeit und Anerkennung und orientiert sich an den Normen und Standards seiner Bezugsgruppe. In anderen Worten: Es gilt, innerhalb des eigenen Umfelds dazuzugehören, mitzuhalten in punkto Aussehen, berufliche Position, Auto, Wohnung oder Mode. Schon immer war das so, im alten Rom wie auch bei unseren Eltern.

Neu ist allerdings die Steigerung, die das Thema Besitztum in den letzten Jahrzehnten erfahren hat. Immer schneller kommen neue Produkte auf den Markt, Trends wechseln in immer rascherer Folge. Das Weihnachtsfest geht mittlerweile unter im Kaufrausch und allenthalben wird uns demonstriert, Besitz sei gleichbedeutend mit Glück und Lebensfreude. „Ich kaufe, also bin ich“, scheint das Credo der modernen Gesellschaft zu sein.

Wer unreflektiert ein solches Wertesystem und Konsumverhalten (vor)lebt, hat es schwer, Kindern ihre Wünsche abzuschlagen. Wer selbst Markenprodukte kauft, setzt damit Maßstäbe bei seinem Kind. Laut GfK waren beispielsweise 74 Prozent der Eltern selbst der Ansicht, dass bei einem Schulranzen die Marke besonders wichtig sei (2010). Warum sollten dann Kinder weniger einfordern als ausschließlich bestimmte Fabrikate?

Tiefergehende Werte
Ohne das eigene elterliche Verhalten zu überdenken und zu ändern, hat man kaum eine Chance, dem Sog der oberflächlichen Konsumwelt zu entkommen. Materielles war noch nie ein Garant für Glück, schon gar nicht ein Ersatz für Zeit oder Liebe. Es verhilft weder zu echten Freunden noch zu wahrhaftem Selbstbewusstsein. Anstelle von Konsum und pausenloser Bedürfnisbefriedigung sollten durch Vertrauen, bewusste Lebensgestaltung und Auseinandersetzung tiefergehende Werte vermittelt werden. Am allerbesten ist es natürlich, von klein auf anderen als materiellen Dingen Bedeutung einzuräumen. Ausflüge unternehmen statt massenhaft Spielzeug kaufen, miteinander reden, sich Zeit nehmen, Gemeinsamkeit leben – das ist es, worauf es wirklich ankommt. Zeitlich gestressten Eltern könnte es helfen, ihre Prioritäten anders zu setzen. Ist die saubere Wohnung am Wochenende wirklich so wichtig? Warum nicht einfach das Putzen einmal ausfallen lassen und stattdessen etwas spielen? Oder gemeinsam putzen und die gewonnene Zeit in eine schöne Unternehmung investieren?

Selbstbewusstsein stärken
Kinder sollten erfahren, dass es nicht wichtig ist, immer anerkannt zu sein und um jeden Preis dazuzugehören. Statt bewundernde Aussagen über den BMW des Nachbarn zu machen, könnte auch einmal ein Künstler gelobt werden, der unbeirrt seinen eigenen Weg gegangen ist. Eltern sollten herausstellen, dass es gut und erlaubt ist, eine eigene Meinung zu vertreten. Und das Kind sollte entsprechend gefördert und ermuntert werden. Das Selbstbewusstsein seines Kindes zu stärken, ist ohnehin das A und O im Kampf gegen den Konsumwahn, der aus Gruppendruck erwächst. Um gefeit zu sein gegen den Drang, alles mitmachen zu müssen, helfen dem Kind auch außerschulische Kontakte, etwa in einem Sportverein oder in der Musikschule. Solche Aktivitäten bringen neue Freunde und Aufmerksamkeit von ganz anderer Seite. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass auf diese Weise Alternativen zu Fernsehen und PC geschaffen werden und damit auch zur allgegenwärtigen Werbung.

