Das Wirrwarr durchstehen
Wie das Linksabbiegen Stefanie Diekmann zum Nachdenken bringt.
Eigentlich ist Autofahren für mich zur Routine geworden. An einer Stelle auf meinem Weg durch Mainz bin ich aber jeden Tag neu angespannt. Hier ist ein richtiges Wirrwarr. Die Straßenbahn läuft parallel zur Straße und die Busspur kreuzt, gleich darf ich links abbiegen. Links – wie denn? An jedem Tag sagt mein Instinkt mir: „Nein, hier geht es nirgendwo über die Straßenbahntrasse. Keine Chance. Nun kommt auch noch ein Bus. Gleich knallt’s!“
In meinem Leben kenne ich diese Momente auch. Ich weiß um Gottes Begleitung, umbete meinen Alltag, und doch erscheint mir das Wirrwarr an Gefühlen, Gedanken, Forderungen und Wünschen ohne klare Zielführung. Manchmal sogar täglich neu. Als hätte ich noch nie eine brenzlige Situation umschifft oder einen Schiffbruch überlebt. Es ist ein mal fröhlich, mal verzweifelt gelebtes Chaos. Der Tag, an dem das Kind innerhalb von Sekunden krank wird und der ganze Tag neu geplant werden muss. Oder eine herausgebrochene Uralt-Zahnfüllung, die mehrere Arztbesuche erfordert. Ein Besuch bei Freunden, der sich als unerfreuliches Diskussionsforum entpuppt und noch Tage in meiner Seele hängt.
Lerne ich nichts aus den durchstandenen Situationen? Eine Frau sagte mal: „Ich habe mir diese schwere Nacht mit drei Magen- und Darm-Kindern bewusst eingeprägt, um mir später immer wieder sagen zu können: Das hast du überlebt – sogar gemeistert. Das wird jetzt nicht schlimmer sein.“
In meinem Wirrwarr verliere ich oft den Blick auf gute Erfahrungen und auf meine Stärken. Ich verliere auch den Bezug und die Verbindung zu Gott. Ich habe schon so oft erlebt, dass mir Liedtexte guttun, Gott sogar eingreift oder eine Idee schenkt. Wieso erinnere ich mich oft nicht daran, wie viel Kraft darin steckt?
Diese Kreuzung – jeden Morgen – ist meine Erinnerungshilfe. Jedes Mal, wenn ich denke: „Nein – hier geht es nicht weiter! Niemals kann ich hier links abbiegen!“, blinkt das Auto vor mir und zeigt mir die unscheinbare Stelle, wo die Trasse der Straßenbahn abgesenkt ist und ein abgenutzter Linksabbiegerpfeil ahnen lässt, wie die Spur zu nutzen ist.
Und wenn ich den Gegenverkehr lange genug in den Blick genommen habe und die Straße überquere, grinse ich über mich: „Klar! Hier kann man nicht abbiegen!“ Und ich murmle ein Leises „Danke, Jesus!“ Denn die Kreuzung ist wirklich ein echtes Wirrwarr!
Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.