Als Eltern findet man Unterstützung im Kontakt zu Gleichgesinnten mit ähnlich konsumkritischer Haltung. Wer richtiggehend etwas bewirken möchte, könnte das Thema einmal beim Elternabend der Schule zur Sprache bringen. Zumindest aber macht es Sinn, sich mit den Eltern der engsten Freunde des Kindes auszutauschen und Absprachen zu treffen.

Tatsache ist: Für Kinder ist es unglaublich wichtig, in ihrer Gruppe dazuzugehören. Im Grunde geht es beim Rückzug aus dem Konsum auch nicht um Verzicht, sondern um Mäßigung. So sollte unterschieden werden, welcher Wunsch für das Kind wirklich bedeutungsvoll ist und was lediglich dazu dient, im Freundeskreis ganz vorne mitzumischen.

Der goldene Mittelweg
Wenn ein Grundschüler auf die weiterführende Schule wechselt, ist das definitiv ein entscheidender Schritt im Leben des Kindes. Der will auch durch eine neue Schultasche signalisiert sein. Hier aus Prinzip zu blocken, wäre mehr schädlich als nützlich und würde eine tiefe Wunde hinterlassen. Hingegen jeden Monat neue Spiele für Nintendo, PlayStation und Co. zu erwerben, wäre erzieherische Achtlosigkeit. Ein guter Indikator dafür, wie viel einem Kind die Erfüllung seines Wunsches wirklich bedeutet, ist übrigens, es etwas vom Taschengeld beisteuern zu lassen.

Wer öfter nach einem Mittelweg sucht zwischen zu hohen Ausgaben und Wunscherfüllung, dem seien die Klassiker unserer Eltern empfohlen: Das Geschenk „aufteilen“ auf mehrere Feiertage, Geburtstag und Weihnachten etwa, oder auf mehrere Verwandte. Dank Internetbörsen kann man heutzutage auch leicht gutes Gebrauchtes finden. Eine weitere Variante wäre, das ein oder andere Teil aus der Habe des Kindes zu verkaufen, um mit dem Erlös wiederum das Gewünschte zu finanzieren.

Anschaffungen für die Kinder sind und bleiben ein Drahtseilakt zwischen Herz und Kopf. Heilsam gegen allzu leichtfertiges Nachgeben ist dabei die Erinnerung an die eigene Kindheit. Auch wir haben unseren Eltern damals erzählt, dass alle außer uns dies und jenes besäßen. Gestimmt hat das früher genauso wenig wie heute. Und wurden wir wirklich direkt zum Außenseiter, wenn uns hin und wieder etwas versagt wurde? Hat es uns dauerhaft psychisch geschadet, wenn wir nicht immer sofort jede Kleinigkeit bekamen?

Unsere schönsten Erinnerungen sind selten die, dass wir mit Spielzeug oder Anziehsachen überhäuft wurden, sondern die, wie uns ein wirklich großer Wunsch erfüllt wurde. Oder es sind Erinnerungen an besondere Menschen und ihre Eigenheiten, an Erlebnisse, an Atmosphäre. Diese Erkenntnis hilft, ab und zu nein zu sagen, wenn die Wünsche unserer Kinder überhand nehmen. Wir tun unseren Kindern keinen Gefallen mit dem allgegenwärtigen Dauerkonsum. Ein Zuviel an Bedürfnisbefriedigung ist gleichzeitig ein Zuwenig an Auseinandersetzung, an Wegweisung, an Förderung und kritischem Hinterfragen.

Ich kannte einmal ein amerikanisches Ehepaar, dessen Kinder an Weihnachten nie mehr als drei Geschenke bekamen – so viele, wie eben Jesus auch nur erhalten hatte. Ein erstaunliches Beispiel für Mäßigung. Vielleicht muss es aber gar nicht so extrem sein. Geschenke nur an Weihnachten – statt schon an den 23 Tagen vorher – wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Silke Mayer arbeitet im Bereich Weiterbildung und Training, daneben ist sie als freiberufl iche Autorin tätig. Sie lebt mit ihrer Familie in Duisburg.

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„Kinder brauchen gute Musik“

Ein Interview mit Daniel Jakobi, Vater, Schlagzeuger und Produzent der „Feiert Jesus! Kids“-CDs.

Machen Sie als Familie zusammen Musik?

Jacobi: Musik ist ein natürlicher Bestandteil unseres Familienalltags. Wir hören gern und viel Musik zu Hause und im Auto. Eine „Familienband“ haben wir zwar nicht, aber unsere beiden Kinder – acht und drei Jahre alt – spielen Klavier und Schlagzeug und singen gerne. Sie schnappen sich auch gern ihre Ukulelen und schrammeln einfach drauf los. Dann gibt es öfters Konzerte für Papa und Mama. Das sind sehr spielerische, Spaß-motivierte Aktionen. Manchmal spiele ich auch Cajon und übe ein bisschen mit meiner Tochter am Klavier. Aber wir haben keine festen „Musikrituale“. Für mich ist eher wichtig, dass man Kindern neben der Möglichkeit, selbst zu musizieren, auch gute Musik zum Hören anbietet.

Was ist für Sie denn „gute“ Musik?

Damit meine ich Musik, die mit Herz gemacht ist und nicht nur schnell produziert wurde. Ich finde auch wichtig, dass Kinder einen Höreindruck von live gespielter Musik mitbekommen. Dass man sie auch mal zum Konzert mitnimmt, wo sie sehen und hören, was passiert, wenn Leute Instrumente spielen und live singen. Gerade Musik für Kinder sollte immer einen hohen Qualitätsanspruch haben.

Ist es denn sinnvoll, die Kinder zur musikalischen Früherziehung oder zum Instrumentalunterricht in die Musikschule zu schicken?

Ja, absolut. Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, was das Musizieren für die Entwicklung der Kinder bringt. Mal abgesehen davon, dass es toll ist, ein Instrument spielen zu können.

Und wenn das Kind nach ein paar Monaten keine Lust mehr hat und nicht üben will?

Ich denke, das sind ganz normale Phasen, die immer auftreten, wenn man sich mit einer Herausforderung längere Zeit beschäftigt. Aber das ernsthafte Erlernen eines Instruments bringt es auch mit sich, dass man Disziplin übt. So lernen die Kids, langfristige Ziele nicht aus den Augen zu verlieren – auch über Durststrecken hinweg. Es muss klare Abmachungen geben: Unsere Tochter wollte zum Beispiel aus eigenem Antrieb Klavier spielen. Sie hat aber mittlerweile auch öfter Durststrecken beim Üben. Sie möchte dann gern mit einem neuen Instrument anfangen. Wir haben mit ihr aber vereinbart, dass sie während der Grundschulzeit bei ihrer ersten Wahl – dem Klavier – bleibt. Danach können wir gemeinsam weitersehen. In diesen Durststrecken sind gemeinsames Üben und viel Ermutigung entscheidende Hilfsmittel. Kleine Erfolge feiern und große Ziele in kleine Pakete verpacken! Kleine Konzerte oder Vorspiele können auch motivieren.

Wie können Eltern denn ihre Kinder motivieren, wenn sie selbst keinen Zugang zur Musik haben?

Kinder kann man leicht zum Musizieren motivieren, wenn sie anderen beim Musizieren zuschauen und zuhören. Vielleicht hilft dabei ein Tag der offenen Tür bei der örtlichen Musikschule, ein Konzert oder das Reinschnuppern in den Kinderchor der Kirchengemeinde. Wir sollten auch unsere Gottesdienste als Möglichkeit, Musik zu erleben, für die musikalische Prägung unserer Kinder nicht unterschätzen. Wenn mein Kind schon musiziert und ich es durch eine Durststrecke begleiten möchte, dann wirken Lob und Anerkennung oft Wunder. Das kann ich auch ohne besondere eigene musikalische Bildung leisten.

Instrumente lernen ist die eine Seite der Musik, Singen die andere…

Beim Singen ist der Vorteil, dass du immer Worte hast und diese Worte eine Botschaft haben. Kinder prägen sich Inhalte übers Singen sehr gut ein. Obwohl Singen nicht meine größte Leidenschaft ist, singe ich doch gerne mit meinen Kindern – vor allem abends am Bett oder im Auto. Ich merke, dass bei meinen Kindern in bestimmten Situationen Lieder aufkommen, die wirklich passen. Unser Sohn saß mit zweieinhalb Jahren hinten im Auto. Meine Frau hatte sich verfahren und war ein bisschen ratlos. Plötzlich sang er ein Lied von einer „Feiert Jesus! Kids“-CD: „Du bist immer bei mir, Jesus“. Das ist cool, gerade für Eltern, die ihren Kindern etwas von ihrem Glauben weitergeben wollen.

Haben die „Feiert Jesus! Kids“- Lieder eine spezielle Botschaft?

Das würde ich nicht sagen. Das „Feiert Jesus!“-Label umfasst ja im Wesentlichen Lobpreismusik, aber im Kindersegment fassen wir das etwas weiter. Wir haben auf der neuen CD zum Beispiel einen Rap, der die Noahgeschichte erzählt. Oder wir nehmen Lieder mit hinein, die sich stark am Alltag der Kinder, an Spiel- oder Schulsituationen orientieren und die Brücke von dort zum kindlichen Glauben schlagen. Diese Bandbreite der Songs und die Tatsache, dass alle Lieder komplett von Kindern gesungen werden, macht sicherlich einen großen Teil des Charmes der „Feiert Jesus! Kids“-Reihe aus.

Interview: Bettina Wendland

Freundinnen – mit und ohne Kind

Es ist einer dieser perfekten Som­merabende. Der Duft von Ge­grilltem lässt  den  Partygästen  das Wasser   im   Mund    zusammenlaufen. Gespräche,  zirpende  Grillen und  fröhli­ ches Gelächter schaffen eine entspannte Atmosphäre.  Auch wir sind  unter  den Gästen: Sina und Veronika. Wir kennen uns  nicht.  Und  beginnen   einfach  so ein Gespräch.  Partygeplänkel, aus dem dann ganz schnell mehr entsteht.  Denn so  unterschiedlich  wir  auch  sind,  es gibt  entscheidende  Gemeinsamkeiten: unser schräger Sinn für Humor,  unsere Liebe zum  Essen  und  unser  Interesse an christlicher Jugendarbeit.

Diese   Party   ist   der   Ausgangspunkt einer wunderbaren Frauenfreundschaft, die  über  die  Jahre  von  tiefen  Gesprä­chen,  Lachen und  geteilten  Sorgen genährt  wird. Und die auch Prüfungen standhalten   muss.    Als   erste    Kon­flikte aufgrund  der unterschiedlichen Lebenssituationen entstehen.  Oder als Veronikas  erste  Tochter  geboren  wird und  Sina darunter  leidet, dass sich die­ ser Traum von Ehe und Familie für sie selbst  noch  nicht   erfüllt  hat.  Immer wieder erlebt unsere Freundschaft Veränderungen,  die  uns  herausfor­ dern, die andere neu anzunehmen und verstehen zu lernen.

Die Freundschaft vor dem Mutterwerden

Veronika: Wir leben zwei Stunden  von­ einander  entfernt.  Das bedeutete früher stundenlange Telefonate am Abend, die sich meistens um Stress auf der Arbeit, Männer, unsere Beziehung zu Gott und um Gewichtsprobleme (eingebildet oder echt) drehten. Besuche gaben uns das Gefühl, angekommen zu sein. In der Gegenwart der Anderen erlebten wir Verständnis und Seelen­Wellness. Oft haben  wir nicht  viele Worte gebraucht. Und manchmal  ganz ganz viele. Uns verband auch die Liebe zum Reisen. Wir   haben   es   trotz   vollen  Terminka­ lenders geschafft, einmal ein „Weiber­ wochenende“ in Rom, Sinas Lieblingsstadt, zu verbringen.

Sina:  Wie   in   jeder   Beziehung    war die Anfangsphase unserer Freundschaft spannend. In ausgiebigen Gesprächen wurde die Vergangenheit der Anderen miterlebt, Gemeinsamkeiten gefunden, Höhen und Tiefen gemeinsam bestritten und die Unterschiedlichkeiten einfach erst mal übersehen. Als ich Veronika kennenlernte, hatte ich gerade erst den christlichen Glauben für mich entdeckt und  saugte alles auf, was mein  christli­ches Umfeld von sich gab. Veronika war mir eine große Hilfe in meiner ersten Orientierungsphase. Sie hat mir beige­ bracht, dass Glaube absolute Freiheit be­deutet! Außerdem  hatte ich bei ihr seit langer Zeit mal wieder das Gefühl, eine Freundin  gefunden  zu haben, die mich annimmt und  unterstützt, wie ich bin. Das war sehr erholsam!

Wertschätzung

Veronika: Ich schätze an Sina, dass sie mir den Pizzabäckertanz und die Her­ stellung von Pasta beigebracht hat. Oder dass sie mir einmal während einer sehr traurigen  Phase einen liebevoll gestalte­ ten Karton voller Aufmuntersüßigkeiten geschenkt  hat.  Ich liebe Sinas  Humor, ihr  Lachen.  Sie  hat  eine  ganz  große Liebe zu  Menschen  und  zu  Gott.  Sie geht den Dingen auf den Grund (kein Wunder  als Wissenschaftlerin!).  Das ist für mich anstrengend, denn ich weiche unangenehmen  Angelegenheiten    ger­ ne aus. Sina ist sozusagen mein spre­ chendes  Gewissen, das die Dinge beim Namen nennt, die ich selbst gerne unter den  Teppich  kehren  würde.  Ich  liebe auch   ihre   Zerbrechlichkeit   und   ihre unfassbare  Stärke, mit der sie den  He­rausforderungen des Lebens begegnet.

Sina: Ich schätze an Veronika, dass sie felsenfest  verlässlich ist, dass  man  ihr Lachen aus zwei Kilometern Entfernung hört, dass sie einen Sinn für das Schöne und  das Detail hat,  was man  in ihren Fotografien   und   ihrem    gemütlichen Zuhause  erkennt.  Ich genieße  unseren Austausch   über   Gott   und   die   Welt. Mittlerweile können  wir entspannt dis­kutieren,  ohne die Angst, verschiedene Ansichten könnten unsere Freundschaft beeinträchtigen. Ich mag ihre liebevolle Art, mich auf Fehler hinzuweisen, dass sie nicht  nachtragend  ist und  dass  sie mir Hoffnung  und Trost gibt. Ich genie­ße es, wie sie mich umsorgt,  wenn ich sie besuche und bin ganz gerührt, wenn sie mich ihren Töchtern als „Tante Sina“ präsentiert.

Der Start in die Kinderphase

Veronika: Einige Zeit nach unserem Kennenlernen   wollten    mein    Mann und ich eine Familie gründen. Sina wünschte   sich   zu   diesem   Zeitpunkt selbst  sehnlichst  Kind  und  Mann. Unsere Freundschaft erlitt ihre erste Belastungsprobe, unter deren Gewicht Risse auftraten.  Ich wollte diese Risse nicht.  Ich  versuchte  sie  zu  ignorieren und schönzureden, aber letztendlich mussten   wir  uns   beide   eingestehen, dass wir an sehr unterschiedlichen Punkten  unseres  Lebens standen.  Und von diesen Punkten aus war die Position der jeweils Anderen meilenweit entfernt.

Sina: Wir kamen in eine neue Phase unserer Freundschaft. Meine Lebens­ realität war die gleiche wie vorher, aber für Veronika sollte ein neuer Abschnitt beginnen. Für mich war klar, dass sich alles verändern würde und ich konnte diese neue Situation erst mal nur kri­ tisch annehmen. Die Angst, dass die unterschiedlichen Lebensrealitäten un­ überwindbar werden und aus einem Telefonat in der Woche eine Karte zu Weihnachten werden könnte, machte sich in mir breit. Ich spürte Skepsis und Einsamkeit.Veronika: Ich erinnere mich genau an den Moment, als Sina unsere neuge­ borene Tochter das erste Mal im Arm hielt. Ihr liefen Tränen übers Gesicht. Und ich wusste, dass das nicht nur Freudentränen waren, sondern auch Tränen über ihre Ehe­ und Kinderlosig­ keit. In dem Moment gab es mir einen Stich der Enttäuschung ins Herz. Als beste Freundin musste sie doch meine riesige Freude über dieses neue Leben teilen! Ich war voll Sorge, dass Sina von mir Abstand nehmen würde. Denn ich konnte mich nicht mehr in dem Maße in die Freundschaft investieren wie vor­ her. Abends war ich oft dermaßen er­ schöpft, dass die Kraft nicht mehr dafür reichte, zum Telefon zu greifen oder ei­ nen E­Mail­Gruß zu senden. Ich hoffte einfach, dass unsere gemeinsame Ver­ gangenheit und gegenseitiges Verständ­ nis unsere Freundschaft durch diese Zeit tragen würden.Sina: Die Freude über den Nachwuchs war natürlich riesengroß, aber die Sehn­ sucht nach einer eigenen Familie lässt sich mit einem süßen Knirps auf dem Arm einfach nicht mehr so gut verdrän­ gen. Es begann eine Zeit mit neuen Prioritäten und Problemen. Die Pro­bleme von Veronika wurden schwerer nachzuvollziehen und schon so banale Dinge wie der Tagesablauf konnten zum Hindernis werden. Wenn ich nach meinem Arbeitstag, dem Sport oder an­ deren Unternehmungen am späteren Abend nach Hause kam, erreichte ich meist eine übermüdete Veronika, die nach dem 24-­Stunden-­Job Kind nicht mehr die Muße hatte, wie früher zwei Stunden mit mir zu quatschen. Obwohl der verminderte Kontakt anfangs nicht leicht war, merkte ich, dass es uns aber immer noch wichtig war zu wissen, was in dem Leben der Anderen passierte.

Die Krise überwunden

Veronika: Mir wurde klar, dass ich Sina in ihrer Sehnsucht nach Familie neu annehmen und ihr weiterhin Freundin sein wollte. Für mich als frischgebacke­ ne Mutter bedeutete das, nicht nur stän­ dig von meinem Baby zu schwärmen, über Windelberge und Schlafentzug zu klagen, sondern mich für die Lebens­ wirklichkeit meiner Singlefreundin zu öffnen. Es war nicht immer einfach, denn ich wollte nicht in Gefahr geraten, mich zu verbiegen, um Sina „zu gefal­ len“. Andererseits tat es mir unend­ lich gut, mit ihr über babyferne Dinge sprechenzu können. Zum Beispiel über meine Beziehung zu Gott, über das neue Jamie­Oliver­Kochbuch, über Lite­ ratur oder Nahost­Politik.

Sina: Wir haben akzeptiert, dass sich unsere Freundschaft verändert hat, ohne dass sich die Position der Anderen im eigenen Herzen verändert hat. Wir hören und sehen uns vielleicht nicht mehr so oft, aber die Qualität unserer Freundschaft leidet nicht darunter. Wir haben uns miteinander weiterentwi­ckelt und haben offen und ehrlich Din­ge akzeptiert, die für einen selbst viel­ leicht nicht nachvollziehbar waren. Wir haben Anteil genommen und auch mal das Eigene zurückgesteckt. Mittlerweile genieße ich den Austausch über die un­terschiedlichen Lebenslagen, das lässt die eigene Situation in neuem Licht erscheinen.

Veronika: Ich habe festgestellt, dass ich Sina durch meine Ehe und Mutterrolle nicht „überlegen“ bin, im Gegenteil. Ich lerne von Sina unglaublich viel. Sie ist in den letzten Jahren in Glaubensdin­ gen stark gewachsen. Davon profitiere ich, wenn ich mal wieder den Durch­ blick verloren habe. Da holt sie mich zurück auf den richtigen Weg. Und ich bleibe offen für die Lebenswirklichkeit von Singlefrauen. Ich habe gelernt, dass es kein Patentrezept für die Partnersu­ che gibt und dass wohlwollende, trös­ tende Worte oft verletzend sein kön­ nen. In dunklen Zeiten hilft es meiner Freundin zu wissen, dass ich sie lieb habe, ihr zuhöre und mich still und be­ tend an ihre Seite stelle. Sprüche à la: „Der Richtige kommt schon noch“ oder „Du hast ja noch so viel Zeit“ sind nicht hilfreich.

Sina: Mir als Single gibt die Freund­ schaft mit einer Mutter die Möglichkeit, einen neuen Standpunkt kennenzuler­ nen.Esbestärkt mich im Glauben an die Familieund desillusioniert auch so man­ ches Mal die zu romantische Vorstel­ lung von Ehe und Elternsein. Veronika kann mir vielleicht keine Tipps für meine Lebenslage geben, aber sie unter­ stützt mich und eröffnet mir auch mal eine andere Sicht auf die Dinge. Das  Gute ist, dass unsere  Freundschaft nicht  durch  den Be­ziehungsstatus oder die Anzahl der Kinder definiert wird, sondern   durch  die  Verbindung   von  zwei  Frauen,  die durch  die richtige  Mischung  an Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten gefestigt wurde.

Freundschaftspflege

Veronika:  Freundschaft als Mutter  leben – das gestaltet sich nicht immer  einfach. Will ich mal in Ruhe telefo­ nieren,  dann  hängt  mir  garantiert  nach  zwei Minuten ein Kleinkind kreischend  am Hosenbein. Oder Erschöp­ fung wirkt sich so lähmend  auf mich aus, dass ich Tref­ fen oder Telefonate um Wochen verschiebe. Ich vergesse Geburtstage. Oder wichtige Anliegen, für die ich beten sollte. Trotzdem merke ich, wie gut es mir tut, meine Freundschaften zu pflegen. Das gelingt mir, wenn ich meine „Freundschaftspflege“ plane. In meiner Wochen­ planung trage ich Anrufe und E­Mails ein. Ich achte auch darauf, Freundinnen in regelmäßigen Abständen  zu se­ hen. Das bündele ich auch gerne, indem ich Geburtstags­ und gelegentliche Dinnerpartys schmeiße.  Eine tief ver­ wurzelte Freundschaft überlebt eine kurze Dürreperiode. Aber an anhaltendem Pflegemangel wird sie irgendwann zugrunde  gehen.

Sina: Ich habe gelernt, unseren  Kontakt besser zu timen. Auch wenn mein  Leben mehr  Flexibilität zulässt,  versu­ che ich mich  an  Veronikas  Tagesablauf  zu  orientieren. Das heißt  zum  Beispiel keine Anrufe während  der „Kin­ der­ins­Bett­bring­Phase“, Termine einhalten und nicht kurzfristig  alles umschmeißen, weil es für einen  selbst ja unproblematisch ist. Es gilt das Wesentliche  zu bere­ den, das Nebensächliche  zu ignorieren  und  das Schöne zu genießen,  und das ist in so einer Freundschaft meist die gemeinsame Zeit.

Veronika Smoor aus Waldbach bei Heilbronn ist zweifache Mutter und Hausfrau. Gerne lässt sie Windelberge und Putzlappen links liegen, um sich dem Schreiben und der Fotografie zu widmen. Ihren Mütter-Alltag verarbeitet sie in ihrem Blog: http://smoorbaer.wordpress.com
Sina Roth aus Biberach arbeitet als Biologin. Neben ihrer Leidenschaft für die Jugendarbeit lebt sie ihre Kreativität beim Schreiben und Fotografieren aus. Sie arbeitet an einem Buch über Frauen, Beziehungen und das Kopfkino der weiblichen Welt.